Die COVID-19-Pandemie hat nicht nur akute gesundheitliche Herausforderungen mit sich gebracht, sondern auch langfristige Folgen, die als Long COVID oder Post-Vac-Syndrom bekannt sind. Diese umfassen eine Vielzahl von neurologischen Symptomen, deren Ursachen und Mechanismen noch nicht vollständig verstanden sind. Dieser Artikel beleuchtet die möglichen Ursachen von Neuropathien nach einer COVID-19-Impfung und gibt einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand.
Persistenz des Spike-Proteins und neurologische Folgen
Eine aktuelle Studie von Forschenden von Helmholtz Munich und der LMU hat einen Mechanismus identifiziert, der möglicherweise die neurologischen Symptome von Long COVID erklären könnte. Die Studie zeigt, dass das SARS-CoV-2-Spike-Protein in den schützenden Schichten des Gehirns, den Hirnhäuten, und im Knochenmark des Schädels bis zu vier Jahre nach der Infektion verbleibt. Diese dauerhafte Präsenz des Spike-Proteins könnte bei den Betroffenen chronische Entzündungen auslösen und das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen erhöhen.
KI-gestützte Bildgebungstechnik
Eine neuartige KI-gestützte Bildgebungstechnik, entwickelt von Prof. Ali Ertürks Team, liefert neue Einblicke, wie das SARS-CoV-2-Spike-Protein das Gehirn beeinflusst. Die Methode macht Organe und Gewebeproben transparent, wodurch die dreidimensionale Visualisierung von Zellstrukturen, Stoffwechselprodukten und in diesem Fall viralen Proteinen möglich wird. Durch diese Technologie konnten die Forschenden eine bisher nicht feststellbare Ablagerung des Spike-Proteins in Gewebeproben von Menschen mit COVID-19 und Mäusen aufdecken.
Anreicherung des Spike-Proteins
Die im Fachjournal Cell Host & Microbe erschienene Studie zeigte signifikant erhöhte Konzentrationen des Spike-Proteins im Knochenmark des Schädels und in den Hirnhäuten, selbst Jahre nach der Infektion. Das Spike-Protein bindet an sogenannte ACE2-Rezeptoren, die in diesen Regionen besonders häufig vorkommen. „Das könnte diese Gewebe besonders anfällig für die langfristige Ansammlung des Spike-Proteins machen“, erklärt Dr. Zhouyi Rong, Erstautor der Publikation.
Reduktion durch mRNA-Impfstoffe
Das Team um Ertürk entdeckte, dass der mRNA-COVID-19-Impfstoff von BioNTech/Pfizer die Anreicherung des Spike-Proteins im Gehirn signifikant reduziert. Mit dem mRNA-Impfstoff geimpfte Mäuse zeigten niedrigere Spike-Protein-Werte sowohl im Gehirngewebe als auch im Knochenmark des Schädels im Vergleich zu ungeimpften Mäusen. Die Reduktion betrug jedoch nur etwa 50 Prozent, sodass ein Rest des Spike-Proteins weiterhin ein toxisches Risiko für das Gehirn darstellt.
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Neurologische Beschwerden nach COVID-19-Erkrankung
Viele COVID-19-Patient*innen entwickeln neurologische Beschwerden, die unter dem Begriff "Neuro-Covid" zusammengefasst werden. Anhaltende Erschöpfung, Schmerzen, Konzentrationsstörungen, Gedächtnisprobleme und Schlafstörungen sind häufige Symptome. In extremen Fällen kann es sogar zu demenzähnlichen Symptomen oder Psychosen kommen. Das Coronavirus Sars-CoV-2 kann auch das Nervensystem befallen, was zu Riechstörungen, Erschöpfung und kognitiven Defiziten führen kann. Zudem erhöht COVID-19 das Schlaganfallrisiko, da Störungen der Blutgerinnung zu Gefäßverschlüssen führen können.
Post-Vac-Syndrom: Long COVID nach Impfung
Vieles deutet darauf hin, dass zu den bereits bekannten unerwünschten Ereignissen nach einer COVID-19-Impfung auch Long COVID zählen kann, das sogenannte Post-Vac-Syndrom. Im Sicherheitsreport listet das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) einige sehr seltene unerwünschte Reaktionen, wie etwa Myokarditis und Perikarditis, das Guillain-Barré-Syndrom sowie dem Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom.
Internationale Studienlage
Ein Blick in die internationale Studienlage zeigt ein spärliches Bild. Ein Beitrag in Science berichtete kürzlich über 34 Post-Vac-Fälle, die das National Institute of Health (NIH) unter Leitung von Avindra Nath, klinischer Direktor am National Institute of Neurological Disorders and Stroke (NINDS) untersucht hatte.
Anlaufstellen in Deutschland
Deutschlandweit gibt es bisher 2 Anlaufstellen für Erwachsene mit Verdacht auf Post-Vac: Eine Spezialambulanz für Post-Vac-Fälle am Universitätsklinikum Marburg sowie die neurologische Post-COVID-19-Sprechstunde an der Klinik für Neurologie, Charité Universitätsmedizin Berlin. Hier werden Post-Vac-Betroffene im Gegensatz zur Marburger Ambulanz allerdings nur bei primär neurologischer Manifestation betreut.
Symptome des Post-Vac-Syndroms
Die Patienten präsentieren sich mit einem sehr heterogenen Bild, welches dem eines Long-COVID-Syndroms sehr ähnelt.
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Forschung zu den Ursachen
Die Universität Marburg bereite mit dem PEI eine deutschlandweite Erhebung vor, mit dem Ziel, „die Menschen mit einem erhöhten Risiko für Post-Vac vor der nächsten Impfkampagne im Herbst herauszufiltern und diese Menschen dann zu schützen“. Auch das PEI bestätigte, dass eine Studie geplant sei, in der lang andauernde Beschwerden nach COVID-19-Impfung, die mit chronischer Müdigkeit einhergehen, charakterisiert werden sollen.
Mögliche Ursachen
Über die Ursachen des Post-Vac-Syndroms kann derzeit nur spekuliert werden. Möglicherweise sei eine Reaktivierung einer Epstein-Barr-Virus-(EBV-)Infektion in der Entstehung von Long COVID und Post-Vac beteiligt. Eine Rolle bei der Entstehung des Syndroms könnten auch Autoantikörper spielen.
Häufigkeit von Long COVID nach Impfung
Im Hinblick auf die Nebenwirkungen, die im Post-Marketing-Report von BioNTech/Pfizer angegeben sind, schätzt Schieffer die Wahrscheinlichkeit von Post-Vac auf etwa 0,02 % nach einer Impfung. Das Risiko für ein neurologisches Post-Vac-Syndrom schätzt Prüß noch niedriger. Nach einer Infektion würde Long COVID demnach deutlich häufiger auftreten als nach einer Impfung.
Forderung nach mehr Spezialambulanzen
Prof. Dr. med. Harald Matthes, Stiftungsprofessur Integrative und Anthroposophische Medizin an der Charité, forderte in einem Beitrag von MDR Panorama mehr Spezialambulanzen für COVID-19-Langzeitfolgen auch für Patienten mit Impfkomplikationen zu öffnen.
PIMS nach Impfung
Es zeichnet sich ab, dass PIMS auch aufgrund einer Impfung auftreten kann, allerdings seltener als nach einer SARS-CoV-2-Infektion.
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Fallbericht
Prof. Dr. med. Matthias Keller, Chefarzt der Kinderklinik Passau, berichtete dem DÄ bereits Anfang März von einem 7-jährigen Jungen, der nach einer 3. Impfung ein schweres PIMS entwickelt hatte. Diesen Fall habe er an die DGPI gemeldet.
Internationale Daten
Die PIMS-Inzidenz nach einer Impfung könnte demnach bei 0,3 Fällen auf 1 Million Impfungen liegen.
Neurologische Aspekte für Patienten
Die zugelassenen Impfstoffe sind nach jetzigem Kenntnisstand sicher. Bei etwa zehn von einer Million Geimpften kann es schwere allergische Reaktionen geben. Sollte es trotzdem eine Reaktion auf die Impfung geben, passiert das kurz danach. Geimpfte Personen sollten einen Arzt aufsuchen, falls sie nach der Impfung Symptome entwickeln, die über die „üblichen“ grippeähnlichen Beschwerden für 1 bis 4 Tage hinausgehen. Symptome für eine Sinus- bzw. Leitsymptome von cerebralen Sinus- und Venenthrombosen (CSVT) sind anhaltende Kopfschmerzen und andere neurologische Symptome.
mRNA-Technologie
Einige Impfstoffe basieren auf der sogenannte mRNA-Technologie. Die mRNA ist nur eine Art Bauanleitung für ein Protein, das die Immunreaktion gegen Corona auslöst. Sie kann nicht in unser Erbgut eingebaut werden.
Empfehlungen für neurologische Patienten
Neurologische Patienten sollten sich impfen lassen, da einige neurologische Krankheiten mit einem erhöhten Risiko für einen schwereren COVID-19-Verlauf einhergehen können. Personen mit Demenz sind besonders gefährdet, weil sie die Verhaltens- und Hygieneregeln oft nicht mehr befolgen können.
Schlaganfallrisiko
Bei Symptomen eines Schlaganfalls muss immer sofort gehandelt werden.
Long COVID-19-Syndrom
Die Spätfolgen können jeden Corona-Patienten treffen, auch junge und an sich gesunde Menschen. Die häufigsten anhaltenden Symptome sind Müdigkeit und Erschöpfung (Long Covid-19-Syndrom).
Ursachen von Kopfschmerzen nach Corona-Infektion
Die Ursachen von Kopfschmerzen nach einer Corona-Infektion sind noch nicht ausreichend bekannt. Allerdings berichten viele Patienten im Rahmen der Infektion und auch noch Wochen danach von Kopfschmerzen, manchmal sogar als einziges Symptom überhaupt. Zum einen kann das Coronavirus durch unterschiedliche Mechanismen ins Nervensystem vordringen. Bei schwer erkrankten Corona-Patienten entstehen die meisten neurologischen Probleme aber aus anderen Gründen, nämlich weil der Körper mit einer zu starken Entzündungsreaktion auf das Virus antwortet, das Immunsystem falsch reagiert, das Blut vermehrt gerinnt oder die Gefäßwände geschädigt werden.
Was tun bei anhaltenden Beschwerden?
Bei anhaltenden Symptomen und fehlender Besserung kann eine Objektivierung der Symptome beim Arzt helfen. Bei deutlichen Einschränkungen und/oder unklaren Symptomen kann es sinnvoll sein, eine Post-Covid-Ambulanz aufzusuchen. Bei schweren Symptomen sollte man sich immer sofort in die Notaufnahme eines Krankenhauses bringen lassen oder den Notruf wählen.
Dauer der Beschwerden
Die Probleme können von wenigen Tagen bis hin zu einem Jahr und länger anhalten. Viele Spätfolgen bilden sich in den ersten Wochen aber oft deutlich zurück.
Umgang mit Spätfolgen
Zunächst: Abwarten und Tee trinken - so könnte die Devise bei Corona-Spätfolgen lauten. Denn meistens verschwinden sie nach einiger Zeit von selbst. Vielen Betroffenen hilft in dieser Zeit ein „Symptom-Tagebuch“, in dem sie täglich festhalten, wie die Beschwerden sich entwickeln.
Wann zum Arzt?
Es wird empfohlen, dass Betroffene bei einer Dauer von über vier Wochen zur Abklärung der möglichen Ursache zum Neurologen und Hals-Nasen-Ohren-Arzt gehen.
Nervenschädigungen und Long COVID
In einer kleinen Studie wurden Long-Covid-Patienten mit Symptomen untersucht, die auch bei einer Nervenschädigung auftreten können. Knapp zwei Drittel der Patientinnen und Patienten wiesen tatsächlich Nervenschäden auf, insbesondere eine Small-Fiber-Neuropathie (SFN).
Small-Fiber-Neuropathie (SFN)
Bei der überwiegenden Mehrheit der Long-Covid-Patienten sei eine sogenannte Small-Fiber-Neuropathie festgestellt worden - eine Schädigung kleiner Nervenfasern, die Empfindungen wahrnehmen und unwillkürliche Körperfunktionen wie das Herz-Kreislauf-System und die Atmung regulieren.
Symptome und Behandlung
Unter die Symptome von Long Covid fallen Müdigkeit, Herzrasen, Kurzatmigkeit, kognitive Schwierigkeiten, chronischen Schmerzen, sensorischen Anomalien und Muskelschwäche. Einige Patienten erhielten eine Therapie mit Steroiden oder mit intravenösem Immunglobulin.
Weitere Forschungsergebnisse und Behandlungansätze
In einem Artikel des Fachmagazins Science beschrieben, fanden Wissenschaftler*innen auf der Suche nach den Ursachen dieser Symptome zunehmend Übereinstimmungen mit bereits erforschten Erkrankungen. Bei einer Folgeerscheinung handelt es sich um die Small-Fiber-Neuropathie (SFN), eine Erkrankung des peripheren Nervensystems. Beim zweiten, beschriebenen Krankheitsbild handelt es sich um das sogenannte posturale orthostatische Tachykardiesyndrom (POTS). Bernhard Schieffer, Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Internationale Intensivmedizin am Universitätsklinikum Marburg, hat inzwischen ein experimentelles Behandlungsschema entwickelt, um Betroffenen mit Post-Vac-Syndrom zu helfen.
Guillain-Barré-Syndrom (GBS)
Das GBS ist eine akute, potenziell lebensbedrohliche Autoimmunerkrankung des peripheren Nervensystems, die sich typischerweise mit rasch aufsteigenden, schlaffen Lähmungen sowie teilweise auch sensorischen und autonomen Störungen manifestiert.
GBS und COVID-19-Impfstoffe
Auch nach Impfung mit dem COVID-19-Impfstoff von AstraZeneca und anderen Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 werden in der Literatur Fälle von GBS beschrieben. Dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) wurden bis zum 31.07.2021 insgesamt 84 Fallberichte eines GBS bzw. Miller-Fisher-Syndroms im Zusammenhang mit Vaxzevria® gemeldet.
Fazit zum GBS
Der beschriebene Fallbericht sowie weitere Berichte in der Literatur und im Spontanmeldesystem deuten darauf hin, dass GBS eine mögliche Nebenwirkung von Vaxzevria® sein könnte. Allerdings sind angesichts der Vielzahl der Geimpften auch spontan bzw. durch andere Pathogene ausgelöste GBS zu erwarten. Es kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei dem berichteten Fall um eine zufällige Koinzidenz handelt.
LISTEN-Studie zu Long COVID und Post-Vac-Syndrom
Mediziner der Yale Universität untersuchen derzeit in der LISTEN-Studie (Listen to Immune, Symptom and Treatment Experiences Now) nach Erklärungen für Long COVID und das Post-Vac-Syndrom (PVS).
Ergebnisse der LISTEN-Studie
Das Team um Akiko Iwasaki stellt erste Untersuchungsergebnisse zu 42 PVS-Patienten vor. Am häufigsten waren dies exzessive Müdigkeit (85 %), Kribbeln und Taubheit (80 %), leichte Erschöpfung bei körperlichen Bewegungen (80 %), „Brain fog“ (77,5 %), Konzentrationsstörungen (72,5 %), Schlafstörungen (70 %), Neuropathie (70 %), Muskelschmerzen (70 %), Angstzustände (65 %), Tinnitus (60 %) und brennende Empfindungen (57,5 %).
Auffälligkeiten bei PVS-Patienten
Die Forscher fanden einige Unterschiede zwischen den PVS-Patienten und der Kontrollgruppe, darunter ein verändertes Immunprofil und eine Persistenz des Spike-Proteins.
Polyneuropathie und COVID-19
Die Erkrankung Neuropathie, die oft als periphere Neuropathie bezeichnet wird, weil sie die peripheren Nerven außerhalb Ihrer Wirbelsäule und Ihres Gehirns betrifft, verweist auf geschwächte oder beschädigte Nerven. Der Covid-Virus scheint nicht Neuropathien auszulösen. Aber es wird immer deutlicher, dass sich eine Covid-Erkrankung negativ auf die Ausprägung unterschiedlicher Symptome auswirken kann.
Risiken für Patienten mit Neuropathie
Da Ihr Immunsystem geschwächt ist, haben Sie ein viel höheres Risiko, sich mit dem Virus zu infizieren. Wenn Sie sich mit dem Virus infizieren, ist es unwahrscheinlich, dass Ihre Zellen erneut geschädigt werden, aber es kann auch zu einem Wiederaufflackern Ihrer neuropathischen Symptome kommen.
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