Priv.-Doz. Dr. David Kremer ist ein anerkannter Neurologe, der sich insbesondere durch seine Forschungsarbeit im Bereich der Multiplen Sklerose (MS) einen Namen gemacht hat. Seine Arbeit trägt dazu bei, neue Therapieansätze für diese komplexe Erkrankung zu identifizieren.
Ausgezeichnete Forschung zur Multiplen Sklerose
Im Jahr 2020 wurde Priv.-Doz. Dr. David Kremer von der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) mit dem Hörlein-Preis für Multiple-Sklerose-Forschung ausgezeichnet. Dieser mit 5.000 Euro dotierte Preis würdigte seinen Forschungsbeitrag, in dem er weitere mögliche Ansatzpunkte für die Therapie der Multiplen Sklerose identifiziert hat. Die Verleihung fand im Rahmen der traditionellen Promotionsfeier der Medizinischen Fakultät statt.
Multiple Sklerose: Eine Herausforderung für die Neurologie
Multiple Sklerose (MS) ist eine Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), die in Europa eine Prävalenz von etwa 1:500 aufweist. Sie ist durch eine entzündliche Zerstörung der Myelinscheiden gekennzeichnet, die die Nervenfortsätze (Axone) des ZNS umgeben und schützen. Dieser Verlust der Isolationsschichten kann zu vielfältigen neurologischen Symptomen führen, darunter Empfindungsstörungen (Parästhesien), Koordinationsstörungen (Ataxie) und Lähmungen (Paresen).
Die Erkrankung verläuft zumeist in Schüben (schubförmig-remittierende MS), wobei es zu einer Entzündung im ZNS kommt. In den progredienten, nicht schubförmigen Verlaufsformen (primär-progrediente und sekundär-progrediente MS) überwiegen jedoch neurodegenerative Aspekte die Entzündung, was zu einer langsamen Zerstörung von immer mehr Axonen führt.
Während für die schubförmig-remittierende MS zahlreiche Therapeutika zugelassen sind, die den autoimmunen Entzündungsprozess effektiv kontrollieren, haben diese Medikamente bei progredienten Verlaufsformen nur einen geringen Nutzen. Als bester Schutz gegen den axonalen Untergang gilt die Remyelinisierung, also der Ersatz verloren gegangener Myelinscheiden. Dieser Prozess wird durch oligodendrogliale Vorläuferzellen (OVZ) vermittelt, die zu reifen Oligodendrozyten ausdifferenzieren und neue Myelinscheiden produzieren.
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Neue Therapieansätze im Fokus: Die Förderung der Remyelinisierung
Die medikamentöse Stimulation der Remyelinisierung als neues Therapieziel bei MS ist in den vergangenen Jahren zunehmend in den Fokus der grundlagenwissenschaftlichen und klinischen Forschung gerückt. Priv.-Doz. Dr. Kremer leistet hier einen wichtigen Beitrag.
Zur Beurteilung einer möglichen remyelinisierenden Wirkung neuer Medikamente können neben klinischen Verbesserungen auch paraklinische Methoden eingesetzt werden. Hierzu gehören visuell evozierte Potenziale (VEP) und MRT-basierte Methoden wie die "magnetization transfer ratio" (MTR), die Änderungen im Myelingehalt von MS-Läsionen messen kann.
Medikamente mit Potenzial zur Remyelinisierung
Im Rahmen der Forschung werden verschiedene Substanzen untersucht, die bereits für andere Indikationen zugelassen sind und möglicherweise einen zusätzlichen positiven Effekt auf die Remyelinisierung bei MS haben könnten ("Drug Repurposing"). Einige Beispiele sind:
- Clemastin: Ein Antihistaminikum der ersten Generation, das in einer Phase-II-Studie eine statistisch signifikante Verbesserung der P100-Latenz in den VEP zeigte, was als Hinweis auf eine Remyelinisierung gewertet wurde.
- GSK 239512: Ein Antihistaminikum, das sich gegen den Histaminrezeptor vom Typ H3 richtet. In einer Phase-II-Studie wurde jedoch der primäre Endpunkt - eine verbesserte Remyelinisierung von MS-Läsionen gemessen mittels MTR - nicht erreicht.
- Opicinumab: Ein monoklonaler Antikörper, der sich gegen LINGO-1 richtet. Studien deuten auf eine Verbesserung der Funktion des Sehnervs hin, jedoch ohne Verbesserung des Visus.
- Temelimab: Ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der sich gegen das Hüllprotein (ENV) des multiple-Sklerose-assoziierten Retrovirus (MSRV) richtet. Temelimab zeigte einen signifikanten Effekt auf die kortikale und thalamische Atrophie sowie auf die Anzahl von "Black Holes" im MRT.
- Biotin: Ein Vitamin-B-Komplex, der die Myelinproduktion vermutlich durch eine Stimulation der Fettsäuresynthese erhöht. Studien deuten darauf hin, dass Biotin die Behinderungsprogression aufhalten und in Einzelfällen verbessern kann.
- CDP-Cholin: Ein natürlich vorkommendes endogenes Nukleosid, das wichtig für die Biosynthese des zellmembranständigen Phospholipids Phosphatidylcholin ist. In Tiermodellen bewirkte es eine verbesserte Myelinsynthese.
- Erythropoetin (EPO): Ein körpereigenes Glykoprotein, das als wirksames zytoprotektives Molekül gilt. Eine Studie erbrachte erste Hinweise auf einen neuroprotektiven Effekt bei Optikusneuritis.
- Domperidon: Ein D2/D3-Dopaminrezeptorantagonist, der die Produktion des Hormons Prolaktin steigert, welches die Remyelinisierung im Tiermodell stimuliert.
Forschungsergebnisse zum endogenen Retrovirus HERV-W
Ein Düsseldorfer Forscherteam um Prof. Dr. Patrick Küry, an dem auch Priv.-Doz. Dr. Kremer beteiligt ist, hat einen neuen Schädigungsweg des Nervengewebes durch ein endogenes Retrovirus entdeckt. Sie stellten fest, dass das Hüllprotein (ENV) des pathogenen humanen endogenen Retrovirus Typ W (pHERV-W) maßgeblich bei der MS das Nervengewebe schädigt. Der Antikörper Temelimab kann diese Aktivität blockieren und so die Neurodegeneration reduzieren.
SARS-CoV-2-Impfung bei MS-Patienten unter Ocrelizumab-Therapie
In einer Studie unter Beteiligung von Priv.-Doz. Dr. Kremer wurde die Effektivität der SARS-CoV-2-Impfung bei MS-Patienten untersucht, die mit dem Antikörper Ocrelizumab behandelt werden. Die Ergebnisse zeigten, dass die mRNA-basierten Impfstoffe auch bei Patienten mit einem medikamentös veränderten Immunsystem effektiv gegen das Virus helfen.
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Das Neurozentrum Kempen: Versorgung neurologischer Patienten
Priv.-Doz. Dr. Kremer ist auch im Neurozentrum Kempen tätig, das die akute und rehabilitative Versorgung von neurologischen Patienten ambulant und stationär sicherstellt. Das Neurozentrum verfügt über eine zertifizierte regionale Stroke Unit und bietet eine ausgewiesene Expertise in der Behandlung von Patienten mit Bewegungsstörungen und der Kognitiven Neurologie.
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