Nikotin, ein Nervengift, das in der Tabakpflanze und anderen Nachtschattengewächsen vorkommt, hat weitreichende Auswirkungen auf das Nervensystem. Es bahnt sich seinen Weg über die Lungenbläschen direkt in den Kreislauf und ins Gehirn und entfaltet dort seine typische Wirkung.
Wie Nikotin auf das Nervensystem wirkt
Im Nervensystem aktiviert Nikotin sogenannte nikotinische Acetylcholin-Rezeptoren, indem es sich an sie bindet. Diese Rezeptoren werden eigentlich vom Botenstoff Acetylcholin stimuliert. Nikotinische ACh-Rezeptoren finden sich vor allem auf den motorischen Endplatten, an denen Signale von Nervenzellen an Muskeln weitergeleitet werden. Im Gehirn sitzen die Rezeptoren unter anderem auf den nachgeschalteten Nervenzellen von Sympathikus und Parasympathikus. Dieser Teil des vegetativen Nervensystems steuert unbewusste Vorgänge wie die Darmtätigkeit und den Herzschlag. Da Nikotin ähnlich wirkt wie der eigentliche Botenstoff, stört es hier wichtige Funktionen.
Eine Studie der Brown University in Providence (US-Bundesstaat Rhode Island) untersuchte das Nervengewebe von Mäusen und fand heraus, dass neben Acetylcholin und Nikotin noch 55 Proteine die Andockstelle nutzen. Diese Proteine spielen wichtige Rollen bei biochemischen Prozessen, innerhalb von Stoffwechselwegen im Körper oder bei der Signalübertragung zwischen Nervenzellen. Nikotin könnte demnach zahlreiche Prozesse im Organismus weitreichend beeinflussen, indem es etwa die anderen Proteine daran hindert, ihre Wirkung über den Rezeptor zu entfalten und ihren Effekt noch verstärkt.
Kurzfristige Auswirkungen von Nikotin
Nikotin passiert leicht die Blut-Hirn-Schranke. Im Tabakrauch inhaliert erreicht Nikotin in zehn bis 20 Sekunden das Gehirn. Es kann aber auch über die Haut aufgenommen werden.
Hat Nikotin an den ACh-Rezeptor gebunden, kommt es zur Freisetzung unterschiedlicher Botenstoffe wie Dopamin, Adrenalin, Noradrenalin und Serotonin, aber auch von Hormonen wie Cortisol. Während Acetylcholin schnell wieder abgebaut wird, bindet Nikotin lange an den Rezeptoren. Dadurch hält die Erregung der jeweiligen Zelle länger an.
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In Folge braucht die Zelle auch länger, um nach der Aktivitätsphase ihren Ruhezustand zu erreichen und ein neues Signal feuern zu können - das Nikotin hemmt also die Zelle. Langfristig passen sich die Zellen diesem Mechanismus an und bauen weitere Rezeptoren in die Zellmembran ein. Fehlt nun Nikotin, sind plötzlich zu viele freie Rezeptoren verfügbar, die nachgeschalteten Nervenzellen können nicht mehr in dem Maß erregt werden, wie sie es eigentlich müssten. Der Dopaminlevel sinkt, es entsteht das Verlangen nach einer neuen Zigarette.
Durch die vermehrte Freisetzung von Noradrenalin, Adrenalin und Vasopressin wirkt Nikotin anregend. Das Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt, die Gefäße verengen sich. Das führt kurzfristig zu einer höheren Leistungsfähigkeit. Nikotin lässt zudem die Zuckerkonzentration im Blut ansteigen, wodurch es das Hungergefühl dämpft. Allerdings treten die anregenden Wirkungen nur bei geringen Dosen auf. Eine hohe Nikotindosis wirkt beruhigend, bisweilen sogar lähmend. Dies erklärt, warum viele Menschen das Rauchen als entspannend empfinden.
Der anregende Effekt bei niedriger Dosierung und die Tatsache, dass Nikotin so schnell abgebaut wird, sind andererseits die Ursache dafür, dass die erste Zigarette des Tages am stärksten wirkt. Danach geht es nur noch um das Halten eines konstanten Nikotinlevels.
Nikotin verursacht die Freisetzung des Botenstoffs Dopamin im Nucleus accumbens im Gehirn. Dadurch aktiviert es das Belohnungssystem, was zu einer schnellen Entwicklung einer Sucht mit psychischer und körperlicher Abhängigkeit führt. Tatsächlich ist das Abhängigkeitspotential von Nikotin im Tabakrauch Forschern zufolge nur noch vom dem von Kokain und Heroin übertroffen.
Kurzfristig können hohe Nikotindosen Vergiftungserscheinungen auslösen. Die Symptome rangieren zwischen Kopfschmerzen, Übelkeit und kaltem Schweiß, aber auch Zittern und Herzrasen. Schwere Vergiftungen können Krämpfe, Schock und Koma auslösen. Es kann zum Kreislaufkollaps und bei Dosen ab einem Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht zu Tod durch Atemlähmung kommen. Solche Vergiftungen sind fast ausnahmslos Unfälle„ bei denen Personen versehentlich nikotinhaltige Flüssigkeiten wie Pestizide oder durch Zigaretten verunreinigte Getränke zu sich nehmen.
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Langfristige Auswirkungen und Sucht
Da die ACh-Rezeptoren für die Übertragung von Nervenimpulsen auf Muskelzellen wichtig sind, kann eine hohe Nikotindosis lähmend auf die Muskulatur wirken. Sind davon auch die Atemmuskulatur oder der Herzmuskel betroffen, kann dies tödlich enden.
Nikotin wird im Körper recht schnell wieder abgebaut. Nach lediglich 30 bis 60 Minuten wird es von der Leber oxidiert. Deshalb vergiften sich selbst starke Raucher meist nicht an Nikotin: Sie entgiften über Nacht. Nikotin kann die Plazentraschranke durchdringen und gelangt auch in die Muttermilch.
Während die körperlichen Entzugserscheinungen wie Unruhe, Reizbarkeit, Schlafstörungen und Kopfschmerzen nach ein bis zwei Wochen verschwinden, kann die psychische Abhängigkeit noch lange fortbestehen.
Nikotin greift in den Fettstoffwechsel ein und erhöht die Konzentration freier Fettsäuren und Cholesterol im Blut. Damit erhöht sich das Risiko einer Arteriosklerose und für Herzgefäßerkrankungen. Arteriosklerose und Herzinfarkt stellen die häufigste Todesursache in den Industrieländern dar. Da das Rauchen immer noch weit verbreitet ist, kann ein Zusammenhang hier nicht ausgeschlossen werden.
Zusätzlich kommt es zur vermehrten Bildung von Salzsäure im Magen und in der Folge zu Gastritis und Magengeschwüren. Abgesehen davon beeinflusst Nikotin auch die Blutgerinnung und erhöht das Risiko für eine Thrombose. Es kann zu Gefäßspasmen und zum Raucherbein führen.
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Bei starken Rauchern verändert sich der Stoffwechsel. Der Abbau der Droge steigt stark an. Das Problem dabei ist, dass in Folge auch andere Stoffe stärker umgesetzt werden. Dadurch kommt es zur Aktivierung krebserregender Stoffe und zu einer Erhöhung des Krebsrisikos durch Nikotin, obwohl Nikotin und dessen Abbauprodukte selber nicht krebserregend sind.
Eine Studie aus dem Jahr 2013 ergab, dass das Risiko zu sterben für Raucher zwischen 25 und 79 Jahren drei Mal höher ist als für Nichtraucher.
Nikotin als Nervengift und seine Verwendung
Nikotin ist ein Nervengift, dass von der Tabakpflanze zur Abwehr von Schädlingen gebildet wird. Wenn Nikotin oral aufgenommen, also gegessen oder geschluckt wird, kann es tödlich wirken. Vergiftungserscheinungen machen sich zunächst durch Schwindelgefühl, Übelkeit, extreme Blässe und kaltem Schweiß bemerkbar. Bislang wird davon ausgegangen, dass die tödliche Dosis für Erwachsene bei 1 mg Nikotin pro Kilogramm Körpergewicht liegt. Neuere Untersuchungen legen jedoch nahe, dass möglicherweise weitaus höhere Dosen notwendig sind.
Daher wurde reines Nikotin früher im als Pestizid zum Pflanzenschutz gegen saugende und beißende Insekten wie Blattläuse eingesetzt. Aufgrund seiner hohen Toxizität gilt hierfür seit den 70er-Jahren ein Anwendungsverbot. Der Stoff war lediglich für Pflanzen gut verträglich.
Nikotin und die Gehirnregeneration
Rauchen schädigt das Gehirn auf vielfältige Weise - durch Durchblutungsstörungen, chronische Entzündungen, oxidativen Stress und strukturelle Veränderungen. Doch selbst nach Jahren des Konsums ist Regeneration möglich.
- Kurzfristig (Stunden bis Tage): Nach dem letzten Zug sinkt der Nikotinspiegel rasch ab. Das Gehirn beginnt, überaktivierte Rezeptoren zurückzufahren.
- Mittelfristig (Wochen): Die neuronalen Verbindungen stabilisieren sich. Konzentration, Schlaf und Stimmung verbessern sich meist deutlich.
- Langfristig (Monate bis Jahre): Durch die sogenannte Neuroplastizität kann das Gehirn geschädigte Strukturen teilweise neu organisieren. Selbst Funktionen, die vorübergehend beeinträchtigt waren, lassen sich oft wiederherstellen.
Nikotin in der Medizin
In der Raucherentwöhnungstherapie wird Nikotin über Nikotinpflaster, -sprays oder -kaugummis eingesetzt. Zweck solcher Therapieverfahren ist die Reduktion von Entzugssymptomen, während die Patienten auf das Rauchen verzichten. Deswegen ist es sinnvoll, eine Raucherentwöhnung mit Nikotinersatz zu beginnen. So werden außerdem die in den Zigaretten enthaltenen schädlichen Zusatzstoffe nicht mit aufgenommen.
Nikotinpflaster
Das Nikotinpflaster wirkt transdermal. Das heißt, dass das Nikotin bei dieser Methode über die Haut aufgenommen wird und von dort aus in die Blutbahn gelangt. Sobald das Pflaster auf der Haut aufgeklebt ist, gibt es kontinuierlich Nikotin ab. Dadurch wird ein Nikotin-Kick vermieden, der durch das Rauchen einer Zigarette bewirkt wird. Das Suchtpotenzial wird dadurch deutlich geringer. Während einer Behandlung mit Nikotinersatz sollte das Rauchen eingestellt oder zumindest signifikant reduziert werden, da es sonst zu einer Überladung mit Nikotin und folglich zu einer Nikotinvergiftung kommen kann.
Nikotinspray
Das Nikotinspray wird dann eingesetzt, wenn das Verlangen eine Zigarette zu rauchen einsetzt. Dabei wird eine kleine, kontrollierte Menge in den Mund gesprüht. Das Nikotinspray ist frei von den schädlichen Stoffen, die in einer Zigarette vorhanden sind und der Nikotinspiegel bleibt trotzdem durch das regelmäßige Sprühen im Blut aufrechterhalten. Die Anzahl der Sprühstöße muss bei der Entwöhnung mit der Zeit langsam verringert werden, um auch das Nikotinspray eines Tages absetzen zu können.
Nikotinkaugummi
Auch Nikotinkaugummis können zur Raucherentwöhnung gekaut werden, um die Entzugserscheinungen von Nikotin abzumildern. Beim Kauen gelangt das Nikotin über die Mundschleimhaut in die Blutbahn. Nach einigen Minuten wird das Nikotin freigesetzt. Auch hier gilt: Die Menge der am Tag eingenommenen Nikotinkaugummis wird während der Behandlung nach und nach reduziert.
Welche Art von Raucherentwöhnung geeignet ist, sollte jeder Patient individuell mit medizinischem Fachpersonal abklären!
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