Nitrospray-Anwendung bei Schlaganfall: Nutzen und Risiken

Die Anwendung von Nitrospray, das den Wirkstoff Glyceroltrinitrat (Nitroglycerin) enthält, bei Schlaganfallpatienten ist ein komplexes Thema mit widersprüchlichen Studienergebnissen. Glyceroltrinitrat ist ein Vasodilatator, der durch die Freisetzung von Stickstoffmonoxid (NO) die glatte Gefäßmuskulatur entspannt. Es wird klinisch zur Behandlung von Angina Pectoris eingesetzt, indem es die myokardiale Sauerstoffversorgung verbessert und den Sauerstoffverbrauch des Herzens senkt. Die Frage ist, ob diese gefäßerweiternde Wirkung auch bei Schlaganfallpatienten von Vorteil sein kann.

Wirkmechanismus von Glyceroltrinitrat

Glyceroltrinitrat fungiert als Prodrug, das im Körper zu Stickstoffmonoxid (NO) metabolisiert wird. Dieser Prozess wird durch verschiedene Enzyme vermittelt, einschließlich der mitochondrialen Aldehyddehydrogenase. Stickstoffmonoxid aktiviert die lösliche Guanylatcyclase (sGC) in den glatten Muskelzellen, was zur vermehrten Bildung von zyklischem Guanosinmonophosphat (cGMP) führt. Dies führt zur Entspannung der glatten Gefäßmuskulatur und somit zur Dilatation von Venen und Arterien. Die Herzarbeit wird verringert (Vorlastsenkung), und gleichzeitig wird die Sauerstoffzufuhr zum Herzmuskel verbessert.

Blutdruckmanagement nach Schlaganfall

Etwa drei Viertel aller Patienten mit ischämischem Schlaganfall haben bei der Klinikaufnahme einen deutlich zu hohen Blutdruck. Ob eine schnelle und aggressive Senkung des Blutdrucks sinnvoll ist, ist jedoch unklar. Beobachtungsstudien haben hierzu widersprüchliche Ergebnisse geliefert. Eine frühe Senkung des Blutdrucks mit Candesartan in der SCAST-Studie zeigte keinen Nutzen.

Eine Studie (CATIS) untersuchte den Nutzen einer Blutdrucksenkung bei über 4000 Patienten mit ausschließlich ischämischem Infarkt. Die Teilnehmer hatten bei der Klinikaufnahme einen systolischen Blutdruck zwischen 140 und 220 mmHg. Eine Gruppe erhielt innerhalb von 48 Stunden nach Symptombeginn eine antihypertensive Therapie, um den Blutdruck um zehn bis 25 Prozent zu senken, während die andere Gruppe keine Blutdrucksenker erhielt. Nach sieben Tagen lag der systolische Druck in der Interventionsgruppe im Schnitt bei 137 mmHg, in der Kontrollgruppe etwa neun mmHg höher. Überraschenderweise führte die erfolgreiche Drucksenkung nicht zu einer besseren Prognose hinsichtlich Tod oder schwerer Behinderungen. Auch kam es in der Gruppe mit Blutdrucksenkung etwas seltener zu erneuten Infarkten oder vaskulären Ereignissen.

Bei Patienten mit Lysetherapie oder Antikoagulation darf der systolische Druck aufgrund der Blutungsgefahr jedoch 185 mmHg nicht überschreiten. Bei den übrigen Patienten wird in der Leitlinie eine medikamentöse Normalisierung des Blutdrucks nach zwei bis drei Tagen empfohlen, falls keine raumfordernde Wirkung des Schlaganfalls zu erwarten ist.

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ENOS-Studie: Nitroglyzerin-Pflaster bei Schlaganfall

Die ENOS-Studie untersuchte die Wirkung von transdermalen Nitroglyzerin-Pflastern bei Patienten mit akutem ischämischem oder hämorrhagischem Schlaganfall und einem systolischen Blutdruck von 140 bis 220 mm Hg. Die Hälfte der Patienten wurde über sieben Tage mit Nitroglyzerin-Pflastern behandelt, die andere Hälfte erhielt wirkstofffreie Pflaster. Nitroglycerin wurde ausgewählt, da das freigesetzte Stickoxid auch im Gehirn den Blutdruck senkt und in präklinischen Studien eine neuroprotektive Wirkung zeigte.

Tatsächlich konnte der mittlere Blutdruck am ersten Tag um 7,0 mm Hg (gegenüber 3,5 mm Hg unter Placebo) gesenkt werden. Die Wirkung war allerdings nur in den ersten Tagen nachweisbar, und der funktionale Status der Patienten wurde in der modifizierten Rankin-Skala nach 90 Tagen nicht verbessert. Eine Ausnahme bildeten Patienten, bei denen die Therapie innerhalb von 6 Stunden nach dem Schlaganfall begonnen werden konnte: Hier kam es deutlich seltener zu einer Verschlechterung in der Rankin-Skala.

Die Studie untersuchte auch, ob Patienten, die vor dem Schlaganfall Blutdruckmedikamente eingenommen hatten, die Medikation sofort nach dem Schlaganfall fortsetzen sollten. Der funktionelle Status war in beiden Gruppen nach 90 Tagen identisch.

Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen bei der Anwendung von Glyceroltrinitrat

Die Anwendung von Glyceroltrinitrat ist mit bestimmten Risiken und Kontraindikationen verbunden, die besonders bei Schlaganfallpatienten beachtet werden müssen:

  • Hypotonie: Glyceroltrinitrat kann den Blutdruck stark senken, was bei Patienten mit bereits niedrigem Blutdruck zu gefährlichen Situationen führen kann.
  • Erhöhter intrakranieller Druck (ICP): Bei Erkrankungen, die mit einem erhöhten intrakraniellen Druck einhergehen, ist Vorsicht geboten, da Glyceroltrinitrat den ICP weiter erhöhen könnte.
  • Gleichzeitige Einnahme von Phosphodiesterase-5-Hemmern (PDE-5-Hemmern): Die gleichzeitige Anwendung von PDE-5-Hemmern (z. B. Sildenafil, Tadalafil) und Glyceroltrinitrat kann zu einem lebensbedrohlichen Blutdruckabfall führen.
  • Aortenstenose: Bei einer Aortenstenose kann die Blutdrucksenkung durch Glyceroltrinitrat zu einer kritischen Reduktion der Herzleistung führen.
  • Rechtsherzinsuffizienz / Rechtsherzinfarkt: Hier kann die Vorlastsenkung problematisch sein.
  • Kardiogener Schock: In dieser Situation ist der Patient ohnehin schon instabil.
  • Hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie: Hier kann es zu einer Verschlechterung der Symptomatik kommen.

Unerwünschte Wirkungen von Glyceroltrinitrat

Häufige Nebenwirkungen von Glyceroltrinitrat sind:

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  • Kopfschmerzen: Diese treten häufig auf und sind als "Nitratkopfschmerzen" bekannt.
  • Hypotonie: Insbesondere bei schneller Anwendung oder hoher Dosierung.
  • Reflexartige Tachykardie: Als Reaktion auf den Blutdruckabfall kann es zu einer Erhöhung der Herzfrequenz kommen.
  • Schwindel: Aufgrund des niedrigen Blutdrucks.

Glyceroltrinitrat in Schwangerschaft und Stillzeit

Während der Schwangerschaft gibt es begrenzte Erfahrungen mit Glyceroltrinitrat. Im ersten Trimester gibt es bisher keine Hinweise auf eine schädliche Wirkung auf das ungeborene Kind. Im zweiten und dritten Trimester wurde es erfolgreich bei hohem Blutdruck, akuten Herzinfarkten und schweren Präeklampsien eingesetzt. Bei hoher Dosierung kann gelegentlich eine langsame Herzfrequenz beim Fötus auftreten, die nach Dosisreduktion wieder verschwindet. Die entspannende Wirkung auf die Gebärmutter ermöglicht den Einsatz zur Wehenhemmung (Tokolyse). Glyceroltrinitrat darf in der Schwangerschaft bei entsprechender Indikation eingesetzt werden.

Während der Stillzeit ist über die Anwendung von Glyceroltrinitrat wenig bekannt. Die Halbwertszeit beträgt 2 bis 5 Minuten, und die Proteinbindung liegt bei 60%. Aufgrund der kurzen Halbwertszeit und dem ausgeprägten First-Pass-Effekt ist das Risiko für gestillte Kinder gering, zumal das Medikament meist nur vorübergehend angewendet wird.

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