Kommunikation ist ein grundlegendes menschliches Bedürfnis, das weit über die verbale Sprache hinausgeht. Gerade bei Menschen mit Demenz, bei denen die sprachlichen Fähigkeiten nachlassen, gewinnt die nonverbale Kommunikation eine immense Bedeutung. Bilder, Gegenstände, Gerüche, Berührungen und Blickkontakte können starke Gefühle und Erinnerungen auslösen und somit eine Brücke zur Welt des Betroffenen schlagen. Es ist entscheidend, herauszufinden, über welche Kommunikationskanäle der demente Mensch im jeweiligen Moment erreichbar ist. Wer versteht, wie Menschen mit Demenz "ticken", dem fällt es leichter, sich mit ihnen zu verständigen und eine positive Beziehung aufzubauen.
Die Herausforderungen der Kommunikation bei Demenz
Demenz verändert Menschen. Sie werden vergesslich, erinnern sich nicht mehr an kürzlich Gesprochenes und können im fortgeschrittenen Stadium sogar nahe Angehörige vergessen. Diese Veränderungen stellen Angehörige vor große Herausforderungen, da nichts mehr so ist wie zuvor. Ein Umdenken ist erforderlich, um die Kommunikation an die veränderten Fähigkeiten des Betroffenen anzupassen.
Allgemeine Tipps für die persönliche Ansprache
Oft sind es Kleinigkeiten, die darüber entscheiden, ob die Kommunikation freundlich und gelassen verläuft oder aus dem Ruder läuft. Die folgenden Tipps können helfen, die Kommunikation positiv zu beeinflussen:
- Sprache: Sprechen Sie langsam, deutlich und in einfachen Sätzen. Verwenden Sie, wenn möglich, den Dialekt des Betroffenen, da dies eine vertraute Sprache ist.
- Blickkontakt: Treten Sie bei jedem Gespräch in direkten Blickkontakt. Gestik und Mimik liefern zusätzliche Informationen, die das Verständnis erleichtern.
- Namen: Nennen Sie jeden und alles beim Namen, anstatt vage Begriffe wie "Dingsda" zu verwenden. Stellen Sie sich auch immer wieder vor, wenn der Betroffene Sie nicht erkennt.
- Umfeld: Reden Sie nicht über den dementen Menschen, als wäre er nicht anwesend oder würde nichts verstehen. Beziehen Sie ihn in Gespräche ein und vermeiden Sie Vorwürfe und Kritik.
Essen als Kommunikationsmittel
Manche demente Menschen haben keinen Appetit mehr, haben verlernt zu essen oder vergessen, dass sie bereits gegessen haben. Mit kleinen Tricks und Ritualen können die Betroffenen auf das Essen eingestimmt werden:
- Ratespiele: Kleine Ratespiele über das Essen bereiten den Geist auf die Mahlzeit vor.
- Erinnerungen: Fragen zu Essgewohnheiten oder Ritualen aus früheren Zeiten (z. B. Essen zu Ostern, Weihnachten, Geburtstag, an Sonntagen, am Waschtag) oder das gemeinsame Singen von Liedern zum Thema Essen versetzt die Betroffenen in eine freudige Erwartungshaltung.
- Trinksprüche: Ein Trinkspruch oder ein herzhaftes "Prost" animiert zum Trinken, da im Alter das Durstgefühl nachlässt.
- Tischgebet: Das Sprechen eines Tischgebets kann ein Auslöser für das Essen sein, wenn sich der Betroffene daran erinnert.
- Auswahl: Vermeiden Sie es, zu viele Wahlmöglichkeiten anzubieten, da dies überfordernd sein kann. Bieten Sie stattdessen konkrete Alternativen an.
Aufgaben zuteilen und Gespräche führen
Demente Menschen brauchen eine Beschäftigung und das Gefühl, gebraucht zu werden. Weisen Sie Aufgaben klar und eindeutig zu und geben Sie Schritt-für-Schritt-Anleitungen. Sprechen Sie ehrlich und geradeheraus, ohne Ironie oder Sarkasmus.
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Führen Sie nette Gespräche, auch wenn diese nicht mehr so sein werden wie früher. Beziehen Sie den Betroffenen in den Tagesablauf und die Kommunikation ein. Bewegen Sie sich in dem Zeitfenster, in dem sich der Betroffene im Moment befindet, und stellen Sie keine Fragen zu kürzlich vergangenen Ereignissen. Hören Sie aufmerksam zu, was den Betroffenen bewegt, und greifen Sie die Situation auf. Beziehen Sie die betroffene Person in das tägliche Geschehen mit ein und stellen Sie simple Fragen, um die Unterhaltung in Gang zu bringen.
Informationen reduzieren und visuelle Hilfen nutzen
Geben Sie Menschen mit Demenz nur eine Information auf einmal, da sie mit zu vielen Informationen überfordert sind. Nutzen Sie Bilder und Gegenstände zur Unterstützung der Kommunikation. Zeigen Sie beispielsweise die Kaffeekanne, wenn Sie fragen, ob der Betroffene Kaffee möchte.
Vorbereitung auf Ereignisse
Bereiten Sie den demenziell veränderten Angehörigen auf wichtige Ereignisse vor, damit er sich nicht überrumpelt fühlt. Erzählen Sie immer wieder, was kommen wird, und legen Sie gegebenenfalls Bilder dazu. Wecken Sie Erinnerungen an die betreffende Person oder das Ereignis.
Mimik, Gestik und Berührungen
Beachten Sie die Mimik und Gestik des dementen Angehörigen, um zu erkennen, ob er verstanden hat, was gesagt wurde. Reagieren Sie entsprechend und unterstützen Sie ihn bei Bedarf mit weiteren Informationen. Achten Sie auch auf Ihre eigene Mimik und Gestik, da sich Ihre Gefühle auf den Betroffenen übertragen können. Scheuen Sie sich nicht, den Dementen zu trösten, ihn in die Arme zu nehmen oder zu berühren, um ihm ein Gefühl der Geborgenheit und Sicherheit zu vermitteln.
Diskussionen vermeiden und Tageszeiten berücksichtigen
Diskussionen mit einem dementen Menschen bringen nichts außer Aggressionen. Vermeiden Sie Fragewörter wie "warum", "wieso", "weshalb", da diese überfordernd sind. Lenken Sie stattdessen ab und beruhigen Sie den Betroffenen. Berücksichtigen Sie auch die Tageszeiten, da demente Menschen tageszeitabhängige Phasen haben, in denen sie besser oder schlechter ansprechbar sind.
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Zeit relativieren
Demenziell veränderte Menschen verstehen irgendwann nicht mehr, wenn man zu ihnen sagt, um 12.00 Uhr gibt es Essen. Richten Sie sich stattdessen an Ihrer momentanen Arbeit aus oder geben Sie vage Zeitangaben wie "Wir haben noch genügend Zeit".
Die Bedeutung der nonverbalen Kommunikation
Die nonverbale Kommunikation ist ein Schlüssel zu einer erfolgreichen Pflege, besonders bei Menschen mit eingeschränkten kommunikativen Fähigkeiten. In nur einer Minute eines gemeinsamen Gesprächs werden mehr als 20.000 nonverbale Signale ausgetauscht - ein eindrucksvoller Beleg für die Bedeutung der nonverbalen Kommunikation. Nonverbale Kommunikation ist weit mehr als zufällig erworbene Empathie. Sie ist eine professionelle Kompetenz, die jeder Pflegende systematisch erlernen und entwickeln kann. Die gezielte Anwendung nonverbaler Kommunikation und ihre systematische Dokumentation machen den Unterschied zwischen intuitiver und professioneller Pflegebeziehung aus.
Verständnis aufbringen und sich anpassen
Wir alle müssen lernen, uns auf die nachlassenden sprachlichen Fähigkeiten und Verhaltensveränderungen von Menschen mit Demenz einzustellen - denn die Demenz macht es ihnen im Laufe der Zeit unmöglich, wie früher zu "funktionieren" oder sich an unsere Bedürfnisse und Erwartungen anzupassen. Menschen mit Demenz fällt es demenzbedingt immer schwerer, die richtigen Worte zu finden. Am Anfang umschreiben viele die Begriffe, die ihnen nicht einfallen. Später "erfinden" einige neue Wörter oder verwechseln Wörter miteinander. Das, was Menschen mit Demenz von sich geben, klingt vielleicht manchmal merkwürdig - es enthält in der Regel aber eine sinnvolle Botschaft. Ihre Worte haben oft einen versteckten, aber zumindest teilweise rekonstruierbaren Sinn, und den können wir mit etwas detektivischem Gespür herausfinden. Obwohl sie oftmals besser verstehen als selber sprechen können, können viele doch irgendwann selbst alltäglichen Gesprächen nicht mehr folgen.
Kommunikationsregeln beachten
Stellen Sie vor jedem Gespräch Blickkontakt auf Augenhöhe her und sprechen Sie Menschen mit Demenz mit ihrem Namen an. Verwenden Sie im Gespräch mit Dialektsprechern wenn möglich die Mundart. Je größer die Verständnisschwierigkeiten eines Menschen mit Demenz sind, desto eher sollten Sie Fach- und Fremdwörter, Jugendsprache sowie komplizierte mehrsilbige Begriffe vermeiden. Machen Sie sich aber bewusst, dass eine einfache Sprechweise nicht gleichbedeutend mit Babysprache ist. Reden Sie etwas langsamer und vor allem deutlich. Verwenden Sie eher kurze Sätze. Wenn es um den reinen Informationsaustausch geht, formulieren Sie Ihre Frage am besten so, dass sie sich mit einem einzigen Wort oder mit Ja beziehungsweise Nein beantworten lässt. Stellen Sie nicht mehr als zwei Angebote auf einmal zur Auswahl. Menschen mit Demenz brauchen Zeit und Ruhe, um über den nächsten Schritt oder eine Antwort nachzudenken. Wiederholen Sie wichtige Informationen und verwenden Sie dabei immer dieselbe Formulierung. Vermeiden Sie Ironie oder übertragene Bedeutungen. Menschen mit Demenz sollten das Gefühl bekommen, in Gesprächssituationen dazuzugehören und mitreden zu können. Sprechen Sie über Dinge, die gut gemacht wurden und loben Sie sie ausdrücklich dafür. Kritisieren Sie Menschen mit Demenz nicht für Dinge, die sie nicht oder falsch erledigt haben. Vermeiden Sie Diskussionen und Rechthaberei.
Validation: Die Gefühle ernst nehmen
Validation bedeutet, die Äußerungen, Handlungen und Sichtweisen des Menschen mit Demenz gelten zu lassen, für gültig zu erklären, sie nicht zu korrigieren oder an unserer Realität zu überprüfen. Der an Demenz Erkrankte wird von Ihnen in seiner Erlebniswelt ernst genommen, wertgeschätzt und akzeptiert. Dabei sollten Sie die Annahme voraussetzen, dass es unterschiedliche Realitäten gibt. Die Validation umfasst eine verbale und eine nonverbale Kommunikationsform, die sich auf die Beziehungsebene konzentriert. Die Einstellung gegenüber dementen Menschen ist für die Anwendung von Validation wichtiger als die konkreten Techniken. Der Rückzug in die Vergangenheit muss akzeptiert werden.
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Basale Stimulation: Aktivierung der Sinne
Eine basale Stimulation bei Demenz - oder auch multisensorische Stimulation - hat das Ziel, die Fähigkeiten von dementiell erkrankten Menschen in den Bereichen Kommunikation, Wahrnehmung und Bewegung zu fördern und sie zu aktivieren. Im Gegensatz zur Validation und der personzentrierten Pflege setzt sie hauptsächlich auf die nonverbale Kommunikation. Über die Stimulation von visuellen (Sehen), akustischen (Hören), gustatorischen (Riechen und Schmecken) und taktilen (Fühlen) Reizen kann die Aufmerksamkeit angeregt und eine Verbindung aufgebaut werden. Sinnvoll ist die basale Stimulation besonders für Menschen mit mittelschwerer und schwerer Demenz, die nicht mehr oder nur schwer in der Lage sind, verbal zu kommunizieren und sich zu verständigen.
Personzentrierte Pflege: Der Mensch im Mittelpunkt
Die personzentrierte Pflege nach Tom Kitwood ist ein Kommunikationskonzept, welches ursprünglich für die professionelle Pflege und Kommunikation mit Demenzerkrankten konzipiert worden ist. Das zentrale Element der personzentrierten Pflege nach Kitwood: Sie stellt den Mensch in den Mittelpunkt und nicht die Krankheit. Erhalt und Förderung des Personseins ist der Kern bei dieser Art der Kommunikation. Wie bei der basalen Stimulation kann durch Körpersprache Sicherheit und Geborgenheit vermittelt werden. Das kann eine Umarmung, das Streicheln der Hand oder des Armes oder einfach ein verständnisvolles Nicken sein.
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