Demenz Kommunikation: Validationstechniken für einen wertschätzenden Umgang

Die Zahl der Menschen, die an Demenz erkranken, steigt stetig. Fast jeder kennt jemanden im Familien-, Bekannten- oder Freundeskreis, der mit dieser Krankheit konfrontiert ist. In einer Gesellschaft, in der aktives Altern einen hohen Stellenwert genießt, fällt es schwer zu akzeptieren, wenn Menschen ihre Fähigkeiten verlieren. Auf klinischer Ebene werden diese Verluste durch Störungen des Gedächtnisses, des Denkens, der Orientierung, der Sprache oder des Urteilsvermögens beschrieben. Hinzu kommen Veränderungen der emotionalen Kontrolle und der Verlust von Alltags- und sozialen Fertigkeiten. Um Menschen mit Demenz wertschätzend zu begegnen, ist es wichtig, Demenz als eine von vielen Formen des Alterns anzusehen und sich auf ihre Welt einzulassen.

Die Integrative Validation (IVA) nach Richard®

Die Integrative Validation (IVA) nach Richard® dient als Kompass und Wegweiser in der "fremden Landschaft" des Menschen mit Demenz. Sie konzentriert sich auf die Gefühle, Handlungsantriebe und Lebensthemen, die den Menschen in seiner Einzigartigkeit ausmachen. Diese verbleibenden Ressourcen helfen uns, den Menschen in seiner "inneren Erlebenswelt" zu erreichen. Ressourcen sind der natürliche Reichtum, die Quellen, die dem Menschen innewohnen. Die IVA bietet "Pfade" für die Erkundung und Annäherung an diese innere Welt.

Um sich in der "Landschaft" des Menschen mit Demenz zu bewegen, hat Nicole Richard, die Gründerin der Integrativen Validation, bestimmte Formen der Kommunikation und des Kontakts entwickelt, die eine wertschätzende und die Persönlichkeit des Menschen anerkennende Beziehung herstellen. Ziel ist es, dass sich der Mensch mit Demenz in seiner Wirklichkeit und seinem Selbsterleben verstanden, angenommen und in seiner Identität wahrgenommen und gestärkt fühlt. Die IVA eignet sich sehr gut, um andere, benachbarte Disziplinen einzubeziehen, die ebenfalls sinnlich, situativ und prozessbezogen orientiert sind.

Herausforderungen und Chancen in der Kommunikation

Wenn ein geliebter Mensch an Demenz erkrankt, verändert sich vieles. Gewohnte Gespräche werden schwieriger, Missverständnisse häufen sich, und oft scheint es, als ob man den Kontakt zu dem Menschen, den man so gut kennt, verliert. Für Angehörige kann das emotional und praktisch eine große Herausforderung sein. Eine Methode, die hier vielen Angehörigen hilft und sich außerdem auch in der Pflege etabliert, ist die Validation. Sie bietet einen einfühlsamen Ansatz, um besser mit den Herausforderungen des Alltags umzugehen und die Gefühle Ihres Angehörigen zu verstehen. Validation hilft, Konflikte zu vermeiden und die Beziehung trotz der Krankheit zu stärken.

Was bedeutet Validation?

Der Begriff "Validation" bedeutet so viel wie "Gültigkeitserklärung" oder "Das Wertvolle entdecken". Im Zusammenhang mit Demenz versteht man darunter eine Kommunikationsmethode, die sich aus verschiedenen verbalen und non-verbalen Techniken zusammensetzt. Validation hilft uns, eingefahrene Reaktionsmuster im Umgang mit von Demenz betroffenen Menschen zu durchbrechen. Statt unbewusst auf irritierende oder schwierige Verhaltensweisen zu reagieren, ermöglicht sie es, die Situation aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten - einem, der von Verständnis, Mitgefühl und einer wertschätzenden Haltung geprägt ist.

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Individuelle Reaktionen und der Umgang mit eigenen Emotionen

Es ist wichtig zu beachten, dass nicht jede validierende Technik bei jedem Betroffenen gleichermaßen wirkt. Stress und schwierige Situationen können bei Pflegenden Frustration oder Ungeduld auslösen.

Das Prinzip der Validation nach Naomi Feil

Das Prinzip der Validation geht auf Naomi Feil zurück, die sich intensiv mit desorientierten Hochbetagten beschäftigte, die die Diagnose Alzheimer erhielten. Feil befasste sich speziell mit desorientierten Hochbetagten mit Diagnose Alzheimer. Das Zentrieren ist eine wichtige Technik, um sich innerlich zu sammeln und auf den Kontakt mit der erkrankten Person vorzubereiten. Die sich vorbereitende Person konzentriert sich auf ihren Atem, um sich beim Ausatmen von Ärger und Frustration zu befreien. Dies schafft Raum, um sich auf die Gefühle der dementen Person einzulassen.

Die Bedeutung einer klaren und liebevollen Stimme

Unfreundliche oder ungeduldige Worte können bei Menschen mit Verwirrtheit oft Ärger auslösen oder sie dazu bringen, sich zurückzuziehen. Eine klare, ruhige und liebevolle Stimme hingegen hilft, Vertrauen aufzubauen und eine positive Atmosphäre zu schaffen. Dabei sollte die Stimme weder zu hoch noch zu leise sein, da dies für ältere Menschen schwer verständlich sein kann. Menschen im fortgeschrittenen Stadium einer Demenz drücken ihre Gefühle oft ungehindert aus. Um eine Verbindung aufzubauen bzw. zu erhalten, ist es wichtig, ihre Bewegungen und Emotionen aufmerksam zu beobachten und einfühlsam zu spiegeln. Dies sind nur einige der Techniken, die Naomi Feil im Laufe ihrer Forschung entwickelte.

Ein Beispiel aus dem Alltag

Eine demenzkranke 80-jährige Frau lebt zu Hause mit ihrer Betreuungsperson und möchte unbedingt zu ihrer Mutter. Diese ist allerdings schon lange tot. Statt zu sagen: "Ihre Mutter lebt nicht mehr." oder die Frau zu vertrösten: "Nun essen Sie erst mal Ihren Teller leer, dann sehen wir weiter.", ist es besser, mit Hilfe von Validation auf die Frau einzugehen. Mit den oben genannten Antworten werden Demenzkranke nur noch aufgeregter und völlig verwirrt. Für sie ist ihre Gefühlswelt real. Sagen Sie also, dass die Mutter nicht mehr lebt, empfindet die demenzkranke Frau dies als Lüge. In solch einer Situation ist es besser, ihre Gefühle als real anzuerkennen und sie zu akzeptieren. Eine Möglichkeit ist es, ein Gespräch über die Familie zu beginnen und ihr zu zeigen, dass sie ihre Wünsche ernst nehmen.

Schulungsangebote und Unterstützung

Angehörige, die ihre demenzerkrankten Verwandten pflegen, sind ohne eine Validations-Ausbildung hier oftmals überfordert. Angehörige können ebenso wie Pflegekräfte die Grundsätze der Validation erlernen. Es gibt Schulungsangebote, die in wenigen Stunden bis hin zu zwei Tagen eine kleine Einführung in das Krankheitsbild Demenz und die Techniken der Validation ermöglichen. Allerdings sollte jeder seine Grenzen erkennen. Viele 24-Stunden-Betreuungspersonen verfügen über Erfahrung im Umgang mit Demenzpatienten, die sie entweder während ihrer professionellen Tätigkeit oder bei der Pflege ihrer eigenen Angehörigen gesammelt haben. Eine erfahrene Betreuungsperson kann gerade in einer Betreuungssituation mit einer demenzkranken hilfsbedürftigen Person eine große Unterstützung sein.

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Die Validation in der Demenzpflege: Eine Haltung der Wertschätzung

Die Validation in der Demenzpflege ist mehr als nur eine Kommunikationsmethode - sie ist eine Haltung der Wertschätzung und des Verständnisses gegenüber Menschen mit Demenz. Statt Betroffene zu korrigieren oder in unsere Realität zurückzuholen, begegnen wir ihnen in ihrer eigenen Erlebniswelt mit Wertschätzung und Verständnis.

Was ist Validation nach Naomi Feil und warum wirkt sie?

Die Naomi Feil Methode wurde in den 1960er Jahren von der amerikanischen Gerontologin Naomi Feil entwickelt. Der Begriff "Validation" bedeutet "für gültig erklären" und beschreibt den Kerngedanken dieser Herangehensweise: Die subjektive Realität des Menschen mit Demenz wird anerkannt und wertgeschätzt, statt korrigiert oder umgelenkt zu werden.

Im Gegensatz zum Realitätsorientierungstraining, das lange als Standard galt, versucht die Validation nicht, die Person mit Demenz in unsere Wirklichkeit zurückzuholen. Stattdessen basiert sie auf der Erkenntnis, dass hinter scheinbar "verworrenen" Äußerungen oder Verhaltensweisen oft unerfüllte Bedürfnisse, Gefühle oder Erinnerungen stehen.

Wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit

Die Wirksamkeit der Validation ist inzwischen wissenschaftlich gut belegt. Eine Metaanalyse des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen von 2021 zeigt, dass validierender Umgang zu folgenden Ergebnissen führt:

  • Reduktion von Agitation und herausforderndem Verhalten um bis zu 60%
  • Verbesserung der Kommunikation und sozialen Interaktion
  • Höherem Wohlbefinden der Betroffenen
  • Deutlicher Stressreduktion bei pflegenden Angehörigen
  • Verbesserter Beziehungsqualität

Die emotionale Realität von Menschen mit Demenz verstehen

Um die Validation erfolgreich anzuwenden, müssen wir zunächst verstehen, wie Menschen mit Demenz ihre Welt erleben. Durch den fortschreitenden Verlust kognitiver Fähigkeiten rücken Gefühle und Empfindungen in den Vordergrund. Die innere Realität wird wichtiger als faktische Korrektheit.

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Professor Tom Kitwood, Begründer der person-zentrierten Pflege, beschreibt dies als "Vorrang des Gefühls vor dem Intellekt". Während logisches Denken und Faktenverständnis nachlassen, bleiben Emotionen und emotionale Erinnerungen oft bis in späte Stadien der Demenz erhalten.

Wenn Ihre Mutter nach ihrer eigenen längst verstorbenen Mutter ruft, sucht sie möglicherweise nicht tatsächlich nach dieser Person, sondern drückt ein Gefühl aus - vielleicht den Wunsch nach Geborgenheit, Sicherheit oder Trost. Mit Validation begegnen wir diesem emotionalen Bedürfnis, statt die faktische Unrichtigkeit zu betonen.

Grundprinzipien einer validierenden Grundhaltung

Eine validierende Grundhaltung basiert auf wichtigen Prinzipien:

  • Empathische Kommunikation: Wir versuchen, uns in die Erlebniswelt des dementen Menschen hineinzuversetzen und seine Gefühle nachzuvollziehen.
  • Akzeptanz ohne Bewertung: Wir akzeptieren die subjektive Realität des Betroffenen, ohne zu bewerten oder zu korrigieren.
  • Authentische Präsenz: Wir begegnen dem Menschen mit Demenz aufrichtig und ohne Täuschung.
  • Fokus auf Gefühle: Wir konzentrieren uns auf die emotionale Botschaft hinter Worten oder Verhaltensweisen.
  • Anerkennung des Lebensrückblicks: Wir verstehen, dass viele Verhaltensweisen mit früheren Lebenserfahrungen zusammenhängen können.

Diese Grundhaltung bildet das Fundament für alle spezifischen Validationstechniken. Die innere Einstellung ist dabei oft wichtiger als die perfekte Anwendung einzelner Methoden.

Konkrete Validationstechniken im Alltag

Auf Basis der Grundhaltung können verschiedene konkrete Validationstechniken im Alltag angewendet werden. Diese Techniken sind wie Werkzeuge in einem Werkzeugkasten - je nach Situation kann die passende ausgewählt werden.

Verbale Validationstechniken im Überblick

Die verbalen Kommunikationstechniken der Validation umfassen:

  • Offene W-Fragen: Sie geben dem Menschen mit Demenz Raum, seine Gedanken und Gefühle auszudrücken.
  • Spiegeln und Paraphrasieren: Die zentralen Aussagen werden mit eigenen Worten wiederholt, um Verständnis zu signalisieren.
  • Umpolen: Der Fokus wird vom Problem zur Ressource gewendet.
  • Anregung von Erinnerungen: Fragen nach früheren Erlebnissen, die mit der aktuellen Situation zusammenhängen können.
  • Extremformulierungen: Bei unklaren Gefühlsäußerungen.
  • Mehrdeutigkeit zulassen: Manchmal reicht es, Mehrdeutigkeit zuzulassen, ohne jede Äußerung eindeutig verstehen zu müssen.

Die Anwendung dieser Techniken erfordert Übung und Geduld. Eine aktuelle Erhebung des Deutschen Alzheimer-Verbandes zeigt, dass regelmäßiges Training dieser Techniken bei Angehörigen nach sechs Wochen zu einer deutlichen Verbesserung der Kommunikationsqualität führt.

Nonverbale Kommunikation: Körpersprache, Berührung und Blickkontakt

Bei fortschreitender Demenz gewinnt die nonverbale Kommunikation zunehmend an Bedeutung. Untersuchungen zeigen, dass im späten Demenzstadium bis zu 90% der Kommunikation nonverbal stattfindet. Wichtige nonverbale Validationstechniken sind:

  • Augenkontakt auf gleicher Höhe: Um Gleichwertigkeit zu signalisieren.
  • Spiegeln der Körperhaltung: Um unbewusst Verbindung herzustellen.
  • Behutsame Berührungen: Um Sicherheit zu vermitteln und emotionale Nähe herzustellen (auf individuelle Vorlieben achten).
  • Anpassung der Stimmlage: Beruhigend bei Aufregung, lebhafter bei Antriebslosigkeit.
  • Rhythmisches Bewegen: Gemeinsames Schaukeln, Wiegen oder Klopfen kann beruhigend wirken.

Diese nonverbalen Elemente der Validation wirken oft unmittelbarer als Worte. Sie sollten jedoch immer authentisch eingesetzt werden - Betroffene spüren Unaufrichtigkeit sehr genau.

Schritt-für-Schritt-Anleitung für ein validierendes Gespräch

Ein validierendes Gespräch folgt keinem starren Schema, dennoch gibt es hilfreiche Orientierungspunkte:

  1. Vorbereitung: Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, um sich zu zentrieren und andere Gedanken loszulassen.
  2. Kontakt herstellen: Durch Blickkontakt, Nennung des Namens und volle Aufmerksamkeit.
  3. Emotion wahrnehmen: Beobachten Sie Mimik, Körperhaltung und Stimmung, um zu verstehen, was der Betroffene gerade fühlen könnte.
  4. Gefühl spiegeln und offene Fragen stellen: Geben Sie Raum für Ausdruck.
  5. Aktiv zuhören: Ohne Unterbrechung oder Bewertung.
  6. Gefühle und subjektive Realität validieren.
  7. Biographischen Bezug herstellen (wenn möglich).
  8. Gemeinsamen Abschluss finden: Durch Zusammenfassung oder Überleitung zu einer anderen Aktivität.

Diese Struktur bietet Orientierung für Anfänger in der validierenden Gesprächsführung. Mit zunehmender Erfahrung wird der Ablauf fließender und intuitiver.

Mit Fragen arbeiten: Welche Fragetechniken sind hilfreich?

Die richtigen Fragen können Türen öffnen, die falschen errichten Barrieren. Besonders hilfreich in der Validation sind:

  • Offene W-Fragen: Statt geschlossener Ja/Nein-Fragen.
  • Ressourcenorientierte Fragen: Konzentrieren sich darauf, was früher geholfen hat.
  • Gefühlszentrierte Fragen: Lenken den Fokus auf das emotionale Erleben.
  • Biografische Fragen: Aktivieren Langzeiterinnerungen, die oft besser zugänglich sind.
  • Konkrete Fragen: Statt abstrakter Fragen sind leichter zu beantworten.

Die Anwendung der Validation in verschiedenen Phasen der Demenz

Die Anwendung der Validation muss sich an den individuellen Bedürfnissen und Möglichkeiten des Betroffenen orientieren, die sich je nach Demenzstadium und -form unterscheiden können. Naomi Feil beschreibt vier Phasen der Desorientierung, für die jeweils spezifische Validationsansätze geeignet sind:

  • Phase der Malorientiertheit: Die Betroffenen sind zeitlich desorientiert, aber noch realitätsbezogen und bemerken ihre Defizite. Hier hilft es, Gefühle wie Angst, Frustration und Kontrollverlust anzusprechen, Ressourcen zu betonen und klare Strukturen zu bieten.
  • Phase der Zeitverwirrtheit: Der Gegenwartsbezug geht zunehmend verloren, und die Betroffenen leben teilweise in der Vergangenheit. Hier ist es sinnvoll, biografische Themen aufzugreifen, W-Fragen zu stellen, Gefühle zu spiegeln und Sinnesanregungen zu bieten.
  • Phase der repetitiven Bewegungen: Die verbale Kommunikation nimmt ab, und sich wiederholende Bewegungen treten in den Vordergrund. In dieser Phase helfen das Spiegeln von Bewegungen, einfache, klare Sprache, Berührungen und der Einsatz von Liedern und Rhythmen.
  • Phase des Vegetierens: Es erfolgt ein fast vollständiger Rückzug nach innen mit kaum noch Reaktion auf äußere Reize. Hier sind körperliche Nähe, sanfte Berührung, das Summen bekannter Lieder und Präsenz ohne Erwartung hilfreich.

Die Zuordnung zu diesen Phasen ist nicht immer eindeutig, und der Übergang kann fließend sein. Wichtig ist, die jeweiligen Kommunikationsbedürfnisse wahrzunehmen und flexibel darauf einzugehen.

Besonderheiten bei verschiedenen Demenzformen

Verschiedene Demenzformen können unterschiedliche Kommunikationsherausforderungen mit sich bringen. Bei der Alzheimer-Demenz steht oft der schleichende Verlust von Wortfindung und Sprachvermögen im Vordergrund, während die emotionale Ansprechbarkeit oft lange erhalten bleibt. Hier ist besonders die gefühlsbezogene Validation wichtig.

Bei vaskulärer Demenz können Stimmungsschwankungen und emotionale Labilität auftreten, und Betroffene wechseln manchmal abrupt zwischen Klarheit und Verwirrtheit. Ein flexibler Wechsel zwischen validierendem und realitätsorientiertem Ansatz kann helfen.

Bei frontotemporaler Demenz stehen Verhaltensänderungen und manchmal enthemmtes Verhalten im Vordergrund. Hier kann die Emotions-Validation mit klaren Grenzen kombiniert werden. Bei Lewy-Body-Demenz mit häufigen visuellen Halluzinationen ist es besonders wichtig, das Erleben der Betroffenen ernst zu nehmen.

Eine aktuelle Studie des Universitätsklinikums Freiburg (2023) zeigt, dass die Anpassung der Validationstechniken an die spezifische Demenzform die Wirksamkeit um bis zu 40% steigern kann.

Validationstechniken bei fortgeschrittener Demenz

Bei fortgeschrittener Demenz verlagert sich der Schwerpunkt zunehmend von verbaler zu nonverbaler Validation. Die basale Stimulation mit gezielten Sinnesanregungen kann Kontakt herstellen, wo Worte nicht mehr wirken. Manchmal ist einfach nur Da-Sein und Mitgehen die wirksamste Form der Validation.

Bekannte Melodien oder rhythmisches Summen können Erinnerungen wecken und Wohlbefinden fördern. Sanfte Berührungen, Handmassagen oder gemeinsames Schaukeln können beruhigen und Sicherheit vermitteln. Vertraute Gegenstände oder Bilder können als Kommunikationsbrücke dienen.

Bei fortgeschrittener Demenz ist die Haltung der Betreuungsperson oft wichtiger als die konkrete Technik. Innere Ruhe, Geduld und echte Zuwendung sind entscheidend.

Herausfordernde Verhaltensweisen und Validation

Herausfordernde Verhaltensweisen sind in der Demenzpflege keine Seltenheit. Mit Validation können viele dieser Situationen entschärft werden.

Validation bei Wut, Aggression und Abwehrverhalten

Aggressives Verhalten bei Demenz ist fast immer eine Form der Kommunikation und nicht gegen die Pflegeperson persönlich gerichtet. Häufige Ursachen sind Überforderung, Angst, Missverständnisse oder unerfüllte Bedürfnisse.

Im validierenden Umgang in solchen Situationen ist es wichtig, die eigene Ruhe zu bewahren, Gefühle anzuerkennen, Raum zu geben, tieferliegende Bedürfnisse zu identifizieren und auf die Körpersprache zu achten. Eine Studie des Kuratoriums Deutsche Altershilfe zeigt, dass durch konsequente Anwendung der Validation bei Aggressionen die Notwendigkeit von beruhigenden Medikamenten um bis zu 50% reduziert werden kann.

Mit Konfliktsituationen und Missverständnissen umgehen

Konflikte entstehen in der Demenzpflege oft durch unterschiedliche Realitätswahrnehmungen. Typische Beispiele sind Vorwürfe des Stehlens, wenn Gegenstände verlegt wurden, oder die Weigerung, Medikamente einzunehmen.

Im validierenden Umgang mit solchen Konflikten sollte nicht widersprochen oder gerechtfertigt werden. Stattdessen sollte das Gefühl hinter dem Vorwurf anerkannt werden, Ablenkung erst nach Validation erfolgen und eine gemeinsame Lösungssuche angeboten werden. Auch die eigenen emotionalen Reaktionen sollten reflektiert werden.

Die emotionsorientierte Pflege nach Kitwood betont, dass die meisten Konflikte vermieden werden können, wenn die emotionalen Bedürfnisse nach Trost, Identität, Einbeziehung, Beschäftigung und Bindung erfüllt werden.

Strategien bei wiederholten Fragen und Verhaltensweisen

Sich wiederholende Fragen oder Verhaltensweisen gehören zu den häufigsten Belastungsfaktoren für Angehörige. Im validierenden Umgang sollte jede Frage als neu behandelt werden, da sie für den Betroffenen jedes Mal neu ist. Wichtig ist, hinter die Frage zu schauen und Emotionen anzusprechen.

Beruhigende Rituale können etabliert und wiederholte Verhaltensweisen in sinnvolle Routinen umgewandelt werden. Dabei sollte die eigene Toleranzgrenze beachtet werden. Die Technik des Spaced Retrieval kann bei manchen Betroffenen im frühen Stadium helfen, wichtige Informationen besser zu behalten.

Umgang mit Sundowning und nächtlicher Unruhe

Das sogenannte "Sundowning" - die Zunahme von Unruhe, Verwirrtheit und manchmal auch Ängsten in den Abendstunden - stellt viele Pflegende vor besondere Herausforderungen. Im validierenden Umgang sollten Ängste ernst genommen, Sicherheit vermittelt, eine ruhige Atmosphäre geschaffen, vertraute Abendroutinen etabliert und biografisch bedeutsame Beruhigungsmethoden eingesetzt werden.

Die Biografiearbeit spielt hier eine wichtige Rolle, da frühere Gewohnheiten und Vorlieben Hinweise auf wirksame Beruhigungsstrategien geben können.

Die Integration von Validation in den Pflegealltag

Die Alltagsintegration der Validation gelingt am besten, wenn sie bei wiederkehrenden Situationen konsequent angewendet wird. Bei der Morgenroutine sollten individuelle Rhythmen und Gewohnheiten berücksichtigt werden. Validation wirkt am besten, wenn sie nicht als isolierte Technik, sondern als durchgängiges Kommunikationsprinzip in den Alltag integriert wird.

Unterschiedliche Ansätze, gemeinsames Ziel

Während Naomi Feil auf ungelöste Lebenskonflikte blickt, sieht Nicole Richard vor allem hirnorganische Veränderungen. Im Kern ist Validation jedoch eine Kommunikationstechnik bzw. Kommunikationsmethode, die aus einem Bündel von verbalen und non-verbalen Konzepten besteht.

Schritt 1: Gefühle des Demenzkranken analysieren

Fragen Sie sich als Pflege- oder Betreuungskraft: Was sind die Gefühle des demenziell Erkrankten? Welche Gefühle bewirken seine Handlungen und Handlungsimpulse? Beispiele: Der Erkrankte ist aufgeregt, hilflos, fühlt sich einsam, traurig, sorgenvoll, ist pflichtbewusst.

Schritt 2: Gefühle des Demenzkranken ausformulieren

Die wahrgenommenen Gefühle und Antriebe werden von Ihnen mit kleinen Sätzen, die dem Sprachgebrauch des Erkrankten angepasst sind, formuliert, angenommen, akzeptiert, wertgeschätzt und zugelassen. Beispiel: Sie sind gerade ganz aufgeregt; Sie fühlen sich hilflos; das macht Sie traurig; Sie fühlen sich sehr einsam; Sie sorgen sich; Sie wollen schließlich Ihre Pflicht erfüllen.

Schritt 3: Gefühle als allgemein akzeptiert bestätigen - die eigentliche Validation

Wichtig ist nun, dass Sie dem Demenzkranken zeigen, dass sein Innenleben "in Ordnung" ist, dass das, was er sagt, tut und fühlt, völlig normal und akzeptiert ist. Da bei alten Menschen Sprichwörter, Volksweisheiten, Redewendungen, Lieder, etc. tief im Gedächtnis eingegraben sind, ist es am einfachsten, ihre Erinnerung daran wachzurufen: Hier findet der demente Patient die Bestätigung, Bekräftigung seiner Gefühle und Gedanken.

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