Die Atmung ist eine lebensnotwendige, autonome Funktion des menschlichen Körpers. Gesteuert wird sie vom Atemzentrum, einem komplexen neuronalen Netzwerk im Gehirn. Dieser Artikel beleuchtet die Lage des Atemzentrums, seine Bestandteile, seine Funktionsweise und die vielfältigen Faktoren, die die Atmung beeinflussen.
Anatomische Lage des Atemzentrums
Das Atemzentrum befindet sich im Hirnstamm, genauer gesagt in der Medulla oblongata (verlängertes Rückenmark). Die Medulla oblongata ist der unterste Teil des Gehirns, der direkt an das Rückenmark anschließt und eine wichtige Schaltstelle für lebenswichtige Funktionen darstellt. Sie liegt im Bereich des 4. Ventrikels und endet etwa in Höhe des Axis (2. Halswirbel).
Der Hirnstamm selbst ist eine Struktur, die sich an der Grenze zum Rückenmark befindet und aus dem Hirnstamm (Truncus cerebri / encephali) und dem Zwischenhirn (Diencephalon) besteht. Er liegt nahe dem Clivus des Os occipitale, zwischen der Medulla spinalis und dem Diencephalon, und vor dem Cerebellum. Kranial grenzt er an den 3. Hypothalamus, lateral an den Temporallappen. Der 4. Ventrikel befindet sich posterior zum Hirnstamm, zwischen ihm und dem Cerebellum.
Innerhalb der Medulla oblongata sind die Neuronen, die für die Einatmung (Inspiration) zuständig sind, im Mittelfeld der unteren Medulla lokalisiert, während die für die Ausatmung (Expiration) verantwortlichen Neuronen weiter dorsal und lateral liegen. Im Pons, einem weiteren Teil des Hirnstamms, befinden sich übergeordnete Schaltstellen, die die Atmung hemmen oder erregen können.
Bestandteile des Atemzentrums
Das Atemzentrum besteht nicht aus einem klar abgegrenzten Areal, sondern aus einer Ansammlung von Neuronen, die in funktionellen Gruppen organisiert sind. Zu den wichtigsten Gruppen gehören:
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- Dorsale respiratorische Gruppe (DRG): Sie befindet sich im dorsalen Teil der Medulla oblongata und ist hauptsächlich für die Inspiration zuständig. Die DRG erhält sensorische Informationen aus verschiedenen Quellen, wie z.B. den Lungen und den Atemwegen, und steuert die Aktivität der inspiratorischen Muskeln, insbesondere des Zwerchfells.
- Ventrale respiratorische Gruppe (VRG): Sie liegt im ventralen Teil der Medulla oblongata und hat sowohl inspiratorische als auch expiratorische Neuronen. Die VRG ist vor allem bei forcierter Atmung aktiv, z.B. bei körperlicher Anstrengung.
- Pontine respiratorische Gruppe (PRG): Diese Gruppe befindet sich im Pons und beeinflusst die Aktivität der DRG und VRG. Die PRG spielt eine Rolle bei der Anpassung der Atemfrequenz und -tiefe an verschiedene Situationen, wie z.B. Sprechen oder Schlafen.
Funktionsweise des Atemzentrums
Das Atemzentrum generiert einen grundlegenden Atemrhythmus und passt diesen an die Bedürfnisse des Körpers an. Die rhythmische Atemaktivität entsteht durch eine komplexe Verschaltung der Atemneuronen in der Medulla oblongata, die sich gegenseitig fördern und hemmen. Dieser Rhythmus wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst:
- Chemorezeptoren: Diese Rezeptoren messen den Sauerstoff- (O2), Kohlendioxid- (CO2) Gehalt und den pH-Wert im Blut. Es gibt zentrale Chemorezeptoren in der Medulla oblongata, die auf Veränderungen des CO2-Gehalts und des pH-Werts im Liquor cerebrospinalis reagieren, und periphere Chemorezeptoren an der Teilungsstelle der Halsschlagader (Arteria carotis) und im Aortenbogen, die auf Veränderungen des O2-, CO2-Gehalts und des pH-Werts im Blut ansprechen. Ein erhöhter CO2-Gehalt oder ein niedriger pH-Wert im Blut führen zu einer Steigerung der Atemfrequenz und -tiefe, um das überschüssige CO2 abzuatmen und den pH-Wert zu normalisieren. Ein niedriger O2-Gehalt im Blut stimuliert ebenfalls die Atmung, allerdings in geringerem Maße.
- Mechanorezeptoren: Diese Rezeptoren befinden sich in den Lungen, den Atemwegen, den Gelenken und den Muskeln und messen die Dehnung der Lungen und die Bewegung des Körpers. Die Informationen von den Mechanorezeptoren werden an das Atemzentrum weitergeleitet und beeinflussen die Atemfrequenz und -tiefe. Zum Beispiel führt die Dehnung der Lungen zu einer Hemmung der Inspiration (Hering-Breuer-Reflex), um eine Überdehnung der Lunge zu verhindern.
- Höhere Hirnzentren: Die Atmung kann auch willentlich beeinflusst werden, z.B. beim Sprechen, Singen oder Atemanhalten. Diese willentlichen Einflüsse werden von höheren Hirnzentren, wie dem Cortex, gesteuert und an das Atemzentrum weitergeleitet.
Einflussfaktoren auf die Atmung
Die Atmung wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, darunter:
- Körperliche Aktivität: Bei körperlicher Anstrengung steigt der Sauerstoffbedarf des Körpers. Das Atemzentrum erhöht die Atemfrequenz und -tiefe, um den erhöhten Bedarf zu decken.
- Schlaf: Während des Schlafs verlangsamt sich die Atmung und wird regelmäßiger.
- Emotionen: Emotionen wie Angst oder Aufregung können die Atmung beschleunigen und vertiefen.
- Schmerzen: Schmerzen können die Atmung ebenfalls beeinflussen, entweder beschleunigen oder verlangsamen.
- Medikamente: Einige Medikamente, wie z.B. Opioide, können die Atmung unterdrücken.
- Erkrankungen: Verschiedene Erkrankungen, wie z.B. Asthma, COPD oder Lungenentzündung, können die Atmung beeinträchtigen.
Klinische Bedeutung
Schädigungen des Atemzentrums, z.B. durch Schlaganfall, Trauma oder Tumore, können zu schweren Atemstörungen führen, die lebensbedrohlich sein können. Auch Erkrankungen, die die Funktion der Atemmuskulatur beeinträchtigen, wie z.B. Muskeldystrophie oder Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), können zu Ateminsuffizienz führen.
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