Orthopädie und Neurochirurgie: Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Behandlung von Wirbelsäulenerkrankungen

Die Behandlung von Erkrankungen und Verletzungen der Wirbelsäule ist ein komplexes Feld, das sowohl orthopädische als auch neurochirurgische Fachkenntnisse erfordert. Obwohl beide Disziplinen eng miteinander verbunden sind und oft zusammenarbeiten, gibt es wichtige Unterschiede in ihren Schwerpunkten, Ausbildungswegen und Behandlungsmethoden. Dieser Artikel beleuchtet die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Orthopädie und Neurochirurgie im Kontext der Wirbelsäulenbehandlung, um Patienten und Interessierten einen umfassenden Überblick zu bieten.

Einführung in Orthopädie und Neurochirurgie

Die Orthopädie konzentriert sich auf Erkrankungen, Schädigungen und Fehlbildungen des gesamten Stütz- und Bewegungsapparates. Dies umfasst Knochen, Gelenke, Muskeln, Sehnen und Bänder. Die Neurochirurgie hingegen ist ein hochspezialisiertes Gebiet, das sich mit der chirurgischen Behandlung von Erkrankungen des Nervensystems befasst, einschließlich Gehirn, Rückenmark und peripheren Nerven.

Im Bereich der Wirbelsäulenchirurgie überschneiden sich die beiden Fachgebiete, da die Wirbelsäule eine komplexe Struktur aus Knochen, Knorpel, Nerven und Rückenmark ist. Verletzungen, Degeneration und Erkrankungen der Wirbelsäule können sowohl orthopädische als auch neurologische Probleme verursachen, was eine interdisziplinäre Zusammenarbeit erforderlich macht.

Die Rolle der Orthopädie in der Wirbelsäulenchirurgie

Orthopäden sind spezialisiert auf die Diagnose und Behandlung von muskuloskelettalen Problemen, einschließlich Wirbelsäulenerkrankungen. Sie verfügen über umfassende Kenntnisse der Biomechanik der Wirbelsäule und der Auswirkungen von Verletzungen und Degeneration auf ihre Stabilität und Funktion.

Zu den häufigsten orthopädischen Eingriffen an der Wirbelsäule gehören:

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  • Spondylodese (Versteifungsoperation): Hierbei werden zwei oder mehrere Wirbel miteinander verbunden, um die Stabilität der Wirbelsäule wiederherzustellen und Schmerzen zu reduzieren. Die Bandscheiben werden komplett entfernt, an ihrer Stelle wird durch Knochenspäne und Platzhalter (Cages) eine feste knöcherne Verbindung zwischen den Wirbeln, eine Versteifung, erzielt.
  • Korrekturoperationen bei Skoliose und Kyphose: Diese Eingriffe dienen dazu, Verformungen der Wirbelsäule zu korrigieren und die Körperhaltung zu verbessern.
  • Behandlung von Wirbelkörperfrakturen: Orthopäden können verschiedene Techniken anwenden, um gebrochene Wirbel zu stabilisieren, einschließlich Kyphoplastie und Spondylodese. Von hinten werden Fixateure implantiert, die den gebrochenen Wirbel überbrücken. Diese minimalinvasive Operation wird in einer Vollnarkose durchgeführt.

Orthopäden arbeiten oft eng mit anderen Fachärzten zusammen, um eine umfassende Versorgung von Patienten mit Wirbelsäulenerkrankungen zu gewährleisten. Im "Zentrum für Orthopädie und Neurochirurgie" arbeiten Orthopäden, Unfall- und Neurochirurgen zusammen.

Die Rolle der Neurochirurgie in der Wirbelsäulenchirurgie

Neurochirurgen sind auf die chirurgische Behandlung von Erkrankungen des Nervensystems spezialisiert, einschließlich des Rückenmarks und der Spinalnerven. Sie verfügen über spezielle Kenntnisse der komplexen Anatomie des Nervensystems und der Auswirkungen von Verletzungen und Erkrankungen auf seine Funktion.

Zu den häufigsten neurochirurgischen Eingriffen an der Wirbelsäule gehören:

  • Dekompression von Nervenstrukturen: Hierbei werden Knochen, Bandscheibengewebe oder andere Strukturen entfernt, die auf das Rückenmark oder die Spinalnerven drücken und Schmerzen, Taubheitsgefühle oder Muskelschwäche verursachen. Standardverfahren bei der Spinalkanal OP ist die mikrochirurgische Dekompression. Am Rücken wird ein zwei bis drei Zentimeter langer Schnitt angebracht, durch den man bis zur Wirbelsäule gelangt.
  • Resektion von Wirbelsäulentumoren: Neurochirurgen sind spezialisiert auf die Entfernung von Tumoren, die im Rückenmark oder in den Spinalnerven entstehen. Bei der Resektion spinaler und besonders intramedullärer Tumore ist Neuromonitoring längst nicht mehr wegzudenken.
  • Behandlung von Bandscheibenvorfällen: Neurochirurgen können verschiedene Techniken anwenden, um Bandscheibenvorfälle zu behandeln, einschließlich minimal-invasiver Verfahren wie der mikroskopischen Diskektomie oder der endoskopischen Bandscheiben-OP. Bei beiden Verfahren wird das vorgefallene Gewebe entfernt.

Ein wichtiger Aspekt der neurochirurgischen Versorgung von Wirbelsäulenpatienten ist das intraoperative Neuromonitoring. Ziel des intraoperativen Neuromonitorings spinaler Nerven ist es, vor Verletzungen vitaler neuraler Strukturen zu warnen. Beim Neuromonitoring an der Wirbelsäule werden vor allem afferente Rückenmarksbahnen mittels Ableitung von somatosensorisch evozierten Potentialen (SEP) und efferente Rückenmarksbahnen mit motorisch evozierten Potentialen (MEP) überwacht.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Ausbildung

Sowohl Orthopäden als auch Neurochirurgen absolvieren eine lange und intensive Ausbildung, um ihre Facharztqualifikation zu erlangen. Die universitäre Grundausbildung zum Arzt dauert in aller Regel sechs Jahre. Danach erfolgt die Fachausbildung zum Neurochirurgen, für die ebenfalls mindestens 6 Jahre benötigt werden.

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Die Ausbildung zum Orthopäden umfasst in der Regel eine breitere Palette von muskuloskelettalen Erkrankungen, während sich die Ausbildung zum Neurochirurgen stärker auf das Nervensystem konzentriert. Allerdings gibt es auch Überschneidungen in den Ausbildungsinhalten, insbesondere im Bereich der Wirbelsäulenchirurgie. So müssen z. B. Neurochirurgen zur Erreichung der Facharztprüfung mindestens 50 Eingriffe an der Lendenwirbelsäule selbstständig durchgeführt haben.

Konservative Behandlungsmethoden

Sowohl Orthopäden als auch Neurochirurgen berücksichtigen bei der Behandlung von Wirbelsäulenerkrankungen konservative Therapieoptionen. Solange der Befund und der klinische Zustand der Patientin oder des Patienten es erlauben, bevorzuge ich zunächst immer die konservative Behandlung. Hierzu gehören verschiedene Injektionstechniken, teilweise bildwandlergestützt, sowie Kombinationsbehandlungen aus physikalischer Therapie und physikalischen Maßnahmen. Auch die üblichen oralen Schmerzmittel werden bei der konservativen Therapie eingesetzt.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Aufgrund der Komplexität von Wirbelsäulenerkrankungen ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Orthopäden, Neurochirurgen und anderen Fachärzten unerlässlich. Diese interdisziplinäre Zusammenarbeit ermöglicht eine umfassende Beurteilung des Patienten und die Entwicklung eines individuellen Behandlungsplans, der sowohl die orthopädischen als auch die neurologischen Aspekte der Erkrankung berücksichtigt. Neurochirurgen arbeiten eng mit unseren Orthopäden, Radiologen und Neuroradiologen zusammen.

Die Bedeutung von Spezialisierung und Erfahrung

In beiden Fachrichtungen spezialisieren sich Ärzte auf das gesamte Behandlungsspektrum der Wirbelsäulenerkrankungen. So sollten Sie vor einer Operation eventuell in Erfahrung bringen, ob die Klinik große Erfahrung in der bevorstehenden Behandlung hat und ob der Arzt spezialisiert (oder sogar subspezialisiert) ist auf Wirbelsäulenbehandlungen. Er muss Sie auf alternative Behandlungen hinweisen können, auf die möglichen Komplikationen und die notwendige Nachbehandlung eines Eingriffes. Letztendlich ist wichtig, dass der Operateur ausreichend Erfahrung auf seinem Gebiet hat, ganz gleich ob er ursprünglich aus der Neurochirurgie, Unfallchirurgie oder Orthopädie kommt.

Minimalinvasive Techniken

Moderne Verfahren ermöglichen es heute, die Zugangswege zur Wirbelsäule sehr klein zu gestalten. Mit guter Erfahrung führen wir auch endoskopische Eingriffe an der Lendenwirbelsäule zur Entfernung von Bandscheibenvorfällen durch. Dieses Verfahren zeichnet sich dadurch aus, dass der Bandscheibenvorfall über einen sehr kleinen Hautschnitt von etwa 8 mm Länger erreicht werden kann und bei der Entfernung umgebende Strukturen maximal geschont werden. Das führt zu einer Verringerung postoperativer Vernarbungen und Schmerzen.

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