Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederkehrende Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle entstehen durch abnorme elektrische Aktivitäten im Gehirn. Die Symptome, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten von Epilepsie sind vielfältig. Die Osteopathie bietet einen ganzheitlichen Therapieansatz, der in bestimmten Fällen eine sinnvolle Ergänzung zur schulmedizinischen Behandlung darstellen kann.
Was ist Epilepsie?
Epilepsie ist eine häufige neurologische Erkrankung, die durch wiederkehrende, unkontrollierbare Anfälle aufgrund abnormer elektrischer Aktivitäten im Gehirn gekennzeichnet ist. Die Erkrankung tritt in jedem Alter auf und variiert stark in Schweregrad und Häufigkeit. Nach schulmedizinischem Wissen entstehen Epilepsien aufgrund abnormer Reaktionen von Nervenzellen. Diese Reaktionen können sich in unterschiedlicher Art und Weise äußern, wobei die Intensität sowohl sehr ausgeprägt sein als auch endlos lange anhalten kann. Die abnormen elektrischen Entladungen breiten sich dann in Maßen auf immer weitere Nervenzellen aus.
Man unterscheidet fokale und generalisierte Anfälle: Fokale beginnen in einer umschriebenen Region einer Großhirnhälfte, bei generalisierten sind keine Zeichen eines lokalen Beginns zu erkennen. Fokale Anfälle können sich unterschiedlich äußern. Es gibt solche, bei denen die Betroffenen bei vollem Bewusstsein bleiben, aber auch solche, die mit einer Bewusstseinstrübung einhergehen (keine Bewusstlosigkeit, aber inadäquate Wahrnehmung und Handlung).
Ursachen von Epilepsie
Die zentrale Ursache von Epilepsie liegt in einer gestörten elektrischen Aktivität der Nervenzellen im Gehirn. Normalerweise sorgt eine präzise Abstimmung der elektrischen Signale zwischen den Neuronen für eine koordinierte Gehirnfunktion. Bei Epilepsie kommt es jedoch zu einer Fehlregulation, die zu einer übermäßigen, synchronisierten Entladung von Nervenzellen führt.
Es gibt verschiedene Faktoren, die Epilepsie verursachen können:
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- Genetische Faktoren: Epilepsie hat oft eine erbliche Komponente. Studien zeigen, dass bestimmte Genmutationen das Risiko für die Entwicklung von Epilepsie deutlich erhöhen können.
- Hirnschäden: Schäden am Gehirn, sei es durch Unfälle, Schlaganfälle, Tumore oder Infektionen, können zu Narbengewebe führen, das die normale neuronale Kommunikation stört. Diese Narben sind ein bedeutender Risikofaktor für die Entstehung von Epilepsie. Trauma während der Geburt (z. B. Sauerstoffmangel) kann ebenfalls eine Ursache sein.
- Fieberkrämpfe: Kinder, die während Fieberperioden wiederholt oder langanhaltend Krämpfe entwickeln, haben ein höheres Risiko, später im Leben an Epilepsie zu erkranken.
- Genetische Syndrome: Genetische Syndrome wie das Rett-Syndrom oder Angelman-Syndrom, die mit schweren neurologischen Entwicklungsstörungen einhergehen, erhöhen das Epilepsierisiko.
- Stoffwechselstörungen: Genetische Stoffwechselstörungen, die den chemischen Haushalt im Gehirn stören, können die Erregbarkeit der Nervenzellen erhöhen und so das Risiko für epileptische Anfälle steigern.
- Infektionen: Infektionen des zentralen Nervensystems, wie Meningitis oder Enzephalitis, können strukturelle Schäden an den Gehirnzellen verursachen.
Die kontinuierliche Forschung zur Epilepsie hat unser Verständnis über die genetischen und molekularen Mechanismen dieser Erkrankung erheblich vertieft. Diese Erkenntnisse ermöglichen es, personalisierte Therapieansätze zu entwickeln, die gezielt auf die individuellen Ursachen der Epilepsie ausgerichtet sind.
Symptome von Epilepsie
Die Symptome von Epilepsie erstrecken sich über ein breites Spektrum und variieren je nach Art und Lokalisation der Anfälle. Das Hauptsymptom der Epilepsie sind wiederkehrende Anfälle.
- Krämpfe und Zuckungen: Epileptische Krämpfe entstehen durch eine plötzliche, unkontrollierte elektrische Entladung im Gehirn. In schwereren Fällen kann es zu einem vollständigen Bewusstseinsverlust kommen.
- Gedächtnisverlust: Viele Epilepsie-Patienten haben nach einem Anfall keinerlei Erinnerung an das Ereignis.
Die Häufigkeit und Schwere der Anfälle können stark variieren und hängen von der Art der Epilepsie ab. In anderen Fällen kann Epilepsie jedoch ein lebenslanges Problem bleiben.
Schulmedizinische Behandlung von Epilepsie
Das Ziel der schulmedizinischen Behandlung von Epilepsie ist es, die Anfallshäufigkeit zu reduzieren und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Dies wird in der Regel durch die Einnahme von Medikamenten erreicht, die die Erregbarkeit der epileptischen Neurone zu unterdrücken versuchen. Bei ca. 70 % der Patienten lässt sich durch Medikamente eine Anfallsfreiheit oder eine deutliche Reduktion der Anfallshäufigkeit erreichen.
In einigen Fällen, insbesondere wenn Medikamente nicht ausreichend wirken oder die Ursache der Epilepsie in einer klar definierten Hirnregion liegt (z. B. eines Kavernoms), kann eine Operation in Erwägung gezogen werden, um die Anfallsfrequenz zu reduzieren oder sogar Anfallsfreiheit zu erreichen. Bei einem Jugendlichen mit einer symptomatisch-fokalen Epilepsie mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen und dyskognitiven Anfällen konnte die Anfallshäufigkeit medikamentös nicht reduziert werden, sodass nach 2,5 Jahren eine Hirn-Teilresektion geplant war.
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Eine weitere Option ist die ketogene Diät, eine spezielle Ernährungsform, die reich an Fett und arm an Kohlenhydraten ist. Sie wird vor allem bei Kindern eingesetzt, bei denen Medikamente nicht ausreichend wirken. Die Anfallshäufigkeit wird durch Fasten vermindert, weil die Anfallshäufigkeit durch Fasten vermindert wird. Bei der ketogenen Diät wird die Ernährung so umgestellt, dass der Körper Fett anstelle von Kohlenhydraten als Hauptenergiequelle nutzt (Fett : KH = ca. 4 : 1). Studien zufolge werden ca. 30-40 % der Kinder durch die ketogene Diät anfallsfrei, bei weiteren 30-40 % kommt es zu einer Reduktion der Anfälle um mehr als die Hälfte.
Osteopathie als ergänzende Behandlung
Die Osteopathie ist ein ganzheitlicher Ansatz, der den Körper als eine Einheit betrachtet und darauf abzielt, die Selbstheilungskräfte des Körpers zu aktivieren. Osteopathen suchen nach Bewegungseinschränkungen und Spannungen im Körper, die die normale Funktion des Nervensystems, des Kreislaufsystems und anderer wichtiger Systeme beeinträchtigen könnten.
Im Kontext von Epilepsie kann die Osteopathie verschiedene Ansätze verfolgen:
- Behandlung von Dysfunktionen des Bewegungsapparates: Viele Epilepsiepatienten leiden auch unter Muskelverspannungen, Gelenkblockaden und anderen Dysfunktionen des Bewegungsapparates. Diese können das Nervensystem zusätzlich belasten und die Anfallshäufigkeit beeinflussen. Osteopathen können diese Dysfunktionen mit sanften manuellen Techniken behandeln, um die Beweglichkeit zu verbessern und die Muskelspannung zu reduzieren.
- Kraniosakrale Therapie: Die kraniosakrale Therapie ist ein Teilbereich der Osteopathie, der sich auf die Behandlung des Schädels, der Wirbelsäule und des Kreuzbeins konzentriert. Ziel ist es, die Beweglichkeit der Schädelknochen und der Hirnhäute zu verbessern und den Fluss der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit (Liquor) zu harmonisieren. Einige Osteopathen glauben, dass Störungen im kraniosakralen System die Funktion des Gehirns beeinträchtigen und die Anfallshäufigkeit erhöhen können.
- Viszerale Osteopathie: Die viszerale Osteopathie befasst sich mit der Behandlung der inneren Organe und ihrer bindegewebigen Aufhängungen. Einige Osteopathen vermuten, dass Störungen der Organfunktion, insbesondere im Verdauungstrakt, das Nervensystem beeinflussen und die Anfallshäufigkeit erhöhen können.
- Einfluss auf das vegetative Nervensystem: Das vegetative Nervensystem spielt eine wichtige Rolle bei der Regulation der Körperfunktionen, einschließlich der Gehirnaktivität. Osteopathen können Techniken anwenden, um das vegetative Nervensystem zu harmonisieren und das Gleichgewicht zwischen Sympathikus und Parasympathikus wiederherzustellen. Eine Stimulierung des linken N. vagus hat eine antientzündliche Wirkung. Sie kann möglicherweise bei Epilepsie helfen.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Osteopathie keine Heilung für Epilepsie verspricht. Sie kann jedoch in einigen Fällen eine sinnvolle Ergänzung zur schulmedizinischen Behandlung darstellen, um die Anfallshäufigkeit zu reduzieren, die Lebensqualität zu verbessern und das Wohlbefinden der Patienten zu steigern.
Fallbeispiel: Osteopathische Behandlung bei einem Jugendlichen mit Epilepsie
Ein 15-jähriger Patient erlitt im April 2016 seinen ersten epileptischen Anfall. Aufgrund persistierender Anfälle erhielt er verschiedene Medikamente. Dennoch traten mehrfach pro Woche, besonders in Stresssituationen, wechselnd stark ausgeprägte, überwiegend dyskognitive Anfälle mit Bewusstseinsverlust, starrem Blick und häufig anschließendem Nachschlaf auf. Die Anfälle ereigneten sich zu wechselnden Tageszeiten, auch unter der begonnenen ketogenen Diät bestanden weiterhin Anfälle.
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Bei der Vorstellung in der Praxis des Osteopathen 2,5 Jahre nach dem ersten Anfall lagen neben den beschriebenen epileptischen Anfällen auch rezidivierende Rückenschmerzen mit Bewegungseinschränkungen vor. Bei der Untersuchung fanden sich neben Dysfunktionen der Beckengelenke (Sakroiliakalgelenk und Iliosakralgelenk) mit adaptiven Funktionsstörungen v. a. im BWS-Bereich auch Blockaden der Handgelenke sowie ein Atlas-Shift nach links. Viszeral war der Befund unauffällig, kraniosakral waren die horizontale und vertikale Dura gespannt und somit auch die Beweglichkeit beider Ossa temporalia eingeschränkt.
Je nach erhobenem Befund erfolgte die osteopathische Behandlung. Während der ersten 4 - 5 Behandlungen traten die Anfälle statt 2 - 3-mal pro Woche nur noch alle 2 - 3 Wochen auf. Nach jedem Anfall lagen wiederum Blockaden der mittleren BWS und ein Atlas-Shift links mit gleichem kraniosakralen Ausgangsbefund vor. Da die Pathophysiologie eines epileptischen Anfalls - wenn auch mit Sturz - nicht den Erfordernissen für ein Atlas-Shift entsprach (seitlicher Anprall an Atlas oder Schädel), vereinbarten wir alle 2 - 3 Tage Kontrolluntersuchungen. Es zeigten sich wiederholt BWS-Blockaden, nur selten eine Atlas-Hypomobilität links.
5 Monate nach der Erstbehandlung lag eine Anfallsfreiheit vor, die nun seit 1,5 Jahren besteht. Mittlerweile kommt der Patient alle 4 - 6 Wochen zur Kontrolluntersuchung und ggf. werden Blockaden (meist 1 - 2 in der oberen BWS) gelöst. Bei den neuropädiatrischen Kontrolluntersuchungen war jeweils das EEG mit Hyperventilation unauffällig (kein sicherer Herdnachweis, keine umschriebene Verlangsamung, keine epilepsietypischen Potenziale). Es wurde die Wiederaufnahme von Sport unter Beibehaltung der aktuellen Medikation empfohlen, da in der Vergangenheit Sport auch als Auslöser aufgetreten war.
Dieses Fallbeispiel zeigt, dass die osteopathische Behandlung in bestimmten Fällen zu einer deutlichen Reduktion der Anfallshäufigkeit und sogar zu Anfallsfreiheit führen kann. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass dies nicht bei allen Patienten der Fall ist und dass die Osteopathie immer nur als ergänzende Behandlung betrachtet werden sollte.
Weitere Anwendungsbereiche der Osteopathie
Die Osteopathie kann auch bei einer Vielzahl anderer Beschwerden eingesetzt werden. Hier sind einige Beispiele:
- Asthma: Eine osteopathische Behandlung zeigt hinsichtlich der Ausatmung bei Kindern mit Asthma bronchiale eine signifikante Verbesserung.
- Kiefergelenksstörungen: Eine Vielzahl von Ursachen können zu Kiefergelenks- und Bissstörungen führen. Die Behandlung umfasst die Normalisierung der betroffenen Strukturen und der zugrunde liegenden Ursachen.
- Lernschwierigkeiten: Eine der Ursachen für das Entstehen dieser Störung ebenso wie bei Lernschwierigkeiten ist häufig in Geburtstraumata und in früher Kindheit zu suchen.
- Migräne: Laut einer Studie aus dem Jahr 2012 gibt es Hinweise, dass Migräne, Kopfschmerzen und assoziierte Symptome durch die osteopathische manuelle Therapie verbessert werden können.
- Mittelohrentzündung: Auch hier sind außer der entsprechenden Ganzheitsbehandlung, v.a. das Os temporale, die Eustachische Röhre und das Kiefergelenk zu behandeln.
- Tinnitus: Auch osteopathische Behandlungen könnten Teil der Behandlung sein.
- Funktionelle Herzbeschwerden: Bei funktionellen Herzbeschwerden wurden Dysfunktionen im Bereich der Wirbelsäule gehäuft im Bereich C0, Th4, L3 und L5 lokalisiert.
- Schleudertrauma: Eine befundorientierte osteopathische Behandlung zeigte bei Schleudertrauma in einer kontrollierten und randomisierten Studie mit 40 Probanden einen positiven Effekt.
- Skoliose: Möglicherweise sind Geburtstraumata am atlantookzipitalen Gelenk, am Okziput und an der SSB teilweise beteiligt.
- Sehstörungen: Das Ergebnis zeigte bei allen untersuchten 10 Probanden eine Erhöhung der okulären Pulsamplitude nach einer osteophatischen Behandlung.
Die Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit
Die Behandlung von Epilepsie und anderen komplexen Erkrankungen erfordert in der Regel einen interdisziplinären Ansatz. Dies bedeutet, dass verschiedene Fachrichtungen wie Neurologen, Osteopathen, Physiotherapeuten, Psychologen und Ernährungsexperten zusammenarbeiten, um den Patienten optimal zu versorgen.
Fazit
Die Osteopathie kann bei Epilepsie eine sinnvolle Ergänzung zur schulmedizinischen Behandlung darstellen. Durch die Behandlung von Dysfunktionen des Bewegungsapparates, die Harmonisierung des kraniosakralen Systems, die Beeinflussung des vegetativen Nervensystems und die Berücksichtigung der viszeralen Funktion kann die Osteopathie dazu beitragen, die Anfallshäufigkeit zu reduzieren, die Lebensqualität zu verbessern und das Wohlbefinden der Patienten zu steigern. Es ist jedoch wichtig, dass die Osteopathie immer in Absprache mit dem behandelnden Neurologen erfolgt und dass die schulmedizinische Behandlung nicht vernachlässigt wird.
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