Morbus Parkinson, eine neurodegenerative Erkrankung, die durch den Verlust von Dopamin produzierenden Zellen im Gehirn gekennzeichnet ist, betrifft in Deutschland etwa 400.000 Menschen. Das Alter stellt an sich den größten Risikofaktor für Morbus Parkinson dar. Die Erkrankung manifestiert sich typischerweise durch Zittern, Muskelsteifheit (Rigor) und posturale Instabilität. Hinzu kommen nicht-motorische Symptome, die oft belastender sind als die motorischen. Obwohl Parkinson in der Regel mit Medikamenten behandelt wird, kann in einigen Fällen eine tiefe Hirnstimulation (THS) in Betracht gezogen werden. Operative Eingriffe stellen für Parkinson-Patienten besondere Herausforderungen dar, insbesondere im Hinblick auf die Anästhesie.
Herausforderungen und Risiken der Narkose bei Parkinson
Für Parkinson-Patienten birgt die Narkose besondere Risiken. Häufig vertragen sich die notwendigen Narkosemittel nicht mit den Parkinson-Arzneien. Es besteht die Gefahr eines sogenannten Durchgangssyndroms. Dies kann vor allem durch eine unterbrochene Tabletteneinnahme, durch eine ungenügende Darmfunktion während und nach einer Operation, oder durch eine schlechte Kreislaufsituation mit niedrigen Blutdruckwerten bedingt sein. Im ungünstigsten Fall ist der Patient nach der Operation bei vollem Bewusstsein, jedoch nicht in der Lage seine Umgebung adäquat wahrzunehmen. Er erkennt unter Umständen sogar seine Angehörigen und Freunde nicht. Nach einer eventuell auch längeren Erholungszeit tritt dann meist ein normaler Wahrnehmungszustand wieder ein. Jedoch in einigen Fällen mit veränderten Emotionen oder sogar veränderter Persönlichkeit.
Die Halbwertszeit von L-Dopa ist kurz. Eine Unterbrechung der L-Dopa-Therapie über 6 - 12 Stunden kann zu einer deutlichen Verschlechterung der Parkinson-Symptomatik mit Zunahme der Muskelsteifheit bis hin zur Parkinson-Krise (akinetische Krise) mit lebensbedrohlichen Symptomen wie Schluck- und Atemstörungen führen. Daher sollten die Parkinson-Medikamente bis zum Morgen der Operation und unmittelbar postoperativ kontinuierlich eingenommen werden. Die letzte Einnahme der Parkinson-Medikamente erfolgt aus diesem Grund mit wenig Wasser am Morgen vor der OP.
Die Narkosemittel dürfen weder die Parkinson-Symptomatik verstärken noch die Wirkung der Parkinson-Medikamente beeinflussen. So können etwa hochpotente Opioide, die die Schmerzen während einer Operation ausschalten, die Muskulatur zusätzlich versteifen. Zusätzliche Vorsicht ist bei jenen Patienten geboten, die Parkinson-Mittel in kurzen Abständen nehmen. Denn deren Wirkung kann während der Narkose nachlassen. Experten empfehlen deshalb, die Präparate bis kurz vor Einleitung der Narkose einzunehmen. „Die Medikamente sollten möglichst während des gesamten Eingriffs wirken, um Komplikationen wie etwa eine Brustkorbstarre mit Luftnot zu vermeiden“, erläutert Dr. Rundshagen.
Alle Dopamin-Antagonisten, die u. a. von PONV eingesetzt werden (Haloperidol, Metoclopramid), sind kontraindiziert, da sie zu einer akinetischen Krise kommen oder ein malignes neuroleptisches Syndrom auslösen können.
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Mögliche Komplikationen
- Akinetische Krise: Eine plötzliche und schwere Verschlechterung der Parkinson-Symptome, die lebensbedrohlich sein kann.
- Malignes neuroleptisches Syndrom: Eine seltene, aber schwerwiegende Reaktion auf bestimmte Medikamente, die zu Muskelsteifheit, Fieber und Bewusstseinsveränderungen führen kann.
- Postoperatives Delir: Ein Verwirrtheitszustand nach der Operation.
- Atemprobleme: Vermehrte Speichelbildung und Schluckprobleme können in Einzelfällen zu lebensbedrohlicher Atemnot führen.
- Wechselwirkungen mit Anästhetika: Einige Anästhetika können die Parkinson-Symptome verstärken oder die Wirkung der Parkinson-Medikamente beeinträchtigen.
Perioperatives Management
Ein optimales perioperatives Management ist entscheidend, um Risiken zu minimieren und Komplikationen zu vermeiden.
Präoperative Phase
- Detaillierte Anamnese: Es ist von größter Wichtigkeit, dass den beteiligten Ärzten alle Befunde vorliegen, um die Art der Operation und des Narkoseverfahrens optimal planen zu können. Hierzu gehören neben der Anamnese (Befragung zur Krankengeschichte) auch eine körperliche Untersuchung und ggf. weitere apparative Untersuchungen wie beispielsweise ein Lungenfunktionstest.
- Medikationsplan: Eine schriftliche Übersicht über alle wesentlichen Vorerkrankungen und die aktuelle Medikation ist für den Anästhesisten sehr hilfreich.
- Aufklärungsgespräch: Vor jeder Operation findet eine Aufklärungsgespräch mit dem Narkosearzt (Anästhesist) statt, in dem Patienten ihre Fragen vorbringen können. Dies sollte in verständlicher Form, d.h. mit Übersetzung der medizinischen Fachausdrücke oder ganz ohne Fachterminologie (Fachsprache) erfolgen.
- Neurologische Konsultation: Generell empfiehlt Rundshagen Anästhesisten, ihr Vorgehen mit einem Neurologen abzustimmen.
- Anpassung der Medikation: Wenn die Operation nicht notfallmäßig erfolgt, sondern geplant werden kann, sollten MAO-B-Hemmer (Rasagilin, Selegilin) 14 Tage vor der Operation abgesetzt werden.
- Kontinuierliche Medikamenteneinnahme: Die letzte Einnahme der Parkinson-Medikamente erfolgt aus diesem Grund mit wenig Wasser am Morgen vor der OP. Der Parkinson-Patient sollte möglichst zügig (als erster) operiert werden.
Intraoperative Phase
- Berücksichtigung von Wechselwirkungen: Die Narkosemittel dürfen weder die Parkinson-Symptomatik verstärken noch die Wirkung der Parkinson-Medikamente beeinflussen.
- Vermeidung kontraindizierter Medikamente: Alle Dopamin-Antagonisten, die u. a. von PONV eingesetzt werden (Haloperidol, Metoclopramid), sind kontraindiziert.
- Alternative Schmerzmittel: So können etwa hochpotente Opioide, die die Schmerzen während einer Operation ausschalten, die Muskulatur zusätzlich versteifen.
Postoperative Phase
- Engmaschige Überwachung: Nach der Operation/Narkose sollte besonders streng auf die Einhaltung der Einnahmeintervalle (z.B. aller 3 Stunden) geachtet werden.
- Unterstützung durch Angehörige: Ist es der Familie möglich, hat es sich als ausgesprochen hilfreich erwiesen, den Patienten zumindest in den ersten drei postoperativen Tagen in der Klinik über den Tag zu begleiten, um insbesondere die regelmäßige Einnahme der Medikation und eine ausreichende Trinkmenge sicherzustellen.
- Mobilisierung: Die sogenannte postoperative Erholungsphase (Rekonvaleszenz) nach einer Operation dauert bei Parkinson-Patienten meist etwas länger. Dies sollte zunächst nicht beunruhigen und zu täglichen Bewegungs- und Atemübungen in Eigenregie anregen.
- Schmerztherapie: Intra- und postoperativ gehört die Gabe von Opioiden zur Schmerzlinderung zum Narkosestandard.
Apomorphin-Therapie
Einige Parkinson-Patienten in fortgeschrittenen Krankheitsstadien mit Wirkungsfluktuationen und damit verbundenen langen off-Phasen, welche sich mit einer oralen oder transdermalen Medikation nur unzureichend kontrollieren lassen, werden zusätzlich mit Apomorphin behan-delt. Apomorphin wird parenteral verabreicht, also unter Umgehung des Magen-Darm-Traktes, da dieser bei Parkinson-Patienten sehr verzögert arbeitet.
Ist ein operativer Eingriff erforderlich, muss entschieden werden, ob die medikamentöse The-rapie unterbrochen oder fortgeführt werden kann. Bei einer Fortführung der Medikation be-steht möglicherweise ein erhöhtes Risiko für Interaktionen mit den Narkosemitteln, deren Ausmaß und Auswirkungen für viele Substanzen bisher nicht vollständig geklärt sind. Eine Unterbrechung kann eine Verschlechterung der Parkinson-Symptome zur Folge haben, wel-che ihrerseits den postoperativen Heilungsverlauf erschweren kann.
Perioperative Vorgehensweise unter Therapie mit Apomorphin
Die folgenden Empfehlungen zur perioperativen Vorgehensweise unter einer Therapie mit Apomorphin dienen als Orientierungshilfe für eine individuelle Handhabung, wenn ein elektiver Eingriff unter einer bestehenden Therapie erfolgen soll. Die perioperative medikamentöse Therapie mit oralen Parkinson-Medikamenten sollte nach einer individuellen Einschätzung des Risikoprofils des Patienten und unter Berücksichtigung der Empfehlungen zu den einzelnen Substanzen in den Hinweisen zur Anästhesie bei M. Par-kinson (siehe dort) erfolgen.
Idealerweise kann Apomorphin Narkose-begleitend (intraoperativ) verabreicht werden, da es über eine dünne Nadel subkutan (unter die Haut) verabreicht wird. Aufgrund seiner geringen Bioverfügbarkeit bei oraler Einnahme (als Tablette geschluckt), eignet es sich nur für eine diese Art der Verabreichung (parenteral) [1]. Es kann entweder als subkutane Bolusinjektion über einen Pen-Injektor oder als Dauerinfusion über ein Pumpensystem verabreicht werden [2].
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Durch die Vielfalt der möglichen operativen Eingriffe und die unterschiedlichen Faktoren, die das Anwenden von Apomorphin über einen Pen oder eine Pumpe beeinflussen, ist jedoch eine Risikoeinschätzung vorzunehmen. So ist die Lokalisation der Operation eine Einflussgröße. Handelt es sich um eine Katarakt-Operation (grauer Star), kann die Apomorphin-Therapie wie bisher unverändert weitergeführt werden. Liegt die Operation dagegen im Infusionsgebiet der Nadel (Pumpensystem), muss diese entweder versetzt werden oder es erfolgt intraoperativ ersatzweise eine subkutane Injektionsbehandlung mit Apomorphin über den Pen.
Die Wirkung von Apomorphin auf die Beweglichkeit ähnelt sehr der von L-DOPA, im Unter-schied dazu ist sie jedoch unabhängig von der Magenfunktion, sie tritt sie wesentlich schneller ein (nach ca. 2 - 16 Minuten), hält jedoch nur 45 bis 60 Minuten an [4]. Die Halbwertszeit von Apomorphin beträgt 45 Minuten, und das Minimum, die empfohlene kürzeste Zeit zwischen den Injektionen beträgt 60 Minuten.
Wird während der Operation auf die orale Parkinson-Medikation verzichtet, kann die nötige Apomorphindosis wie folgte berechnet werden: die Levodopa-Äquivalenzdosis soll durch 240 geteilt werden, um die mg-Dosierung von Apomor-phin/h zu erhalten [5]. Idealerweise wird dafür ein Neurologe hinzugezogen, da die nötige Apomorphin-Dosis hohe interindividuelle Unterschiede aufweist. Meist wird man mit 20 - 40 mg/Tag ausreichend hoch dosieren, maximal 10 mg pro Bolus [5].
Auch eine Neuanlage einer bisher nicht genutzten Pumpe als vorübergehender Ersatz der oralen Medikation ist möglich. Diese sollte bereits 1 - 2 Tage präoperativ angelegt werden. Die Flussrate richtet sich nach der zu ersetzenden dopaminergen oralen Medikation und liegt zwischen 0,1 - 15,0 mg/Stunde, mögliche Bolusgaben sind von 0,1 - 10,0 mg möglich. Beispiel: Flussrate 1 - 4 mg/h, Bolus 3 mg.
Verboten ist die gemeinsame Gabe mit Dopamin-Gegenspielern (Antagonisten), wie z. B. Me-toclopramid (MCP) oder Phenothiazine, z.B. Prochloperazin. Auch die Kombination mit dem Serotonin-Rezeptor-Antagonisten Ondansetron ist kontraindiziert, weil es aufgrund von Wechselwirkungen zu starkem Blutdruckabfall und Bewusstseinsverlust kommen kann [7]. Allerdings verbieten sich diese Medikamente ohnehin bereits aufgrund der Grunderkrankung M. Parkinson. Gegen periphere dopaminerge Nebenwirkungen oder postoperative Übelkeit bei Gastropare-se kann Domperidon unter EKG-Überwachung (QT-Zeit) zum Einsatz kommen (10 - 20 mg dreimal täglich bzw. prä- und postoperativ).
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Der perioperative Einsatz von Apomorphin kann zu einer Verbesserung der Symptomkontrol-le bei Patienten mit Parkinson-Syndromen führen.
Tiefe Hirnstimulation (THS) und Anästhesie
Bei Patienten, die sich einer Tiefen Hirnstimulation (THS) unterziehen, ist besondere Vorsicht geboten. Bei der tiefen Hirnstimulation (THS) senden 1 oder 2 ins Gehirn eingesetzte Elektroden elektrische Impulse an Nervenzellen, die bestimmte Bewegungen beeinflussen. Dies kann Parkinson-Beschwerden lindern. Ein solcher „Hirnschrittmacher“ kann aber auch Nebenwirkungen haben und eignet sich nur für bestimmte Menschen mit Parkinson.
Die Elektroden und der Schrittmacher schränken im Alltag nur wenig ein. Man sollte aber Sportarten vermeiden, bei denen der Kopf stark erschüttert wird. Manche Menschen spüren den Schrittmacher unter der Haut des Schlüsselbeins, die meisten stört das jedoch nicht.
Allerdings sind Behandlungen oder Untersuchungen nicht oder nur eingeschränkt möglich, bei denen stärkere elektromagnetische Felder wirken. Dazu zählt beispielsweise die Kernspintomografie (MRT), die nur mit modernen Schrittmachern und in spezialisierten Zentren möglich ist.
Kontinuierliche perioperative Apomorphin bei THS-Operationen
Kontinuierliche perioperative Apomorphin bei THS-Operationen für Parkinson-Krankheit kann vorteilhaft sein.