Parkinson, Epilepsie und Alter: Eine komplexe Verbindung

Nervenerkrankungen im Alter sind ein wichtiges Thema, wobei Schlaganfall und Demenz oft im Vordergrund stehen. Die Altersepilepsie hingegen, die dritthäufigste Nervenkrankheit bei Senioren, wird oft übersehen. Dabei sind die Beschwerden, einmal erkannt, sehr gut behandelbar. Dieser Artikel beleuchtet die Zusammenhänge zwischen Parkinson, Epilepsie und dem Alter, um ein besseres Verständnis dieser komplexen Erkrankungen zu ermöglichen.

Altersepilepsie: Eine oft verkannte Erkrankung

Die Altersepilepsie unterscheidet sich in ihren Symptomen von der Epilepsie in jüngeren Jahren, was oft zu einer fehlerhaften Diagnose oder Verkennung führt.

Wie zeigt sich die Altersepilepsie?

Ein epileptischer Anfall ist im Grunde ein Krampfanfall, der durch eine vorübergehende Funktionsstörung von Nervenzellen im Gehirn ausgelöst wird. Während das Bild der Epilepsie stark von den Symptomen des großen Anfalls geprägt ist, bei dem es zu Bewusstseinsverlust, heftigen Krämpfen und unkontrollierbaren Zuckungen kommt, betrifft die Altersepilepsie häufig nur einen bestimmten Bereich des Gehirns. Die Beschwerden sind weniger spezifisch und das Anfallsgefühl ist subjektiv geringer ausgeprägt. Statt Verkrampfungen und Zuckungen sind beispielsweise kurz auftretende Abwesenheitszustände, Verwirrtheit oder Sprachunfähigkeit charakteristisch.

Warum wird Altersepilepsie häufig verkannt?

Die Besonderheiten im Erscheinungsbild führen dazu, dass eine Epilepsie im Alter oft nicht erkannt oder gar als Folge des Alterns missverstanden wird. Dies kann gesundheitliche Folgen haben, wenn beispielsweise die Epilepsie als Ursache von Stürzen nicht diagnostiziert und somit künftige Unfälle nicht vermieden werden können. Wenn andere Erkrankungen wie Parkinson oder Demenz hinzukommen, überdecken die Beschwerden möglicherweise die Symptome der Altersepilepsie. Ursachen für die Epilepsie im Alter können unter anderem Kopfverletzungen, kleine Schlaganfälle, beginnende Demenz, Alkoholmissbrauch oder Entzündungen sein.

Reaktion von Angehörigen und Betroffenen

Wer zum ersten Mal einen Anfall erleidet, sollte auf jeden Fall zum Arzt gehen. Erster Ansprechpartner ist in der Regel der Hausarzt, der diese Patienten an einen Neurologen überweist. Da sich Betroffene oft nicht an das Ereignis erinnern und der Anfall im Alter nicht so dramatisch abläuft wie ein klassischer, sind die Verwandten gefragt. Der Neurologe benötigt eine möglichst genaue Schilderung dessen, was passiert ist. Kommt es doch zu einem großen Anfall mit Verlust des Bewusstseins, einem Krampfanfall und Zuckungen an Armen und Beinen, sollten Betroffene vor Verletzungen am Kopf geschützt werden. Tritt ein solcher Anfall zum ersten Mal auf oder dauert er länger als zwei Minuten, muss der Notarzt gerufen werden.

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Therapien für Altersepilepsie

Derzeit stehen mehr als 20 verschiedene Präparate zur Verfügung. Die Medikamente beeinflussen den Gehirnstoffwechsel, haben aber kaum Nebenwirkungen. Sind Bewusstseinsstörungen aufgetreten, darf man zum eigenen und zum Schutz anderer vorerst nicht selbst Auto fahren oder sollte bei bestimmten Aktivitäten wie Baden vorsichtig sein, denn eine epileptische Bewusstseinsstörung kann ohne jede Ankündigung auftreten.

Parkinson und Epilepsie im Alter: Ein Symposium der Hephata-Klinik

Das erste Fachsymposium der Hephata-Klinik für Neurologie befasste sich mit dem Thema „Parkinson und Epilepsie im Alter“. Dr. Sven Fuest, Chefarzt der Hephata-Neurologie, und Prof. Dr. David Pedrosa vom Universitätsklinikum Marburg referierten über aktuelle Erkenntnisse und Herausforderungen in der Behandlung dieser Erkrankungen.

Neurogeriatrie: Ein wachsendes Fachgebiet

Die Neurogeriatrie ist eine noch relativ junge Fachdisziplin, die sich mit der Behandlung neurologischer Erkrankungen im Alter befasst - unter Berücksichtigung von Grunderkrankungen und möglichen Kontraindikationen für medikamentöse Behandlungen. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung wird das Fachgebiet in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen.

Update zur Parkinson-Krankheit 2025

Prof. Dr. David Pedrosa ging in seinem Vortrag auf die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie 2023 zur Parkinson-Krankheit ein. Die Diagnose der Krankheit erfolgt nach wie vor klinisch anhand der auftretenden Symptome. Dies sei aufgrund nicht motorischer Beschwerden oft herausfordernd. Besonders die genetische Testung rückt zunehmend in den Fokus: „Es setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass wir auch genetische Formen der Parkinson-Krankheit haben“, so Pedrosa. Bis zu 20 Prozent der Betroffenen tragen eine genetische Prädisposition für die Krankheit. Dies sei bedeutsam, da es mittlerweile verschiedene Ansätze zur Behandlung gibt. „Es ist nicht egal, warum jemand Parkinson hat“. Deswegen sei es sinnvoll, Menschen, die noch besonders jung seien oder bei denen bereits Parkinson in der Familie aufgetreten sei, zu testen, weil es möglicherweise in der Zukunft eine Konsequenz haben könnte.

Epilepsie im Alter: Herausforderungen in der Therapie

Dr. Sven Fuest sprach anschließend über Ursprung, Definition, Besonderheiten und Behandlungsmöglichkeiten der Epilepsie im Alter. „Die Epilepsie im Alter stellt uns Ärzte vor besondere Herausforderungen“, so Fuest. Dies liegt an drei wesentlichen Faktoren: Zum einen verändert sich der Stoffwechsel mit zunehmendem Alter, sodass ältere Patienten oft eine niedrigere Medikamentendosis benötigen. Zum anderen erschwere das gleichzeitige Auftreten mehrerer Erkrankungen die Diagnostik, da sich Symptome überlagern könnten. Und drittens die gleichzeitige Anwendung verschiedener Medikamente zur Behandlung verschiedener Erkrankungen, beispielsweise bei Herzerkrankungen und Bluthochdruck in Kombination mit Epilepsie, die dann Wechselwirkungen erzeugen könnten. Die Bedeutung der Epilepsie im Alter nimmt zu: Inzwischen werde die Erkrankung häufig erstmals bei Menschen über 70 Jahren diagnostiziert. Zeitgleich werde als häufigste Ursache einer Epilepsie mit 35,8 Prozent der Hirninfarkt, wiederum die häufigste Form eines Schlaganfalls, angegeben.

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Nicht-invasive Neurostimulation mit Ultraschall

Wissenschaftler arbeiten an einer nicht-invasiven Neurostimulation der Gehirnareale auf Basis von Ultraschall. Diese Technologie könnte in Zukunft für die Therapie von verschiedensten neurologischen Erkrankungen wie beispielsweise Epilepsie oder zur Behandlung der Folgen von Schlaganfällen eingesetzt werden.

Wie funktioniert die Ultraschall-Neurostimulation?

Der entsprechende Applikator (Schallkopf) wird über ein flexibles Pad auf den Kopf gesetzt. Dessen Ultraschallsignale sind von so niedriger Intensität, dass sie das Zellgewebe nicht schädigen, zugleich lassen sie sich durch eine 3D-Steuerung des Schallstrahls (3D-Beam-Steering) sehr genau fokussieren. Die Ultraschallfrequenzen bewegen sich im niederfrequenten Bereich unter 1 MHz, beispielsweise bei etwa 500 kHz. "Der Mensch merkt nichts, und der Ultraschall ist aufgrund seiner geringen Intensität nach derzeitigem Stand der Forschung unbedenklich". Für eine Behandlung, die nach Einschätzungen von Medizinern pro Sitzung nur wenige Minuten dauern wird, muss das Haar nicht abrasiert werden. Vor dem Aufsetzen des Pads mit dem Ultraschall-Modul auf den Kopf muss lediglich ein Kontaktgel in das Haar einmassiert werden.

Individuelle Anpassung und zukünftige Perspektiven

Die Software erhält die für die Planung nötigen Daten aus den Ergebnissen einer Magnetresonanztomografie des Patienten. Darin werden die für die jeweilige neuronale Erkrankung verantwortlichen Gehirnareale und deren Position markiert. Mit diesen Positionsdaten lassen sich die Ultraschallsignale exakt ausrichten. Es ist darüber hinaus möglich, das Ultraschallgerät so zu programmieren, dass die Strahlen in einer vordefinierten Sequenz gesendet werden oder bestimmten Bewegungsmustern folgen. Damit könnten die Ärzte in Zukunft alle Parameter individuell für den Menschen festlegen. Ärzte erwarten von der Ultraschall-Behandlung bei Erkrankungen wie beispielsweise Parkinson und Epilepsie zwar keine vollständige Heilung, aber zumindest eine spürbare Linderung der Symptome. Zudem stellt Ultraschall eine vielversprechende Alternative zu klassischen Medikamenten dar. Langfristig sind mit der neuen Technologie auch Szenarien wie das Lösen von Plaque in den Gehirnzellen bei Alzheimer-Erkrankungen oder die Behandlung von Depressionen und neuronal bedingten Suchterkrankungen denkbar.

Altersepilepsie: Erkennung und Behandlung

Die Epilepsie ist die dritthäufigste neurologische Erkrankung im höheren Alter. In Deutschland sind etwa 150 000 Menschen über 60 Jahren betroffen. Das Krampfleiden ist meist schwierig zu erkennen oder wird gar fehldiagnostiziert.

Symptome und Diagnose

Der generalisierte Grand-mal-Anfall (Epilepsia major) ist bei älteren Patienten deutlich seltener als bei jüngeren. Epileptische Anfälle sind im Alter meist fokal. Sie gehen von einem Ursprungsort aus, und die neuronalen Entladungen bleiben auf einen umschriebenen Bereich des Gehirns beschränkt. Wie sich der Anfall äußert, hängt vom Ort der Störung ab. So kann es zu rhythmischen Zuckungen einer Extremität kommen oder zu Missempfindungen. Während das Bewusstsein bei einfachen fokalen Anfällen erhalten bleibt, ist es bei den komplex-fokalen immer gestört. Ein fokaler Anfall dauert in der Regel eine bis zwei Minuten. Die Zeit danach (postiktual) kann jedoch bis zu 24 Stunden, bei einem älteren Patienten sogar Tage andauern und mit neurologischen Ausfällen einhergehen. Aufgrund der oft wenig typischen Symptome besteht die Gefahr, dass ein epileptischer Anfall bei einem älteren Menschen nicht erkannt wird. Oftmals werden Anfälle als unklare mentale Veränderungen, Verwirrtheit, Synkopen, Gedächtnisstörungen oder als Schwindel fehlgedeutet.

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Ursachen und Auslöser

Eine Epilepsie tritt am häufigsten erstmalig in einem Alter von über 75 Jahren auf. Bei den Älteren sind es meist Durchblutungsstörungen oder neurodegenerative Erkrankungen, die zu einer Epilepsie führen. Bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Alzheimer oder Parkinson-Syndrom gehen im Lauf der Erkrankung immer mehr Nervenzellen zugrunde. Eine Reihe von Medikamenten kann die Krampfschwelle senken, wobei die Mechanismen der Anfallsauslösung weitgehend ungeklärt sind. Im Alter lösen Störungen des Elektrolythaushalts wie eine Hyponatriämie häufiger einen Krampfanfall aus.

Was tun bei einem Anfall?

Menschen, die erstmals einen Anfall erleiden, müssen auf jeden Fall zum Arzt gehen. Es gilt zu klären, ob es sich tatsächlich um einen epileptischen Anfall handelte oder um eine andere Störung, beispielsweise des Kreislaufs oder des Stoffwechsels. Auch psychische Krankheiten wie Ängste oder Depressionen können Epilepsie-ähnliche Anfälle auslösen. Um die Diagnose zu sichern, kommt auch ein Langzeit-EEG, eventuell mit Videoüberwachung, infrage. Kernspintomografie und Computertomografie des Kopfes dienen dem Nachweis oder Ausschluss struktureller Hirnveränderungen als Ursachen der Epilepsie.

Therapie und Medikamente

Wenn Präventivmaßnahmen die Anfälle nicht komplett verhindern können, ist der Einsatz von Antiepileptika unumgänglich. Die Altersepilepsie müsse konsequent behandelt werden, schon um Stürze und Knochenbrüche zu vermeiden. Bei der Auswahl des Antiepileptikums spielen altersbedingte Veränderungen der Pharmakokinetik eine große Rolle. Aufgrund der vielen Interaktionen sind die enzyminduzierenden Antiepileptika (Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital, Primidon) im Alter nicht zu empfehlen. Schließlich gebe es Antiepileptika, die im Alter besser vertragen werden. Hierzu gehören beispielsweise Lamotrigin und Levetiracetam. Auch eine Kombinationstherapie ist bei älteren Menschen möglich. Bei der Wahl der „richtigen“ Therapie ist auch die geistige Verfassung des Patienten zu berücksichtigen. Bei einem Wechsel des Präparats muss man bei Epilepsie-Patienten besonders vorsichtig vorgehen.

Wichtige Hinweise für die Apotheke

Gute Beratung in der Apotheke trägt dazu bei, dass Epilepsie-Patienten die bestmögliche Behandlung bekommen und auch konsequent durchhalten. Besonders im Alter ist es nicht immer leicht, die optimale Dosis zu finden. Man muss die Balance finden zwischen unerwünschten und erwünschten Arzneimittelwirkungen. Häufige Nebenwirkungen sind Müdigkeit, Somnolenz, Kraftlosigkeit, verlangsamte Reaktion und Gedächtnisstörungen. Immer sollte gelten: „slow and low“. Ein Patient ab 60 muss möglichst niedrig ein- und langsam aufdosiert werden.

Operative Therapie

Ist eine Epilepsie medikamentös nicht beherrschbar, kann eine operative Therapie erwogen werden. Die fokalen temporalen Epilepsien eignen sich gut für eine chirurgische Behandlung und kommen im Alter besonders häufig vor. Es ist dringend erforderlich, dass ein Patient mit neu aufgetretener Epilepsie bald- und bestmöglich behandelt wird.

Zonisamid als mögliche Therapie für Parkinson

Das Antikonvulsivum Zonisamid eignet sich offenbar auch gut zur Parkinson-Therapie. Wissenschaftler haben das Medikament in einer Studie bei Parkinson-Patienten geprüft, bei denen sich die Krankheitssymptome mit L-Dopa nicht mehr ausreichend lindern ließen. Die Ärzte beobachteten, dass sowohl der Tremor als auch Dyskinesien zurückgingen. Zudem reduzierten sich Phasen schlechter Beweglichkeit.

Genetische Verbindungen zwischen neurodegenerativen Erkrankungen und Epilepsie

Eine Studie untersuchte, ob genetisch bedingte Variablen für Alzheimer (AD), Morbus Parkinson (MP), Multiple Sklerose (MS) und Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) mit Epilepsie in Verbindung gebracht werden können.

Studiendesign

Der kausale Zusammenhang zwischen neurodegenerativen Erkrankungen und Epilepsie wurde auf der Grundlage von Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNPs) aus genomweiten Assoziationsstudien und Mendelschen Randomisierungsmethoden analysiert. Eingeschlossen wurden Daten von 63.926 AD-Patienten, 482.730 MP-Patienten, 84.694 ALS-Patienten und 115.803 MS-Patienten.

Ergebnisse der Studie

Im Fall der MS fand sich ein signifikanter kausaler Zusammenhang zwischen genetisch vorhergesagter MS und generalisierter Epilepsie (GGE), der auf ein erhöhtes Risiko für GGE in Verbindung mit MS hinweist. Bei AD, MP und ALS fand sich jedoch kein signifikanter kausaler Zusammenhang.

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