Parkinson-Früherkennung durch Gentests: Ein umfassender Überblick

Die Parkinson-Krankheit ist eine komplexe neurodegenerative Erkrankung, deren Verständnis sich in den letzten 200 Jahren seit James Parkinsons bahnbrechender Arbeit deutlich weiterentwickelt hat. Früher als "Schüttellähmung" bekannt, wissen wir heute, dass die klinische Präsentation weit über motorische Symptome hinausgeht und vielfältige Ursachen haben kann, darunter auch genetische Faktoren. Die Fortschritte in der genetischen Ursachenforschung haben neue therapeutische Chancen eröffnet, um gezielt in den Krankheitsprozess einzugreifen.

Klinische Symptome der Parkinson-Krankheit

Motorische Symptome

Die Hauptsymptome der motorisch manifesten Parkinson-Krankheit sind Bradykinese (Verlangsamung der Bewegungen), Rigor (Muskelsteifheit) und Tremor (Zittern). Der charakteristische Ruhetremor ist oft das erste Anzeichen und betrifft meist zuerst eine Körperseite, bevor er sich auf beide Seiten ausweitet. Bradykinese kann sich in einem reduzierten Gesichtsausdruck (Hypomimie), vermindertem Armschwingen beim Gehen und insgesamt verlangsamten Bewegungen äußern. Rigor betrifft im Verlauf der Erkrankung alle Patienten und kann ebenfalls unilateral beginnen. Später entwickeln viele Patienten eine posturale Instabilität, die das Sturzrisiko erhöht.

Prämotorische Symptome

Nicht-motorische Symptome können der motorischen Manifestation um Jahre oder sogar Jahrzehnte vorausgehen. Dazu gehören Störungen der Geruchswahrnehmung (Hyposmie), chronische Obstipation, Depressionen und eine REM-Schlaf-Verhaltensstörung, bei der Betroffene ihre Träume im Schlaf ausleben.

Diagnose der Parkinson-Krankheit

Die Diagnose wird primär klinisch gestellt, basierend auf den Kriterien der Movement Disorder Society von 2015. Voraussetzung ist der Nachweis von Bradykinese in Kombination mit mindestens einem weiteren Kardinalsymptom (Ruhetremor oder Rigor). Es gibt auch Ausschlusskriterien, wie zerebelläre Syndrome, supranukleäre Blickparese, fehlendes Ansprechen auf Dopamin-Medikation und normale nuklearmedizinische Befunde des dopaminergen Systems. Warnsignale (Red Flags) wie schnelles Fortschreiten der Gangstörung, frühe bulbäre Dysfunktion (Stimm- und Sprechstörungen) oder schwere autonome Dysfunktion in den ersten fünf Jahren der Erkrankung deuten auf andere degenerative Erkrankungen hin. Ein gutes Ansprechen auf Dopamin-Therapie, Ruhetremor, Hyposmie und L-Dopa-assoziierte Dyskinesien unterstützen die Diagnose.

Risikofaktoren und Protektive Faktoren

Verschiedene Faktoren können das Risiko für Parkinson beeinflussen. Tabelle 3 (im Originaldokument) gibt einen Überblick über die stärksten Assoziationen.

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Bildgebende Verfahren

In der konventionellen MRT sind bei Parkinson keine spezifischen Veränderungen sichtbar. Sie dient jedoch zum Ausschluss anderer Ursachen wie vaskuläres Parkinson-Syndrom, Normaldruckhydrozephalus sowie zur Abgrenzung gegen atypische Parkinson-Syndrome wie progressive supranukleäre Blickparese und Multisystematrophie. Die hochaufgelöste suszeptibilitätsgewichtete Bildgebung (HR-SWI) kann das "Schwalbenschwanzzeichen" darstellen, das bei Parkinson fehlt. Nuklearmedizinische Untersuchungen wie die Dopamintransporter-Szintigrafie (FP-CIT-SPECT) und die 123I-IBZM-SPECT können bei unklarer Symptomatik oder Verdacht auf atypisches Parkinson-Syndrom eingesetzt werden. Mittels MIBG-Szintigrafie lässt sich eine reduzierte kardiale noradrenerge Innervation nachweisen, während die FDG-PET spezifische Muster mit Hypo- beziehungsweise Hypermetabolismus im Gehirn zeigen kann.

Genetische Diagnostik

Bedeutung genetischer Faktoren

Genetische Faktoren spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Parkinson-Krankheit. Etwa 5-10 % der Fälle sind auf monogenetische Ursachen zurückzuführen, die entweder autosomal-dominant oder autosomal-rezessiv vererbt werden. Mutationen in verschiedenen Genen können das Erkrankungsrisiko erhöhen.

Bekannte Gene und Erbgänge

Aktuell sind 3 autosomal-rezessive Gene (PRKN, PINK1, DJ-1) und 3 autosomal-dominante Gene (SNCA, LRRK2, VPS35) mit der klassischen Parkinson-Krankheit assoziiert. Heterozygote Mutationen im GBA-Gen erhöhen das Erkrankungsrisiko um den Faktor 6. Insgesamt sind bereits 27 Gene beschrieben worden, die mit erblichen Formen der Parkinson-Krankheit in Verbindung stehen, aber noch nicht allgemein anerkannt sind. Der Nachweis einer dieser Mutationen bestätigt das Vorliegen einer erblichen Form und hat diagnostische, prognostische und möglicherweise auch therapeutische Implikationen.

Empfehlungen für genetische Tests

Eine genetische Testung wird empfohlen, wenn die Erkrankung vor dem 40. Lebensjahr auftritt oder mehrere Verwandte in direkter Linie betroffen sind.

Aktuelle Forschungsergebnisse

Neueste Forschungsarbeiten zeigen, dass genetische Varianten in GBA1 nicht nur in Europa, Nordamerika und Asien, sondern auch häufig in Patient:innen mit schwarzafrikanischer Abstammung vorkommen und somit weltweit relevant sind. Die Aufklärung genetischer Ursachen kann für Menschen mit Parkinson von großer Bedeutung sein, zum Beispiel, um den Verlauf abzuschätzen, etwa die Wahrscheinlichkeit, dass kognitive Störungen auftreten. Um ursachenspezifische Therapien zu entwickeln, ist es wichtig, die unterschiedlichen genetischen Subtypen klinisch und auch biologisch noch besser zu beschreiben und zu stratifizieren. Hierzu haben sich zahlreiche internationale Konsortien etabliert (z. B. MDSGene, MJFF Global Genetics Parkinson’s Disease Cohort oder Global Parkinson’s Genetics Program (GP2), MJFF PRKN-PINK1 Consortium).

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Studienergebnisse zur Häufigkeit genetischer Varianten

Eine umfassende Studie mit einer großen Kohorte in Nordamerika hat gezeigt, dass bei rund 13 Prozent der Studienteilnehmenden genetische Varianten nachgewiesen wurden, die Parkinson verursachen können. Bei Personen mit Risikofaktoren lag der Anteil sogar bei 18 Prozent, aber auch bei 9 Prozent der Personen ohne Risikofaktoren wurden Genmutationen gefunden.

Bedeutung der Erkenntnisse über spezifische Mutationen

Das Wissen um eine spezifische Mutation kann Folgen für die Beratung der Patienten hinsichtlich des zu erwartenden Krankheitsverlaufs und des Risikos von Verwandten haben. Besondere Bedeutung haben spezifische Mutationen bei der Entwicklung verlaufsmodifizierender Therapien. Derzeit laufen vielversprechende Phase-2-Studien mit entsprechenden Substanzen bei Patienten mit GBA- und mit LRRK2-Mutationen.

Herausforderungen bei der genetischen Testung

Die Vielzahl der verschiedenen Mutationen, ihre unterschiedlichen Vererbungsmodi, die zu erwartenden Krankheitsverläufe und die bisher fehlende therapeutische Konsequenz erfordern eine sorgfältige und zeitaufwendige Beratung der Patienten und ihrer Angehörigen, sodass genetische Diagnostik noch nicht breit zur Anwendung kommt.

Nachweis von Alpha-Synuklein

Immunhistochemischer Nachweis

Der immunhistochemische Nachweis von aggregiertem Alpha-Synuklein in Lewy-Körperchen im Gehirn ist der Goldstandard für die objektive Diagnose. Jüngere Arbeiten zeigen, dass der Nachweis von phosphoryliertem Alpha-Synuklein auch in anderen Geweben wie Kolonschleimhaut, Speicheldrüse und Haut gelingen kann.

RT-QuIC-Methode

Mit der RT-QuIC-Methode (real-time quaking-induced conversion) werden Alpha-Synuklein-Aggregate aus Körperflüssigkeiten (z. B. Liquor) nachgewiesen. Diese Methode ermöglicht die Unterscheidung der Parkinson-Krankheit von anderen neurodegenerativen Erkrankungen und Gesunden mit hoher Sensitivität und Spezifität. Die RT-QuIC-Methode steht vermutlich kurz vor der klinischen Anwendung.

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Exosomales Alpha-Synuklein

Exosomen sind kleine Vesikel, die von Zellen abgesondert werden und Proteine transportieren. Es konnte gezeigt werden, dass Alpha-Synuklein-Protein neuronaler Herkunft über die Blut-Hirn-Schranke transportiert wird und im Serum nachweisbar ist. Die Untersuchung exosomaler Proteine ist jedoch noch experimentell.

Alpha-Synuclein Seed Amplification Assay (αSyn-SAA)

Mithilfe eines neuen sogenannten Alpha-Synuclein Seed Amplification Assay (SAA) ist es erstmals möglich, das Vorhandensein von fehlgefaltetem Alpha-Synuclein individuell mit einer 95-%-Genauigkeit zu messen. Der neue Test ist ein Meilenstein für die Parkinson-Forschung und die Entwicklung neuer Therapien. Er könnte eine frühe und vor allem genaue Diagnose ermöglichen, bevor das Gehirn zu stark geschädigt ist.

Früherkennung durch Bluttests

Göttinger Forschungsergebnisse

In einem internationalen Kooperationsprojekt haben Forschende der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), der Paracelsus-Elena-Klinik Kassel und des University College London (UCL) ein Testverfahren entwickelt, das es ermöglicht, die Diagnose einer Parkinson-Erkrankung bei Risikopatient*innen bis zu sieben Jahre vor dem Auftreten der typischen motorischen Symptome anhand einer Blutprobe vorherzusagen.

Methode

In einem ersten Schritt wurden Proteine in Blutproben von Parkinsonpatientinnen und gesunden Studienteilnehmerinnen mittels moderner Massenspektrometrie analysiert. Es konnten 23 Proteine identifiziert werden, die Unterschiede zwischen den erkrankten und gesunden Teilnehmerinnen aufwiesen und somit als Biomarker für die Erkrankung infrage kommen. In einem zweiten Schritt wurden diese 23 Proteine in den Blutproben von Personen mit einer isolierten Rapid Eye Movement (REM)-Schlafverhaltensstörung untersucht, die ein hohes Risiko für eine Parkinson-Erkrankung darstellt. Mit Hilfe künstlicher Intelligenz waren acht der 23 Proteine in der Lage, die Parkinson-Erkrankung für 79 Prozent dieser Risikopatientinnen bis zu sieben Jahre vor Auftreten der Symptomatik vorherzusagen.

Bedeutung

Mit der Bestimmung von acht Proteinen im Blut, können wir potenzielle Parkinson-Patient*innen bereits mehrere Jahre im Voraus identifizieren. Medikamentöse Therapien könnten zu einem früheren Zeitpunkt gegeben werden, welches den Verlauf der Erkrankung eventuell verlangsamen oder ihr Auftreten sogar verhindern könnte.

Kieler Forschungsergebnisse

Ein Kieler Forschungsteam hat einen blutbasierten biochemischen Test für die Diagnose von Parkinson entwickelt. Die Methode ist ein dreistufiges Verfahren, das die Isolierung von Vesikeln aus dem Nervensystem, den Nachweis des krankheitsverursachenden Eiweißes und die Vervielfältigung der krankmachenden Eiweiße umfasst.

Selbstcheck zur Früherkennung

Die deutsche Parkinson-Vereinigung e.V. (DPV) bietet einen Selbstcheck zur Früherkennung an, der folgende Fragen umfasst:

  1. Kommt es vor, dass Ihre Hand zittert, obwohl sie entspannt aufliegt?
  2. Ist ein Arm angewinkelt oder schlenkert beim Gehen nicht mit?
  3. Haben Sie eine vorübergebeugte Körperhaltung?
  4. Haben Sie einen leicht schlurfenden Gang oder ziehen Sie ein Bein nach?
  5. Haben Sie einen kleinschrittigen Gang und kommt es vor, dass Sie stolpern oder stürzen?
  6. Leiden Sie an Antriebs- und Initiativemangel?
  7. Haben Sie häufig Schmerzen im Nacken-Schultergürtel-Bereich?
  8. Haben Sie bemerkt, dass Sie sich von Ihren Freunden und Angehörigen zurückziehen, dass Sie Kontakte meiden und zu nichts Lust haben?
  9. Haben Sie Veränderungen in Ihrer Stimme bemerkt? Ist sie monotoner und leiser als früher oder hört sie sich heiser an?
  10. Haben Sie eine Verkleinerung Ihrer Schrift bemerkt?
  11. Leiden Sie an „innerem Zittern“ oder „innerer Unruhe“?
  12. Haben Sie Schlafstörungen?

Diese Checkliste soll Ihnen helfen, ein idiopathisches Parkinson-Syndrom (IPS) früh zu erkennen.

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