Parkinson: Genetische Prädisposition und Ursachen

Die Parkinson-Krankheit ist eine komplexe neurologische Erkrankung, die durch eine Vielzahl von Symptomen und Verläufen gekennzeichnet ist. Die Ursachenforschung gestaltet sich daher vielfältig. Seit etwa 25 Jahren ist bekannt, dass genetische Faktoren das Erkrankungsrisiko erhöhen können.

Genetische Ursachenforschung: Ein bedeutender Schub

„In den letzten Jahren haben technische Fortschritte der genetischen Ursachenforschung einen bedeutenden Schub gegeben. Kenntnisse über zelluläre Stoffwechselwege, die durch eine Mutation gestört sind, erlauben, gezielt und kausal in den Krankheitsprozess einzugreifen - in der Hoffnung, damit das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen oder zu stoppen“, sagt Prof. Dr. Kathrin Brockmann, Oberärztin und Leiterin der Parkinson-Ambulanz am Universitätsklinikum Tübingen und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) e.V. Auf dem Deutschen Kongress für Parkinson und Bewegungsstörungen 2024 vom 25. bis 27. April in Rostock beleuchtete sie den aktuellen Stand bei der Aufklärung genetisch bedingter Krankheitsmechanismen und die sich daraus ergebenden therapeutischen Chancen.

Genetische Veränderungen und Risikofaktoren

Neben dem altersbedingten Nachlassen von zellulären Funktionen sowie Lebensstil und Umweltfaktoren tragen auch genetische Veränderungen zur Entstehung der Parkinson-Krankheit bei. Dabei unterscheiden Forschende klassische seltene Mutationen, z. B. in den Genen SNCA, LRRK2, Parkin und PINK1, von den - häufiger vorkommenden -genetischen Risikofaktoren. Der derzeit wichtigste Vertreter für solch einen Risikofaktor sind Veränderungen im GBA1-Gen. Neueste Forschungsarbeiten zeigen, dass genetische Varianten in GBA1 nicht nur in Europa, Nordamerika und Asien, sondern auch häufig in Patient:innen mit schwarzafrikanischer Abstammung vorkommen und somit weltweit relevant sind.

Bedeutung der Aufklärung genetischer Ursachen

„Die Aufklärung genetischer Ursachen kann für Menschen mit Parkinson von großer Bedeutung sein, zum Beispiel, um den Verlauf abzuschätzen, etwa die Wahrscheinlichkeit, dass kognitive Störungen auftreten“, erläutert Prof. Um ursachenspezifische Therapien zu entwickeln, ist es wichtig, die unterschiedlichen genetischen Subtypen klinisch und auch biologisch noch besser zu beschreiben und zu stratifizieren. Hierzu haben sich zahlreiche internationale Konsortien etabliert (z. B. MDSGene, MJFF Global Genetics Parkinson’s Disease Cohort oder Global Parkinson’s Genetics Program (GP2), MJFF PRKN-PINK1 Consortium).

Alpha-Synuclein Seed Amplification Assay (SAA): Ein Meilenstein

Ein zentraler Angriffspunkt für modifizierende Therapien ist, neben einzelnen molekularen Defekten, das bei der Parkinson-Krankheit fehlgefaltete Eiweiß Alpha-Synuclein. Seit Kurzem ist es mithilfe eines neuen sogenannten Alpha-Synuclein Seed Amplification Assay (SAA) erstmals möglich, das Vorhandensein von fehlgefaltetem Alpha-Synuclein individuell mit einer 95-%-Genauigkeit zu messen. „Der neue Test ist ein Meilenstein für die Parkinson-Forschung und die Entwicklung neuer Therapien. Er könnte eine frühe und vor allem genaue Diagnose ermöglichen, bevor das Gehirn zu stark geschädigt ist“, so Prof. Brockmann.

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Neue Klassifikation der Parkinson-Krankheit

Basierend auf all diesen neuen Forschungserkenntnissen, arbeiten Forschende weltweit derzeit daran, eine neue Klassifikation der Parkinson-Krankheit zu erstellen. Denn die bisher primär klinische Einteilung wird dem heutigen Wissen über die komplexen Pathomechanismen und die biologische Heterogenität nicht mehr gerecht. Die neue Klassifikation soll nun auf rein biologischen Merkmalen basieren. Dabei werden drei Kernelemente als Biomarker Einzug erhalten: Nachweis von Alpha-Synuclein, Nachweis von Neurodegeneration und Nachweis von genetischen Varianten. „Die Verwendung einer solchen biologischen Klassifikation wird Fortschritte in der Grundlagen- und der klinischen Forschung in Richtung einer individuellen Präzisionsmedizin weiter voranbringen“, ist Prof. Brockmann überzeugt.

Parkinson: Symptome und Verlauf

Die Parkinson-Krankheit hat vielfältige Symptome wie steife Bewegungen und Zittern. Wie ist der Verlauf von Morbus Parkinson? Wie hoch ist die Lebenserwartung? Morbus Parkinson ist nach der Alzheimer-Krankheit die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung in Deutschland. Typische Symptome bei Parkinson sind Zittern, auch Tremor genannt, sowie verlangsamte, verminderte Bewegungen und eine Haltungsinstabilität. In der Frühphase sind die ersten Anzeichen von Parkinson Schlafstörungen, Verstopfungen und Geruchsstörungen. Auch ein fehlendes Mitschwingen des Armes beim Gehen oder eine leisere und monotonere Stimme können erste Symptome von Parkinson sein.

Die Parkinson-Krankheit betrifft bestimmte Nervenzellen im Gehirn, vor allem in der sogenannten Schwarzen Substanz (Substantia nigra) im Hirnstamm. Dort kommt zur Störung der Energiesysteme der Mitochondrien, zu oxidativem Stress und nachfolgend zu Ablagerungen von fehlgefalteten Proteinen (alpha-Synuklein) in den Nervenzellen. Die Folge: Die Nervenzellen verlieren zunehmend ihre Funktion und sterben ab. Dadurch fehlt es auch immer mehr an Botenstoffen wie Dopamin. Dopamin spielt eine wichtige Rolle für die Bewegung.

Die deutlichsten Symptome im Verlauf der Erkrankung betreffen das Bewegungssystem, die Motorik. Die Parkinson-Krankheit bleibt häufig über Jahrzehnte unbemerkt, während im Gehirn immer mehr Zellen untergehen. Das liegt auch daran, dass die Frühsymptome der Erkrankung eher unspezifisch sind: zum Beispiel leiden Parkinson-Erkrankte im frühen Stadium häufig an Verstopfung und Schlafstörungen. Auch ein schlechter Geruchssinn bis hin zum Geruchsverlust und Depressionen treten häufig auf und können Hinweise sein - lange bevor es zu den typischen motorischen Symptomen kommt. Als erstes spezifisches Symptom der Parkinson-Krankheit gilt eine REM-Schlafverhaltensstörung. Bei dieser Schlafstörung sprechen beziehungsweise schreien Betroffene oder bewegen sich ruckartig im Traum. Sie können sich oder andere sogar verletzen. Die Symptome der Schlafstörung lassen sich mit Medikamenten lindern.

Familiäre Parkinson-Formen und genetische Varianten

Es gibt verschiedene Formen der Parkinson-Erkrankung. Nur bei etwa fünf bis zehn Prozent der Fälle liegen einzelne schädliche Genmutationen vor, die vererbt werden können. Dann spricht man von familiären Parkinson-Formen. Dabei führen einige - aber nicht alle - vererbten monogenen Mutationen zwingend zu einer Parkinson-Erkrankung. Ob darüber hinaus polygenetische Varianten (mehrere Gene betreffend) im Genom auch das allgemeine Risiko für Parkinson erhöhen können, ist Gegenstand der Forschung.

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Umweltfaktoren und Lebensstil

Pestizide, Schwermetalle, Lösungsmittel und Feinstaub können sowohl direkt als auch indirekt giftig auf Nervenzellen wirken. Bei der Entstehung von Parkinson wird angenommen, dass es zumindest bei einem Teil der Betroffenen zuerst zu einer Veränderung im Darm-Mikrobiom kommt: Die Zusammensetzung der Mikroorganismen aus Bakterien, Viren und Pilzen wird ungünstig verändert. Am Ende gehen die Nervenzellen durch Ablagerung von falsch gefaltetem alpha-Synuklein, einem Protein, zugrunde. Das falsch gefaltete alpha-Synuklein lässt sich sowohl in der Haut als auch im Nervenwasser bereits im frühen Stadium der Erkrankung nachweisen.

Therapie und Prävention

Die Therapie sollte früh beginnen. Sie besteht immer aus mehreren Bausteinen, um die Mobilität zu erhalten und die Symptome zu lindern. Körperliche Aktivität, regelmäßiger Kaffeekonsum und eine gesunde mediterrane Ernährung mit vielen Ballaststoffen und Polyphenolen können das Risiko für die Entstehung und das Fortschreiten von Parkinson senken. Dass Umweltgifte wie Pestizide und organische Lösungsmittel schädlich für die Nerven sein können, ist mittlerweile nicht nur wissenschaftlich, sondern auch behördlich anerkannt: Seit dem Frühjahr 2024 ist Parkinson für Pestizid-Einsetzende Personen in Deutschland auch als Berufserkrankung anerkannt. Besonders gefährdet sind Landwirte, Winzer und andere Anwender. Wer unzureichend geschützt mindestens 100 Anwendungstage mit einem dieser Pestizide im Berufsleben hatte, kann die Parkinson-Erkrankung als Berufskrankheit anerkennen lassen.

Lebenserwartung und Prognose

Parkinson ist keine akut lebensbedrohliche Erkrankung. Unter guter medikamentöser Therapie haben Betroffene eine in etwa normale Lebenserwartung. Viele werden allerdings innerhalb von 20 Jahren pflegebedürftig. Im Einzelfall können Schluckstörungen oder Stürze auch zu lebensverkürzenden Komplikationen führen. Manchmal kommt es zu einem kognitiven Abbau bis hin zur Demenz. Die Prognosen für den Verlauf unterscheiden sich je nach Unterform der Parkinson-Erkrankung.

Forschung zu Cytochrom P450-Genen

Ein Wissenschaftler-Team um Prof. Rita Bernhardt von der Universität des Saarlandes arbeitet seit 2020 daran, die Entstehung von Parkinson besser zu erforschen und daraus Ansätze für neue, ursächliche Therapien abzuleiten. In ihrer aktuellen Arbeit zeigen die Wissenschaftler, dass bei genetisch vorbelasteten Parkinson-Patienten erst zusätzliche Änderungen in Cytochrom P450-Genen zur Ausprägung der Erkrankung führen. Diese Gene sind für die Produktion von Enzymen zuständig, die wichtige Stoffwechselprozesse im Körper steuern.

Die Rolle der Cytochrom P450-Proteine

Der Ansatz der Wissenschaftler unterscheidet sich von den Forschungen anderer Labore und Kliniken dadurch, dass erstmals die Rolle einer großen Eiweißgruppe - und zwar der sogenannten Cytochrom P450-Proteine - betrachtet wird, die sehr verschiedene Reaktionen im Stoffwechsel reguliert. Es wird untersucht, wie Änderungen in den zugrundeliegenden Genen die Entstehung und Ausprägung der Parkinson-Erkrankung beeinflussen.

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„Bekannt ist, dass durchschnittlich rund 15 Prozent aller Parkinson-Patienten genetisch vorbelastet sind - bei jungen Parkinson-Patienten sind es sogar bis zu 25 Prozent“, sagt Rita Bernhardt und erläutert: „Patienten mit genetischer Vorbelastung haben Änderungen in einem oder in mehreren von etwa 20 sogenannten ‚Parkinson- Genen‘. Manche Personen mit der gleichen genetischen Vorbelastung erkranken jedoch nicht, und der Grund hierfür ist völlig ungeklärt.“

Genfamilie: die Cytochrome P450

Mithilfe von frei zugänglichen Daten der Parkinson’s Progression Markers Initiative (PPMI) nahmen sie die Biodaten der Personen mit genetischer Prädisposition genauer unter die Lupe und richteten ihren Fokus dabei insbesondere auf eine großen Genfamilie: die Cytochrome P450. Diese umfasst 57 Gene, die im Menschen für die Produktion und Funktion von Enzymen zuständig sind, welche wichtige Stoffwechselprozesse im Körper steuern. Es zeigte sich, dass in den erkrankten Personen neben der genetischen Vorbelastung Änderungen in verschiedenen P450-Genen bis zu zehnfach überrepräsentiert waren. „Das bedeutet, dass Menschen mit genetischer Vorbelastung krank werden, wenn sie eine zusätzliche Änderung in einem der P450-Gene aufweisen“, erklärt Rita Bernhardt. „Dagegen bleiben Personen mit genetischer Vorbelastung, die keine Mutation in einem der P450-Gene tragen, ohne Symptome.“

Stoffwechselwege und Genänderungen

Die Familie der P450-Gene spielt bei zahlreichen Stoffwechselwegen im menschlichen Organismus eine herausragende Rolle, unter anderem solche, die in die Biosynthese so genannter Eicosanoide einbezogen sind. Diese wirken als Immunmodulatoren und regulieren damit Entzündungsprozesse im Körper. Weiter identifizierten die Forscher die besondere Bedeutung von P450-Genen, die am Vitamin A- und Vitamin D-Stoffwechsel sowie am Cholesterinabbau im Gehirn beteiligt sind. „Das bedeutet, dass die Ursachen der Erkrankung in diesen Fällen auf vielfältige Kombinationen von Genänderungen zurückzuführen sind, was auch durch die sehr individuellen Ausprägungen des Krankheitsbildes unterstützt wird. Dennoch spielen offenbar definierte Stoffwechselwege - etwa Synthese und Abbau von Immunmodulatoren oder Cholesterin - eine besonders große Rolle“, erläutert Prof. Rita Bernhardt.

Auswirkungen genetischer Veränderungen

Da die Studie die Ursachen der Parkinson-Erkrankung mit definierten Änderungen in ganz bestimmten P450-Genen in Zusammenhang gebracht hat, können nun weitere Forschungen erfolgen, die die genauen Auswirkungen dieser genetischen Veränderungen analysieren. „Experimentell arbeitende Gruppen können auf dieser Basis herausfinden, welchen Einfluss die jeweiligen Änderungen in den untersuchten Genen auf deren Funktion hat. Daraus lassen sich dann Ansatzpunkte für hoffentlich ursächliche Therapien erarbeiten“, sagt Rita Bernhardt.

Vererbung von Parkinson

In Ausnahmefällen (weniger als 10%) ist die Parkinson-Krankheit jedoch erblich. Dann kommt die Krankheit (mehrmals) in der Familie vor. An den Symptomen kann man beim Patienten in der Regel nicht erkennen, ob Parkinson erblich oder nicht erblich ist. Manchmal jedoch beginnt die Krankheit bei der erblichen Variante von Parkinson früher. Derzeit ist es möglich, eine DNA-Untersuchung nach erblichen Formen von Parkinson durchführen zu lassen. Allerdings ist es nicht einfach, die Ergebnisse zu interpretieren und nicht alle erblichen Formen der Krankheit sind bekannt. Weil die Behandlung von Patienten mit einer erblichen Form von Parkinson genau die gleiche wie die von Patienten mit nicht-erblichen Parkinson ist, werden DNA-Untersuchungen selten bei Parkinson durchgeführt.

Genetische Komponente bei Parkinson

Forscher schätzen, dass etwa 30 Prozent des Parkinson-Risikos auf die Genetik zurückzuführen ist. In den letzten 10 Jahren haben Forscher eine Handvoll ursächlicher Parkinson-Gene (GBA, LRRK2, PRKN, SNCA) identifiziert, bei denen genetische Mutationen das Risiko stark erhöhen. Da nicht jeder, der diese Genmutationen trägt, an Parkinson erkrankt, müssen andere Faktoren eine Rolle spielen.

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