Die Parkinson-Krankheit, auch bekannt als Morbus Parkinson oder Schüttellähmung, ist nach Alzheimer die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Weltweit sind Millionen Menschen betroffen, allein in Deutschland leiden etwa 400.000 bis 500.000 Menschen an Parkinson. Die Erkrankung ist durch den Verlust von Nervenzellen im Gehirn gekennzeichnet, was zu einem Mangel an Dopamin führt. Dopamin ist ein wichtiger Botenstoff, der für die Steuerung von Bewegungsabläufen verantwortlich ist. Die Symptome von Parkinson sind vielfältig und umfassen Muskelzittern, verlangsamte Bewegungen, Muskelsteifheit sowie nicht-motorische Symptome wie Schlafstörungen, Depressionen und kognitive Einschränkungen.
Bisher kann Parkinson nur symptomatisch behandelt werden, das heißt, die Symptome werden gelindert, aber die Ursache der Erkrankung wird nicht behandelt. Allerdings arbeitet die Forschung intensiv an neuen Therapieansätzen, die das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen oder sogar aufhalten könnten.
Ursachenforschung: Was verursacht das Absterben der Nervenzellen?
Was genau das Absterben der Nervenzellen bei Parkinson verursacht, ist noch nicht vollständig geklärt. Es wird vermutet, dass es sich um eine Kombination aus genetischen, Umwelt- und Lebensstilfaktoren handelt. Ein wichtiger Faktor scheint die Funktion der Mitochondrien zu sein. Mitochondrien sind die "Kraftwerke" der Zelle und für die Energieversorgung zuständig. In Nervenzellen, die besonders energieabhängig sind, spielen Mitochondrien eine entscheidende Rolle. Defekte in den Mitochondrien können dazu führen, dass die Nervenzellen absterben.
In gesunden Zellen werden beschädigte Mitochondrien durch einen Prozess namens Mitophagie abgebaut. Dabei werden die Mitochondrien mit dem Protein Ubiquitin markiert und anschließend von der Zelle abgebaut. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass bei Parkinson die Markierung und der Abbau der Mitochondrien gestört sind. Verantwortlich dafür sind bestimmte Schlüsselenzyme der Mitophagie, die in der erblichen Variante von Parkinson krankhaft verändert vorliegen.
Ein wichtiges Schlüsselenzym der Mitophagie ist die Deubiquitinase (DUB) USP30. Sie entfernt Ubiquitin-Markierungen von defekten Mitochondrien, wodurch deren Abbau verhindert wird. Derzeit wird ein Hemmstoff des Enzyms, der die Mitophagie fördern und somit die Nervenfunktion verbessern könnte, in klinischen Studien untersucht. Er gilt als vielversprechender Wirkstoffkandidat zur Behandlung von Parkinson sowie von chronischer Niereninsuffizienz.
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Schlüsselenzyme der Mitophagie im Visier
Forscher des Max-Planck-Instituts für molekulare Physiologie haben die Wirkungsweise des Hemmstoffs durch die Herstellung chimärer Proteine aufgeklärt. "Ein Problem mit dem menschlichen Protein USP30 ist, dass es sich nicht gut fotografieren lässt - seine molekulare Struktur ist schwierig aufzuklären. Will man aber sehen, wie der Hemmstoff an das Protein bindet, muss man mit Röntgenstrahlen ein sogenanntes Beugungsbild der beiden Partner in Kristallform erzeugen. Dadurch, dass USP30 aber sehr flexibel ist - man könnte auch sagen, es zappelt vor der Kamera herum - kann man es nur schwerlich in eine kristalline Form bringen, und seine sehr bewegliche Struktur lässt einfach kein scharfes Bild zu", erklärt Malte Gersch, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie.
Mithilfe innovativer Protein-Ingenieurskunst haben Gersch und sein Team ein erstes Bild davon erhalten, wie ein Hemmstoff USP30 bindet und gezielt ausschaltet. Dafür hat Nafizul Kazi, Doktorand in der Arbeitsgruppe und Erstautor der Studie, eine Art Protein-Mischwesen ähnlich dem sagenumwobenen Minotaurus geschaffen: Er hat verwandte Elemente aus anderen menschlichen Deubiquitinase-Proteinen in USP30 eingebaut und so eine "fotogene" USP30-Variante erzeugt. Die damit aufgenommenen Beugungsbilder zeigen, dass der Hemmstoff auf zweierlei Weise mit USP30 interagiert: Er bindet zum einen an einen bisher unbekannten Bereich, der sich überhaupt erst durch die Interaktion des Hemmstoffes mit dem Protein öffnet, und zugleich an einen Hotspot, der auch für andere Hemmstoffe zugänglich ist.
Die Aufklärung des Wirkmechanismus dieses potenziellen Parkinson-Wirkstoffs wird nicht nur helfen diesen weiterzuentwickeln, sondern auch die Grundlage dafür schaffen, neue Wirkstoffmoleküle gegen USP30 zu designen", sagt Malte Gersch. Mitophagie und Enzyme aus der Familie der DUBs spielen eine wichtige Rolle auch in weiteren Erkrankungen, stehen etwa in Verbindung mit einer abgeschwächten Immunabwehr und mit Tumorwachstum. "Unsere neue Strategie der chimären Proteine könnte ein echter Game-Changer für die Entwicklung neuer Hemmstoffe gegen DUBs werden.
Stammzelltherapie: Hoffnung auf Regeneration von Nervenzellen
Ein weiterer vielversprechender Ansatz ist die Stammzelltherapie. Stammzellen sind Zellen, die sich in verschiedene Zelltypen entwickeln können. Die Idee ist, Stammzellen im Gehirn von Parkinson-Patienten dazu zu bringen, sich in Dopamin-produzierende Nervenzellen zu verwandeln. Dadurch könnte man die abgestorbenen Zellen ersetzen und sicherstellen, dass wieder ausreichend Dopamin produziert wird.
In einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt untersuchten Forscher die Funktion von Genen, die an der Entwicklung von Dopamin-produzierenden Nervenzellen beteiligt sind, in Mäusen. "Unsere wichtigsten Ergebnisse bestehen darin, dass wir bei Mäusen die Bildung von zusätzlichen Dopamin-produzierenden Nervenzellen durch das Einbringen zweier Gene erreichen konnten", fasst Projektleiter Professor Wolfgang Wurst zusammen.
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Als nächstes will Wurst untersuchen, ob die genetisch veränderten Mäuse vor der Parkinson-Krankheit geschützt sind. Außerdem möchten er und sein Team herausfinden, durch welche Signale diese Gene aktiviert werden. "Am interessantesten sind dabei Signalstoffe, die aus dem Blut ins Gehirn übertreten können", erklärt Wurst. "Denn solche Substanzen könnten Parkinson-Patienten einfach als Medikament einnehmen. In ihrem Gehirn würde solch ein Wirkstoff dann die Bildung von Dopamin-produzierenden Nervenzellen anregen."
Medikamentöse Therapie: Neue Wirkstoff-Targets im Fokus
Im Bereich der medikamentösen Therapie stehen zwei Wirkstoff-Targets im Fokus: der GLP-1-Rezeptor und alpha-Synuclein. Der GLP-1-Rezeptor, dessen Aktivierung neuroprotektive Effekte haben könnte, und alpha-Synuclein, dessen Aggregation mit der Pathogenese von Parkinson in Verbindung steht.
Anfang 2024 hat eine Subgruppen-Analyse der PASADENA-Studie angedeutet, dass der alpha-Synuclein-Antikörper Prasinezumab für Betroffene mit schnellerem Krankheitsverlauf in der Frühphase der Erkrankung Vorteile bietet. Mit der PADOVA-Studie haben weitere Forschungsaktivitäten mit Prasinezumab als Zusatzbehandlung zur symptomatischen Standardtherapie begonnen.
Kathrin Brockmann, Neurologin am Universitätsklinikum Tübingen, und ihr Forschungsteam suchen im Erbgut von Menschen mit Parkinson nach Mutationen des GBA1-Gens. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung der neurodegenerativen Erkrankung. Das Eiweiß unschädlich zu machen, könnte den Krankheitsverlauf verlangsamen oder sogar stoppen.
Biomarker-Forschung: Früherkennung und personalisierte Therapie
Ein Schlüssel zur Unterstützung neuer klinischer Studien ist die Identifikation von Biomarkern - messbaren biologischen Indikatoren, die den pathologischen Prozess frühzeitig aufzeigen und den Verlauf abbilden. Diese eröffnen neue Möglichkeiten zur Frühdiagnose als Basis für krankheitsmodifizierende Therapien.
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Ein Meilenstein der Biomarker-Forschung waren schon 2018 und im Mai 2023 die Ergebnisse einer Studie: Mithilfe eines neuen Seed Amplification Assay (SAA) konnten Forschende erstmals fehlgefaltetes alpha-Synuclein in vivo im Nervenwasser (Liquor) von Menschen mit Parkinson mit hoher Genauigkeit nachweisen. Mit einer Treffsicherheit von 97 Prozent zur Unterscheidung zwischen Parkinson-Erkrankten und Gesunden ist der Test sowohl hochsensitiv als auch hochspezifisch.
Die Wissenschaft arbeitet nun intensiv daran, die Analyse so weiterzuentwickeln, dass sie auch im Blut oder in der Haut gelingt. Gemeinsam mit ihrem Team der Universitätsmedizin Göttingen hat sie in einem internationalen Kooperationsprojekt mit KI-Unterstützung einen Bluttest entwickelt, der die Parkinson-Erkrankung bei Risikopatientinnen und -patienten anhand von acht Proteinen bis zu sieben Jahre vor dem Auftreten motorischer Symptome vorhersagen kann.
Multidisziplinäre Versorgung und Lebensstil
Parkinson ist eine progressive neurologische Erkrankung mit vielfältigen motorischen und nicht-motorischen Symptomen. Die individuelle und ganzheitliche Behandlung erfordert eine enge Kooperation von Fachdisziplinen wie Neurologie, Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Psychologie und Pflege.
Ganz wichtig ist, dass Parkinson sich auch mit Bewegung und Ernährung positiv beeinflussen lässt. Mehrere Studien haben gezeigt, dass Ausdauersport dem Abbau von körperlichen und geistigen Fähigkeiten bei Menschen mit Parkinson entgegenwirkt. Wer an Parkinson leidet, könnte auch von spezieller Physiotherapie und kognitiven Übungen profitieren.
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