Das Parkinson-Syndrom ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen, von der in Deutschland über 250.000 Menschen betroffen sind. Charakteristisch für das Parkinson-Syndrom ist eine Kombination aus verschiedenen Symptomen, die als Syndrom bezeichnet werden. Zu diesen Symptomen gehören Bewegungsverlangsamung (Hypokinese), Muskelsteifigkeit (Rigor), Zittern (Tremor) und Haltungsinstabilität. In den nächsten Jahren ist mit einer weiteren Zunahme der Patientenzahlen zu rechnen.
Was ist das Parkinson-Syndrom?
Das Parkinson-Syndrom, oft auch als Morbus Parkinson oder Parkinson-Krankheit bezeichnet, ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die das extrapyramidal-motorische System (EPMS) und die Basalganglien betrifft. Diese Strukturen im Gehirn sind entscheidend für die Steuerung und Koordination von Bewegungen. Die Erkrankung ist durch den Verlust von dopaminergen Neuronen in der Substantia nigra pars compacta im Mittelhirn gekennzeichnet, was zu einem Dopaminmangel führt.
Die Bezeichnung "Schüttellähmung", die auf James Parkinson zurückgeht, ist heute nicht mehr gebräuchlich, da die Krankheit keine Lähmung im eigentlichen Sinne darstellt und das Zittern nicht bei allen Patienten auftritt.
Ursachen und Klassifikation
Ätiologisch wird das Parkinson-Syndrom in verschiedene Krankheitsentitäten unterteilt:
- Idiopathisches Parkinson-Syndrom (IPS): Mit etwa 75-80 Prozent der Fälle ist das IPS das häufigste Parkinson-Syndrom. Die Ursachen des IPS sind bis heute nicht vollständig verstanden. Es wird eine multifaktorielle Genese angenommen, die Umweltfaktoren, Verhaltenseinflüsse und den genetischen Hintergrund umfasst.
- Symptomatisches Parkinson-Syndrom (SPS): Symptomatische bzw. sekundäre Parkinson-Syndrome (sPD bzw. SPS) sind auf andere Ereignisse, Erkrankungen oder Arzneimittel zurückzuführen, die die zentralnervösen Strukturen schädigen. Dazu gehören Arzneimittel (z.B. klassische Neuroleptika), Neurotoxine, traumatische Hirnschädigungen, Hirntumore, Entzündungen und Stoffwechselstörungen.
- Atypische Parkinson-Syndrome (APS): Parkinson-Syndrome im Rahmen anderer neurodegenerativer Krankheiten werden auch als atypische Parkinson-Syndrome bezeichnet. Diese Erkrankungen, teilweise auch Parkinson-Plus genannt, bessern sich kaum, wenn sie mit L-Dopa behandelt werden.
- Genetische Formen des IPS: Bei 5-15 Prozent der IPS-Patienten sind weitere Familienmitglieder betroffen. Bislang sind 16 Gen-Loci (PARK 1-21) für seltene, autosomal vererbte Formen beschrieben; für 12 Gen-Loci sind die verantwortlichen Gene identifiziert.
Epidemiologie
Die Parkinson-Krankheit ist eine der häufigsten Erkrankungen des Nervensystems. Die Häufigkeit ist je nach Land und Region unterschiedlich und liegt zwischen 18 und 194 Patienten pro 100.000 Einwohner, in Deutschland 183 pro 100.000. Männer und Frauen erkranken in etwa gleich oft, einige Studien deuten allerdings darauf hin, dass die Krankheit bei Männern etwas häufiger vorkommt als bei Frauen. Die Zahl der Neuerkrankungen pro Jahr schwankt weltweit zwischen 2 und 24 Fälle pro 100.000 Einwohner, in Deutschland wird ca. 16 angenommen.
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Die Häufigkeit der Erkrankung steigt mit zunehmendem Alter, bei den über 60-jährigen ist 1% dieser Altersgruppe erkrankt, bei den über 80-jährigen schon fast 3%. Das durchschnittliche Alter bei Beginn der Erkrankung liegt bei 64,4 Jahren. Etwa 8 - 10% der Patienten sind beim Auftreten der Erkrankung jedoch jünger als 40 und etwa 30% jünger als 50.
Pathophysiologie
Pathophysiologisch ist die Krankheit vor allem durch den Verlust dopaminerger Neuronen in der Substantia nigra pars compacta im Mittelhirn (speziell in den ventrolateralen Anteilen) definiert und mit intraneuralen zytoplasmatischen Einschlüssen, die unlösliche Alpha-Synuclein-Aggregate enthalten (den sogenannten Lewy-Körpern und Lewy-Neuriten), assoziiert. Degenerieren die Neuronen, kann der Neurotransmitter Dopamin nicht mehr ins Putamen transportiert werden. Die Thalamus-induzierte motorische Aktivierung der Großhirnrinde bleibt aus, was zu Bewegungsbeeinträchtigungen führt.
Eine mögliche Kausalkette liefert die sogenannte Braak-Hypothese aus dem Jahr 2003, die die Krankheitsentwicklung in sechs Stadien einteilt. Demnach beginnt die Erkrankung im Darm mit dem Frühsymptom Obstipation oder im Bulbus olfactorius mit Geruchsstörungen. Dies soll Folge einer Akkumulation von fehlgefalteten α-Synuclein im enterischen Nervensystem und dem retrograden Transport ins zentrale Nervensystem (ZNS) sein.
Leitsymptome und klinischer Verlauf
Parkinson-Syndrome zeigen unabhängig ihrer Ätiologie die gleiche Kernsymptomatik. Der Symptomkomplex wird mit dem Akronym TRAP (Tremor, Rigor, Akinese und Posturale Instabilität) zusammengefasst. Als fakultative Begleitsymptome sind sensible, vegetative, psychische und kognitive Störungen möglich.
Das IPS beginnt schleichend und schreitet zeitlebens fort. Die Erkrankung ist durch charakteristische motorische Störungen geprägt. Das zentrale Kardinalsymptom ist die Bradykinese (Bewegungsverlangsamung), oft werden auch die Symptome Hypokinese (verminderte Bewegungsamplitude) oder im späteren Verlauf Akinese (hochgradige Bewegungsarmut, Bewegungsstarre) beschrieben. Diese Bewegungsstörungen können mit weiteren Leitsymptomen wie Rigor, Ruhe- und/oder Haltetremor sowie einer posturalen Instabilität assoziiert sein.
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Anhand der dominierenden Symptomatik wird häufig zwischen Tremor- und Rigor-Dominanz-Typ sowie Äquivalenztyp unterschieden. Seltener ist über längere Zeit ein monosymptomatischer Ruhetremor vorhanden.
Kardinalsymptome im Detail
- Bradykinese/Hypokinese/Akinese: Die Bradykinese bzw. Verlangsamung der Bewegungsgeschwindigkeit ist das zentrale Kardinalsymptom des idiopathischen Parkinson-Syndroms. Sie ist durch eine erschwerte und verzögerte Initiierung von Willkürbewegungen und eine Verlangsamung paralleler motorischer Tätigkeiten oder der Durchführung rascher sequenzieller Bewegungen, die im Verlauf nahezu regelhaft an Amplitude verlieren (Dekrement), definiert.
- Tremor: Beim Tremor werden drei Formen unterschieden: klassischer Parkinsontremor, Haltetremor und Aktionstremor. Der klassische Parkinsontremor tritt bei unterstützten Armen in Ruhe mit einer Frequenz von ca. 4-6 Hz in Erscheinung.
- Rigor: Rigor beschreibt eine Tonuserhöhung, die während des gesamten Bewegungsumfangs auftritt und unabhängig von der Geschwindigkeit der Gelenksbewegung ist. Wird ein Rigor vom Tremor überlagert, kommt es zum sogenannten Zahnradphänomen.
- Posturale Instabilität: Posturale Instabilität beschreibt die Unfähigkeit, den Körper stabil aufrechtzuerhalten. Die posturalen Reflexe gehen meist im mittleren Stadium der Erkrankung verloren. Auffallend ist eine gebückte Körperhaltung mit leicht gebeugten Knien.
Begleitsymptome
Neben der Kernsymptomatik gibt es noch eine Reihe fakultativer Anzeichen bzw. Begleiterscheinungen. Dazu gehören vor allem sensible, psychische, vegetative und kognitive Störungen. Typisch sind Parästhesien und/oder Dysästhesien, Hyposmien sowie dermatologische Probleme. Viele Parkinson-Betroffen haben eine vermehrte Talgsekretion.
Parkinson-Frühsymptome
Den motorischen Kardinalsymptomen geht meist eine - oft jahrelange - Prodromalphase mit unklaren Beschwerden voraus. Typische Frühsymptome von Parkinson sind:
- REM-Schlaf-Verhaltensstörung (RBD): REM-Schlaf-Verhaltensstörungen treten bereits 10-30 Jahre vor der eigentlichen Parkinson-Diagnose auf.
- Riechstörungen: Anamnestisch können Hyposmien schon um bis zu zehn Jahre vor der Parkinson-Diagnose ermittelt werden.
- Stimmungsschwankungen: Viele Parkinson-Patienten berichten im Vorfeld über Reizbarkeit und Ruhelosigkeit. Hinweisgebend kann ebenso eine erhöhte Angst- und Depressionsneigung sein.
- Obstipation: Verstopfung ist nicht nur ein leidiges Symptom vieler Parkinson-Patienten. Das Stuhlproblem kann der Diagnose auch als unspezifisches Frühzeichen vorausgehen.
Diagnose
Die Diagnose des idiopathischen Parkinsonsyndroms (IPS) wird klinisch gestellt. Dazu gehört eine komplette neurologische Untersuchung mit besonderem Augenmerk auf:
- Anamnestische Angaben zu Beginn und Dauer der Beschwerden, Seitenbetonung, autonomen Funktionen, Familienanamnese
- Bradykinese (Supinationsbewegungen der oberen Extremität, Faustöffnung und -schluss, repetitive Zeigefinger-Daumen-Kontakte)
- Rigor (leichte Flexions- und Extensionsbewegungen im Hand- und Ellbogengelenk, Tonuszunahme der kontralateralen Hand bei Faustschluss)
- Tremor
- Posturale Instabilität (Patient steht mit geschlossenen Beinen und wird an den Schultern nach ventral oder dorsal ausgelenkt - mehr als ein Ausfallschritt pathologisch)
- Okkulomotorikstörungen (Sakkadengeschwindigkeit, vertikale Blickparese, Vestibulookulärer Reflex (VOR), Fixationssuppression des VOR)
- Frontale Zeichen (z.B.
Weiterführende Untersuchungen können umfassen:
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- Fluordesoxyglucose Positronen-Emissions-Tomographie - FDG-PET
- Präsynaptische Dopamin-Single-Photonen-Emissions-Computertomographie - DAT-SPECT
- myokardiale 123MIBG-SPECT
- validierte Geruchstestung (Frühsymptom)
- Transkranielle Sonographie
- Genetische Testung
Therapie
Die Therapie und Behandlung eines Parkinsonsyndroms beinhaltet alle oben aufgelisteten Symptome. Eine rechtzeitige und effiziente Therapie stellt daher eine schwierige Aufgabe dar. Sie sollte frühzeitig begonnen werden, sobald eine deutliche Beeinträchtigung der Aktivitäten des täglichen Lebens besteht. Die Wahl der Therapiestrategie richtet sich hierbei individuell nach den Bedürfnissen des Patienten.
Medikamentöse Therapie
In der medikamentösen Therapie stehen viele Wirkstoffe zur Verfügung. Die wesentliche Strategie basiert auf den Ausgleich des bestehenden Dopaminmangels im Gehirn mit Hilfe von L-Dopa oder Dopaminagonisten. Weitere Medikamente wie Mao B- Hemmer können ebenfalls zur Behandlung der Symptome des Parkinsonsyndromes eingesetzt werden. Vor allem die im Verlauf der Erkrankung häufig auftretende Schwankungen, sogenannte on-off-Fluktuationen, erschweren eine gute medikamentöse Einstellung. Hier ist der Einsatz von sog. Comt-Hemmer-Tbl.
Für die medikamentöse Behandlung des IPS stehen zahlreiche Medikamente zur Verfügung. Hierzu gehören:
- Levodopa (in Kombination mit einem Decarboxylasehemmer)
- Dopaminagonisten (Non-Ergot-Dopaminagonisten wie Piribidil, Pramipexol, Ropinirol, Rotigotin, Apomorphin und Ergot-Dopaminagonisten wie Bromicriptin, Cabergolin, α-Dihydroergocriptin, Lisurid, Pigolid)
- MAO-B-Hemmer (Selegilin, Rasagilin)
- COMT-Inhibitoren (Entacapon, Tolcapon)
- NMDA-Antagonisten (Amantadin, Budipin)
- Anticholinergika (z.B. Biperiden)
Tiefe Hirnstimulation
Seit einigen Jahren ist mittels operativer Intervention eine weitere Behandlungsmöglichkeit hinzugekommen. Durch das Einbringen eines Hirnstimulators kann im fortgeschrittenen Stadium eine deutliche Besserung erreicht werden. Mittels Stereotaxie werden die Elektroden z.B. in den Nucleus subthalamicus eingebracht und so können alle motorischen Symptome beeinflusst werden.
Nichtmedikamentöse Therapien
- Physiotherapie
- Logopädie
- Ergotherapie
Prognose und Lebenserwartung
Laut Statistik hat ein optimal behandelter Mensch mit Parkinson-Syndrom heute fast die gleiche Lebenserwartung wie eine gleichaltrige gesunde Person. Die Parkinson-Krankheit selbst ist also in der Regel nicht tödlich. Die gestiegene Lebenserwartung beim Parkinson-Syndrom kommt dadurch zustande, dass die modernen Medikamente die wesentlichen Beschwerden der Betroffenen weitgehend beheben.
Die verbesserte Lebenserwartung bezieht sich nur auf das „normale“ Parkinson-Syndrom („klassischer Parkinson“, früher: idiopathisches Parkinson-Syndrom). Atypische Parkinson-Syndrome, bei denen die Betroffenen nicht oder kaum auf eine Behandlung mit L-Dopa ansprechen, schreiten meist rascher voran. Sie haben in der Regel eine deutlich schlechtere Prognose.
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