Sexuelle Funktionsstörungen sind ein häufiges Problem bei neurologischen Erkrankungen wie Morbus Parkinson. Obwohl es nur wenige aussagekräftige Studien gibt, berichten viele Betroffene über eine Beeinträchtigung ihrer Sexualität. Dieser Artikel beleuchtet die Wechselwirkungen zwischen Parkinson-Medikamenten und Potenzmitteln wie Viagra (Sildenafil) und bietet einen umfassenden Überblick über Ursachen, Behandlungsmöglichkeiten und wichtige Aspekte für Betroffene.
Sexuelle Funktionsstörungen bei neurologischen Erkrankungen
Neurologische Erkrankungen können verschiedene Aspekte der Sexualität beeinträchtigen. Dazu gehören verminderte Libido, Erektionsstörungen, Lubrikationsstörungen und Probleme mit Ejakulation und Orgasmus.
- Epilepsie: Patienten mit Temporallappenepilepsie, insbesondere bei rechtsseitigem Fokus, können eine Hyposexualität aufweisen, selbst ohne antikonvulsive Therapie. Antiepileptika können den Spiegel freien Testosterons im Blut reduzieren, was die Problematik verstärkt.
- Morbus Parkinson: Betroffene berichten häufig über vermindertes sexuelles Verlangen und Unzufriedenheit mit ihrer Sexualität. Etwa 60 Prozent der erkrankten Männer leiden an Erektionsstörungen, Ejakulations- und Orgasmusstörungen. Frauen erleben oft eine verminderte Orgasmusfähigkeit.
- Polyneuropathie: Viele Polyneuropathien gehen mit einer Dysfunktion des autonomen Nervensystems einher. Bei Diabetikern steigt die Prävalenz von Erektionsstörungen mit dem Fortschreiten der Erkrankung.
Diagnostik sexueller Probleme
Um die sexuellen Probleme von neurologischen Patienten zu erkennen, reichen in der Praxis oft Anamnese und klinische Untersuchung aus. Der Arzt sollte gezielt nach verschiedenen Aspekten der Sexualität fragen, wie Libido, Erregbarkeit und Orgasmusfähigkeit. Ein Gespräch mit dem Partner kann ebenfalls nützlich sein.
Die Informationen aus der Anamnese geben Hinweise für die körperliche Untersuchung. Die motorische Funktion der unteren sakralen Segmente (S3-S4/5) lässt sich durch die Funktion des Analsphinkters beurteilen. Getestet werden sollte auch der Bulbospongiosusreflex (S2-S4/5) durch Drücken der Glanspenis bzw. durch Berühren der Vulva, wobei sich Kontraktionen der perinealen Muskulatur beobachten und palpieren lassen. Bei Männern gibt die Auslösbarkeit des Kremasterreflexes (L1) weitere Auskünfte über die Motorik.
Erektile Dysfunktion: Ursachen und Risikofaktoren
Eine Erektionsstörung, auch erektile Dysfunktion (ED) genannt, ist ein Zustand, bei dem ein Mann Schwierigkeiten hat, eine für den Geschlechtsverkehr ausreichende Erektion zu bekommen oder aufrechtzuerhalten. Dies kann verschiedene Ursachen haben, wobei körperliche und psychische Faktoren eine Rolle spielen können.
Lesen Sie auch: Parkinson-Medikamente: Was Sie beachten müssen
Körperliche Ursachen
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Bluthochdruck, Herzerkrankungen und Durchblutungsstörungen können die Blutzufuhr zum Penis beeinträchtigen.
- Diabetes: Schädigt Nerven und Blutgefäße, was zu Erektionsstörungen führen kann.
- Neurologische Erkrankungen: Multiple Sklerose, Parkinson und Alzheimer können die Nervenbahnen stören, die für die Erektion verantwortlich sind.
- Hormonelle Störungen: Ein niedriger Testosteronspiegel kann die Erektionsfähigkeit beeinträchtigen.
- Medikamente: Bestimmte Medikamente, wie Antidepressiva, Betablocker und einige Mittel gegen Bluthochdruck, können als Nebenwirkung Erektionsstörungen verursachen.
Psychische Ursachen
- Stress und Angst: Leistungsdruck und Versagensängste können die Erektionsfähigkeit negativ beeinflussen.
- Depression: Kann zu einem Verlust des sexuellen Interesses und damit zu Erektionsstörungen führen.
- Beziehungsprobleme: Konflikte und Spannungen in der Partnerschaft können die sexuelle Funktion beeinträchtigen.
Lebensstilfaktoren
- Rauchen: Schädigt die Blutgefäße und beeinträchtigt die Durchblutung.
- Alkohol: Übermäßiger Alkoholkonsum kann die Nervenfunktion beeinträchtigen und zu Erektionsstörungen führen.
- Übergewicht: Kann das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes erhöhen, die wiederum Erektionsstörungen verursachen können.
- Bewegungsmangel: Ein inaktiver Lebensstil kann die Durchblutung beeinträchtigen und das Risiko für Erektionsstörungen erhöhen.
Behandlung der erektilen Dysfunktion
Phosphodiesterase-5-Inhibitoren (PDE-5-Inhibitoren)
PDE-5-Inhibitoren wie Sildenafil (Viagra®), Tadalafil (Cialis®), Vardenafil (Levitra®) und Avanafil (Spedra®) sind die am häufigsten eingesetzten Medikamente zur Behandlung von Erektionsstörungen. Sie wirken, indem sie die Wirkung des Enzyms Phosphodiesterase-5 hemmen, das für den Abbau von cGMP verantwortlich ist. cGMP ist ein Botenstoff, der die Entspannung der glatten Muskulatur in den Schwellkörpern des Penis fördert und so die Blutzufuhr erhöht.
Die Effektivität von Sildenafil bei organisch bedingter Erektionsstörung wird mit etwa 68 Prozent angegeben.
Schwellkörper-Autoinjektionstherapie (SKAT)
Bei der SKAT injiziert der Patient selbst ein Medikament (meist Alprostadil) in den Schwellkörper des Penis, um eine Erektion zu erzeugen.
Intraurethrale Applikation von Alprostadil (MUSE)
Alprostadil kann auch als Zäpfchen in die Harnröhre eingeführt werden (Medikamentöses Urethrales System zur Erektion, MUSE).
Weitere Behandlungsmöglichkeiten
- Testosterontherapie: Bei nachgewiesenem Testosteronmangel kann eine Testosteronersatztherapie in Form von Gels oder Injektionen helfen.
- Vakuumpumpen: Diese Hilfsmittel erzeugen einen Unterdruck, der Blut in den Penis zieht und so eine Erektion ermöglicht.
- Implantate: In schweren Fällen können Silikonkissen in den Schwellkörper implantiert werden, um eine Erektion zu ermöglichen.
- Psychotherapie: Bei psychisch bedingten Erektionsstörungen kann eine Therapie helfen, Stress, Angst und Beziehungsprobleme zu bewältigen.
- Beckenbodentraining: Regelmäßiges Beckenbodentraining kann die Durchblutung im Beckenbereich verbessern und die Erektionsfähigkeit unterstützen.
Wechselwirkungen zwischen Parkinson-Medikamenten und Viagra
Pramipexol
Pramipexol ist ein Dopaminagonist, der zur Behandlung von Morbus Parkinson eingesetzt wird. Es besetzt hochselektiv und spezifisch die Bindungsstellen von Dopamin im Gehirn und ahmt dessen Wirkung nach. Zu den häufigsten Nebenwirkungen von Pramipexol zählen stark abfallender Blutdruck, Schwindel, Müdigkeit und Übelkeit.
Lesen Sie auch: Die Stadien der Parkinson-Krankheit erklärt
Es gibt keine direkten Hinweise darauf, dass Pramipexol die Wirkung von Viagra abschwächt oder verstärkt. Allerdings ist es wichtig zu beachten, dass beide Medikamente Nebenwirkungen haben können, die sich gegenseitig beeinflussen. So kann beispielsweise Pramipexol zu niedrigem Blutdruck führen, während Viagra ebenfalls blutdrucksenkend wirken kann. Die gleichzeitige Einnahme beider Medikamente könnte daher das Risiko für einen zu starken Blutdruckabfall erhöhen.
Allgemeine Wechselwirkungen von Viagra
Viagra (Sildenafil) kann mit verschiedenen anderen Medikamenten in Wechselwirkung treten. Besonders wichtig ist die Beachtung folgender Punkte:
- Nitrate: Die gleichzeitige Einnahme von Viagra und Nitraten (die zur Behandlung von Angina pectoris eingesetzt werden) ist kontraindiziert, da es zu einem gefährlichen Blutdruckabfall kommen kann.
- Alpha-Blocker: Alpha-Blocker werden zur Behandlung von Bluthochdruck und gutartiger Prostatavergrößerung eingesetzt. Die Kombination mit Viagra kann den Blutdruck ebenfalls stark senken.
- CYP 450-3A4-Inhibitoren: Medikamente, die das Enzym CYP 450-3A4 hemmen (z.B. Ritonavir bei HIV-Infektionen), können die Wirkung von Viagra verstärken und das Risiko für Nebenwirkungen erhöhen.
- CYP 450-3A4-Induktoren: Medikamente, die das Enzym CYP 450-3A4 induzieren (z.B. Rifampicin bei Tuberkulose), können die Wirkung von Viagra abschwächen.
Wichtige Hinweise für Betroffene
- Ärztliche Beratung: Männer, die sowohl an Parkinson als auch an Erektionsstörungen leiden, sollten unbedingt einen Arzt konsultieren, bevor sie Viagra oder andere Potenzmittel einnehmen. Der Arzt kann die individuelle Situation beurteilen, mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten berücksichtigen und die geeignete Dosierung festlegen.
- Offene Kommunikation: Es ist wichtig, offen mit dem Arzt über sexuelle Probleme zu sprechen. Viele Männer scheuen sich, dieses Thema anzusprechen, aber eine offene Kommunikation ist entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung.
- Vorsicht bei Online-Bestellungen: Viagra und andere Potenzmittel sollten nur aus seriösen Quellen bezogen werden (z.B. Apotheken mit ärztlichem Rezept). Der Kauf von gefälschten Medikamenten im Internet kann gefährlich sein.
- Lifestyle-Änderungen: Ein gesunder Lebensstil mit ausgewogener Ernährung, regelmäßiger Bewegung und dem Verzicht auf Rauchen und übermäßigen Alkoholkonsum kann die Erektionsfähigkeit verbessern und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen reduzieren.
- Behandlung der Grunderkrankung: Eine gute Einstellung der Parkinson-Erkrankung und anderer Grunderkrankungen (z.B. Diabetes, Bluthochdruck) kann sich positiv auf die sexuelle Funktion auswirken.
Weitere Ursachen für sexuelle Funktionsstörungen
Neben den bereits genannten neurologischen Erkrankungen und Medikamenten gibt es weitere Faktoren, die sexuelle Funktionsstörungen verursachen können:
- Psychische Erkrankungen: Depressionen, Angststörungen und Stress können die Libido und Erektionsfähigkeit beeinträchtigen.
- Beziehungsprobleme: Konflikte in der Partnerschaft, mangelnde Kommunikation und sexuelle Unzufriedenheit können zu sexuellen Funktionsstörungen führen.
- Operationen: Operationen im Beckenbereich (z.B. Prostataentfernung) können Nervenschädigungen verursachen und die Erektionsfähigkeit beeinträchtigen.
- Hormonelle Störungen: Ein Mangel an Testosteron oder andere hormonelle Ungleichgewichte können die sexuelle Funktion beeinträchtigen.
Hilfen für Frauen mit sexuellen Funktionsstörungen
Während für Männer eine Reihe von Präparaten zur Behandlung von Erektionsstörungen verfügbar sind, sind Hilfen für Frauen mit sexuellen Funktionsstörungen rar. Es gibt jedoch einige Ansätze, die helfen können:
- Psychotherapie: Eine Therapie kann helfen, psychische Ursachen wie Stress, Angst und Beziehungsprobleme zu bewältigen.
- Hormontherapie: Bei hormonellen Ungleichgewichten kann eine Hormonersatztherapie in Betracht gezogen werden.
- Beckenbodentraining: Regelmäßiges Beckenbodentraining kann die Durchblutung im Beckenbereich verbessern und die sexuelle Funktion unterstützen.
- Gleitmittel: Bei Lubrikationsstörungen können Gleitmittel den Geschlechtsverkehr angenehmer machen.
Natürliche Potenzmittel und Nahrungsergänzungsmittel
Es gibt eine Vielzahl von natürlichen Potenzmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln, die zur Behandlung von Erektionsstörungen angeboten werden. Allerdings ist die wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit dieser Mittel oft begrenzt. Einige Beispiele sind:
Lesen Sie auch: Überblick zur Dopamin-Erhöhung bei Parkinson
- L-Arginin: Eine Aminosäure, die die Gefäßerweiterung fördern und die Durchblutung verbessern soll.
- Ginseng: Eine Pflanze, die traditionell zur Steigerung der Libido und Verbesserung der Erektionsfähigkeit eingesetzt wird.
- Maca: Eine Knolle aus den Anden, die als Aphrodisiakum gilt und die sexuelle Funktion verbessern soll.
- Yohimbin: Ein Alkaloid aus der Rinde des Yohimbe-Baums, das die Durchblutung fördern und die Erektionsfähigkeit verbessern soll.
Es ist wichtig zu beachten, dass auch natürliche Mittel Nebenwirkungen haben und mit anderen Medikamenten in Wechselwirkung treten können. Daher sollte vor der Einnahme immer ein Arzt konsultiert werden.
Erektionsstörungen als Warnsignal für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Erektionsstörungen können ein frühes Warnsignal für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein. Da die Blutgefäße im Penis sehr klein sind, machen sich Durchblutungsstörungen hier oft früher bemerkbar als in anderen Körperregionen. Eine Studie aus dem Jahr 2020 kam zu dem Ergebnis, dass eine erektile Dysfunktion als Risikofaktor für einen Herzinfarkt gewertet werden kann.
Männer, die Erektionsstörungen bei sich beobachten, sollten daher ihren Arzt aufsuchen und sich auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen untersuchen lassen. Frühzeitige Erkennung und Behandlung von Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen können helfen, schwere Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall zu vermeiden.
Der Nocebo-Effekt
Der Nocebo-Effekt beschreibt das Phänomen, dass negative Erwartungen negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben können. So kann beispielsweise das Wissen um mögliche Nebenwirkungen eines Medikaments dazu führen, dass ein Patient diese Nebenwirkungen tatsächlich erlebt, auch wenn das Medikament selbst keine schädliche Wirkung hat.
Eine Studie untersuchte Männer, die neu mit Herzkrankheiten diagnostiziert wurden und den Betablocker Atenolol (Tenormin) einnahmen. Nur die Hälfte der Patienten wurde über die möglichen sexuellen Nebenwirkungen des Medikaments informiert. Interessanterweise berichtete fast ein Drittel der informierten Patienten über sexuelle Funktionsstörungen, während dies nur bei 3 Prozent der nicht informierten Patienten der Fall war.
Es ist also möglich, dass das Wissen um die mögliche Nebenwirkung "erektile Dysfunktion" dazu führen kann, dass ein Mann diese Symptome erlebt, auch wenn das Medikament selbst keine direkte Ursache ist.
Medikamente als Ursache für sexuelle Funktionsstörungen
Neben den bereits genannten Medikamenten gibt es weitere Arzneimittel, die sexuelle Funktionsstörungen auslösen können:
- Antidepressiva: Besonders selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und trizyklische Antidepressiva (TZA) können zu sexuellen Dysfunktionen führen.
- Antipsychotika (Neuroleptika): Diese Medikamente können die Dopaminrezeptoren hemmen oder die Prolaktinproduktion erhöhen, was sich negativ auf die sexuellen Funktionen auswirken kann.
- Lipidsenker: Medikamente zur Senkung des Cholesterinspiegels können ebenfalls Erektionsstörungen verursachen.
- Medikamente gegen Haarausfall: Einige Mittel gegen erblich bedingten Haarausfall basieren auf Wirkstoffen, die auch Erektionsstörungen verursachen können.
- H2-Blocker: Medikamente zur Behandlung von Magenerkrankungen können in den Hormonspiegel eingreifen und sich so auf die Erektionsfähigkeit auswirken.
tags: #parkinson #und #viagra #wechselwirkungen