Patientenverfügung, Magensonde und Schlaganfall: Wichtige Informationen für Betroffene und Angehörige

Ein Unfall, ein Schlaganfall oder eine schwere Erkrankung - die Vorstellung, nicht mehr über die eigene medizinische Behandlung entscheiden zu können, bereitet vielen Menschen Sorgen. In solchen Situationen können eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht von großer Bedeutung sein. Sie ermöglichen es, im Voraus festzulegen, welche medizinischen Maßnahmen gewünscht oder abgelehnt werden und wer im Ernstfall die persönlichen Wünsche gegenüber Ärzten vertreten soll. Dieser Artikel beleuchtet insbesondere die Rolle der künstlichen Ernährung, insbesondere durch eine Magensonde (PEG), im Kontext einer Patientenverfügung und nach einem Schlaganfall.

Was ist eine Patientenverfügung?

Eine Patientenverfügung ist eine vorsorgliche schriftliche Erklärung, in der eine Person ihren Willen bezüglich zukünftiger medizinischer Behandlungen festhält. Das Dokument wird wirksam, wenn die Person nicht mehr in der Lage ist, ihre Zustimmung oder Ablehnung zu bestimmten medizinischen Maßnahmen zu äußern. Die Patientenverfügung beschreibt mögliche Lebens- und Behandlungssituationen bei einer schweren Erkrankung und legt die gewünschten oder nicht gewünschten ärztlichen Maßnahmen fest.

In einer Patientenverfügung kann man festlegen, ob man in bestimmte Untersuchungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder diese ablehnt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat 2016 entschieden, dass pauschale Formulierungen wie "keine lebenserhaltenden Maßnahmen" nicht ausreichen. Die Ausführungen in der Patientenverfügung sollten möglichst konkrete Anweisungen zu den Themen künstliche Ernährung, künstliche Beatmung, Schmerzbehandlung, Wiederbelebung, Organspende sowie zu weiteren medizinischen Fragen enthalten. Grundsätzlich muss eine Patientenverfügung nicht notariell beglaubigt sein. Sie wird mit Datum und eigenhändiger Unterschrift wirksam. Die bestehende Patientenverfügung kann jederzeit geändert, ergänzt oder widerrufen werden.

Beratung und Unterstützung bei der Erstellung

Dieses rechtlich und medizinisch komplizierte Thema erfordert eine ausführliche persönliche Beratung. Anlaufstellen sind Verbraucherzentralen, Kirchen, Wohlfahrtsverbände, Hospize oder ein Arzt. Ein Arzt kann erklären, welche medizinischen Folgen bestimmte Wünsche und Entscheidungen haben. Die Verbraucherzentralen bieten die Möglichkeit, mit einem kostenlosen Online-Tool Schritt für Schritt eine individuelle Patientenverfügung zu erstellen. Dieser Service nutzt Textbausteine des Bundesministeriums der Justiz. Wichtig: Die Patientenverfügung muss ausgedruckt, mit Datum versehen und unterschrieben werden, damit sie gültig ist.

Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung

Ebenso wichtig wie eine Patientenverfügung ist eine Vorsorgevollmacht. Sie bevollmächtigt eine Person des Vertrauens, Medizinern im Ernstfall die Wünsche des Patienten zu verdeutlichen und darauf zu achten, dass sie berücksichtigt werden. Ohne entsprechende Vollmacht bekommen Vertrauenspersonen von Ärzten keine Auskünfte über Gesundheitszustand und Behandlung. Oft herrscht Unsicherheit, wie sich eine Patientenverfügung von einer Vorsorgevollmacht und einer Betreuungsverfügung unterscheidet. Eine Vorsorgevollmacht erlaubt einer Person, im Namen des Vollmachtgebenden zu handeln und zu entscheiden. Sie kann mehrere Bereiche wie finanzielle und vertragliche Angelegenheiten oder die medizinische Behandlung umfassen. Die Patientenverfügung legt dagegen fest, welche Handlungen Ärzte vornehmen oder unterlassen sollen, häufig hinsichtlich der Frage nach lebensverlängernden Maßnahmen. Bei der Vorsorgevollmacht handelt es sich um eine privatrechtliche Vereinbarung. Mit der Betreuungsverfügung lässt sich alternativ bestimmen, wer als rechtlicher Betreuer eingesetzt und wie die Betreuung inhaltlich gestaltet werden soll. Vorteil: Bei der rechtlichen Betreuung nimmt das Betreuungsgericht Kontrollfunktionen war und prüft beispielsweise auch vermögensrelevante Entscheidungen des Betreuers. Für besonders wichtige Angelegenheiten - wie Unterbringung - ist sogar die Zustimmung des Gerichts erforderlich. Seit 2023 gilt für Eheleute das sogenannte Notvertretungsrecht. Auch wenn keine Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht vorliegt, können Verheiratete dann Entscheidungen über die Behandlung des erkrankten Ehepartners treffen, sofern er bewusstlos oder krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, diese Entscheidungen selbst zu treffen. Das Recht zur Gesundheitsfürsorge ist auf einen Zeitraum von drei Monaten begrenzt. Wer Vorsorge getroffen hat, sollte Ärzten und Angehörigen die entsprechenden Dokumente einfach und schnell zugänglich machen. Wichtig zu wissen: Eine Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden. Häufig ändern sich im Laufe des Lebens die persönlichen Wertvorstellungen, auch im Hinblick auf das eigene Leben und Sterben.

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Künstliche Ernährung: Formen und Indikationen

Ist eine natürliche Nahrungsaufnahme nicht mehr möglich, müssen die für unseren Körper wichtigen Nährstoffe anderweitig zugeführt werden. Eine Möglichkeit ist die künstliche Ernährung - etwa über eine Sonde oder einen Port. Die Entscheidung, ob jemand eine künstliche Ernährung braucht, ist niemals leicht zu treffen. Hierfür ist immer eine medizinische Indikation erforderlich. Es muss also von Arztseite die künstliche Ernährung für eine bestimmte Person angeordnet werden. Das ist grundsätzlich dann der Fall, wenn es Betroffenen nur unzureichend oder nicht mehr möglich ist, Flüssigkeit und Nährstoffe in ausreichendem Ausmaß über den Mund beziehungsweise den Verdauungstrakt aufzunehmen.

Künstliche Ernährung bedeutet, dass dem Körper Nährstoffe zugeführt werden, wobei aber die üblichen Verdauungswege teilweise oder ganz umgangen werden. Ein Patient wird dann ganz oder teilweise künstlich ernährt, wenn er aufgrund einer Erkrankung auf normalem Wege keine oder nicht mehr die nötige Menge an Nahrung zu sich nehmen kann. Dies kann vorübergehend oder dauerhaft notwendig sein. Die Einleitung, Fortführung oder Beendigung einer künstlichen Ernährung setzt zwingend eine medizinische Notwendigkeit (Indikation) voraus. Außerdem muss der Wille des Betroffenen beachtet werden. Ein Mensch darf nicht gegen seinen Willen künstlich ernährt werden. Eine Ausnahme ist die krankheitsbedingte Nahrungsverweigerung aufgrund einer psychischen Störung wie etwa Magersucht. Ist ein Patient nicht mehr entscheidungsfähig, sind die Aussagen, die er in seiner Patientenverfügung getroffen hat, rechtlich bindend. Liegt eine solche nicht vor, muss der mutmaßliche Wille des Betroffenen ermittelt werden. Jeder Mensch hat ein Recht auf eine angemessene und menschenwürdige Pflege.

Formen der künstlichen Ernährung

Es gibt zwei Hauptformen der künstlichen Ernährung:

  • Enterale Ernährung: Hierbei wird eine Sonde verwendet, um Mund und Speiseröhre zu umgehen und die Nährstoffe direkt in den Magen oder Dünndarm zu leiten. Eine gängige Methode ist die perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG), bei der eine Magensonde durch die Bauchdecke direkt in den Magen eingesetzt wird.
  • Parenterale Ernährung: Bei dieser Form wird der gesamte Verdauungstrakt umgangen, indem die Nährstoffe über einen Zugang zum venösen System direkt in den Blutkreislauf gelangen. Dies kann über einen intravenösen Port erfolgen, der unter die Haut gelegt wird, oder über einen zentralvenösen Katheter (ZVK), der in eine große Vene eingeführt wird.

Die Wahl der geeigneten Methode hängt von der individuellen Situation des Patienten, der Funktionsfähigkeit seines Verdauungstrakts und der Dauer der voraussichtlichen künstlichen Ernährung ab.

Künstliche Ernährung über eine Magensonde (PEG)

Die künstliche Ernährung über eine Magensonde, insbesondere die perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG), ist in Deutschland ein häufig diskutiertes Thema, wenn es um lebenserhaltende Maßnahmen geht. Bei kurzfristigen Schluckbeschwerden nach einem Schlaganfall kann sie sehr hilfreich sein. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass eine PEG-Sonde nicht immer die Lebensqualität verbessert oder das Leben verlängert, insbesondere bei Patienten mit fortgeschrittener Demenz. In solchen Fällen kann die künstliche Ernährung sogar mit Abwehrreflexen, Druckgeschwüren, wiederholtem Erbrechen und einer erhöhten Dekubitusrate verbunden sein.

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Die Entscheidung für oder gegen eine künstliche Ernährung muss daher im Konsens mit den Angehörigen oder Betreuern und dem Pflegeteam getroffen werden. Ärzte sollten deutlich machen, dass nicht alles, was technisch machbar ist, den Kranken auch ursächlich hilft. Es kann rechtlich riskant sein, die Sondenernährung zu stoppen, insbesondere wenn sie bereits begonnen wurde. Nach Ansicht von Experten dokumentiert ein Patient, der die Sonde selbst wiederholt herausreißt, dass er diese Art der Behandlung nicht wünscht. In solchen Fällen sollte das Vormundschaftsgericht eingeschaltet werden.

Praktische Aspekte der enteralen und parenteralen Ernährung

  • Enterale Ernährung: Die Sondennahrung enthält alle erforderlichen Nährstoffe und kann vom Darm gut verwertet werden. Sie wird entweder über viele Stunden (16h/Tag) verabreicht, was die Bewegungsfähigkeit der Person allerdings stark einschränkt. Die Nahrung kann aber auch portionsweise zu den normalen Essenszeiten verabreicht werden, was dem natürlichen Rhythmus entspricht. Die Voraussetzung dafür ist eine normale Magen-Darm-Funktion. Alle Sonden müssen regelmäßig darauf überprüft werden, ob sie dicht sind, nicht verstopft und ob die Nahrung korrekt ein- und durchläuft. Im Fall von PEG-Sonden muss die Einstichstelle täglich mit antiseptischen Lösungen gereinigt werden, vor dem Gebrauch sind die Hände zu desinfizieren und Handschuhe anzuziehen. PEG-Sonden sind ebenfalls regelmäßig zu inspizieren, und die Haut um die Eintrittsstelle muss trocken gehalten werden.
  • Parenterale Ernährung: Die Nährlösung, die über eine Infusion direkt in die Venen und damit in den Blutkreislauf geleitet wird, enthält alle lebensnotwendigen Nährstoffe wie Glukose, Fett, Aminosäuren (Baustoffe von Eiweiß) oder Vitamine. Die genaue Menge und Zusammensetzung werden individuell auf die Bedürfnisse Ihres betroffenen Familienmitglieds abgestimmt. Ist Ihr Angehöriger grundsätzlich noch mobil, empfiehlt es sich, diese Infusionen über Nacht zu verabreichen. Am wichtigsten ist die Hygiene, um Infektionen zu vermeiden. Das heißt, Sie sollten immer „sauber“ mit den Zugängen wie dem Port arbeiten (nur nach Händereinigung und Händedesinfektion) und mit intakten Materialien. Auch eine regelmäßige Reinigung des Systems ist erforderlich.

Schlaganfall und künstliche Ernährung

Ein Schlaganfall kann zu Schluckbeschwerden (Dysphagie) führen, die eine ausreichende Nahrungsaufnahme erschweren oder unmöglich machen. In solchen Fällen kann eine künstliche Ernährung, insbesondere über eine Magensonde, notwendig werden, um den Flüssigkeits- und Nährstoffbedarf des Patienten zu sichern. Bei kurzfristigen Schluckbeschwerden kann die PEG-Sonde ein Segen sein. Es ist jedoch wichtig, die langfristigen Auswirkungen und den Patientenwillen zu berücksichtigen.

Der Patientenwille und die Patientenverfügung

Die Einleitung, Fortführung oder Beendigung einer künstlichen Ernährung setzt zwingend eine medizinische Notwendigkeit (Indikation) voraus. Allerdings muss gleichzeitig der Wille des Betroffenen beachtet werden: Ein Mensch darf grundsätzlich nicht gegen seinen Willen künstlich ernährt werden. Es gibt aber auch Ausnahmen, etwa wenn die Nahrung wegen einer psychischen Störung verweigert wird. Ist die betroffene Person nicht mehr entscheidungsfähig, ist eine eventuell vorliegende Patientenverfügung rechtlich bindend. Fehlt diese, muss der mutmaßliche Wille des Betroffenen ermittelt werden.

Die Patientenverfügung ist eine hervorragende Möglichkeit, bei Verlust des Bewusstseins seinen Patientenwillen und seine Wünsche an Ärzte festzuhalten. Wer bereits eine Patientenverfügung erstellt hat, sollte überprüfen, ob sie den Standards des BGH genügen. Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung dürfen nicht überzogen werden, da der Betroffene seine Patientenbiographie nicht vorausahnen kann.

Fallbeispiel aus der Rechtsprechung

Ein Fall vor dem Bundesgerichtshof (BGH) verdeutlicht die Bedeutung einer klaren Patientenverfügung im Zusammenhang mit künstlicher Ernährung. Die 1940 geborene Patientin erlitt im Mai 2008 einen Schlaganfall, lag seitdem im Wachkoma und wurde über eine Magensonde versorgt. Der Sohn und der Ehemann wurden 2012 vom Betreuungsgericht zu jeweils alleinvertretungsberechtigten Betreuern bestellt. Die Patientin hatte 1998 eine schriftliche Patientenverfügung errichtet. Darin legte sie fest, dass sie keine lebensverlängernden Maßnahmen wünsche, wenn medizinisch eindeutig feststehe, dass keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins bestehe. Gegenüber Familienangehörigen und Bekannten hatte sie anlässlich zweier Wachkomapatienten in ihrem Umfeld wiederholt gesagt, dass sie nicht künstlich ernährt werden, nicht so am Leben erhalten und so daliegen wollte, lieber sterbe sie. Der Sohn verlangte die Einstellung der Versorgung der Mutter, da sie dies in ihrer Patientenverfügung wünsche.

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Der BGH entschied, dass die Erklärung in der Patientenverfügung der Betroffenen „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wünschen, für sich gesehen nicht konkret genug ist. Im Zusammenhang mit ihrer Erklärung „dass keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht“, hat sie jedoch hinreichend konkret eine Lebens- und Behandlungssituation beschrieben, die aufgrund schwerster Gehirnschädigung vorlag und medizinisch eindeutig festgestellt wurde. Zu beachten waren auch ihre Äußerungen zu Wachkomapatienten in gesunden Tagen. Sie wolle nicht „so am Leben erhalten werden und lieber sterben“, bezieht sich auf ihren Willen zu sterben bei keiner Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins.

Dieser Fall zeigt, wie wichtig es ist, in einer Patientenverfügung konkrete Anweisungen zu formulieren und auch mündliche Äußerungen des Patienten zu berücksichtigen.

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