Demenz ist eine der häufigsten psychischen Erkrankungen im Alter, von der in Deutschland aktuell rund 1,6 Millionen Menschen betroffen sind. Diese Erkrankung ist durch einen fortschreitenden Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit gekennzeichnet, der sich in Gedächtnisverlust, Orientierungslosigkeit, Sprachstörungen und Veränderungen der Persönlichkeit äußern kann. Es ist wichtig, Demenz frühzeitig zu erkennen, um den Betroffenen die bestmögliche Behandlung und Unterstützung zukommen zu lassen. Die Frontotemporale Demenz (FTD) ist eine eher seltene Form der Demenz, die sich von anderen Demenzformen wie der Alzheimer-Krankheit unterscheidet.
Was ist Frontotemporale Demenz (FTD)?
Die Frontotemporale Demenz (FTD) ist eine Form der Demenz, bei der Nervenzellen im Frontallappen (Stirnlappen) und/oder Temporallappen (Schläfenlappen) des Gehirns absterben. Diese Hirnregionen steuern wichtige Funktionen wie Gefühle, Sozialverhalten und Sprache. Bei FTD kommt es häufig zu Veränderungen der Persönlichkeit und des Verhaltens, die oft früher auftreten als Gedächtnisprobleme. Die FTD macht Schätzungen zufolge zusammen mit der Alzheimer-Demenz die Mehrzahl aller Demenzerkrankungen unter 65 Jahren aus.
Ursachen der Frontotemporalen Demenz
Bislang ist nicht im Detail geklärt, wie es zum Untergang der Nervenzellen kommt. In den betroffenen Nervenzellen lagern sich häufig krankhafte Proteine ab, die die Zellfunktion stören. Solche Ablagerungen wurden erstmals vom Prager Neurologen Arnold Pick beschrieben und heißen deshalb "Pick'sche Körper". Früher wurde die FTD auch als Morbus Pick bezeichnet.
Ein Teil der frontotemporalen Demenzen ist erblich bedingt und Fälle treten familiär gehäuft auf (familiäre FTD). Auch ein Teil der ohne familiäre Häufung auftretenden frontotemporalen Demenzen kann im Zusammenhang mit genetischen Veränderungen stehen. Insgesamt sind etwa 10-15% aller frontotemporalen Demenzen genetisch bedingt, v. a. die Verhaltensvariante. Meist handelt es sich um Mutationen in den Genen C9orf72, GRN oder MAPT. Wird diese genetische Veränderung von einem Elternteil vererbt, hat das Kind eine 50 prozentige Wahrscheinlichkeit, auch an FTD zu erkranken.
Symptome der Frontotemporalen Demenz
Die Symptome der FTD können je nach betroffenem Hirnbereich variieren. Es werden hauptsächlich zwei Varianten unterschieden: die Verhaltensvariante (bvFTD) und die sprachliche Variante (PPA).
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Verhaltensvariante (bvFTD)
Die Verhaltensvariante der Frontotemporalen Demenz (bvFTD) zeigt sich durch tiefgreifende Veränderungen im Verhalten und in der Persönlichkeit. Die erkrankte Person wirkt „anders“, obwohl das Gedächtnis oft noch gut funktioniert. Zu den häufigsten Anzeichen gehören:
- Enthemmung: Unpassende Bemerkungen, unangemessenes sexuelles Verhalten, Ladendiebstahl oder Berührungen von Fremden.
- Apathie: Früher Rückzug aus sozialen und beruflichen Aktivitäten, Verlust von Interesse an Beziehungen oder Hobbys.
- Emotionale Abstumpfung / Empathieverlust: Gleichgültigkeit gegenüber den Gefühlen nahestehender Personen, fehlende Anteilnahme oder Einfühlungsvermögen.
- Zwanghaftes oder ritualisiertes Verhalten: Wiederholte Handlungen wie das fünfmalige Klatschen zur Begrüßung, Horten von Gegenständen oder das tägliche Aufsuchen bestimmter Orte.
- Verändertes Essverhalten: Zwanghaftes Essen bestimmter Lebensmittel, wie ausschließlich Schokolade, oder übermäßiger Konsum von Wasser oder Alkohol.
- Fehlende Einsicht: Menschen mit bvFTD sehen häufig nicht ein, dass ihr Verhalten ungewöhnlich ist. Sie tun Dinge, die soziale Normen verletzen, ohne diese als falsch wahrzunehmen.
- Neuropsychologisches Profil: Defizite bei der Planung und Organisation des täglichen Lebens, während Gedächtnis- und visuell-räumliche Fähigkeiten oft intakt bleiben.
Sprachliche Variante (PPA)
Die Primär Progressive Aphasie (PPA) zeigt sich in drei verschiedenen Formen, je nachdem, welche sprachlichen Fähigkeiten am stärksten eingeschränkt sind:
- Semantischer Typ: Menschen mit dieser Form verlieren nach und nach das Verständnis für Wörter. Sie können Dinge oft nicht mehr benennen oder genau beschreiben, selbst wenn sie wissen, was sie sind.
- Unflüssiger/agrammatischer Typ: Das Sprechen wird mit der Zeit immer schwieriger. Die Wörter kommen langsamer über die Lippen und das Sprechen klingt oft angestrengt. Schließlich kann die Sprache ganz versagen, während jedoch andere Fähigkeiten durchaus intakt bleiben. Häufig treten aber auch Schluckbeschwerden oder parkinsonähnliche Symptome auf.
- Logopenischer Typ: Bei dieser Form fällt es den Betroffenen schwer, die richtigen Worte zu finden. Das Sprechen wird langsam und zögerlich, und sie beschreiben Begriffe umständlich, wenn ihnen die passenden Worte fehlen. Im Gegensatz zu den anderen Formen gehört der logopenische Typ nicht zur Frontotemporalen Demenz, sondern zur Alzheimer-Krankheit.
Diagnose der Frontotemporalen Demenz
Die Frontotemporale Demenz wird häufig nicht sofort erkannt, da die Symptome, besonders bei der Verhaltensvariante, oft einer psychischen Erkrankung ähneln können. Da es derzeit kein einzelnes Verfahren gibt, das FTD eindeutig nachweisen kann, erfolgt die Diagnose in mehreren Schritten:
- Anamnese: Die Ärztin oder der Arzt erhebt die Krankengeschichte und prüft grundlegende kognitive Fähigkeiten, zum Beispiel das Gedächtnis.
- Befragung der Angehörigen: Besonders bei der Verhaltensvariante sind Einschätzungen aus dem Umfeld entscheidend, da Erkrankte oft keine Einsicht in ihre Verhaltensänderungen zeigen.
- Bildgebende Verfahren: Mithilfe von MRT, CT oder FDG-PET können Veränderungen in den Stirn- und Schläfenlappen sichtbar gemacht werden.
- Neuropsychologische Tests: Diese erfassen spezifische Beeinträchtigungen in Planung, Urteilsvermögen, Sprache oder sozialem Verhalten, die für FTD typisch sind.
- Genetische Untersuchungen: Liegen in der Familie weitere Fälle von FTD vor, kann ein Gentest helfen, eine vererbbare Form festzustellen.
In Fällen ohne nachweisbare Genmutation kann eine sichere Diagnose oft erst nach dem Tod gestellt werden.
Verlauf der Frontotemporalen Demenz
Wie die meisten Demenzerkrankungen hat auch die frontotemporale Demenz einen schleichenden Verlauf.
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- Zu Beginn unterscheiden sich Menschen mit Frontotemporaler Demenz sowohl deutlich von Menschen mit anderen Demenzen als auch untereinander, je nach Subtyp.
- Im späten Stadium gleichen sich die Symptome von FTD und anderen Demenzerkrankungen an. Sprache und Verhalten sind stark beeinträchtigt, und es treten zusätzlich Gedächtnisprobleme auf, die an Alzheimer erinnern. Körperliche Symptome wie Bewegungsstörungen, Muskelsteifheit oder Schwierigkeiten beim Schlucken können hinzukommen.
- Im Endstadium benötigen die Erkrankten rund um die Uhr Pflege. Die häufigste Todesursache ist eine Lungenentzündung, die durch eine Schwächung des Immunsystems oder Schluckprobleme verursacht werden kann.
Behandlung der Frontotemporalen Demenz
Die Frontotemporale Demenz ist bisher nicht heilbar. Auch Medikamente, die den Krankheitsverlauf aufhalten oder verlangsamen gibt es leider nicht. Weltweit wird dazu jedoch intensiv geforscht. Manche Symptome - etwa starke Unruhe, Aggression oder zwanghaftes Verhalten - lassen sich mit bestimmten Medikamenten lindern. Durch nicht-medikamentöse Therapieformen, wie sie auch bei Menschen mit Alzheimer-Demenz angewandt werden können einige Symptome der Patienten und Patientinnen gemildert werden.
Nicht-medikamentöse Therapien
Neben therapeutischen Maßnahmen gibt es viele kleine Dinge, die dazu beitragen können, dass Menschen mit Frontotemporaler Demenz länger körperlich und geistig aktiv bleiben. Vieles lässt sich unkompliziert in den Alltag integrieren:
- Sport: Hat nachgewiesene positive Effekte auf die Leistungsfähigkeit, Fitness und Stimmung von Erkrankten. Bewegung kann Ängste abbauen, Unruhe mildern und beim Ein- und Durchschlafen helfen.
- Geistige Aktivität: Aktivitäten, die das Gehirn anregen wirken sich ebenfalls positiv auf den Verlauf von Demenzerkrankungen aus. Gut für die geistige Fitness sind zum Beispiel Brettspiele, Puzzles, Handarbeiten oder Basteln.
- Soziale Kontakte: Gute Gespräche, gemeinsame Erlebnisse oder einfach Nähe - soziale Kontakte geben Halt und tun dem Gehirn gut.
Herausforderungen im Umgang mit FTD
Eine der größten Herausforderungen im Umgang mit FTD ist jedoch, dass viele Erkrankte keine Einsicht in die eigene Erkrankung haben. In solchen Momenten ist es wichtig zu wissen: Man kann eine an FTD erkrankte Person nicht vom eigenen Fehlverhalten überzeugen, weil ihr schlicht der innere Maßstab fehlt.
Das Zusammenleben mit einem Menschen, der an einer Frontotemporalen Demenz erkrankt ist, bedeutet für die Angehörigen eine enorme Belastung. Vor allem sind es die Verhaltensauffälligkeiten, besonders Aggressionen, enthemmtes Verhalten und Unberechenbarkeit der Erkrankten, die den Angehörigen zu schaffen machen. Auch die fehlende Empathie und ein Mangel an Interesse an Angehörigen und Freunden sind oft schwer auszuhalten.
Der Umgang mit einem Menschen, der an FTD erkankt ist, stellt die Angehörigen meist vor große Herausforderungen. Der Austausch mit anderen hilft dabei, diesen Herausforderungen zu begegnen und Wege des Umgangs zu finden. Bundesweit gibt es rund 35 FTD-Angehörigengruppen.
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Wesensveränderungen im Alter und Demenz
Verhaltensweisen wie Uneinsichtigkeit, Aggressivität und Gehässigkeit erschweren für Angehörige oft den Umgang mit älteren Menschen. Anders als in jungen Jahren folgen die Persönlichkeitsveränderungen im Alter aber keinem festen Reifungsmuster. Bei Seniorinnen und Senioren entwickelt sich die Persönlichkeit häufig noch einmal in sehr unterschiedliche Richtungen - und das ist für die Angehörigen nicht immer leicht.
Trotzdem hilft es, gegenüber Seniorinnen und Senioren möglichst geduldig und einfühlsam aufzutreten. Es kommt beispielsweise vor, dass ältere Personen plötzlich die eigenen Kinder, Enkel und Pflegefachkräfte beschimpfen und beschuldigen, stur agieren oder sich komplett zurückziehen. Dieses Verhalten wird oft als sogenannter Altersstarrsinn abgetan, also als natürliche Reaktion auf die Veränderungen im Alter. Das muss aber nicht sein - möglicherweise steckt auch eine ernsthafte Erkrankung hinter der Wesensveränderung.
Warnzeichen für Demenz
Folgende Warnzeichen können auf eine Demenz hinweisen:
- Starke Stimmungsschwankungen, Ängstlichkeit, Misstrauen oder Reizbarkeit
- Vergesslichkeit (vor allem bei kurz zurückliegenden Ereignissen)
- Nachlassendes Interesse an Hobbys und Kontakten
- Wortfindungsstörungen/-schwierigkeiten
- Orientierungsschwierigkeiten
- Fehleinschätzung von Gefahren
- Beharrliches Abstreiten von Fehlern und Verwechslungen
Im weiteren Verlauf fällt auf, dass Betroffene zum Beispiel immer dieselben Fragen und Handlungen wiederholen, plötzlich nachts umherwandern oder sich in misstrauische Überzeugungen hineinsteigern, zum Beispiel, bestohlen worden zu sein. Manche werden auch verbal oder körperlich zunehmend aggressiv.
Umgang mit Verhaltensänderungen bei Demenz
Die Verhaltensänderung bei allen Demenzformen müssen alle Beteiligten erst einmal verstehen. Dennoch ist es nicht immer leicht, Ruhe zu bewahren. Sprechen Sie mit einem an Demenz erkrankten Menschen in kurzen, klaren Sätzen, damit er sich nicht überfordert fühlt. Geben Sie ihm immer das Gefühl, dass Sie ihn verstehen und ernst nehmen. Drängen oder hetzen Sie ihn nie. Demenzkranke können mit Stress nicht umgehen. Meiden Sie Diskussionen und nehmen Sie Konfrontationen nicht persönlich. Versuchen Sie, in schwierigen Situationen mit verständnisvollen Worten zu beruhigen. Bleiben Sie in Konfliktsituationen ruhig. Fördern Sie die Bewegung des an Demenz Erkrankten, das verbessert nachweislich die Durchblutung, das Koordinationsvermögen und den Gleichgewichtssinn. Achten Sie auf eine ausreichende und gesunde Ernährung - an Demenz Erkrankte vergessen auch schon mal das Essen und Trinken, und gerade eine zu geringe Flüssigkeitsaufnahme kann Verwirrung noch verschlimmern. Auch wenn es schwerfällt - seien Sie geduldig.
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