Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, deren genaue Ursachen bisher nicht vollständig geklärt sind. Seit langem wird jedoch ein Zusammenhang zwischen MS und Infektionen mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV), dem Erreger des Pfeifferschen Drüsenfiebers, vermutet. Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass EBV eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von MS spielen könnte.
Die Rolle des Epstein-Barr-Virus bei Multipler Sklerose
Eine groß angelegte Langzeitstudie unter der Leitung von Prof. Alberto Ascherio von der Harvard Chan School hat ergeben, dass eine Infektion mit EBV das Risiko, an MS zu erkranken, um das 32-fache erhöht. Die Studie wertete die Daten von Millionen Angehörigen des US-Militärs aus, die zwischen 1993 und 2013 in den Dienst eingetreten waren. Im Rahmen der HIV-Testungen wurden regelmäßig Blutproben entnommen, die nun auf EBV-Antikörper untersucht wurden.
Die Ergebnisse zeigten, dass fast 95 Prozent der Studienteilnehmer Antikörper gegen EBV aufwiesen, was auf eine frühere Infektion hindeutet. Von den 955 Personen, die im Laufe des Untersuchungszeitraums an MS erkrankten, hatten 34 von 35 zuvor keine EBV-Antikörper im Blut, entwickelten diese aber vor dem Ausbruch der MS. Zudem wiesen MS-Erkrankte deutlich höhere Mengen an Antikörpern gegen das Epstein-Barr-Virus im Blut auf als Personen, die sich mit EBV infiziert hatten, ohne an MS zu erkranken. Dies deutet darauf hin, dass das Immunsystem der MS-Patienten stärker auf das Virus reagiert hat.
Wie EBV möglicherweise MS auslöst
Obwohl die genauen Mechanismen noch nicht vollständig verstanden sind, gibt es mehrere Hypothesen, wie EBV zur Entstehung von MS beitragen könnte:
- Molekulare Mimikry: EBV-Bestandteile ähneln möglicherweise körpereigenen Proteinen im Nervensystem. Das Immunsystem, das EBV angreift, könnte fälschlicherweise auch diese körpereigenen Proteine attackieren, was zu einer Schädigung der Myelinschicht der Nervenfasern führt.
- Aktivierung von Autoimmunreaktionen: EBV könnte das Immunsystem so verändern, dass es Autoimmunreaktionen auslöst, bei denen fehlgeleitete Immunzellen die Myelinschicht angreifen.
- Infektion von B-Zellen: EBV infiziert B-Zellen, die eine wichtige Rolle bei der Immunabwehr spielen. Diese infizierten B-Zellen könnten im Gehirn und Rückenmark Autoantikörper produzieren, die die Myelinschicht schädigen.
Eine weitere Forschungsgruppe hat einen Mechanismus nachgewiesen, wie eine EBV-Infektion Nervenzellen bei MS schädigen könnte: Im Nervenwasser von MS-Betroffenen fanden sie kreuzreaktive Antikörper gegen einen bestimmten Bestandteil von EBV (EBNA1), die sich gleichzeitig gegen ein körpereigenes neuronales Protein richten.
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Pfeiffersches Drüsenfieber und EBV
Das Epstein-Barr-Virus ist vor allem als Verursacher des Pfeifferschen Drüsenfiebers bekannt, auch "Kusskrankheit" genannt, da es leicht durch Speichel übertragen wird. Die meisten Menschen infizieren sich im Laufe ihres Lebens mit EBV, oft ohne Symptome zu entwickeln. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen kann die Erstinfektion jedoch zu Pfeifferschem Drüsenfieber führen, das mit Müdigkeit, Fieber, Halsschmerzen und geschwollenen Lymphknoten einhergeht.
Obwohl das Pfeiffersche Drüsenfieber in der Regel gutartig verläuft, kann es in einigen Fällen zu Komplikationen wie einer Beteiligung der Leber oder Milz kommen. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass eine symptomatische EBV-Infektion, also das Pfeiffersche Drüsenfieber, das Risiko für MS deutlich erhöht, ungefähr um Faktor sieben.
Weitere Faktoren, die bei MS eine Rolle spielen
Es ist wichtig zu betonen, dass EBV wahrscheinlich nicht der einzige Auslöser für MS ist. Es gibt eine Reihe weiterer Faktoren, die das Risiko für MS erhöhen können, darunter:
- Genetische Veranlagung: MS tritt häufiger bei Menschen auf, in deren Familie bereits Fälle von MS bekannt sind. Es gibt eine Reihe von Risikogenen, die mit MS in Verbindung gebracht werden.
- Umweltfaktoren: Neben EBV werden auch andere Umweltfaktoren wie niedrige Vitamin-D-Spiegel, Rauchen, Fettleibigkeit, ein gestörter Tag-Nacht-Rhythmus und bestimmte Darmbakterien als mögliche Risikofaktoren für MS diskutiert.
Die Bedeutung der Forschungsergebnisse für die Prävention und Behandlung von MS
Die Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen EBV und MS haben wichtige Implikationen für die Prävention und Behandlung der Erkrankung.
- EBV-Impfstoff: Da EBV möglicherweise eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von MS spielt, könnte eine Impfung gegen EBV möglicherweise die Entstehung von MS verhindern. Verschiedene Forschungsgruppen arbeiten bereits an EBV-Vakzinen, darunter auch der Hersteller Moderna. Dessen Epstein-Barr-Impfstoff befindet sich bereits in der Phase 3 der klinischen Studien.
- Antivirale Medikamente: Die Bekämpfung des Virus mit EBV-spezifischen antiviralen Medikamenten könnte ebenfalls eine Möglichkeit sein, MS zu verhindern oder zu heilen.
- Frühe Diagnose und Behandlung: Wenn EBV tatsächlich eine wichtige Rolle bei der Entstehung von MS spielt, könnte eine frühe Diagnose und Behandlung von EBV-Infektionen möglicherweise das Risiko für MS verringern.
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