E 605 und seine Wirkung an der Synapse: Eine umfassende Betrachtung

Neurotoxine sind Substanzen, die schädliche Auswirkungen auf das Nervensystem haben. Sie können aus verschiedenen Quellen stammen, sowohl aus der Umwelt als auch aus dem Körper selbst. Ihre Wirkung entfalten sie hauptsächlich an den Synapsen der Nervenzellen, den Schaltstellen der neuronalen Kommunikation. Die genauen Mechanismen und Orte der Wirkung variieren je nach Art des Neurotoxins.

Arten von Neurotoxinen

Neurotoxine lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: exogene und endogene.

Exogene Neurotoxine

Exogene Neurotoxine gelangen von außen in den Körper, beispielsweise durch den Verzehr giftiger Pilze. Sie können in flüssiger, fester oder seltener auch in gasförmiger Form vorliegen.

Endogene Neurotoxine

Endogene Neurotoxine werden vom Körper selbst produziert. Unter bestimmten Umständen können körpereigene Stoffe toxisch wirken. Ein Beispiel hierfür ist Glutamat, ein wichtiger Neurotransmitter. Bei übermäßiger Produktion kann Glutamat jedoch Exzitotoxizität verursachen, was zu programmiertem Zelltod führt.

Entstehung von Neurotoxinen

Viele Neurotoxine werden von Lebewesen selbst produziert. In der Natur spielen sie eine wichtige Rolle bei der Jagd, der Verteidigung und dem Schutz.

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  • Jagd: Giftschlangen und Giftspinnen nutzen Neurotoxine, um ihre Beute zu erlegen.
  • Verteidigung: Pflanzen und Pilze produzieren Neurotoxine, um sich vor Fressfeinden zu schützen. Auch Insekten nutzen Nervengifte zur Abwehr.
  • Bakterien: Bestimmte Bakterien, wie Clostridium botulinum (Botulinumtoxin) und Clostridium tetani (Tetanus), können Neurotoxine produzieren.

Neurotoxin-Wirkung an der Synapse: Beispiele

Die Wirkungsweise von Neurotoxinen an der Synapse ist vielfältig. Im Folgenden werden einige Beispiele erläutert.

Grundlagen der synaptischen Übertragung

Um die Wirkung von Neurotoxinen zu verstehen, ist es wichtig, die Grundlagen der synaptischen Übertragung zu kennen:

  1. Ein Aktionspotential erreicht die Präsynapse und depolarisiert die Zelle.
  2. Spannungsgesteuerte Calciumkanäle öffnen sich, und Calcium-Ionen strömen ein.
  3. Der Anstieg der Calciumkonzentration führt zur Bewegung von Vesikeln, die mit Neurotransmittern gefüllt sind, zur präsynaptischen Membran.
  4. Die Vesikel verschmelzen mit der Membran und setzen die Neurotransmitter in den synaptischen Spalt frei.
  5. Die freigesetzten Neurotransmitter diffundieren zur postsynaptischen Membran.
  6. Die Neurotransmitter binden an spezifische transmittergesteuerte Ionenkanäle, wodurch sich Ionenkanäle öffnen und Ionen (z. B. Natrium-Ionen) in die postsynaptische Zelle strömen.
  7. Ein postsynaptisches Potential entsteht.
  8. Spezifische Enzyme spalten und zerlegen die Neurotransmitter.
  9. Die zerlegten Neurotransmitter werden wieder in die präsynaptische Endigung aufgenommen, recycelt und erneut in Vesikel verpackt.

Botulinumtoxin

Botulinumtoxin (Botox) wirkt indirekt an der Synapse. Es spaltet das Protein SNAP-25, das für die Freisetzung von Acetylcholin in den synaptischen Spalt notwendig ist. Dadurch bleibt der synaptische Spalt "leer", die Erregungsübertragung wird unterbrochen, und es kommt zu Lähmungen. Botox gilt als das stärkste natürliche Nervengift. Es wird vom Bakterium Clostridium botulinum produziert und verursacht die Krankheit Botulismus. Dieses Bakterium kommt in Konserven, Erdboden und Sedimenten vor. Eine Infektion führt zu einer Lebensmittelvergiftung, die besonders bei Fleisch- und Wurstkonserven auftreten kann. In Deutschland besteht eine Meldepflicht für Botulismus.

Botox findet vielfältige Anwendung in der Medizin und Kosmetik. In der ästhetischen Medizin wird es zur Faltenglättung eingesetzt. In der Neurologie behandelt man damit Bewegungsstörungen, Blasenprobleme und Entleerungsstörungen. Es wird auch gegen übermäßiges Schwitzen eingesetzt, indem es die Schweißdrüsen hemmt. Weitere Anwendungsgebiete sind die Behandlung von Migräne, Krämpfen und Schielen. Botox wird in extrem verdünnter Menge unter die Haut injiziert, wo es zwischen Muskel- und Nervenzelle wirkt. Das Botulinumtoxin besteht aus Proteinen, die im Bakterium als Polypeptidketten hergestellt und durch Proteasen gespalten und aktiviert werden. Es setzt sich aus zwei Protein-Untereinheiten zusammen: einer leichten und einer schweren Kette.

Alpha-Latrotoxin

Alpha-Latrotoxin, produziert von Tieren wie der Schwarzen Witwe, bewirkt, dass Calciumkanäle in der Präsynapse dauerhaft geöffnet bleiben. Dies führt zu einer unkontrollierten Freisetzung von Neurotransmittern in den synaptischen Spalt und somit zu einer Signalüberflutung und Muskelkrämpfen.

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Atropin

Atropin ist ein Neurotoxin, das natürlicherweise in der Tollkirsche vorkommt. Es hemmt das parasympathische Nervensystem, wodurch die Wirkungen des sympathischen Nervensystems verstärkt werden. Der Körper wird in einen "Kampf-oder-Flucht"-Zustand versetzt.

Atropin konkurriert mit Neurotransmittern wie Acetylcholin um die Bindungsstelle an den Rezeptoren der postsynaptischen Membran. Es leitet jedoch nicht das Signal weiter, wodurch die Erregungsübertragung ausfällt. Ähnlich wie bei Botulinumtoxin kann dies zu Lähmungen führen.

Insektizid Parathion (E605)

Parathion, auch als E605 bekannt, ist ein Insektizid, das die Enzyme hemmt, die für die Spaltung von Neurotransmittern im synaptischen Spalt verantwortlich sind. Dadurch bleiben die Neurotransmitter länger an den Rezeptoren gebunden, und das Signal wird länger als vorgesehen weitergeleitet. Dies führt zu einer Überflutung an Reizen und Muskelkrämpfen.

E605 wurde ab 1948 von Bayer produziert und als Lösung zur Herstellung von Spritz- oder Gießmitteln im Pflanzenschutz vertrieben. Entwickelt hatte der Chemiker Gerhard Schrader (1903-1990) die Substanz im Rahmen seine Arbeiten zu Phosphorsäureestern. Seit Januar 2002 ist der Handel und die Anwendung von E 605 in Europa verboten.

Die Giftigkeit nach Einatmen, Verschlucken oder Aufnahme über die Haut beruht auf der Hemmung der Acetylcholinesterase. Die daraus resultierende Anreicherung von Acetylcholin im synaptischen Spalt und der Überstimulation der Acetylcholinrezeptoren führt zu Erbrechen, Durchfall, Bronchokonstriktion, Bradykardie und ggf. Kammerflimmern, Muskelschwäche und schweren Krämpfen.

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Bei Verdacht auf Alkylphosphat-Intoxikation muss der Eigenschutz zwingend beachtet werden, bereits geringster Hautkontakt führt zu schweren Komplikationen.

Curare

Curare ist ein Sammelbegriff für verschiedene alkaloide Gifte, die von den Indios Südamerikas als Pfeilgift genutzt werden. Curare fungiert als Antagonist des Acetylcholins, das heißt, es besetzt die Bindungsstellen am Acetylcholinrezeptor, ohne diesen Rezeptor zu aktivieren. Acetylcholin ist der Transmitter an der neuromuskulären Endplatte. Deswegen bewirkt Curare Muskellähmungen.

Neurotoxine als Nervenkampfstoffe

Nervenkampfstoffe sind Nervengifte, die als chemische Waffen eingesetzt werden. Sie wirken ähnlich wie Parathion, indem sie die Enzyme hemmen, die Neurotransmitter spalten.

Allgemeine Auswirkungen von Neurotoxinen

Neurotoxine können die Funktionen des Nervensystems erheblich beeinträchtigen. Sie können Muskellähmungen oder -zittern auslösen und im schlimmsten Fall zum Tod führen. Es ist daher wichtig, den Kontakt mit Neurotoxinen zu vermeiden.

Synapsengifte in Abituraufgaben

Synapsengifte werden gerne als Beispiel in Abituraufgaben herangezogen. Es ist wichtig, die Abläufe an der Synapse zu verstehen und die Wirkungsweise verschiedener Synapsengifte zu kennen.

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