Pflanzenbasierte Beruhigungsmittel bei Demenz: Wirksamkeit und Anwendung

In Deutschland sind mehr als eine Million Menschen von einer mittelschweren oder schweren Demenz betroffen. Da die Alzheimer-Demenz bislang nicht heilbar ist, konzentriert sich die Behandlung auf die Linderung von Symptomen und die Verlangsamung des Krankheitsverlaufs. Neben synthetischen Medikamenten rücken pflanzliche Beruhigungsmittel und andere natürliche Ansätze immer wieder in den Fokus. Dieser Artikel untersucht die Wirksamkeit verschiedener pflanzlicher Mittel bei Demenz, basierend auf aktuellen Forschungsergebnissen und Leitlinien.

Ginkgo Biloba: Ein etabliertes pflanzliches Mittel

Seit etwa 40 Jahren ist in Deutschland ein Spezialextrakt aus Ginkgo-Blättern (Ginkgo biloba, Ginkgoaceae) zur Behandlung von Demenz zugelassen. Er ist geeignet zur Behandlung von »primär degenerativer Demenz (Morbus Alzheimer), vaskulärer Demenz (Minderdurchblutung infolge Arteriosklerose) oder Mischformen von beiden«. Zahlreiche Studien, die vorwiegend mit dem Spezialextrakt EGb 761 (Tebonin®) durchgeführt wurden, belegen seine neuroprotektive Wirkung und eine Verbesserung der kognitiven Leistungen bei älteren Probanden.

Wirkstoffe und ihre Funktionen

Für die neuroprotektive Wirkung sind Terpenlaktone verantwortlich: etwa 0,02 bis 0,2 Prozent Ginkgolide mit den Hauptkomponenten Ginkgolid A, B, C und J sowie 0,02 bis 0,06 Prozent des Sesquiterpens Bilobalid. Antioxidativ wirken Flavonoide: 0,5 bis 2 Prozent Flavonolglykoside sowie 0,2 bis 2 Prozent Biflavone mit den Hauptkomponenten Amentoflavon, Bilobetin und Ginkgetin.

Klinische Evidenz und Empfehlungen

Einzelne Studien geben Hinweise, dass Ginkgo in der höchsten geprüften Dosierung (240 mg pro Tag) wirksam ist. Menschen mit leichter oder mittelschwerer Alzheimer-Demenz konnten dadurch alltägliche Verrichtungen wie Haushaltsarbeiten oder Körperpflege zumindest vorübergehend wieder besser bewältigen. Die Studien weisen auch darauf hin, dass Ginkgo in hoher Dosierung die Gedächtnisleistung verbessern und psychische Beschwerden lindern könnte. Allerdings ist unklar, wie groß dieser Effekt ist.

EGb 761® ist der einzige Ginkgo-Extrakt, der in der S3-Leitlinie Demenzen bei leichter bis mittelschwerer Alzheimer- und vaskulärer Demenz empfohlen wird.

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Qualitätsstandards und Sicherheit

EGb 761® unterliegt strengen Qualitätsstandards und wird nach den Vorgaben des Europäischen Arzneibuchs hergestellt. EGb 761® zeichnet sich durch sein einzigartiges Wirkstoffprofil aus, das einen definierten Gehalt an Flavonoiden (22 - 27 %) und Terpenlactonen (5 - 7 %) aufweist. Die potenziell allergenen Ginkgolsäuren sind auf ein Minimum (max. 5 ppm) reduziert, welches ein wichtiges Sicherheitsmerkmal für die klinische Anwendung darstellt.

Mögliche Nebenwirkungen und Wechselwirkungen

Ginkgo ist insgesamt recht gut verträglich. Manche Menschen brechen jedoch die Einnahme wegen Nebenwirkungen ab. Möglich sind beispielsweise Magenbeschwerden oder Kopfschmerzen. Es ist nicht auszuschließen, dass Ginkgo-Präparate Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln haben können. So wird vermutet, dass Ginkgo die Wirkung gerinnungshemmender Medikamente verstärken kann - dazu gehören zum Beispiel ASS (Acetylsalicylsäure) und Warfarin.

Huperzin A und weitere Pflanzen aus der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM)

Zu den spektakulärsten Einführungen eines neuen pharmakologisch aktiven Naturstoffs gehört Huperzin A, ein Alkaloid aus Huperzia serrata (Qian Ceng Ta). Diese Pflanze gehört zu den Bärlappgewächsen. In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) wurde die Pflanze vor allem zur Behandlung von Entzündungen, Blutergüssen, Muskelzerrungen und Fieber eingesetzt. Huperzin A wirkt als Acetylcholinesterase-Hemmer. Seine Wirkung geht über die Hemmung des Enzyms hinaus. Neuere Untersuchungen zeigen, dass die Substanz in sehr unterschiedlicher Weise in den Neurotransmitter-Stoffwechsel eingreift und darüber hinaus auch antioxidativ wirkt.

Weitere Pflanzen aus der TCM, die hinsichtlich ihrer neuroprotektiven Wirkung intensiver untersucht werden, sind Engelwurz (Dang gui, Angelica sinensis, Apiaceae) und Echter Ginseng (Panax ginseng, Araliaceae). Engelwurz wird auch als »Ginseng für Frauen« bezeichnet, da sie vor allem bei Menstruationsbeschwerden und als Tonikum angewendet wird. Weiterhin ist sie (wie auch Ginseng) Hauptbestandteil der Bak-Foong-Pillen, die in neueren Studien neuroprotektive Wirkung zeigten. Auch Panax ginseng, besonders aber Panax notoginseng (Pseudoginseng, Chinesischer Ginseng) zeigten im Tierversuch eine positive Wirkung auf die Gehirnfunktionen.

Aus den Früchten von Evodia rutaecarpa (Wu Zhu Yu, Evodia officinalis) konnten verschiedene Chinolinalkaloide, etwa Dehydroevodiamin, isoliert werden, die die Monoaminoxidase hemmen. In Tierversuchen wurde nachgewiesen, dass diese Verbindungen pharmakologisch aktiv sein können, indem sie die Hyperphosphorylierung des Tau-Proteins mindern.

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Eine weitere Pflanze der TCM, die Rote Baumpfingstrose (Paeonia suffruticosa, Peaoniaceae) ist Bestandteil der Droge »Si Ni San«. Als pharmakologisch aktiver Inhaltsstoff gilt das Paeoniflorin. Im Tierversuch zeigte Paeoniflorin verschiedene Wirkungen, die auf eine positive Beeinflussung des Energiestoffwechsels im Gehirn deuten.

Pflanzen aus der indischen Volksmedizin (Ayurveda)

Auch in der indischen Volksmedizin finden sich verschiedene Pflanzen, deren Inhaltsstoffe neuroprotektive Wirkung zeigen: Bacopa monniera (Brahmi, Scrophulariaceae) enthält als Hauptwirkstoff Bacosid A, eine Mischung verschiedener Saponine. Daneben konnten zwei weitverbreitete Flavonoide, Luteolin und Apigenin, nachgewiesen werden.

Als eines der wichtigsten Kräuter in der Ayurveda-Medizin gilt das Wassernabelkraut »Gotu Kola« (Centella asiatica, Apiaceae). Es kommt in Indien, aber auch auf Madagaskar vor und enthält neben Flavonoiden, Phytosterolen und Tanninen die biologisch aktiven Triterpensaponine (Asiaticosid und Madecassosid). Experimentelle Untersuchungen deuten auf eine Beeinflussung des Glutamat-Stoffwechsels durch Extrakte aus Wassernabelkraut.

Für das Indolalkaloid Physostigmin aus der Kalabarbohne (Physostigma venenosum, Fabaceae) wurde schon früh eine Hemmung der Acetylcholinesterase nachgewiesen. Es wird beim anticholinergen Syndrom und Alkoholentzugsdelirium eingesetzt.

Heimische Phytotherapie: Salbei, Melisse und Rosmarin

Auch einige bekannte Vertreter der heimischen Phytotherapie sind in den vergangenen Jahren im Zusammenhang mit der Therapie von Demenzerkrankungen intensiver untersucht worden. Drei gehören zu den Lamiaceaen: Salbei (Salvia officinalis), Melisse (Melissa officinalis) und Rosmarin (Rosmarinus officinalis). Das Spektrum an Inhaltsstoffen, die für eine neuroprotektive Wirkung verantwortlich sein könnten, ist in dieser Familie sehr ähnlich. Die Blätter der drei Pflanzen produzieren ein ätherisches Öl, das reich an Monoterpenen mit schwacher Acetylcholinesterase-hemmender Wirkung ist, zum Beispiel Citral. Für Phenylacrylsäuren wie die Rosmarinsäure konnte nachgewiesen werden, dass sie verschiedene Ereignisse reduzieren können, die durch β-Amyloid verursacht werden, wie etwa die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies und Tau-Hyperphosphorylierung.

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Orthomolekulare Medizin zur Demenz-Prävention

Ein vielversprechender Weg liegt in der orthomolekularen Medizin. Durch gezielten Einsatz von Vitaminen, Mineralstoffen und anderen Mikronährstoffen lässt sich die Gehirngesundheit aktiv unterstützen - und das Risiko für Demenz nachweislich senken. Studien zeigen: Bestimmte Nährstoffe und Lebensstilfaktoren können nicht nur das Fortschreiten einer beginnenden Demenz verlangsamen, sondern auch präventiv wirken - vor allem, wenn sie frühzeitig und individuell abgestimmt eingesetzt werden.

Zentrale Nährstoffe für die Gehirngesundheit

  • B-Vitamine (B₆, B₁₂, Folsäure): Schützen Nervenzellen, senken Homocystein und beugen Hirnatrophie vor. Hohe Homocysteinwerte durch B-Vitamin-Mangel steigern das Demenzrisiko . Studien: Hochdosierte B-Vitamine verlangsamen Hirnschwund bei leichter kognitiver Störung .
  • Omega-3-Fettsäuren (DHA/EPA): Entzündungshemmende „Brain Food“-Fette, essentiell für Hirnmembranen und Synapsen. Korrelieren mit niedrigerem Demenzrisiko (Fischesser erkranken seltener) . Beobachtung: Fischöl-Supplementierung war mit ~9% weniger Demenzfällen assoziiert (über 11 Jahre) .
  • Vitamin D: Hormonähnliches „Sonnenvitamin“, wichtig für Immunfunktion und Schutzmechanismen im Gehirn. Mangel erhöht laut Beobachtungsstudien das Alzheimer-Risiko deutlich . Eine große Studie zeigte 40% geringere Demenzrate bei älteren Menschen mit Vitamin-D-Supplementierung .
  • Antioxidantien (Vitamin C, E, Selen): Neutralisieren freie Radikale im energiehungrigen Gehirn. Bei Alzheimer häufig zu niedrige Spiegel gemessen . Ausreichende Versorgung könnte kognitive Verschlechterung verlangsamen.
  • Magnesium: Wichtig für die Signalübertragung zwischen Gehirnzellen und Gedächtnisbildung. Tiermodelle deuten an, dass Magnesiumpräparate die Lernfähigkeit verbessern; epidemiologische Daten verknüpfen höhere Magnesium-Aufnahme mit besserer Hirnleistung im Alter.
  • Zink & Selen: Spurenelemente, essentiell für Wachstum und Reparatur von Nervenzellen. Ein Mangel an Zink oder Selen stört die Bildung neuer Neuronen und erhöht das Demenzrisiko .
  • Coenzym Q10 & L-Carnitin: Unterstützen die Mitochondrien (Kraftwerke der Zelle). Erste Studien bei Demenz zeigen verbesserte Energieversorgung und leichte kognitive Vorteile .
  • Lithium (Spurenelement): In sehr kleinen Mengen essentiell fürs Gehirn. Regionen mit lithiumarmem Trinkwasser verzeichnen mehr Demenz und Suizide. Mikrodosierungen Lithium könnten das Fortschreiten von Alzheimer verlangsamen .

Grenzen und Risiken pflanzlicher Mittel

Zwar ist grundsätzlich kein Kraut gegen Alzheimer gewachsen. Doch in fast allen Kulturkreisen hat es erfolgreiche Ansätze gegeben, zumindest milde Formen von Demenzen auf phytotherapeutischer Basis zu behandeln. Es ist wichtig zu beachten, dass viele pflanzliche Mittel nicht ausreichend wissenschaftlich untersucht sind und ihre Wirksamkeit nicht immer eindeutig belegt ist. Zudem können auch natürliche Substanzen Nebenwirkungen haben oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten verursachen. Wer sich im Alter Sorgen um seine Gedächtnisleistung macht, sollte die Ursachen abklären lassen. "Vor allem, wenn die Gedächtnisprobleme die Aktivitäten des täglichen Lebens beeinträchtigen", sagt Professor Peter Berlit von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.

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