Demenzprävention wird angesichts steigender Fallzahlen immer wichtiger. Alzheimer und andere Demenzerkrankungen betreffen bereits heute über eine Million Menschen in Deutschland, und es gibt noch keine heilende Therapie. Daher rückt die Prävention in den Fokus. Ein vielversprechender Ansatz liegt in der orthomolekularen Medizin.
Was ist orthomolekulare Medizin?
Die orthomolekulare Medizin, geprägt von Linus Pauling, zielt darauf ab, den Körper mit optimalen Konzentrationen an Mikronährstoffen wie Vitaminen, Mineralien, Aminosäuren und Fettsäuren zu versorgen, um die Gesundheit zu erhalten und Krankheiten vorzubeugen. Sie basiert auf der Erkenntnis, dass biochemische Ungleichgewichte und Nährstoffmängel zur Entstehung vieler Krankheiten beitragen können. Orthomolekulare Therapeut*innen erstellen personalisierte Nährstoffpläne basierend auf Laborwerten und Anamnese, um Mängel auszugleichen und Schutzfaktoren zu optimieren.
Anfangs als "alternative" Methode belächelt, wird die Bedeutung von Mikronährstoffen in Prävention und Therapie inzwischen durch zahlreiche Studien gestützt. Experten fordern einen ganzheitlichen Ansatz, der mehrere Mechanismen gleichzeitig positiv beeinflusst. Die orthomolekulare Medizin kombiniert wissenschaftliche Evidenz mit einem ganzheitlichen Therapieverständnis, um durch Ernährung, Supplemente und Lebensstiländerungen die bestmögliche Gehirngesundheit zu erreichen.
Alzheimer verstehen: Pathophysiologie und Angriffspunkte für Mikronährstoffe
Alzheimer-Demenz ist eine komplexe neurodegenerative Erkrankung, bei der Gehirnzellen absterben und geistige Fähigkeiten verloren gehen. Typisch sind Eiweißablagerungen im Gehirn und chronische Entzündungsreaktionen. Viele Faktoren tragen dazu bei, darunter genetische Veranlagung, höheres Lebensalter sowie Lebensstil und Umweltfaktoren.
Pathologische Veränderungen bei Alzheimer beginnen Jahrzehnte vor den ersten Symptomen, was ein wichtiges Zeitfenster für präventive Maßnahmen eröffnet. Mikronährstoffe können an verschiedenen Stellen dieser Krankheitsentwicklung ansetzen:
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- Antioxidativer Schutz: Das Gehirn verbraucht viel Sauerstoff und Energie, wodurch freie Radikale entstehen. Antioxidantien wie Vitamin C, Vitamin E, Carotinoide und Selen neutralisieren diese und schützen die Zellen.
- Entzündungshemmung: Chronische Neuroinflammation trägt zur Alzheimer-Entstehung bei. Omega-3-Fettsäuren, Vitamin D und bestimmte Pflanzenstoffe wirken entzündungsmodulierend.
- Homocystein und Gefäßgesundheit: Hohe Homocysteinspiegel korrelieren mit einem erhöhten Alzheimer-Risiko. B-Vitamine (B₆, B₁₂ und Folsäure) bauen Homocystein ab und können den Hirnabbau verlangsamen.
- Energiehaushalt und Insulinsignalwege: Das Gehirn von Alzheimer-Patienten weist Zeichen einer Insulinresistenz und mitochondrialen Dysfunktion auf. B-Vitamine, Coenzym Q10, Magnesium und L-Carnitin unterstützen den Energiestoffwechsel der Zellen.
- Neurotransmitter und Synapsen: Gewisse Vitamine und Aminosäuren sind Bausteine für Neurotransmitter. Orthomolekulare Therapie achtet auf eine optimale Versorgung aller neuralen Bausteine, um Neurotransmitterhaushalt und Synapsenfunktion zu unterstützen.
- Amyloid-Clearance: Vitamin D moduliert die Immunabwehr und fördert in Laborversuchen den Abbau von Amyloid-β durch Immunzellen. Pflanzliche Polyphenole unterstützen zelluläre Reinigungs- und Reparaturprozesse.
Alzheimer entsteht durch ein komplexes Zusammenspiel schädlicher Prozesse, die jedoch an vielen Stellen durch Nährstoffe positiv beeinflusst werden können. Das Zusammenspiel vieler Mikronährstoffe plus eines gesunden Lebensstils kann ein Schutznetz spannen, das den Ausbruch der Demenz verzögert oder verhindert.
Wichtigste Mikronährstoffe zur Demenz-Prävention
B-Vitamine (B₆, B₉, B₁₂): Homocystein senken, Gehirn schützen
B-Vitamine sind Schlüsselstoffe für das Nervensystem, die für die Myelinisierung, die DNA-Reparatur und die Bildung von Neurotransmittern benötigt werden. Sie wandeln das Zellgift Homocystein in Methionin bzw. Cystein um. Ein Überschuss an Homocystein wirkt gefäßschädigend und neurotoxisch.
In der VITACOG-Studie schrumpfte das Gehirn in der B-Vitamin-Gruppe um 30 % langsamer als in der Placebogruppe, insbesondere bei Patienten mit erhöhtem Homocystein. Der Effekt war am größten, wenn gleichzeitig genügend Omega-3-Fettsäuren im Blut vorhanden waren.
Im Rahmen der Demenzprävention wird empfohlen, den Homocysteinwert im Blut bestimmen zu lassen und bei Erhöhung eine B-Vitamin-Supplementierung durchzuführen. Auch ohne Homocystein-Erhöhung kann eine moderate Supplementierung sinnvoll sein, insbesondere bei vegetarischer/veganer Ernährung. Vitamin B₁₂ sollte im Alter regelmäßig kontrolliert werden, da ein Mangel zu irreversiblen Nervenschäden führen kann.
Omega-3-Fettsäuren (DHA/EPA): Entzündungshemmende "Brain Food"-Fette
Omega-3-Fettsäuren sind essentiell für Hirnmembranen und Synapsen und wirken entzündungshemmend. Studien korrelieren sie mit einem niedrigeren Demenzrisiko. Fischöl-Supplementierung war in einer Beobachtungsstudie mit weniger Demenzfällen assoziiert.
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Vitamin D: Hormonähnliches "Sonnenvitamin"
Vitamin D ist wichtig für die Immunfunktion und Schutzmechanismen im Gehirn. Ein Mangel erhöht laut Beobachtungsstudien das Alzheimer-Risiko deutlich. Eine große Studie zeigte eine geringere Demenzrate bei älteren Menschen mit Vitamin-D-Supplementierung.
Antioxidantien (Vitamin C, E, Selen): Neutralisieren freie Radikale
Antioxidantien neutralisieren freie Radikale im energiehungrigen Gehirn. Bei Alzheimer werden häufig zu niedrige Spiegel gemessen. Eine ausreichende Versorgung könnte die kognitive Verschlechterung verlangsamen.
Magnesium: Wichtig für die Signalübertragung
Magnesium ist wichtig für die Signalübertragung zwischen Gehirnzellen und Gedächtnisbildung. Tiermodelle deuten an, dass Magnesiumpräparate die Lernfähigkeit verbessern.
Zink & Selen: Spurenelemente für Wachstum und Reparatur
Zink und Selen sind essentielle Spurenelemente für Wachstum und Reparatur von Nervenzellen. Ein Mangel stört die Bildung neuer Neuronen und erhöht das Demenzrisiko.
Coenzym Q10 & L-Carnitin: Unterstützung der Mitochondrien
Coenzym Q10 und L-Carnitin unterstützen die Mitochondrien (Kraftwerke der Zelle). Erste Studien bei Demenz zeigen verbesserte Energieversorgung und leichte kognitive Vorteile.
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Lithium (Spurenelement): Essentiell fürs Gehirn
Regionen mit lithiumarmem Trinkwasser verzeichnen mehr Demenz und Suizide. Mikrodosierungen Lithium könnten das Fortschreiten von Alzheimer verlangsamen.
Pflanzliche Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel
Ginkgo biloba
Ginkgo-Präparate werden als natürliche "Gehirn-Power" mit Anti-Stress-Formel beworben. Eine Langzeit-Studie hat jedoch gezeigt, dass der Spezial-Extrakt den geistigen Verfall nicht aufhalten kann. Leicht bis mäßig erkrankte Alzheimerpatienten profitieren nicht von Ginkgo-Präparaten. Lediglich auf Patientinnen und Patienten mit dementiellen Symptomen und Verhaltensstörungen kann eine Dosis von 240 mg Ginkgo pro Tag einen kleinen Effekt haben. Bei Ginkgo-Präparaten ist der Reinheitsgehalt entscheidend - teure Produkte sind frei von Ginkgolsäure. Ginkgo biloba könnte einigen Menschen mit Alzheimer-Krankheit helfen, den Alltag besser zu bewältigen. Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln sind jedoch nicht auszuschließen.
Salbei
Salbei (Salvia officinals und Salvia lavendulaefolia) könnte sich als unterstützend bei leichter bis moderater Alzheimer-Erkrankung erweisen.
Ginseng
Ginseng, insbesondere der Rote Ginseng, steht wegen seiner potenziellen neuroprotektiven Eigenschaften im Fokus der Alzheimer-Forschung.
Curcuma und Safran
Gewürzpflanzen wie Curcuma und Safran zeigen ebenfalls ein Potenzial für die begleitende Behandlung von Demenzerkrankungen.
Huperzin A
Huperzin A, ein Alkaloid der Pflanze Huperzia serrata, ist ein gut verträglicher Wirkstoff zur Verbesserung der kognitiven Leistung von Alzheimer-Demenz und vaskulärer Demenz.
Grüner Tee
Grüner Tee ist mit einem reduzierten Risiko für kognitiven Abbau verbunden.
Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) und ayurvedische Heilkunst
Es existieren interessante Forschungsansätze zu Pflanzen der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) und der ayurvedischen Heilkunst.
Rosenwurz
Der Einsatz des Rosenwurz (Rhodiola rosea) bei Demenz-Erkrankungen ist überlegenswert.
Wichtiger Hinweis zu pflanzlichen Arzneimitteln
Pflanzliche Arzneimittel können Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten haben. Es muss geklärt sein, ob pflanzliche und synthetische Arzneimittel gefahrlos kombiniert werden können.
Lebensstiländerungen und Ernährung
Eine Studie der Harvard Medical School zeigt, dass intensive Lebensstiländerungen, kombiniert mit natürlichen Heilmitteln, das Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit nicht nur verlangsamen, sondern auch kognitive Verbesserungen bewirken können.
Pflanzliche Ernährung
Eine pflanzenbasierte Ernährung, die reich an entzündungshemmenden Nährstoffen ist, spielt eine zentrale Rolle. Omega-3-Fettsäuren, Kurkuma und Probiotika sind wichtige Bestandteile.
Bewegung
Tägliches Aerobic-Training und Kraftübungen fördern den Blutfluss im Gehirn und verbessern den Sauerstofftransport.
Stressbewältigung
Yoga, Meditation und Atemübungen reduzieren Stress.
Soziale Interaktionen
Soziale Interaktionen sind wichtig, da Einsamkeit und soziale Isolation das Risiko für Demenzerkrankungen erhöhen.
MIND-Diät und Mittelmeerküche
Ein bewährtes Vorbild ist die traditionelle Mittelmeerküche mit viel Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten, fettem Seefisch und Olivenöl. Die MIND-Diät ist ebenfalls empfehlenswert.
Vermeidung von stark verarbeiteten Lebensmitteln
Aktuelle Studien zeigen, dass der Konsum von stark verarbeiteten Lebensmitteln das Risiko, an einer Demenz zu erkranken, deutlich erhöht.
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