Plasmazytoide dendritische Zellen: Funktion, Rolle bei Erkrankungen und therapeutisches Potenzial

Plasmazytoide dendritische Zellen (pDCs) sind spezialisierte Immunzellen, die eine Schlüsselrolle bei der angeborenen und adaptiven Immunität spielen. Sie sind besonders bekannt für ihre Fähigkeit, große Mengen an Typ-I-Interferonen (IFN-I) als Reaktion auf virale Infektionen zu produzieren. Diese Interferone sind entscheidend für die antivirale Abwehr und die Aktivierung anderer Immunzellen. Jüngste Forschungsergebnisse haben jedoch gezeigt, dass pDCs auch an der Entstehung verschiedener Krankheiten beteiligt sein können, darunter Autoimmunerkrankungen und Krebs.

Grundlagen der plasmazytoiden dendritischen Zellen

Definition und Basisinformationen

Die blastische plasmazytoide dendritische Zellneoplasie (BPDCN) ist eine seltene und meist aggressiv verlaufende hämatologische Neoplasie. Die Differenzierung der Tumorzelle entspricht der von Vorläufern dendritischer Zellen (DC) mit myeloischer und lymphatischer Prägung. Trotz der meist kutanen Primärmanifestation ist die BPDCN eine hämatologische Systemerkrankung mit Manifestationen in Knochenmark, Blut und viszeralen (lymphatischen) Organen. Das hohe Rezidivrisiko nach konventionellen Systemtherapien mit einer medianen Gesamtüberlebenszeit von 16-24 Monaten nach Diagnosestellung charakterisiert die aktuell schlechte Prognose der BPDCN.

Entwicklung und Reifung

Dendritische Zellen entstehen aus Stammzellen im Knochenmark. Allerdings können sich aus diesen Stammzellen auch viele andere Immunzellen entwickeln und es wird noch daran geforscht, welche Faktoren genau dafür verantwortlich sind, dass dendritische Zellen entstehen.

Unreife dendritische Zellen haben einen Zellkörper mit langen, sternförmig in alle Richtungen ausstrahlenden Fortsätzen (Dendriten). Diese sind beweglich und können dadurch ihre Umgebung abtasten. Nach dem Kontakt mit Antigenen wandern dendritische Zellen in sekundäre lymphatische Organe. Das sind zum Beispiel die Lymphknoten oder auch die Milz. Auf dem Weg reifen die dendritische Zellen und verändern dabei sowohl ihre Form, als auch die Menge der Rezeptoren auf ihrer Oberfläche. Anstelle der vielen Dendriten verändert sich die Membran zu Ausstülpungen, die schleierhafte Strukturen bilden. Auf ihrer Oberfläche vermehren sich die MHC-Moleküle und es bilden sich B7-Moleküle, die bisher noch nicht anwesend waren. Außerdem verlieren die dendritischen Zellen die Fähigkeit, Phagozytose zu betreiben. Alle diese Veränderungen unterstützen die Funktionen, die dendritische Zellen nun im Rahmen der Immunantwort erfüllen müssen.

Funktionelle Eigenschaften

  • Antigenpräsentation: PDCs nehmen Antigene auf und präsentieren sie auf ihrer Zelloberfläche, um T-Zellen zu aktivieren.
  • Interferon-Produktion: PDCs sind die Hauptproduzenten von Typ-I-Interferonen (IFN-α/β) als Reaktion auf virale oder bakterielle Erreger.
  • Toleranzinduktion: PDCs können auch zur Toleranz gegenüber Selbstantigenen beitragen, indem sie regulatorische T-Zellen aktivieren.

Subtypen und Oberflächenmarker

Myeloide dendritische Zellen

Bei den myeloiden dendritischen Zellen handelt es sich um eine verbreitete, recht heterogene Zellgruppe, zuständig für Aufnahme, Verarbeitung und Präsentation von Antigenen. Da sie die größte Gruppe an dendritischen Zellen darstellen, werden sie auch als konventionelle dendritische Zellen bezeichnet. Sie ähneln den Monozyten und besitzen die Oberflächenmarker CD11c und CD33.

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Plasmazytoide dendritische Zellen

Plasmazytoide dendritische Zellen sind selten im Vergleich zu myeloiden und ähneln nach ihrer Aktivierung einer Plasmazelle. Plasmazytoide dendritische Zellen haben die Oberflächenmarker CD123, CD303 und CD304, jedoch nicht den für myeloide dendritische Zellen charakteristischen CD11c. Außerdem sind sie hauptsächlich für die Abwehr von Viren relevant. Sie können große Mengen antiviraler Stoffe (Zytokine) synthetisieren, wie z.B. Typ I Interferone. Bei Infektionen wie HIV ist die Anzahl plasmazytoider dendritischer Zellen vermindert.

PDCs exprimieren typischerweise die Oberflächenmarker CD123, CD303 (BDCA-2) und CD304 (neuropilin-1). Sie sind durch die Expression von CD4 und CD123 gekennzeichnet, exprimieren jedoch keine pan-T-, pan-B- oder myeloischen Marker.

Rolle der pDCs bei verschiedenen Erkrankungen

Autoimmunerkrankungen

Eine unkontrollierte IFN-α-Ausschüttung wird in vielen Autoimmunerkrankungen wie systemischer Lupus erythematodes (SLE) oder Psoriasis als hauptsächlicher pathophysiologischer Faktor angesehen. Die Inhibition der IFN-α-Sekretion kann in diesem Zusammenhang ein wichtiges therapeutisches Mittel gegen Autoimmunerkrankungen sein.

Bei Autoimmunerkrankungen wie systemischem Lupus Erythematodes (SLE) spielen pDCs eine entscheidende Rolle. Sie produzieren große Mengen an IFN-α als Reaktion auf Autoantigene, was zur Aktivierung von autoreaktiven B- und T-Zellen führt. Dies trägt zur chronischen Entzündung und Gewebeschädigung bei, die für diese Erkrankungen charakteristisch sind.

Die Entdeckung zweier Subtypen dendritischer Zellen der Forschungsgruppe des Krankheitsbezogenen Kompetenznetzes Multiple Sklerose (KKNMS) könnte die fehlgeleitete Immunregulation bei MS-Patienten erklären. Bei Multipler Sklerose (MS) sind T-Zellen unabhängig von einer Infektion aktiv und greifen das zentrale Nervensystem an. Bisher wissen Forscher wenig darüber, welche Rolle sogenannte plasmazytoide dendritische Zellen, eine Subpopulation dendritischer Zellen, bei Autoimmunerkrankungen wie Multipler Sklerose spielen. Das Team um Prof. Dr. Heinz Wiendl der klinischen Forschungsgruppe MS und Neuroimmunologie der Neurologischen Universitätsklinik Würzburg führte eine systematische Studie durch, in der dieser Zelltypus bei gesunden Menschen und Patienten mit Multipler Sklerose auf verschiedenen Ebenen verglichen wurde. Im Fall einer Infektion erzeugen dendritische Zellen des ersten Subtyps T-Zellen, die übersteigende Entzündungsprozesse verhindern (sogenannte regulatorische Zellen), während Typ II jene aktiviert, die entzündungsfördernd wirken (sogenannte Th17 -Zellen). Bei MS-Patienten hingegen sind die beiden Formen umgekehrt verteilt, d. h. Variante zwei dominiert die erste. Die Folge: ein Überschuss an entzündungsfördernden T-Zellen wird erzeugt. Interessanterweise findet sich diese Fehlverteilung nur bei Multipler Sklerose und nicht bei anderen Autoimmunerkrankungen, wie Myasthenia gravis.

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Infektionen

Anders als bei einer Infektion durch Bakterien ist für die erfolgreiche Abwehr einer Virusinfektion eine qualitativ unterschiedliche Immunantwort erforderlich, die sich auf Helfer-T-Zellen vom Typ Th1, auf zytotoxische T-Zellen und auf NK-Zellen stützt, also einer Antwort, die die Eliminierung von infizierten körpereigenen Zellen ermöglicht.

Die plasmazytoide dendritische Zelle ist spezialisiert auf die Synthese großer Mengen von Typ-1-Interferonen (IFN-a und IFN-b), über die eine antivirale Immunantwort gesteuert wird.

Krebs

Die blastische plasmazytoide dendritische Zellneoplasie (BPDCN) ist mit einer Inzidenz von 0,4-0,45 pro 1 Million eine seltene und zudem aggressive Form von Blutkrebs, die sich aus unreifen Vorläufern plasmazytoider dendritischer Zellen entwickelt.

Da dendritische Zellen mit für die Aktivierung von T-Zellen verantwortlich sind, wird vermutet, dass sie die Immunantwort gegen Tumore erheblich verstärken und verbessern können. Diese These wird davon unterstützt, dass Patienten mit hohen Mengen an dendritischen Zellen nach Tumorerkrankungen bisher bessere klinische Ergebnisse gezeigt haben.

Ein aus aktuellen Befunden abgeleitetes Konzept ist, dass das Immunsystem für die erregerangepasste Steuerung der Immunantwort verschiedene Arten von dendritischen Zellen entwickelt hat, die mit einem unterschiedlichen Repertoire von TLR ausgestattet sind und damit ein unterschiedliches Erregerspektrum erkennen.

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Adipositas und metabolisches Syndrom

Im Rahmen ihrer neuen Studie konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der LMU um Dr. Susanne Stutte und Prof. „Bestimmte Immunzellen, plasmazytoide dendritische Zellen (pDCs), akkumulieren im Viszeralfettgewebe“, erklärt Stutte. Im Viszeralfett bilden sich kleine Lymphknötchen - tertiäre lymphatische Organe -, die akut in den Stoffwechsel eingreifen. „Diese pDCs im Viszeralfett befinden sich in ständiger Alarmbereitschaft und schütten den Botenstoff Typ-1-Interferon aus“, erklärt Walzog. Er vermittelt eigentlich die Bekämpfung von Infektionen und löst hier das Metabolische Syndrom aus: Der Stoffwechsel entgleist und die Entzündungswerte steigen.

Diagnostik der BPDCN

Die Diagnosestellung der BPDCN stützt sich auf den charakteristischen Immunphänotyp der Tumorzellen.

Zu den Schlüsselmarkern zählen CD123, CD4 und CD56 (TCL1, CD303, TCF-4) - bei Abwesenheit von pan-T-, pan-B- und myeloischen Markern (CD3, CD34, CD14, CD19, Lysozyme, Myeloperoxidase) [2-4]. Die Diagnosestellung erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen den Fachdisziplinen Hämatologie, Dermatologie und Pathologie. Histologische Untersuchungen von Hautbiopsien sowie Knochenmarkaspirationen und -biopsien sind zentral für die Bestätigung der Diagnose. Zusätzlich kann die Immunphänotypisierung von Blut- oder Knochenmarkproben zur Identifizierung der BPDCN-Zellen beitragen.

Ein empfohlenes diagnostisches Vorgehen ist in Tabelle 1 abgebildet. Die diagnostischen Maßnahmen und vor allem die Ausbreitungsdiagnostik stellen eine Kombination aus dem gängigen Vorgehen bei akuten Leukämien in Bezug auf die Knochenmarkdiagnostik (siehe onkopedia Leitlinie Myelodysplastische Syndrome (MDS), Akute Lymphatische Leukämie (ALL), bei aggressiven B-Zell-Lymphomen in Bezug auf die bildgebende Diagnostik (siehe onkopedia Leitlinie Diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom) und bei kutanen Lymphomen dar (siehe [29, 30] und onkopedia Leitlinie Extranodales Marginalzonen-Lymphom].

Therapieansätze

Die Behandlung der BPDCN stellt aufgrund des aggressiven Verlaufs, der hohen Rezidivneigung und der insgesamt schlechten Prognose eine Herausforderung dar. Unbehandelt ist die Prognose sehr schlecht, mit medianen Überlebenszeiten von unter 2 Jahren. Die Therapieoptionen hängen vom Allgemeinzustand der Betroffenen und von eventuellen Komorbiditäten ab. Die Behandlung beinhaltet in der Regel eine intensive Chemotherapie.

Konventionelle Therapien

Für die Primärtherapie kommen Polychemotherapien zum Einsatz, die auf Protokollen für die Behandlung akuter Leukämien oder aggressiver Lymphome basieren. Sie zielen darauf ab, eine Remission zu erreichen, die durch eine allogene Stammzelltransplantation konsolidiert werden kann.

Zielgerichtete Therapien

Tagraxofusp, ein gegen CD123 gerichtetes Fusionsprotein, hat sich als vielversprechende zielgerichtete Option für die Erstlinientherapie erwiesen, insbesondere bei Personen, die für eine intensive Chemotherapie nicht geeignet sind [4,5,7].

Aktuelle Forschungsprojekte konzentrieren sich auf die Identifizierung und Validierung neuer molekularer Ziele auf BPDCN-Zellen. Die Entwicklung von CAR-T-Zell-Therapien, die gegen CD123 oder andere Oberflächenantigene auf BPDCN-Zellen gerichtet sind, ist ein vielversprechender Ansatz. Die Kombination von zielgerichteten Therapien mit herkömmlichen Chemotherapien oder anderen ­innovativen Behandlungsansätzen könnte die­ ­Wirksamkeit erhöhen und die Überlebensraten ­verbessern. Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADC), die gezielt an BPDCN-Zellen binden und hochwirksame Zyto­statika direkt in die Tumorzellen einschleusen, sind ein weiteres vielversprechendes Forschungsgebiet.

Immuntherapie

Die Entwicklung von CAR-T-Zell-Therapien, die gegen CD123 oder andere Oberflächenantigene auf BPDCN-Zellen gerichtet sind, ist ein vielversprechender Ansatz.

Klinische Bedeutung und Forschungsperspektiven

Aktive klinische Studien spielen eine entscheidende Rolle bei der Weiterentwicklung der BPDCN-Therapie. Sie ermöglichen nicht nur die Bewertung neuer Behandlungsansätze, sondern tragen auch zum besseren Verständnis der Krankheitsbiologie bei.

Zusammenfassend bleibt die BPDCN eine herausfordernde Erkrankung, aber die Landschaft der Behandlungsoptionen entwickelt sich stetig weiter.

Dendritische Zellen in der Krebsimmuntherapie

Da dendritische Zellen mit für die Aktivierung von T-Zellen verantwortlich sind, wird vermutet, dass sie die Immunantwort gegen Tumore erheblich verstärken und verbessern können. Diese These wird davon unterstützt, dass Patienten mit hohen Mengen an dendritischen Zellen nach Tumorerkrankungen bisher bessere klinische Ergebnisse gezeigt haben.

Diese Erkenntnis diente der Entwicklung einer neuartigen Krebstherapie. Dabei werden dendritische Zellen außerhalb des Körpers mit Antigenen beladen, die dem Tumor im Patienten entsprechen. Diese dendritischen Zellen werden dem Patienten durch eine Impfung verabreicht und sorgen dafür, dass mehr T-Zellen gegen die Tumorzellen aktiviert werden. Auf diese Weise wurde in Patienten schon die Stabilisierung oder auch die Rückbildung von Tumoren beobachtet.

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