Pflege von Patienten mit Multipler Sklerose: Leitlinien und aktuelle Therapieansätze

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems, die in Deutschland über 250.000 Menschen betrifft. Jedes Jahr erhalten mehr als 10.000 Menschen die Erstdiagnose, meist im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Unbehandelt kann MS zu fortschreitenden Behinderungen führen. Moderne Immuntherapien können die Schubfrequenz effektiv reduzieren und den Verlauf positiv beeinflussen. Die stetige Erweiterung des Therapiespektrums ermöglicht eine zunehmend individualisierte Behandlung.

Aktualisierte Leitlinien für Diagnose und Therapie

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) hat die S2k-Leitlinie zur "Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose, Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen und MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen" aktualisiert und erweitert. Diese "Living-Guideline" wird mindestens jährlich geprüft und aktualisiert, um der Forschungsdynamik im Bereich der MS und ihrer verwandten Erkrankungen Rechnung zu tragen. Die neuen Leitlinien haben beratenden Charakter, ohne die ärztliche Therapiefreiheit zu sehr einzuschränken.

Schwerpunkte der neuen Leitlinie

Die aktualisierte Leitlinie rückt die Patientenpartizipation deutlich in den Fokus. Neu aufgenommen wurden Kapitel zum Lebensstil-Management und zur patientenzentrierten Kommunikation.

  • Lebensstil-Management: Die Bedeutung von Faktoren, mit denen Betroffene selbst positiv auf das Krankheitsgeschehen Einfluss nehmen können, wird hervorgehoben. Dazu zählen hohe körperliche Aktivität und Sport. Die Leitlinie empfiehlt MS-Betroffenen mit einem Behinderungsgrad unter 7 auf der "Expanded Disability Status Scale" (EDSS), 75 Minuten intensives oder 150 Minuten moderates Ausdauertraining pro Woche zu absolvieren. Ebenso wichtig ist die Vermeidung von Übergewicht und Tabakkonsum, da diese Faktoren den Verlauf der Erkrankung negativ beeinflussen können.
  • Patientenzentrierte Kommunikation: Die Leitlinie betont, dass Behandelnde nicht über die Köpfe der Betroffenen hinwegreden sollen. Arzt-Patienten-Gespräche sollen die Patienten befähigen, informierte Therapieentscheidungen zu treffen. Dies ist angesichts der großen Bandbreite an Therapiemöglichkeiten besonders wichtig.

Weitere Neuerungen in der Leitlinie

  • Überarbeitung der Therapieempfehlungen: Die Empfehlungen zur Therapie der Symptome wurden komplett überarbeitet.
  • Generika und Biosimilars: Erstmals wird der Einsatz von Generika und Biosimilars bei den Immuntherapeutika thematisiert.
  • Zelltherapien: Zelltherapien wurden neu bewertet bzw. neu aufgenommen. Die Leitlinie diskutiert auch die CAR-T-Zelltherapie, ein neues Verfahren zur Behandlung von B-zellvermittelten Autoimmunerkrankungen, das in Einzelfällen bereits erfolgreich bei MS eingesetzt wurde. Die Datenlage reicht jedoch aktuell nicht aus, um eine abschließende Bewertung der Wirkung und Risiken vorzunehmen.

MS-Diagnostik und verwandte Erkrankungen

Die MS-Diagnostik wurde durch die Revision der McDonald-Diagnosekriterien 2017 vereinfacht. Neu wurden MS-verwandte Erkrankungen wie die Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD) und die MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen als eigenständige Krankheitsentitäten aufgenommen.

Immuntherapeutische Behandlung der MS

Neue Empfehlungen für schubförmige Multiple Sklerose

Das bisherige Stufenschema, das lediglich zwei Stufen kannte (moderat und (hoch-)aktiv), wurde durch drei Wirksamkeitskategorien ersetzt. Diese Einteilung berücksichtigt die Zunahme der zugelassenen immunmodulatorischen Substanzen. Gemessen an der jeweiligen Schubratenreduktion gilt nun folgende Einteilung:

Lesen Sie auch: Wie Beziehungsgestaltung die Demenzpflege verbessert

  • Wirksamkeitskategorie 1: Relative Reduktion der Schubrate im Vergleich zu Placebo von 30-50%. Dazu gehören Beta-Interferone (einschließlich Peg-Interferon), Dimethylfumarat, Glatirameroide und Teriflunomid.
  • Wirksamkeitskategorie 2: Relative Reduktion der Schubrate im Vergleich zu Placebo von 50-60%. Dazu gehören Cladribin, Fingolimod und Ozanimod.
  • Wirksamkeitskategorie 3: Reduktion der Schubrate um > 60% im Vergleich zu Placebo oder > 40% im Vergleich zu Substanzen der Kategorie 1. Dazu gehören Alemtuzumab, CD20-Antikörper (Ocrelizumab, Rituximab (Off-Label)) und Natalizumab.

Eine höhere Wirksamkeitskategorie kann auch seltenere, aber schwerere Nebenwirkungen mit sich bringen. Die Empfehlungen beruhen auf statistischen Durchschnittswerten, was bedeutet, dass Einzelfälle immer davon abweichen können. Individuelle Vorerkrankungen und Lebensumstände beeinflussen die Wahl des MS-Medikaments. Die neue Leitlinie macht Vorschläge für Einstiegs-, Wechsel- und Ausstiegsszenarien für die einzelnen Wirksamkeitskategorien.

Neuzulassungen in der MS-Therapie

  • Progrediente MS: Ocrelizumab wurde als erste für progrediente MS zugelassene Therapie in die Leitlinie aufgenommen, sowie Siponimod bei sekundär progredienter MS mit aktivem oder hochaktivem Krankheitsverlauf.
  • Schubförmig-remittierende MS: Ozanimod ergänzt die Palette der Wirkstoffe bei schubförmig-remittierender MS.
  • Kinder und Jugendliche: Fingolimod kann inzwischen bei Kindern ab 10 Jahren mit hochaktiven Verläufen verschrieben werden.
  • Neuromyelitis Optica: Erstmals können schubförmige Verläufe dieses Krankheitsbildes nun auch immunmodulatorisch mit Eculizumab behandelt werden.

Besondere Patientengruppen

Die Diagnose und Behandlung von speziellen Untergruppen der MS-Erkrankten, wie junge und ältere Menschen mit MS, wird extra erwähnt und erstmals ausführlich aufgenommen.

Ältere Menschen mit MS

Bei MS-ähnlichem Symptombeginn in höherem Alter sollte immer eine vaskuläre Erkrankung in die Differenzialdiagnose mit einbezogen werden. MS in höherem Alter verschiebt die Geschlechteraufteilung. Hier sind es häufiger Männer (Verhältnis zu Frauen 1:2 anstatt 3:2), und der primär-progrediente Verlauf ist häufiger; die Zeitspanne bis zum Erreichen von EDSS 6 ist kürzer. Eine Immunmodulation kann zwar weniger oft Erfolg zeigen, sollte aus diesen Gründen jedoch bei älteren Patienten nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Komorbiditäten (z.B. kardiovaskuläre Erkrankungen) können mit einem schlechteren Verlauf einhergehen. Verändertes Immunsystem und veränderte Wirkstoffaufnahme im Alter können sich u.a. auf Risiken und Nebenwirkungen auswirken, was eine engmaschigere Überwachung der Patienten erforderlich machen kann.

Kinder und Jugendliche mit MS

Bei den 3 - 7 %, die ihre MS-Diagnose vor dem 18. Lebensjahr erhalten, verhält es sich teils umgekehrt: Trotz vieler Schübe und MS-Herde ist die Krankheitsprogression meist langsamer, der primär-progrediente Verlauf äußerst selten. Auch bei Kindern ist die Differenzialdiagnose sehr wichtig. Schübe sollten wie bei Erwachsenen mit Kortison behandelt werden, die Dosierung jedoch an das kleinere Gewicht angepasst werden. Nicht alle MS-Modulatoren sind für Kinder zugelassen, einige werden jedoch derzeit geprüft. Bei leichten bis mittelschweren Verläufen empfiehlt die Leitlinie bei Kindern zunächst den Einsatz von Interferonen oder Glatirameracetat (Wirksamkeitskategorie 1).

Kontroverse um Betainterferone

Nachdem große Studien gezeigt haben, dass Betainterferone die Zahl der Schübe sowie neuer Herde bei MS um ein Drittel reduzieren, beträgt ihr Umsatz in Deutschland mehr als 500 Millionen Euro im Jahr. Gleichwohl beklagt der Ärztliche Beirat der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG), dass Betainterferone immer noch zu selten und zu spät verordnet werden. Um dem entgegenzuwirken, hat der Beirat beschlossen, MS-Praxen und -Kliniken zu zertifizieren. Das Gütesiegel „Anerkanntes MS-Zentrum“ wird nur an Neurologen vergeben, die mindestens 400 MS-Patienten jährlich behandeln und sich strikt an die Therapie-Leitlinien der Multiple-Sklerose-Therapie-Konsensus-Gruppe (MSTKG) halten. Darin wird empfohlen, Patienten mit einer schubförmigen MS so früh wie möglich mit Betainterferonen zu behandeln.

Lesen Sie auch: Effektive Pflege nach Schlaganfall mit dem Bobath-Konzept

Kritiker bemängeln, dass die MSTKG so die individuellen Therapiemöglichkeiten beschneidet und den Neurologen ein starres, nebenwirkungsreiches Therapieregime aufzwingt. Die Effektivität von Interferonen ist umstritten. In einer der großen Studien wurde die Schubzahl innerhalb von zwei Jahren von 0,82 Schüben bei unbehandelten auf 0,67 Schübe bei behandelten Patienten reduziert, das heißt um 0,15 Schübe pro zwei Jahre. Die „number needed to treat“ beträgt demnach sieben. Man muss also sieben Patienten über zwei Jahre mit Betainterferonen behandeln, um einen Schub zu verhindern. Die Therapie kostet je Patient rund 15 000 Euro jährlich. Damit betragen die Kosten für einen verhinderten Schub 210 000 Euro.

Viele MS-Patienten profitieren nicht von der Therapie. Es gibt keinen nachweisbaren statistischen Zusammenhang zwischen Schub- beziehungsweise Herdrate und Langzeitverlauf. Für die Patienten sind Betainterferone eine nebenwirkungsreiche und belastende Therapieoption. Häufig kommt es zu schmerzhaften lokalen Reaktionen an den Einstichstellen, teilweise zu Nekrosen. Auch grippeähnliche Symptome mit Fieber, Muskelschmerzen und Abgeschlagenheit treten auf. Die Lebensqualität der Patienten ist beeinträchtigt, nicht zuletzt, wenn es zu einer Depression kommt. Bei 20 bis 40 Prozent der Patienten kommt es zu einer Antikörperbildung. Dadurch werden sowohl die gespritzten als auch die körpereigenen Betainterferone abgeschwächt.

Eine kürzlich in „Neurology“ veröffentlichte Studie belegt, dass der Langzeitverlauf der MS auch ohne medikamentöse Therapie günstiger ist als erwartet: 162 MS-Patienten wurden in der Analyse 1991 und zehn Jahre später untersucht. Rund 70 Prozent waren entweder stabil oder zeigten nur eine minimale Progression.

Es wird der Verdacht geäußert, dass sich die Verantwortlichen der DMSG möglicherweise für die Interessen der Hersteller von MS-Medikamenten einspannen lassen, da etwa zwei Drittel der Mitglieder finanzielle Beziehungen zu mehr als zwei Arzneimittelherstellern unterhalten.

Es wird gefordert, dass Leitlinien von unabhängigen Experten entwickelt werden und Interessenkonflikte offengelegt werden müssen. Die Therapie der MS ist für eine Standardisierung ungeeignet, und die Patienten benötigen eine individuelle Behandlung.

Lesen Sie auch: Tipps zur Pflege nach Schlaganfall in den eigenen vier Wänden

Schubtherapie

Häufig kennzeichnet sich der Beginn einer MS durch einen sogenannten Schub. Einen MS-Schub zu erkennen, ist nicht immer einfach. Die Dauer eines MS-Schubs variiert zwischen einigen Stunden, Tagen oder Wochen. Danach klingen die Beschwerden langsam ab. Ein MS-Schub tritt auf, wenn mehr als 24 Stunden und mehr als 30 Tage nach Beginn des letzten Schubs neue oder bekannte Symptome auftreten. Eine Vielzahl Betroffener hat nach etwa zehn bis 15 Jahren keine Schübe mehr.

Für die Schubtherapie stehen vor allem Kortisonpräparate zur Verfügung, die die Entzündungen eindämmen sollen. Im akuten Schub werden sie über drei bis fünf Tage als Infusion verabreicht (Hochdosis-Schubtherapie). In vielen Fällen wird auf eine sogenannte Blutwäsche ausgewichen (Plasmapherese), bei der Blut entnommen, gereinigt und wieder in den Körper zurückgeleitet wird. Die Plasmapherese ist nur in speziellen Zentren möglich und wird auch nur bei schweren akuten Schüben durchgeführt. Nebenwirkungsärmer ist eine spezielle Form der Blutwäsche: die sogenannte Immunadsorption. Hierbei wird das Blut in Plasma (Blutflüssigkeit) und Blutzellen getrennt. Diese Form der Behandlung eröffnet neue Perspektiven beispielsweise bei schweren Schüben, die nicht auf eine Cortisontherapie ansprechen. Die Therapie erfolgt stationär und dauert etwa ein bis zwei Wochen. Dabei wird etwa jeden zweiten Tag eine Behandlung von etwa drei Stunden Dauer durchgeführt. Die Kosten für eine Plasmapherese oder die Immunadsorption werden in der Regel von der Krankenkasse übernommen.

Ein akuter MS-Schub ist immer ein Notfall. Die Schubsymptome sollten möglichst innerhalb der nächsten zwei bis fünf Tage behandelt werden. Wenn plötzlich neue neurologische Symptome auftreten oder sich bereits bekannte MS-Symptome verstärken, sollte man einen Arzt aufsuchen, idealerweise den behandelnden Neurologen.

Behandlung der Spastik

Vor der Therapie einer MS-induzierten Spastik soll die Spastizität mittels neurologischer Untersuchung erfasst und klinisch in Schweregrade (leicht, mittel, schwer) eingeteilt werden. Zur Quantifizierung der Beschwerden stehen unterschiedliche Bewertungssysteme zur Verfügung, zum Beispiel die modifizierte Ashworth-Skala (mAS), die Numerische Rating Skala (NRS) und die Multiple Sclerosis Spasticity Scale (MSSS-88). Die 2021 aktualisierte S2k-Leitlinie empfiehlt die NRS als elfstufiges Selbstbeurteilungsinstrument.

Therapieziele

Die Leitlinie definiert folgende Ziele der Spastik-Therapie:

  • Verbesserung motorischer Funktionen unter Berücksichtigung einer möglichen Stützfunktion der Spastik
  • Reduktion spastikbedingter Schmerzen
  • Steigerung von Mobilität und Alltagsaktivitäten
  • Erleichterung pflegerischer Maßnahmen
  • Vermeidung von Komplikationen (Kontrakturen, Dekubitalulzera)
  • Verbesserung der Lebensqualität

Nicht-medikamentöse Therapie

Die nicht-medikamentöse Therapie einer MS-induzierten Spastik umfasst neben effizienten Lagerungs- und Transfermethoden Maßnahmen zur Vermeidung spastikauslösender Ursachen wie Infekte, Schmerzen, Dekubitalulzera und falsche Haltung. Ein zentrales Element der nicht-pharmakologischen Behandlung ist die Physiotherapie. Diese soll je nach individueller Situation zwei bis drei Mal pro Woche, ggf. als Doppelbehandlung über 60 Minuten erfolgen und durch eigenständiges tägliches Üben unterstützt werden. Für pflegebedürftige Menschen mit MS bietet das sogenannte Bobath-Konzept eine Möglichkeit, ihre motorischen Fähigkeiten zu fördern.

Medikamentöse Therapie

Die medikamentöse Therapie basiert meist auf den oralen Antispastika Baclofen und Tizanidin. Verordnungen von Benzodiazepinen, Dantrolen und Memantin sind obsolet und mittlerweile nur noch von historischer Bedeutung. Sie werden aufgrund des Risikoprofils und der fehlenden Zulassung ausschließlich in Einzelfällen eingesetzt.

Da es bei den Antispastika in den letzten Jahren keine Neuereungen gab, ist eines der zuletzt zugelassenen Medikamente das oromukosal verabreichte cannabinoidhaltige Spray Nabiximols - ein Kombinationspräparat aus Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) im Verhältnis 1:1. Nabiximols (Sativex®) ist seit 2011 als Spray zur Add-on-Therapie der mittelschweren bis schweren Spastik zugelassen. Es kann auf BtM-Rezept verordnet werden, wenn durch die übliche antispastische Medikation keine ausreichende Wirkung zu erzielen ist.

Gemäß der Leitlinie soll bei funktionell beeinträchtigender Spastik unterstützend zu nicht-pharmakotherapeutischen Maßnahmen - möglichst in Absprache mit dem behandelnden Physiotherapeuten - die medikamentöse Therapie mit Baclofen bzw. Tizanidin eingeleitet werden. Hierbei ist auf eine vorsichtige Eindosierung zu achten. Bei unzureichender Wirksamkeit ist der nächste therapeutische Schritt gemäß Leitlinie eine Ergänzung der Medikation mit Sativex. Bei Unverträglichkeit oder persistierender Symptomatik trotz oraler bzw. oromukosaler Antispastika können andere Cannabinoide erwogen werden. Synthetisches THC wie Dronabinol oder Nabilon haben ebenso wie Cannabisblüten derzeit noch keine Zulassung zur Behandlung von Spastik erhalten.

Zwei kontrollierte Studien belegen, dass Gabapentin in Dosierungen von 1.200 bzw. 2.700 mg pro Tag eine paroxysmale Spastik und spastikbedingte Schmerzen reduziert. Laut Leitlinie kann eine Gabapentin-Gabe bei paroxysmaler Spastik erwogen werden.

Bei fokaler Spastizität, zum Beispiel ausgeprägter Adduktorenspastik, ist Botulinumtoxin A (BoNT A) in Kombination mit Physiotherapie wirksam. Bei schwerer Spastik kann zur Erleichterung pflegerischer Maßnahmen Baclofen intrathekal mithilfe einer implantierbaren Pumpe appliziert werden. Eine weitere Therapieoption stellt die intrathekale Gabe des Depot-Kortikosteroids Triamcinolon (TCA) dar.

Gemäß der Leitlinie sollten bei unzureichendem Ansprechen auf Physiotherapie oder nicht tolerablen Nebenwirkungen der oralen bzw. oromukosalen Medikation invasive Verfahren wie Botulinumtoxin A (fokale Spastik) oder intrathekales Baclofen in Betracht gezogen werden. Intrathekales TCA kann in Einzelfällen erwogen werden.

Wiederholte intravenöse Steroidpulstherapien wurden und werden zur Linderung von Spastik und Schmerzen sowie zur passageren Mobilitätsverbesserung angewandt. Belastbare kontrollierte Studien gibt es hierzu jedoch nicht.

Ergänzende und alternative Behandlungen

Viele MS-Betroffene greifen zu Mitteln aus der Naturmedizin, um ihre Beschwerden und Symptome zu lindern. Johanniskraut ist zum Beispiel eine beliebte und wichtige Heilpflanze bei depressiven Verstimmungen. Viele Symptome, die im Verlauf einer MS auftreten, können auch begleitend mit homöopathischen Mitteln behandelt werden. Je nach MS-Symptomen und Beschwerden stehen Betroffenen unterschiedliche Homöopathische Arzneien zur Verfügung, die für ein erfolgreiches Therapieverfahren individuell ausgewählt und abgestimmt werden müssen. Um die passende homöopathische Arznei zu finden, sollten Betroffene den Einsatz daher immer mit dem Arzt und einem Therapeuten besprechen. Propionat, das Salz einer Fettsäure, zeigte in Laborversuchen positive Effekte auf die Nervenzellen. In einer internationalen Studie erhielten MS-Patienten zusätzlich zu ihren Medikamenten Propionsäure.

Hochdosierte Vitamin-D-Gaben können MS-Schübe vermindern, also die MS-Aktivität etwas verlangsamen. Vitamin D wird vom Körper gebildet, sobald er Sonnenlicht bekommt.

Psychologische Aspekte und Selbsthilfe

Auf Dauer kann eine MS die Psyche belasten - vor allem bei regelmäßigen Schmerzen. Dabei entwickeln viele Patienten depressive Symptome und Ängste. Grundsatz der KVT ist, dass jedes Verhalten erlernt, aufrechterhalten und auch wieder verlernt werden kann. Dabei ist die innere Gefühls- sowie Gedankenwelt inbegriffen. Manchmal ist es schwer, mit anderen Menschen über die eigenen Belastungen zu sprechen und Hilfe anzunehmen.

Es gibt mittlerweile viele MS-Selbsthilfegruppen, die Betroffenen Halt geben und den Austausch untereinander ermöglichen.

Leben mit MS

Das Leben kann auch trotz einer MS-Diagnose lebenswert sein. Vorausgesetzt, die Betroffenen nehmen ihre Erkrankung an und gestalten ihr Leben mit der MS - statt gegen sie. Beeinträchtigungen annehmen, aber nicht zum Hauptinhalt des Lebens zu machen: Wenn das Gehen mal schwerfällt, ist Radfahren vielleicht leichter. Die körperlichen Belastungsgrenzen anerkennen und zum Beispiel das Sportprogramm so dosieren, dass Sie Ihre Leistungsfähigkeit nicht überschreiten. Generell sind Ihren Vorlieben beim Sport keine Grenzen gesetzt.

Die Ernährung kann auf die Erkrankung abgestimmt werden: Es gibt zwar keine spezielle MS-Diät, aber eine Fülle von Empfehlungen, zum Beispiel eine vegane Ernährungsweise, eine antientzündliche Diät oder auch eine Ernährung, bei der möglichst wenig Kohlehydrate (low carb), aber viele Proteine aufgenommen werden.

Eine Patientenverfügung stellt sicher, dass medizinische Wünsche auch in unerwarteten Situationen respektiert werden und bewahrt die Selbstbestimmung. Sie greift in Situationen, in denen man aufgrund von Krankheit oder Verletzung nicht in der Lage ist, sie selbst auszudrücken. Dieses Dokument entlastet zudem Angehörige von schwierigen Entscheidungen, vermeidet Missverständnisse und schützt vor unerwünschter Über- oder Unterbehandlung.

Forschung und Ausblick

Die Forschung an den Ursachen und der Behandlung von MS beschäftigt Experten schon lange. Die Wissenschaft hat die Krankheit Multiple Sklerose mittlerweile ganz für sich entdeckt. Die wirksame Bekämpfung von MS ist eines der wichtigsten Anliegen der DMSG. Trotz vielversprechender Entwicklungen in der Therapieforschung, dauert die wissenschaftliche Überprüfung der verschiedenen Therapeutika oft Jahre und ist ausgesprochen kostenaufwändig. Die Qualität der Versorgung von MS-Erkrankten zu sichern und auszubauen, ist ein vorrangiges Ziel der DMSG. Um dabei auf verlässliches Datenmaterial zurückgreifen zu können, wurde bereits 2001 unter Mitwirkung des Ärztlichen Beirates das Deutsche MS-Register initiiert.

tags: #pflege #von #patienten #mit #multiple #sklerose