Pflegeplanung bei Schlaganfall: AEDL-Beispiele für eine individuelle Versorgung

Ein Schlaganfall kann das Leben von Betroffenen und ihren Angehörigen von einem Moment auf den anderen verändern. Die Pflegeplanung spielt eine zentrale Rolle, um den individuellen Bedürfnissen und Einschränkungen der Patienten gerecht zu werden und ihre Selbstständigkeit bestmöglich zu fördern. Die Pflegekräfte der Stroke Unit sind oft die ersten Ansprechpartner in der Akutphase und organisieren die notwendigen Therapien und Diagnostiktermine.

Das AEDL-Modell nach Krohwinkel als Grundlage der Pflegeplanung

Das konzeptionelle Pflegemodell der Aktivitäten und existentiellen Erfahrungen des Lebens (AEDL) nach Monika Krohwinkel bietet einen umfassenden Rahmen für die Pflegeplanung von Schlaganfallpatienten. Es berücksichtigt die vielfältigen Aspekte des menschlichen Lebens und ermöglicht eine ganzheitliche Betrachtung der individuellen Situation.

Die AEDL umfassen folgende Bereiche:

  1. Kommunizieren: Förderung der Kommunikationsfähigkeiten und Unterstützung bei Sprachstörungen.
  2. Sich bewegen: Erhaltung und Verbesserung der Mobilität und Selbstständigkeit bei Bewegungen.
  3. Vitale Funktionen des Lebens aufrechterhalten: Unterstützung der Atmung, des Kreislaufs und der Wärmeregulation.
  4. Sich pflegen: Förderung der Körperpflege und Hygiene.
  5. Essen und trinken: Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme und Sicherstellung einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr.
  6. Ausscheiden: Förderung der Kontinenz und Unterstützung bei Inkontinenzproblemen.
  7. Sich kleiden: Unterstützung beim An- und Auskleiden und Förderung der Selbstständigkeit.
  8. Ruhen und schlafen: Unterstützung bei Schlafstörungen und Förderung eines gesunden Schlaf-Wach-Rhythmus.
  9. Sich beschäftigen: Förderung von Hobbys, Interessen und sozialen Kontakten.
  10. Sich als Mann/Frau fühlen und verhalten: Unterstützung eines positiven Selbstbildes und Akzeptanz der eigenen Sexualität.
  11. Für eine sichere Umgebung sorgen: Schutz vor Verletzungen und Förderung der Sicherheit im Alltag.
  12. Soziale Bereiche des Lebens sichern: Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen und Integration in ein selbstgewähltes Umfeld.
  13. Existenzielle Erfahrungen: Begleitung bei der Auseinandersetzung mit Ängsten, Isolation, Ungewissheit, Sterben und Tod, sowie Unterstützung bei der Integration, Sicherheit, Hoffnung, Wohlbefinden und Lebensfreude.

Die Pflegefachkräfte der Stroke Unit unterstützen Patienten bei allen AEDL, in denen sie eingeschränkt sind und Hilfe benötigen. Ziel ist es, so früh wie möglich an der Wiedererlangung der Selbstständigkeit zu arbeiten, beispielsweise durch spezielle Konzepte wie das Bobath-Konzept. Für Angehörige, die die Pflege zu Hause übernehmen, gibt es kostenlose Pflegetrainings, um sie bestmöglich auf diese Aufgabe vorzubereiten.

Fallbeispiel Frau Wolken: Individuelle Pflegeplanung anhand der AEDL

Um die praktische Anwendung des AEDL-Modells zu veranschaulichen, betrachten wir das Fallbeispiel von Frau Wolken, die nach einem Schlaganfall unter verschiedenen Einschränkungen leidet.

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1. Sich bewegen

Problem: Frau Wolken hat aufgrund eines Schwächegefühls im linken Arm, Koordinierungsproblemen mit der linken Hand und einer Parese des linken Beines eine eingeschränkte Bewegungsfähigkeit.

Pflegeziele: Verbesserung der Mobilität, insbesondere die Fähigkeit, allein aufzustehen und den linken Arm und die linke Hand bei der Pflege einzusetzen.

Pflegemaßnahmen:

  • Physiotherapeutische Behandlungen wie Krankengymnastik und Massagen zur Aktivierung der betroffenen Körperteile.
  • Mobilisation in der Pflege, um die Rehabilitation zu unterstützen.

2. Sich kleiden

Problem: Schwierigkeiten beim Ankleiden aufgrund der Parese des linken Beins und des Schwächegefühls im linken Arm.

Pflegeziele: Wiedererlangung der Selbstständigkeit beim Ankleiden.

Pflegemaßnahmen:

  • Anleitung durch Pflegekräfte beim Ankleiden im Krankenzimmer.
  • Förderung der Autonomie, indem Frau Wolken ihre Kleidung selbst auswählt.
  • Anleitung des Ehemanns, wie er sie beim Ankleiden unterstützen kann.

3. Kommunizieren

Problem: Eingeschränkte Artikulationsfähigkeit nach dem Schlaganfall.

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Pflegeziele: Verbesserung der Kommunikationsfähigkeiten.

Pflegemaßnahmen:

  • Geduld und nonverbale Unterstützung durch Gestik und Mimik.

4. Essen und Trinken

Problem: Schwierigkeiten bei der Zubereitung des Frühstücksbrots und beim Schneiden von Fleisch.

Pflegeziele: Förderung der Selbstständigkeit beim Essen und Trinken.

Pflegemaßnahmen:

  • Anpassung der Essenszubereitung, um die Selbstständigkeit zu fördern.
  • Unterstützung bei Bedarf.

Weitere AEDL-Bereiche im Kontext von Schlaganfall

Neben den bereits genannten AEDL-Bereichen spielen auch die anderen eine wichtige Rolle in der Pflegeplanung von Schlaganfallpatienten. Hier einige Beispiele:

  • Vitale Funktionen des Lebens aufrechterhalten: Überwachung der Atmung und des Kreislaufs, insbesondere bei Patienten mit Schluckstörungen oder Bewusstseinsbeeinträchtigungen.
  • Ausscheiden: Unterstützung bei Inkontinenzproblemen, beispielsweise durch Blasentraining oder die Verwendung von Inkontinenzprodukten.
  • Ruhen und schlafen: Schaffung einer ruhigen und entspannenden Umgebung, um Schlafstörungen zu minimieren.
  • Sich beschäftigen: Förderung von Aktivitäten, die den Patienten Freude bereiten und ihre kognitiven Fähigkeiten stimulieren.
  • Für eine sichere Umgebung sorgen: Anpassung des Wohnumfelds, um Stürze zu vermeiden und die Selbstständigkeit zu fördern.
  • Soziale Bereiche des Lebens sichern: Aufrechterhaltung sozialer Kontakte und Unterstützung bei der Teilnahme an gesellschaftlichen Aktivitäten.
  • Existenzielle Erfahrungen: Gespräche über Ängste und Sorgen, Unterstützung bei der Krankheitsverarbeitung und Förderung von Hoffnung und Lebensfreude.

Spezifische Pflegeprobleme und Maßnahmen bei Schlaganfall

Neben den allgemeinen AEDL-Bereichen gibt es einige spezifische Pflegeprobleme, die bei Schlaganfallpatienten häufig auftreten und besondere Aufmerksamkeit erfordern:

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Hemiplegie und Spastik

Die Hemiplegie (Halbseitenlähmung) ist eine häufige Folge eines Schlaganfalls. Sie kann zu erheblichen Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit und Selbstständigkeit führen. Die Spastik, eine erhöhte Muskelspannung, kann die Bewegungen zusätzlich erschweren und Schmerzen verursachen.

Pflegemaßnahmen:

  • Bobath-Konzept: Ein spezielles Therapiekonzept, das darauf abzielt, die normale Bewegungsmuster wiederherzustellen und die Spastik zu reduzieren.
  • Lagerung: Korrekte Lagerung, um Kontrakturen (Verkürzungen von Muskeln und Sehnen) vorzubeugen.
  • Mobilisation: Frühmobilisation, um die Bewegungsfähigkeit zu erhalten und zu verbessern.
  • Hilfsmittel: Einsatz von Hilfsmitteln wie Rollatoren, Rollstühlen oder Orthesen, um die Mobilität zu unterstützen.
  • Schmerzmanagement: Medikamentöse und nicht-medikamentöse Schmerztherapie zur Linderung von Spastik-bedingten Schmerzen.

Aphasie und Dysarthrie

Aphasie ist eine zentrale Sprachstörung, die das Sprechen, das Lesen, das Verstehen und das Schreiben beeinträchtigen kann. Dysarthrie ist eine Sprechstörung, die durch eine Schwäche oder Koordinationsstörung der Sprechmuskulatur verursacht wird.

Pflegemaßnahmen:

  • Kommunikationsförderung: Geduld, deutliche Aussprache, Verwendung von Gestik und Mimik, Einsatz von Kommunikationshilfen (z.B. Bilder, Tafeln).
  • Logopädie: Sprachtherapie zur Verbesserung der Sprach- und Sprechfähigkeiten.
  • Unterstützung: Ermutigung zur Kommunikation, um die Sprachfähigkeiten zu erhalten und zu verbessern.

Neglect

Neglect ist eine Störung der Aufmerksamkeit, bei der Betroffene eine Körperseite oder einen Teil des Raumes nicht wahrnehmen.

Pflegemaßnahmen:

  • Aufmerksamkeitslenkung: Den Patienten bewusst auf die vernachlässigte Seite aufmerksam machen.
  • Visuelle Reize: Gegenstände und Personen auf der vernachlässigten Seite platzieren.
  • Bilaterale Stimulation: Aktivitäten, die beide Körperseiten einbeziehen.

Schluckstörungen (Dysphagie)

Schluckstörungen können zu Aspiration (Eindringen von Nahrung oder Flüssigkeit in die Atemwege) und Pneumonie (Lungenentzündung) führen.

Pflegemaßnahmen:

  • Anpassung der Kost: Andicken von Flüssigkeiten, pürierte oder weiche Kost.
  • Schlucktraining: Übungen zur Verbesserung der Schluckfunktion.
  • Korrekte Haltung: Aufrechte Sitzposition beim Essen und Trinken.
  • Sorgfältige Beobachtung: Achten auf Anzeichen von Aspiration (z.B. Husten, Räuspern, feuchte Stimme).
  • Mundpflege: Regelmäßige Mundpflege zur Vermeidung von Infektionen.

Inkontinenz

Inkontinenz (Blasenschwäche oder Darmschwäche) ist ein häufiges Problem nach einem Schlaganfall.

Pflegemaßnahmen:

  • Blasentraining: Regelmäßiges Toilettentraining, um die Blasenkontrolle zu verbessern.
  • Hautpflege: Sorgfältige Hautpflege, um Hautirritationen und Infektionen vorzubeugen.
  • Inkontinenzprodukte: Verwendung von Inkontinenzprodukten, um die Lebensqualität zu verbessern.
  • Flüssigkeitsmanagement: Ausreichende Flüssigkeitszufuhr, um Verstopfung vorzubeugen.

Depressionen

Depressionen sind eine häufige Begleiterscheinung nach einem Schlaganfall.

Pflegemaßnahmen:

  • Gespräche: Zuhören, Verständnis zeigen, Ermutigung.
  • Aktivitäten: Förderung von Aktivitäten, die Freude bereiten.
  • Soziale Kontakte: Aufrechterhaltung sozialer Kontakte.
  • Psychotherapie: Psychotherapeutische Behandlung zur Bewältigung der Depression.
  • Medikamente: Antidepressiva nach ärztlicher Verordnung.

Sturzgefahr

Schlaganfallpatienten haben ein erhöhtes Sturzrisiko aufgrund von Gleichgewichtsstörungen, Lähmungen oder Sehbehinderungen.

Pflegemaßnahmen:

  • Sturzprophylaxe: Anpassung des Wohnumfelds, Beseitigung von Stolperfallen, gute Beleuchtung.
  • Gehtraining: Übungen zur Verbesserung des Gleichgewichts und der Koordination.
  • Hilfsmittel: Verwendung von Gehhilfen wie Rollatoren oder Stöcken.
  • Überwachung: Regelmäßige Überwachung, insbesondere bei Patienten mit hohem Sturzrisiko.

Hilfsmittel und Unterstützungsmöglichkeiten

Neben den pflegerischen Maßnahmen können verschiedene Hilfsmittel und Unterstützungsmöglichkeiten die Lebensqualität von Schlaganfallpatienten und ihren Angehörigen verbessern:

  • Technische Hilfsmittel: Rollatoren, Rollstühle, Pflegebetten, Badewannenlifte, Hausnotrufsysteme.
  • Alltagshilfen: Spezielles Besteck, Dosenöffner, Teleskopschuhanzieher, Greifzangen.
  • Pflegehilfsmittel zum Verbrauch: Bettschutzeinlagen, Schutzkittel zur Inkontinenz-Pflege.
  • Ambulante Pflegedienste: Unterstützung bei der Körperpflege, Mobilisation, Ernährung und Medikamentengabe.
  • Tagespflege: Betreuung und Aktivierung in einer Tageseinrichtung.
  • Selbsthilfegruppen: Austausch mit anderen Betroffenen und Angehörigen.
  • Pflegestützpunkte: Beratung und Unterstützung bei allen Fragen rund um die Pflege.

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