Pflegeplanung bei schwerer Demenz: Ein umfassender Leitfaden

Die Diagnose einer schweren Demenz stellt Betroffene und ihre Angehörigen vor große Herausforderungen. Eine sorgfältige Pflegeplanung ist unerlässlich, um den Alltag bestmöglich zu gestalten, die Lebensqualität zu erhalten und auf die sich verändernden Bedürfnisse des Erkrankten einzugehen. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über wichtige Aspekte der Pflegeplanung bei schwerer Demenz, von praktischen Tipps für die häusliche Pflege bis hin zu Informationen über finanzielle Unterstützung und Wohnmöglichkeiten.

Demenz verstehen: Grundlagen und Auswirkungen

Demenz ist ein Sammelbegriff für verschiedene Erkrankungen des Gehirns, die mit einem fortschreitenden Verlust kognitiver Fähigkeiten einhergehen. Zu den häufigsten Symptomen gehören:

  • Amnesie (Gedächtnisstörung): Schwierigkeiten, sich an neue Informationen zu erinnern oder sich an Ereignisse aus der Vergangenheit zu erinnern.
  • Desorientiertheit: Schwierigkeiten, sich in Zeit und Raum zu orientieren.
  • Sprachstörungen: Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden oder Gesprochenes zu verstehen.
  • Vermindertes Urteilsvermögen: Schwierigkeiten, Situationen richtig einzuschätzen und Entscheidungen zu treffen.
  • Persönlichkeitsveränderungen: Veränderungen im Verhalten, der Stimmung oder der Persönlichkeit.

Im fortgeschrittenen Stadium der Demenz können weitere Symptome hinzukommen, wie z.B. motorische Unruhe, Inkontinenz und Schluckbeschwerden. Die Fähigkeit, ein selbstständiges Leben zu führen, nimmt immer weiter ab.

Praxistipps für die Pflege bei Demenz

Die Pflege eines Menschen mit Demenz erfordert viel Geduld, Einfühlungsvermögen und Wissen. Die folgenden Tipps können Ihnen helfen, den Pflegealltag zu strukturieren und die Lebensqualität des Betroffenen zu verbessern:

1. Informieren Sie sich umfassend

Informieren Sie sich direkt nach der Diagnosestellung über die Erkrankung, ihre Phasen, Symptome und Verhaltensweisen. Dies hilft Ihnen, die Veränderungen zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren. Kennen Sie Anlaufstellen, Hilfsmittel und finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten. Auch wenn die Auseinandersetzung mit Abbau, Verlust und Tod belastend ist, ist dieses Wissen wichtig, um Überforderung vorzubeugen.

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2. Frühzeitige Organisation der Pflege

Sorgen Sie frühzeitig für ausreichend Unterstützung. Die Betreuung von Demenzerkrankten ist oft anstrengend und darf auch so wahrgenommen werden. Nutzen Sie Auszeiten durch Kurzzeitpflege, Verhinderungspflege oder die Hilfe von Freunden und Verwandten. In Selbsthilfegruppen können Sie sich mit anderen Angehörigen austauschen und praktische Pflegetipps erhalten.

3. Unterwegs mit Demenz

Auch Demenzkranke möchten sich außerhalb des eigenen Wohnbereichs bewegen können. Achten Sie bei Ausflügen auf vertraute Strecken und Umgebungen. Vermeiden Sie laute, volle oder überreizende Orte. Richten Sie sich nach den Wünschen und Fähigkeiten des Betroffenen und begleiten Sie seinen Bewegungsdrang, um Frustration zu mindern.

Finanzielle Unterstützung durch die Pflegeversicherung

Um Pflegegeld oder andere Leistungen der Pflegeversicherung zu erhalten, muss ein Pflegegrad beantragt werden.

Beantragung eines Pflegegrades

Seit 2017 gibt es fünf Pflegegrade, die den Unterstützungsbedarf des Betroffenen widerspiegeln. Gutachter des Medizinischen Dienstes (MD) erfassen alle Informationen anhand eines standardisierten Fragenkatalogs.

Der Begutachtungstermin

Bereiten Sie sich gut auf den Besuch des Gutachters vor. Sammeln Sie alle relevanten Unterlagen, wie Arztberichte, Medikamentenpläne, Dokumentationen des Pflegedienstes und den Schwerbehindertenausweis. Ein Pflegetagebuch kann ebenfalls hilfreich sein.

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Fassadenverhalten

Viele Betroffene zeigen beim Besuch des MD ein sogenanntes Fassadenverhalten, bei dem sie ihre Probleme herunterspielen oder verschweigen. Nehmen Sie den Gutachter beiseite und beschreiben Sie ehrlich, in welchen Situationen tatsächlich Hilfe notwendig ist.

Umgang mit Ablehnung

Hinter Sätzen wie "Ich brauche keine Hilfe" steckt oft der Wunsch, die Kontrolle zu behalten. Sprechen Sie das Thema frühzeitig an, beginnen Sie mit kleinen Schritten und zeigen Sie Verständnis.

Leistungen der Pflegeversicherung

Je höher der Pflegegrad, desto umfangreicher sind die Leistungen der Pflegeversicherung. Diese umfassen:

  • Pflegegeld: Wird gezahlt, wenn die Pflege durch Angehörige übernommen wird.
  • Sachleistungen: Werden für die Inanspruchnahme eines ambulanten Pflegedienstes gezahlt.
  • Kombination aus Geld- und Sachleistungen: Ist ebenfalls möglich.
  • Übergangspflege im Krankenhaus: Wenn die Versorgung zu Hause nicht sichergestellt werden kann.

Demenzgerechte Wohnraumgestaltung

Die Gestaltung des Wohnraums spielt eine wichtige Rolle bei der Betreuung von Menschen mit Demenz. Eine übersichtliche und einfache Einrichtung erleichtert die Orientierung und reduziert Stress.

Grundprinzipien

  • Vermeiden Sie zu viele Sinneseindrücke: Reduzieren Sie die Anzahl der Gegenstände und schaffen Sie eine ruhige Umgebung.
  • Sorgen Sie für gute Beleuchtung: Kaltweißes Licht ist für ältere Menschen besser sichtbar. Nutzen Sie LED-Nachtlichter mit Bewegungsmelder für den Toilettengang.
  • Vermeiden Sie spiegelnde Oberflächen: Lichtreflektionen können zu Verwirrung führen.
  • Stärken Sie die zeitliche Orientierung: Verwenden Sie einen Kalender mit großen Zahlen und Symbolen für die Jahreszeit.
  • Setzen Sie Farbakzente behutsam ein: Vermeiden Sie dunkle Töne und großflächige Muster. Kontraste helfen bei der Wahrnehmung von Details.
  • Beseitigen Sie Stolperfallen: Entfernen Sie lose Kabel und Teppiche.
  • Sichern Sie gefährliche Gegenstände: Schließen Sie Putzmittel sicher ein und installieren Sie Herdschutzknöpfe.

Türen und Durchgänge

Offene Türen sind für Demenzkranke leichter als Durchgänge erkennbar. Kennzeichnen Sie notwendige Türen, wie z.B. die zum Badezimmer, mit Schildern. Dunkle Vorhänge vor "verbotenen" Türen können das Interesse daran mindern.

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Umgang mit Bewegungsdrang

Schaffen Sie Rundwege innerhalb der Wohnung oder des Grundstücks, auf denen die Person gefahrlos herumlaufen kann. Versehen Sie Ausgänge mit Klingeln, um ein unbemerktes Verlassen zu verhindern.

Erinnerungen bewahren

Bewahren Sie wertvolle Erinnerungsstücke in einer ruhigen Ecke auf, in der die Person mit Demenz ohne Ablenkung schwelgen kann.

Umgang mit besonderen Bedürfnissen und Verhaltensweisen

Menschen mit schwerer Demenz zeigen oft besondere Verhaltensweisen, die für Angehörige herausfordernd sein können.

Ernährung

  • Appetitlosigkeit: Bieten Sie sechs kleinere Mahlzeiten über den Tag verteilt an. Beziehen Sie den Betroffenen in die Zubereitung der Mahlzeiten ein.
  • Verschlucken: Achten Sie auf eine aufrechte Sitzposition und bieten Sie mundgerechte Speisen an.
  • Unstillbarer Hunger: Führen Sie einen Ernährungsplan und bieten Sie gesunde Snacks an.
  • Essen mit den Fingern: Erlauben Sie es, wenn es dem Betroffenen hilft.
  • Verweigerung von Speisen: Bieten Sie alternative Speisen an, die in der Biografie des Betroffenen verankert sind.

Inkontinenz

  • Funktionelle Inkontinenz: Führen Sie den Betroffenen in regelmäßigen Zeitabständen zur Toilette.
  • Vollständige Inkontinenz: Verwenden Sie Inkontinenzprodukte und achten Sie auf eine gute Hautpflege.
  • Kot Schmieren: Bieten Sie ein Ersatzobjekt an, wie z.B. einen mit Therapieknete gefüllten Handschuh.

An- und Ausziehen

  • Wählen Sie einfache Kleidung: Vermeiden Sie komplizierte Verschlüsse und bevorzugen Sie bequeme Stoffe.
  • Achten Sie auf die richtige Temperatur: Passen Sie die Kleidung der Jahreszeit an und fragen Sie den Betroffenen, ob ihm zu warm oder zu kalt ist.
  • Respektieren Sie ungewöhnliche Kleidungswünsche: Wenn möglich, lassen Sie den Betroffenen selbst entscheiden, was er tragen möchte.
  • Beobachten Sie nonverbale Signale: Achten Sie auf Zeichen von Unbehagen, wie z.B. Ziehen und Zupfen an der Kleidung.

Schlafstörungen

  • Schaffen Sie eine entspannende Schlafumgebung: Achten Sie auf eine angenehme Temperatur und Dunkelheit im Schlafzimmer.
  • Etablieren Sie Einschlafrituale: Setzen Sie bekannte Rituale fort, wie z.B. Vorlesen oder Musik hören.
  • Vermeiden Sie stimulierende Substanzen: Verzichten Sie auf Kaffee, Alkohol und Zigaretten vor dem Schlafengehen.
  • Lassen Sie nächtlichen Bewegungsdrang zu: Kanalisieren Sie ihn in nächtlichen Angeboten, wie z.B. Spaziergängen im Haus.

Enthemmtes Verhalten

  • Schaffen Sie Freiräume und Rückzugsmöglichkeiten: Geben Sie dem Betroffenen die Möglichkeit, sich in seinem Zimmer zurückzuziehen.
  • Lenken Sie von sexuellen Wünschen ab: Bieten Sie alternative Beschäftigungen an, wie z.B. wohnbereichsübergreifende Männerabende.
  • Achten Sie auf die richtige Distanz: Seien Sie einfühlsam, aber wahren Sie gleichzeitig die Grenzen des Betroffenen.

Weitere wichtige Aspekte

  • Schmerzerkennung: Achten Sie auf Mimik und Verhaltensänderungen, die auf Schmerzen schließen lassen.
  • Sturzprophylaxe: Beseitigen Sie Stolperfallen und überprüfen Sie die Medikamente auf sturzfördernde Wirkung.
  • Sehbehinderung: Stellen Sie sicher, dass der Betroffene die richtige Brille trägt und die Umgebung gut ausgeleuchtet ist.
  • Kommunikation: Sprechen Sie langsam und deutlich, verwenden Sie einfache Sätze und geben Sie dem Betroffenen Zeit, zu antworten.

Wohnmöglichkeiten für Menschen mit schwerer Demenz

Wenn die häusliche Pflege nicht mehr möglich ist, gibt es verschiedene Wohnmöglichkeiten für Menschen mit schwerer Demenz:

  • Pflegeheim: Bietet umfassende Betreuung und Pflege rund um die Uhr. Achten Sie bei der Auswahl auf spezielle Wohn- und Betreuungsangebote für Demenzkranke.
  • Ambulant betreute Demenz-Wohngemeinschaften: Mehrere Demenzkranke leben zusammen in einer Wohnung und werden von professionellen Pflegekräften betreut.
  • Betreutes Wohnen: Geeignet, wenn auch demenzgerechte Services angeboten werden.
  • Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege: Ermöglichen eine vorübergehende Betreuung in einer Einrichtung oder zu Hause, wenn Angehörige verhindert sind.

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