Demenz ist ein Sammelbegriff für verschiedene Erkrankungen, die mit einem fortschreitenden Verlust der kognitiven Fähigkeiten einhergehen. In Deutschland leben aktuell rund 1,7 Millionen Menschen mit Demenz, wobei die Alzheimer-Krankheit die häufigste Form darstellt. Da die Erkrankung mit der Zeit fortschreitet, benötigen Betroffene zunehmend Unterstützung im Alltag. Um diese zu erhalten, ist die Beantragung eines Pflegegrades unerlässlich. Dieser Artikel beleuchtet die Voraussetzungen für einen Pflegegrad bei Demenz, insbesondere im häuslichen Umfeld, und welche Leistungen Betroffenen und ihren Angehörigen zustehen.
Pflegegrade statt Pflegestufen
Die früher üblichen Pflegestufen wurden 2017 durch die Pflegegrade 1 bis 5 ersetzt. Diese Neuerung trägt der Tatsache Rechnung, dass Menschen mit Demenz oft einen anderen Hilfebedarf haben als Menschen mit rein körperlichen Einschränkungen. Die Pflegegrade berücksichtigen kognitive und psychische Beeinträchtigungen stärker.
Die Pflegegrade sind wie folgt definiert:
- Pflegegrad 1: Geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
- Pflegegrad 2: Erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
- Pflegegrad 3: Schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
- Pflegegrad 4: Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
- Pflegegrad 5: Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung.
Es ist wichtig zu betonen, dass Menschen mit Demenz keine bestimmten Pflegegrade automatisch zustehen. Die Einstufung hängt vielmehr von den individuellen Einschränkungen und dem Stadium der Erkrankung ab. Alle Pflegegrade sind bei Demenz möglich. Welchen Grad man letztendlich erhält, hängt davon ab, wie fortgeschritten die Erkrankung ist und welche Hürden sie im Alltag aufstellt.
Voraussetzungen für einen Pflegegrad bei Demenz
Um einen Pflegegrad zu erhalten, ist eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst (MD) oder MEDICPROOF erforderlich. Dieser prüft anhand eines standardisierten Verfahrens, wie selbstständig der Antragsteller noch ist. Dabei werden sechs verschiedene Kriterien berücksichtigt:
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- Mobilität: Wie selbstständig kann sich der Betroffene fortbewegen?
- Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Kann sich der Betroffene örtlich und zeitlich orientieren?
- Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: Benötigt der Betroffene Hilfe aufgrund von psychischen Problemen wie aggressivem oder ängstlichem Verhalten?
- Selbstversorgung: Kann sich der Betroffene selbstständig waschen, anziehen und ernähren?
- Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen: Kann der Betroffene Medikamente einnehmen oder Arzttermine wahrnehmen?
- Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Kann der Betroffene seinen Alltag selbstständig gestalten und soziale Kontakte pflegen?
Die Module werden unterschiedlich stark gewichtet, und die Summe der Punkte aus allen sechs Kategorien ergibt den Pflegegrad.
Der Begutachtungstermin
Vor dem Begutachtungstermin sollten Sie sich und Ihren demenzkranken Angehörigen gut vorbereiten. Folgende Unterlagen können hilfreich sein:
- Arztberichte
- Medikamentenpläne
- Dokumentationen des ambulanten Pflegedienstes (sofern vorhanden)
- Schwerbehindertenausweis
- Pflegetagebuch
Ein Pflegetagebuch, das ein bis zwei Wochen vor dem Termin geführt wird, kann dem Gutachter einen guten Überblick über den tatsächlichen Hilfebedarf geben. Angehörige sehen viele Hilfestellungen, die sie im Alltag leisten, oft als selbstverständlich an. Diese Unterstützung kann aber für die Einteilung in einen Pflegegrad relevant sein.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Begutachtung immer nur eine Momentaufnahme des aktuellen Zustands ist. Daher empfiehlt sich die Anwesenheit eines nahen Angehörigen, um der pflegebedürftigen Person während des Gutachtens beizustehen und auf Faktoren hinzuweisen, die wichtig sind, aber nicht beachtet werden.
Pflegegrad bei leichter, mittelschwerer und schwerer Demenz
Die Einstufung in einen Pflegegrad hängt vom Stadium der Demenz und den damit verbundenen Einschränkungen ab:
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- Leichte Demenz (Frühstadium): Häufig Pflegegrad 1 oder 2. Betroffene benötigen gelegentlich Hilfe, beispielsweise beim Tragen von Einkäufen oder Anziehen der Schuhe.
- Mittelschwere Demenz: Häufig Pflegegrad 3 oder 4. Betroffene benötigen im Alltag kaum noch ohne Unterstützung zurecht, z.B. beim Ankleiden oder der Körperhygiene.
- Schwere Demenz: Häufig Pflegegrad 4 oder 5. Betroffene benötigen rund um die Uhr Betreuung und haben oft Schwierigkeiten beim Sprechen, Essen und Atmen.
Leistungen bei Pflegegrad im häuslichen Umfeld
Je höher der Pflegegrad, desto mehr Leistungen stehen Betroffenen und ihren Angehörigen zu. Diese Leistungen können finanzieller oder pflegerischer Natur sein und sollen die häusliche Pflege unterstützen.
Finanzielle Leistungen
- Pflegegeld: Wird an Pflegebedürftige ausgezahlt, die von Angehörigen oder anderen nicht-professionellen Pflegepersonen betreut werden. Die Höhe richtet sich nach dem Pflegegrad.
- Pflegesachleistungen: Werden für die Inanspruchnahme eines ambulanten Pflegedienstes verwendet. Der Pflegedienst rechnet die Kosten direkt mit der Pflegekasse ab.
- Kombinationsleistungen: Eine Kombination aus Pflegegeld und Pflegesachleistungen ist möglich, wenn die Pflege sowohl von Angehörigen als auch von einem Pflegedienst übernommen wird.
- Verhinderungspflege: Ermöglicht eine Ersatzpflege, wenn die pflegende Person beispielsweise krank oder im Urlaub ist.
- Kurzzeitpflege: Für eine vorübergehende stationäre Pflege, beispielsweise nach einem Krankenhausaufenthalt.
- Entlastungsbetrag: Ein monatlicher Betrag, der für zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen verwendet werden kann, z.B. für eine Haushaltshilfe oder die Teilnahme an einer Betreuungsgruppe.
- Pflegehilfsmittel: Zuschuss für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel wie Desinfektionsmittel oder Einweghandschuhe.
- Wohnraumanpassung: Zuschuss für Umbaumaßnahmen, die das Wohnumfeld barrierefreier gestalten, z.B. der Einbau eines Treppenlifts oder einer bodengleichen Dusche.
- Wohngruppenzuschuss: Für Pflegebedürftige, die in einer Wohngruppe leben.
Die Höhe der einzelnen Leistungen ist abhängig vom jeweiligen Pflegegrad und kann sich im Laufe der Zeit ändern.
Leistungen nach Pflegegrad
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die monatlichen Geld- und Sachleistungen (Stand 2023):
| Leistung | Pflegegrad 1 | Pflegegrad 2 | Pflegegrad 3 | Pflegegrad 4 | Pflegegrad 5 |
|---|---|---|---|---|---|
| Pflegegeld | - | 316 € | 545 € | 728 € | 901 € |
| Pflegesachleistungen | - | 724 € | 1.363 € | 1.693 € | 2.095 € |
| Tages- und Nachtpflege | - | 689 € | 1.298 € | 1.612 € | 1.995 € |
| Vollstationäre Pflege | - | 770 € | 1.262 € | 1.775 € | 2.005 € |
| Entlastungsbetrag | 125 € | 125 € | 125 € | 125 € | 125 € |
| Pflegehilfsmittel (mtl.) | 40 € | 40 € | 40 € | 40 € | 40 € |
| Hausnotruf | 25,50 € | 25,50 € | 25,50 € | 25,50 € | 25,50 € |
| Wohnraumanpassung (einmalig) | 4.000 € | 4.000 € | 4.000 € | 4.000 € | 4.000 € |
| Wohngruppenzuschlag | 214 € | 214 € | 214 € | 214 € | 214 € |
Wichtig: Einige Leistungen für die Pflegegrade bei Demenz wurden 2022 erhöht. Darunter fallen zum Beispiel die Pflegesachleistungen. Für 2024 und 2025 sind weitere Erhöhungen geplant.
Weitere Unterstützungsangebote
Neben den finanziellen Leistungen gibt es eine Vielzahl weiterer Unterstützungsangebote für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen:
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- Pflegeberatung: Kostenlose Beratung durch Pflegeberater, die über die verschiedenen Leistungen und Angebote informieren und bei der Organisation der Pflege helfen.
- Pflegekurse: Kurse für pflegende Angehörige, in denen sie praktische Kenntnisse und Fähigkeiten für die Pflege erlernen.
- Selbsthilfegruppen: Austausch mit anderen Betroffenen und Angehörigen.
- Tages- und Nachtpflege: Betreuung in einer Einrichtung tagsüber oder nachts, um Angehörige zu entlasten.
- Demenz-WGs: Wohngemeinschaften, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz ausgerichtet sind.
- Ambulante Pflegedienste: Professionelle Pflege und Betreuung im häuslichen Umfeld.
- Hausnotrufsysteme: Ermöglichen es, im Notfall schnell Hilfe zu rufen.
- Digitale Pflegeanwendungen (DiPA): Digitale Services für Pflegebedürftige und Pflegende.
Die Rolle von marta
Unabhängig vom Pflegegrad können Sie wertvolle Unterstützung durch marta erhalten. Über die marta Plattform finden Sie geprüfte Betreuungskräfte, die Ihre Lieben im Rahmen der 24-Stunden-Betreuung tatkräftig unterstützen und auch sozial betreuen. Die Betreuung findet ausschließlich im eigenen Zuhause statt, sodass ein Umzug ins Heim nicht nötig ist. Sie können ganz einfach auf unserer Webseite oder über die praktische marta App nach der passenden Pflegekraft suchen. Die vollumfänglichen Profile zeigen Ihnen genau, über welche Erfahrung die jeweilige Betreuungskraft verfügt und wie gut ihre Deutschkenntnisse sind.
Widerspruch bei Ablehnung
Etwa jeder dritte Antrag auf einen Pflegegrad wird abgelehnt. In diesem Fall sollten Sie innerhalb von 4 Wochen nach Erhalt des Ablehnungsbescheides Widerspruch einlegen. Erledigen Sie das immer schriftlich - per Einschreiben mit Rückschein.
Prüfen Sie dazu zunächst das der Ablehnung beigefügte Gutachten und gehen Sie alle dort aufgelisteten Punkte durch. Folgende Überlegungen helfen außerdem:
- War am Tag der Begutachtung der Pflegebedürftige ungewöhnlich fit und entsprach dieser Tag möglicherweise nicht dem durchschnittlichen Pflegealltag?
- Wurden alle Sachverhalte korrekt erfasst oder fehlen einige Punkte?
Halten Sie alles schriftlich fest, was Ihnen auffällt oder diesbezüglich in den Sinn kommt. So vergessen Sie nichts, wenn Sie in den Widerspruch gehen. Lassen Sie sich am besten auch von einem Pflegeberatungsdienst unterstützen. Solche Beratungsstellen sind speziell auf diese Fälle spezialisiert und kennen alle Tricks und Kniffe. So erhöhen Sie die Chancen, dass der Antrag auf Pflegeleistungen im nächsten Gang erfolgreich ist. Ein Widerspruch muss gründlich vorbereitet sein. Das heißt für Sie: Fordern Sie Arztbriefe, Atteste, Entlassungsberichte und alles andere ein, das für die Pflegebedürftigkeit der betroffenen Person spricht. Auch ein tägliches Pflegetagebuch kann bei den Bewertungspunkten zu dem Unterschied führen, der Ihnen den Pflegegrad 4 im Folgegutachten beschert.
Innerhalb der vierwöchigen Frist reicht eine schriftliche Mitteilung an die Pflegeversicherung, dass Sie gegen den Ablehnungsbescheid Widerspruch einlegen. Hier müssen Sie noch keine Gründe angeben.
Höherstufung des Pflegegrades
Da sich das Krankheitsbild mit der Zeit stark verändern kann und es auch möglich ist, dass die Erkrankung schnell voranschreitet, kann sich natürlich auch der Pflegegrad bei Demenz mit der Zeit ändern. Sind Sie der Meinung, dass Ihr momentaner Pflegegrad nicht mehr passt, dann können Sie ihn erhöhen lassen. Auch dafür stellen Sie einen Antrag bei Ihrer Pflegekasse und erhalten eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst.
Bei der Erhöhung des Pflegegrades bei Demenz können auch Grade übersprungen werden. So kann zum Beispiel eine Person mit Pflegegrad 2, bei der sich die Krankheit in den letzten Monaten oder Jahren sehr rasant entwickelt hat, sofort den Pflegegrad 4 beantragen. Es gibt hier keine Einschränkungen, wie schnell nach der vorherigen Begutachtung die Erhöhung stattfinden kann, da sich zum Beispiel im Falle eines Schlaganfalls die gesundheitlichen Voraussetzungen innerhalb von Stunden stark verändern können.
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