Die Reform der Pflegestufen im Jahr 2017 brachte wesentliche Änderungen für Pflegebedürftige mit eingeschränkter Alltagskompetenz, insbesondere Menschen mit Demenz. Diese Reform erkannte die unzureichende Berücksichtigung geistiger Erkrankungen im alten System und führte einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff ein, der psychische und physische Ursachen der Pflegebedürftigkeit gleichsetzt. Die Umstellung auf Pflegegrade erfolgte automatisch für bestehende Pflegebedürftige, während für neue Anträge das "Neue Begutachtungsassessment" (NBA) eingeführt wurde.
Die Reform der Pflegestufen 2017
Die Kritik an den früheren Pflegestufen, die die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz nicht ausreichend berücksichtigten, führte zu einer Reform im Jahr 2017. Mit dieser Reform wurde ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt, der geistige Erkrankungen stärker in den Fokus rückt. Psychische Ursachen der Pflegebedürftigkeit werden nun den körperlichen Ursachen gleichgestellt.
Automatische Umwandlung in Pflegegrade
Im Januar 2017 wurden die bestehenden Pflegestufen automatisch in Pflegegrade umgewandelt. Diese Umwandlung führte in vielen Fällen zu einer höheren Einstufung für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz, oft eine Folge von Demenzerkrankungen. Dieser sogenannte "doppelte Stufensprung" ermöglichte es den Betroffenen, mehr Leistungen der Pflegekasse in Anspruch zu nehmen.
Das Neue Begutachtungsassessment (NBA)
Für Pflegebedürftige ohne vorherige Pflegestufe erfolgt die Einstufung seit 2017 nach dem neuen Verfahren des NBA. Im Gegensatz zum alten System, das vor allem körperliche Defizite bewertete, steht beim NBA der Grad der Selbstständigkeit im Vordergrund. Die Beurteilung erfolgt anhand eines Punktesystems.
Bewertung der Selbstständigkeit
Das NBA bewertet die Selbstständigkeit in verschiedenen Bereichen:
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- Mobilität: Wie selbstständig kann sich der Betroffene bewegen und seine Körperhaltung ändern? (Gewichtung: 10 %)
- Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Kann sich der Betroffene räumlich und zeitlich orientieren, selbstständig Entscheidungen treffen und seine Bedürfnisse mitteilen? (Gewichtung: 7,5 %)
- Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: Treten regelmäßig psychische Probleme auf und wie oft wird dafür fachliche Hilfe benötigt? (Gewichtung: 7,5 %)
- Selbstversorgung: Wie selbstständig kann sich der Betroffene waschen und pflegen? (Gewichtung: 40 %)
- Bewältigung von krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen: Wie geht der Betroffene mit krankheitsbedingten Anforderungen um und kann er diese selbstständig lösen? (Gewichtung: 20 %)
- Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte: Wie gut kann der Betroffene den Tagesablauf selbstständig planen?
Punktesystem und Pflegegrade
Anhand der Punktzahl, die in den verschiedenen Modulen erreicht wird, erfolgt die Einteilung in einen der fünf Pflegegrade. Je höher der Pflegegrad, desto umfangreicher sind die Leistungen der Pflegeversicherung.
Einheitlicher Eigenanteil im Pflegeheim
Vor der Reform führte eine höhere Pflegestufe im Pflegeheim oft zu einem höheren Eigenanteil für die Bewohner. Mit der Umstellung auf Pflegegrade zahlen nun alle Bewohner der Pflegegrade 2 bis 5 den gleichen Eigenanteil für die pflegerische Versorgung. Dies kann für Pflegeheimbewohner mit höherer Pflegebedürftigkeit zu einer finanziellen Entlastung führen.
Schutz vor Schlechterstellung
Auch Pflegebedürftige mit einer niedrigeren Pflegestufe werden durch die Reform nicht schlechter gestellt. Selbst wenn der Eigenanteil durch die Überleitung rechnerisch höher ist als vor 2017, wird die Differenz von der Pflegekasse übernommen, solange die Leistungen der vollstationären Pflege in Anspruch genommen werden.
Zusätzliche Kosten
Es ist wichtig zu beachten, dass neben dem einrichtungseinheitlichen Eigenanteil auch weiterhin Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen vom Bewohner selbst getragen werden müssen.
Zusätzliche Betreuungsleistungen
Pflegebedürftige der Pflegegrade 1 bis 5 in stationären Pflegeeinrichtungen haben Anspruch auf Maßnahmen der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung. Diese Leistungen werden durch einen Vergütungszuschlag der Pflegekassen finanziert und belasten die Bewohner nicht zusätzlich.
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Erhöhung der Pflegeleistungen
Zum Jahresbeginn 2025 steigen die meisten Pflegeleistungen um 4,5 Prozent. Die nächste reguläre Erhöhung ist für 2028 geplant und wird sich an der Preis- und Lohnentwicklung orientieren.
Leistungen im Überblick
Pflegebedürftige haben Anspruch auf verschiedene Leistungen, darunter:
- Pflegegeld: Für Pflegebedürftige ab Pflegegrad 2, die ihre Pflege teilweise selbst organisieren.
- Pflegesachleistungen: Für Pflegebedürftige ab Pflegegrad 2 zur Finanzierung eines ambulanten Pflegedienstes.
- Entlastungsbetrag: Für Tages- und Nachtpflege, Kurzzeitpflege, ambulante Pflege und Angebote zur Unterstützung im Alltag.
- Pflegehilfsmittel: Zum Verbrauch für bis zu 40 Euro monatlich.
- Verhinderungspflege: Budget für eine Ersatzpflege bei Ausfall der Pflegeperson.
- Kurzzeitpflege: Budget für eine vorübergehende stationäre Pflege.
- Tages- und Nachtpflege: Teilstationäre Pflege.
- Zuschüsse für Wohnraumanpassung: Für Maßnahmen zur barrierearmen Umgestaltung des Wohnumfelds (bis zu 4.000 Euro pro Maßnahme).
- Ergänzende Unterstützungsleistungen (eUL) für Digitale Pflegeanwendungen (DiPA): Zur Unterstützung der Einführung und Nutzung von DiPA.
- Vollstationäre Pflege: Pflege in einem Pflegeheim.
- Zuschuss zum Eigenanteil der Pflegeheimkosten: Prozentualer Zuschuss.
- Wohngruppenzuschlag und Anschubfinanzierung: Für ambulant betreute Wohngruppen.
- Gemeinsames Jahresbudget: Vereinfachter Zugang zu Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege
Pflegestärkungsgesetze (PSG)
Von 2015 bis 2017 traten schrittweise die drei Pflegestärkungsgesetze (PSG) in Kraft, um die Pflege in Deutschland zu verbessern. Diese Gesetze führten zu einer finanziellen Unterstützung von rund 12 Milliarden Euro und einer Ausweitung der Leistungen um mehr als 50 Prozent.
Die drei Pflegestärkungsgesetze im Überblick
- Pflegestärkungsgesetz I (PSG I): Neuordnung der finanziellen Pflegeunterstützung ab 2015.
- Pflegestärkungsgesetz II (PSG II): Neudefinition des Pflegebedürftigkeitsbegriffs und Einführung der Pflegegrade ab 2016.
- Pflegestärkungsgesetz III (PSG III): Weiterentwicklung der Pflegeversicherung.
Ziele der Pflegestärkungsgesetze
- Stärkung der ambulanten Pflege ("ambulant vor stationär").
- Bessere Unterstützung von Demenzkranken, psychisch Kranken und geistig Behinderten.
- Verbesserung der Leistungen für pflegende Angehörige (Beratungen, Pflegekurse, Verhinderungspflege).
- Erhöhung der finanziellen Unterstützung für Pflegebedürftige.
Pflegegrade für Demenzkranke
Seit 2017 profitieren auch Demenzkranke von den Leistungen der Pflegeversicherung, da kognitive Einschränkungen nun ebenfalls als pflegebedürftig gewertet werden. Vorher war es oft schwierig, eine angemessene Einstufung zu erhalten, wenn keine körperlichen Erkrankungen vorlagen.
Der Pflegegradrechner
Der Pflegegradrechner kann eine erste Einschätzung geben, ob ein Anspruch auf Pflegeleistungen besteht. Im Einzelfall ist die Beantwortung dieser Frage trotz aller Informationen schwierig. Der Pflegegradrechner führt Sie Schritt für Schritt durch die entscheidenden Fragen und errechnet das Ergebnis automatisch.
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Vorbereitung auf den Gutachterbesuch
Vor dem Besuch des Gutachters sollten Sie sich und Ihren demenzkranken Angehörigen gut auf das Gespräch vorbereiten. Beachten Sie, dass eine Begutachtung des MDK immer nur eine „Momentaufnahme“ des aktuellen Zustands ist. Daher empfiehlt sich die Anwesenheit eines nahen Angehörigen, um der pflegebedürftigen Person während des Gutachtens beizustehen und auf Faktoren hinzuweisen, die wichtig sind, aber nicht beachtet werden. Auch das Pflegetagebuch kann hierbei als Gedankenstütze dienen.
Leistungen für Demenzkranke
Um Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen den Alltag zu erleichtern, sieht die Pflegeversicherung verschiedene Leistungen vor; die wichtigsten sind das Pflegegeld und die sogenannten Pflegesachleistungen. Pflegebedürftige können nur eine dieser beiden Leistungen beantragen, abhängig davon, in welcher Form und von wem sie betreut werden möchten. Sind es Angehörige, die sich um die Sicherstellung der Pflege kümmern, bekommt der Pflegebedürftige ein monatliches Pflegegeld zugesprochen. Dieses ist als finanzieller Ausgleich für pflegende Angehörige vorgesehen und richtet sich in seiner Höhe nach dem bewilligten Pflegegrad.
Tages- und Nachtpflege
Ist die Demenz beispielsweise bereits weit fortgeschritten, bietet die Pflegeversicherung ab dem Pflegegrad 2 finanzielle Unterstützung in Form von Tages- oder Nachtpflege an. Der Pflegebedürftige wird dann tagsüber bzw.
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