Schlaganfall: Wenn jede Minute zählt

Ein Schlaganfall kommt plötzlich und unerwartet - wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Plötzlich fallen bestimmte Funktionen und Fähigkeiten des Gehirns aus. Jährlich erleiden zirka 270.000 Menschen in Deutschland einen Schlaganfall. Jeder Fünfte davon bereits zum wiederholten Mal. In NRW verstarben 2022 rund 10.400 Personen an einem Schlaganfall - ein Anstieg um 3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Zwei Drittel waren 80 Jahre oder älter, 1,3 Prozent noch keine 50 Jahre alt. Aber auch mehrere hundert Kinder erleiden pro Jahr einen Schlaganfall. Der Arzt Dierk Heimann erlitt mit 46 Jahren einen schweren Schlaganfall mitten in einem Vortrag. Er verlor die Kontrolle über seinen Körper und seine Fähigkeiten. Als Gast bei Planet Wissen erzählte Dierk Heimann, wie er sich zurück ins Leben kämpfte, warum er heute wieder joggen und arbeiten kann - und ob sein Schicksal ihn zu einem besseren Arzt gemacht hat. Zusammen mit Dr. Clemens Warnke von der Stroke Unit der Kölner Uniklinik verrät er, wie man die Symptome eines Schlaganfalls erkennt, warum es so wichtig ist, schnell zu handeln - und welche Behandlungsmethoden wirklich helfen. (Text: WDR)

Was ist ein Schlaganfall?

Das liegt daran, dass Regionen des Gehirns nicht mehr mit Blut versorgt werden und dadurch die betroffenen Hirnzellen absterben. Ursache dafür sind unterschiedliche Krankheiten. So werden vier von fünf Schlaganfällen durch einen Hirninfarkt verursacht. Ist der Blutfluss unterbrochen, weil zum Beispiel ein Blutpfropf oder Verkalkungen die Ader verschließen, dann wird die dahinterliegende Hirnregion nicht mehr mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Die Hirnzellen in diesem Bereich werden geschädigt und sterben ab. Und das innerhalb von nur wenigen Minuten, nachdem die Blutzufuhr unterbrochen wurde. Die zweithäufigste Erkrankung, die zum Schlaganfall führt, ist die Hirnblutung. Dabei tritt Blut unter hohem Druck aus einer Ader aus und dringt in das benachbarte Hirngewebe ein. Ursache ist meist ein Bluthochdruck und ein plötzlicher Riss der Ader, die oft schon durch eine Arterienverkalkung vorgeschädigt ist. Auch bei der Hirnblutung kommt es zu einer Mangeldurchblutung der dahinterliegenden Hirnregion, so dass die Zellen dort nicht mehr mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden.

Der Schlaganfall ist keine einheitliche Erkrankung. Der Oberbegriff "Schlaganfall" wird für eine Vielzahl unterschiedlicher Erkrankungen verwendet, die verschiedene Ursachen haben und damit auch unterschiedliche Therapien erfordern. Je nach Ursache sprechen Ärzte daher heute vom "Hirninfarkt" oder von einer "Hirnblutung".

Ursachen und Risikofaktoren

Da dem Schlaganfall andere Erkrankungen zugrunde liegen, kann er grundsätzlich jeden treffen - vom Neugeborenen bis zum Greis. Er ist also keine reine Alterskrankheit. Die Wahrscheinlichkeit, einen Schlaganfall zu bekommen, steigt jedoch mit zunehmendem Lebensalter.

Menschen mit Bluthochdruck haben ein erhöhtes Risiko für Gefäßverstopfungen. Auch bei einem zu hohen LDL-Cholesterinwert oder zu vielen Triglyceriden im Blut können sich Fette oder Zuckerbestandteile an der Gefäßwand anlagern und sie schädigen. Bei Diabetikern kommt es schneller und früher zu einer Verkalkung der kleinen und großen Blutgefäße. Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung.

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Symptome erkennen und richtig handeln

Ein Schlaganfall ist immer ein Notfall, es zählt jede Minute, denn Teile des Gehirns sind von der Sauerstoffversorgung abgeschnitten. Die Folge: Die Zellen sterben ab. Ursache ist ein verstopftes Gefäß oder eine Hirnblutung. Je länger ein betroffener Mensch nicht behandelt wird, desto gravierender sind die Folgen. Deshalb ist schnelles Handeln überlebenswichtig. Schon bei einem Verdacht sollte so schnell wie möglich gehandelt werden.

Deutschlandweit erleiden jedes Jahr rund 270.000 Menschen einen Schlaganfall, etwa 200.000 von ihnen zum ersten Mal. Mindestens ein Viertel der Patienten stirbt innerhalb von einem Jahr an den Folgen ihres Schlaganfalls. Damit es nicht soweit kommt, ist schnelle Hilfe nötig. Jede Minute zählt und ist entscheidend für das Ausmaß der Schäden im Gehirn. "Zeit ist Hirn", sagen daher die Ärzte. Das heißt auch, dass sofort der Notruf 112 zu wählen und der Rettungsdienst zu benachrichtigen ist. Leider scheuen sich immer noch viele Menschen davor, den Rettungsdienst zu rufen, und hoffen, dass die Beschwerden von selbst wieder verschwinden.

Bei Verdacht auf einen Schlaganfall ist das Wichtigste, die Telefonnummer 112 zu wählen und den Rettungsdienst zu rufen. Bis dieser eintrifft, sollte man den Patienten nicht allein lassen! Wichtig ist es auch, einengende Kleidung zu lockern und den Betroffenen bei Bewusstlosigkeit in die stabile Seitenlage zu bringen, damit die Atemwege frei bleiben. Dazu gehört auch, eine etwaige Zahnprothese zu entfernen. Überprüft werden sollten Atmung und Herzfrequenz des Patienten. Bei Herz- oder Atemstillstand müssen sofort Wiederbelebungsmaßnahmen eingeleitet werden. Notiert werden sollte auch der Zeitpunkt, zu dem die Symptome aufgetreten sind. Notarzt und Rettungsdienst kümmern sich nach ihrem Eintreffen um die Erstversorgung des Patienten. Dazu gehört die Sicherstellung von Kreislauf und Atmung. Der Patient, seine Angehörigen und weitere anwesende Personen werden zur Krankengeschichte des Patienten, zu Symptomen und Risikofaktoren befragt. Falls nötig, erhält der Betroffene Sauerstoff über eine Nasensonde oder eine künstliche Beatmung und einen venösen Zugang, über den Flüssigkeit und Medikamente verabreicht werden können. Außerdem sollte die Frage geklärt werden, ob eine Durchblutungsstörung oder eine Hirnblutung ursächlich für den Schlaganfall ist. Mit Hilfe einer speziellen Ultraschalluntersuchung, der Doppler-Sonografie, wird darüber hinaus nach Durchblutungsstörungen gesucht, zum Beispiel im Halsbereich.

Behandlung und Rehabilitation

Behandelt wird ein Schlaganfall idealerweise in speziellen Einrichtungen wie etwa einer "Stroke Unit".

Wurde der Schlaganfall durch eine Durchblutungsstörung ausgelöst, muss der Blutfluss so schnell wie möglich wiederhergestellt werden. Wenn zu viel Zeit vergangen ist oder die Lysetherapie allein nicht ausreicht oder nicht in Frage kommt, kann das Gerinnsel auch mit einem Kathetereingriff entfernt werden.

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Auf die Akutbehandlung im Krankenhaus sollte innerhalb von 14 Tagen die sogenannte Rehabilitation (Reha) folgen - also die Weiterbehandlung in einer entsprechenden Einrichtung. Das Ziel ist es, die körperlichen und geistigen Einschränkungen des Patienten zu reduzieren, indem zum Beispiel andere Hirnregionen lernen, die Funktionen der geschädigten Region zu übernehmen. Sollten nach der Reha noch Einschränkungen bestehen, kann innerhalb von drei Monaten eine Intensivierte Rehabilitationsnachsorge (IRENA) eingeleitet werden. Die Rehabilitation des Schlaganfall-Patienten kann manchmal auch ambulant durchgeführt werden, im besten Fall sogar direkt am Wohnort. Dadurch lässt sich oft die Lebensqualität des Patienten verbessern, weil er in seinem gewohnten Umfeld bleiben kann und nicht wochenlang in einer weit vom Wohnort entfernt liegenden Klinik ist.

Mit der Entlassung aus dem Krankenhaus ist die Behandlung eines Schlaganfalls noch nicht zu Ende. Denn es gilt, die Patienten wieder fit für den Alltag zu machen. Das kann gelingen, indem gesunde Hirnregionen die Funktionen der geschädigten übernehmen. Sie beginnt als sogenannte Frührehabilitation bereits in der "Stroke Unit" des Krankenhauses und setzt sich in der Regel aus Logopädie, Ergo- und Physiotherapie zusammen. Die anschließende Rehabilitation in einer stationären oder ambulanten Reha-Einrichtung besteht meist aus einer Kombination verschiedener Therapieverfahren. Mit Sprachübungen beim Logopäden werden Sprachstörungen beseitigt, sobald der Patient nach dem Schlaganfall wieder ansprechbar ist. Besonders wichtig ist dabei auch das Erkennen von Schluckstörungen und deren Behandlung. Ein neuropsychologisches Training kann helfen, komplexe Störungen zu beheben - wie Sprachstörungen, Sehstörungen und Neglekt. Ist etwa die rechte Körperseite betroffen, wird diese zum Beispiel bei der Körperpflege vernachlässigt.

Vorbeugung und Leben nach dem Schlaganfall

Zum Leben nach dem Schlaganfall gehört es auch, zu prüfen, welche Erkrankungen zum Schlaganfall geführt haben. So lassen sich möglicherweise weitere Schlaganfälle verhindern. Blutdruck, Blutzucker, Herzrhythmus und Fettstoffwechsel sollten kontrolliert werden und gegebenenfalls neu eingestellt werden. Zusätzlich kann eine Änderung des Lebensstils helfen: Rauchen und starker Alkoholkonsum sollten vermieden werden.

Wichtig ist: Nach einem Schlaganfall steigt die Gefahr, dass er sich wiederholt. Die gute Nachricht: Betroffene können selbst viel tun, um das Risiko für einen zweiten Schlaganfall zu senken. So kann sich eine Ernährungsumstellung positiv auf Blutdruck, Blutzuckerspiegel und erhöhte Cholesterinwerte auswirken. Studien haben gezeigt: Mit mediterraner Kost lässt sich das Schlaganfallrisiko um bis zu 40 Prozent senken. Dafür sollte man viel Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Nüsse und Olivenöl in den Speiseplan integrieren. Auch wenn es nicht immer leichtfällt: Regelmäßige Bewegung ist besonders wichtig, weil sie das Risiko für Gefäßablagerungen reduziert. Mindestens 70 Prozent aller Schlaganfälle sind vermeidbar. Voraussetzung ist, die persönlichen Risikofaktoren im Blick zu behalten.

Trotz einer intensiven Nachsorge brauchen Schlaganfall-Patienten viel Unterstützung: Pflegekräfte helfen beim Anziehen und Waschen, Ärzte verschreiben Medikamente, Therapeuten helfen dabei, wieder Laufen oder Sprechen zu lernen. Ehrenamtliche Schlaganfall-Helfer stehen Betroffenen im Alltag zur Seite - mit Spaziergängen, geduldigem Zuhören, mit Einkaufen und Tipps, wie Betroffene auch mit einer Hand noch selbst kochen können.

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Neuroathletik und Neurofeedback

Sendung vom 06. Muskeln per Gehirn beeinflussen - geht das? Die Neuroathletik geht davon aus, dass man das Gehirn trainieren kann, zum Beispiel über Augenübungen. Beim Neurofeedback geht es darum, die Aktivität im Gehirn willentlich zu beeinflussen. Die Gehirnströme von Menschen mit ADHS, Alkoholerkrankungen oder Angststörungen werden gemessen und mit einem gesunden Normalwert verglichen. Auch nach Schlaganfällen oder bei Parkinson-Erkrankungen versuchen Ärzte das Gehirn gezielt zu stimulieren. Bei einer Neurofeedback-Therapie lernen Patientinnen und Patienten, willkürliche Aktivitäten ihres Gehirns zu beeinflussen.

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