Der plötzliche unerwartete Tod bei Epilepsie, kurz SUDEP (sudden unexpected death in epilepsy), ist eine der wichtigsten direkten Todesursachen bei Menschen mit Epilepsie. Obwohl das Risiko gering ist, kann die Kenntnis darüber beunruhigend sein. Dieser Artikel soll umfassend über SUDEP informieren, Risikofaktoren aufzeigen, Präventionsstrategien vorstellen und Wege zum Umgang mit Sorgen und Ängsten aufzeigen.
Was ist SUDEP?
SUDEP steht für "sudden unexpected death in epilepsy" - auf Deutsch: plötzlicher unerwarteter Tod bei Epilepsie. Es handelt sich dabei um den plötzlichen und unerwarteten Tod eines Menschen mit Epilepsie, der nicht durch Unfälle, Verletzungen, Ertrinken, Vergiftung oder den Status epilepticus (anhaltender Krampfanfall) verursacht wird. Der Tod tritt meist im Schlaf ein und steht im Zusammenhang mit einem epileptischen Anfall.
Statistisch gesehen stirbt etwa 1 von 1000 Menschen mit Epilepsie pro Jahr plötzlich an der Erkrankung. Bei Kindern mit Epilepsie kommt es bei einem von 4.500 Kindern pro Jahr zu einem solchen Todesfall. Bei erwachsenen Epilepsiepatienten liegt das Risiko bei 1-10/1000.
SUDEP ist eine unterschätzte Gefahr und die wichtigste direkte Todesursache bei Epilepsie.
Ursachen und Mechanismen von SUDEP
Die genauen Mechanismen, die zu SUDEP führen, sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird angenommen, dass eine Kombination aus Atemstillstand und Herzstillstand nach einem epileptischen Anfall eine Rolle spielt.
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Die wissenschaftliche MORTEMUS-Studie zeigt, dass Betroffene in der postiktalen Phase (nach dem Krampfanfall) bei SUDEP aufhören zu atmen. Nach dem Krampfanfall ist die Gehirn-Aktivität niedrig. Im schlimmsten Fall so niedrig, dass das Gehirn kein Atem-Kommando mehr in den Körper schickt. Ohne Atmung gelangt kein Sauerstoff mehr ins Blut und das Herz hört auf zu schlagen.
Durch den Anfall kann es kurzfristig zu Funktionsausfällen des Gehirns bei der Regulierung von Atmung und Herzschlag bis hin zum Atem- und Herzstillstand kommen. In der Abklingphase des Anfalls (sog. postiktale Phase) können die Atemaussetzer besonders ausgeprägt sein.
Im Verlauf von epileptischen Anfällen kann es zu wesentlichen Veränderungen der Herzfrequenz (in Form von sehr hoher Frequenz oder Verlangsamung) und zu einer Störung der Atmung kommen, die dann zum Tod führen können.
Risikofaktoren für SUDEP
Grundsätzlich haben alle Patient:innen mit Epilepsie ein Risiko, an SUDEP zu sterben. Es gibt jedoch bestimmte Faktoren, die das Risiko erhöhen:
- Tonisch-klonische Anfälle: Diese Art von Anfällen, bei denen beide Gehirnhälften betroffen sind und es zu Verkrampfungen und Zuckungen kommt, ist am häufigsten mit SUDEP verbunden. Bei dieser Epilepsie-Form mit Verkrampfung und Zuckungen ist ein SUDEP häufiger.
- Anfälle in der Nacht: In der Nacht bemerken Hilfspersonen den Anfall seltener und können nicht helfen.
- Häufige Anfälle: Je häufiger die Krampfanfälle, desto höher ist das Risiko für SUDEP.
- Schlafposition auf dem Bauch: In dieser Position kann der Körper schlechter Luft bekommen, was möglicherweise eine Atemstörung nach dem Anfall verschlimmern kann.
- Ein früher Beginn der Epilepsieerkrankung
- Eine medikamentöse Behandlung mit mehreren Antiepileptika
- Häufiger Wechsel der Medikamente oder unregelmäßige Einnahme
- Mehrfachbehinderung
- Etwa 7-8% der Menschen, die seit ihrer Kindheit oder Jugend an einer chronischen Epilepsie leiden, sterben im Laufe ihres Lebens an einem SUDEP. Kinder und Jugendliche kann es genauso treffen wie (junge) Erwachsene und Senioren. Gefährdet sind insbesondere Personen, die nachts schwere epileptische Anfälle (Grand Mal, tonisch-klonische Anfälle) haben.
Prävention von SUDEP
Das Hauptziel bei der Prävention von SUDEP ist die Anfallsfreiheit. Es gibt verschiedene Strategien, um dieses Ziel zu erreichen und das Risiko zu minimieren:
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- Medikamentöse Behandlung: Mit Medikamenten kann man epileptische Anfälle verhindern. Bei manchen Patient:innen ist es schwierig, die perfekte Medikation zu finden. Aber es lohnt sich: Das Ziel von den Medikamenten ist eine Anfallsfreiheit - also gar keine Anfälle mehr. Und je weniger Anfälle man hat, desto niedriger ist das Risiko für SUDEP. Es ist entscheidend, die Medikamente regelmäßig und wie vom Arzt verordnet einzunehmen.
- Lebensstil-Anpassungen: Auch ein guter und ausreichender Schlaf und Alkoholverzicht können Anfälle verhindern.
- Schlafposition: In Bauchlage ist es für den Körper schwieriger, zu atmen. Deswegen empfehlen manche Experten den Epilepsie-Patient:innen, dass sie nicht auf dem Bauch schlafen sollen.
- Chirurgische Optionen: Bei fokalen Epilepsien sollte frühzeitig die Möglichkeit einer Operation in Betracht gezogen werden, falls der Patient nicht auf die Medikamente anspricht.
- Erste Hilfe nach dem Anfall: Wenn Betroffene nun doch einen Anfall haben, dann sollte man sie danach gut beobachten - mindestens eine Stunde lang. Atmet die Person? Schlägt das Herz regelmäßig? Wenn der/die Betroffene nicht atmet, dann schnell: Zuerst die 112 anrufen. Dann muss man eine Herz-Lungen-Wiederbelebung starten. Dazu drückt man 30-mal auf die Mitte vom Brustkorb (4-6cm tief). Dann beatmet man die/den Betroffenen 2-mal mit der Mund-zu-Mund-Beatmung.
- Alarm-Systeme: Damit Angehörige oder Pflegende im Notfall schnell helfen können, ist ein Alarmsystem gut. Tragbare Geräte oder Elektroden messen dabei die Körpersignale des/der Patient:in. Wenn sie einen epileptischen Anfall bemerken, dann schlagen sie Alarm. Das ist besonders nachts sinnvoll, wo Hilfspersonen den Anfall nicht selber bemerken.
- Bewegungs-Sensoren: Diese Sensoren bemerken Anfälle mit Zuckungen. Man befestigt sie am Körper. Es gibt auch Sensoren, die man am Bett installiert. Auch sie bemerken Bewegungen.
- Kameras: Eine Kameraüberwachung schlägt Alarm, wenn ihre automatische Analyse typische Krampfanfall-Bewegungen erkennt.
- Armbänder: Spezial-Armbänder messen mit Licht-Sensoren den Herzschlag und erkennen Unregelmäßigkeiten. Manche können auch messen, ob genug Sauerstoff im Blut ist. Herzschlag und Sauerstoffgehalt im Blut ändern sich bei Epilepsie-Anfällen, aber auch in anderen Situationen. Deswegen gibt es hier auch falschen Alarm.
- Spannungs-Messer: Auch Sensoren, die man auf die Haut klebt, können das Herz überwachen. Sie messen den Herzschlag und zeichnen ein EKG auf. Manche Sensoren messen die elektrische Gehirnaktivität und bemerken dann einen Anfall, den man mit bloßem Auge nicht bemerken kann.
Umgang mit Sorgen und Ängsten
Das Wissen um das SUDEP-Risiko kann bei Betroffenen und Angehörigen Ängste und Sorgen auslösen. Es gibt jedoch verschiedene Strategien, um damit umzugehen:
- Realistische Risikobewertung: Das persönliche Risiko lässt sich in einem ärztlichen Gespräch einordnen.
- Gute Information: Gut über SUDEP informiert zu sein, kann den Umgang mit Ängsten oder Sorgen erleichtern. Wissen kann auch beruhigen, indem es hilft, das Risiko für SUDEP realistisch einzuschätzen.
- Austausch mit anderen Betroffenen: Es kann guttun, Gefühle und Erfahrungen mit anderen zu teilen - das gilt für Betroffene ebenso wie für ihre Angehörigen. Gespräche mit dem Partner oder der Partnerin, aber auch mit anderen Eltern eines Kindes mit Epilepsie sind eine Möglichkeit, sich über Ängste, Sorgen und Bewältigungsstrategien auszutauschen.
- Selbsthilfegruppen: In Selbsthilfegruppen lassen sich Kontakte zu anderen Betroffenen knüpfen: Sie durchleben Vergleichbares und kennen sich mit dem SUDEP-Risiko und den damit verbundenen Gefühlen und Problemen aus. Dort ist es möglich, Themen anzusprechen, die mit nicht betroffenen Menschen oder Angehörigen oft schwer zu erörtern sind.
- Professionelle Beratung: Außerdem können auf Epilepsie spezialisierte Beratungsstellen unterstützen - auch dann, wenn sich im Laufe der Zeit neue Fragen stellen. Auf der Webseite der Deutschen Epilepsievereinigung gibt es Listen von Epilepsie-Selbsthilfegruppen und Epilepsie-Beratungsstellen. Dort findet man auch Schulungsprogramme für Angehörige, Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Epilepsie.
- Stressabbau: Anspannung und Stress im Alltag abzubauen ist wichtig für das allgemeine Wohlbefinden und kann auch die Anfallshäufigkeit beeinflussen.
- Balance finden: Bei aller Sorge um das Kind ist es aber auch wichtig, auf sich selbst zu achten und die richtige Balance zu finden. Gerade die ganz alltäglichen Dinge können guttun und Erholung schaffen. Das können Bewegung, Sport oder eine Entspannungstechnik sein - aber auch ausreichend Schlaf, ein Ausflug in die Natur, ein Kinobesuch oder ein Treffen mit Freundinnen und Freunden.
Viele Eltern sorgen sich vor allem wegen eines möglichen Anfalls ihres Kindes in der Nacht. Um ihr Kind besser im Blick zu haben, lassen sie es im gleichen Zimmer oder Bett schlafen oder halten die Türen offen. Andere Eltern nutzen Geräte zur Überwachung - zum Beispiel ein Babyfon, Handys oder spezielle Überwachungsgeräte. Solche Maßnahmen können die Erfassung von Anfällen verbessern und ein Gefühl von Sicherheit geben. Einige Angehörige berichten, dadurch besser oder wieder im eigenen Schlafzimmer schlafen zu können. Überwachungsgeräte können allerdings falschen Alarm auslösen, dadurch Angst auslösen und den Schlaf stören.
Die Angst vor einem plötzlichen Tod kann Eltern dazu bringen, ihr an Epilepsie erkranktes Kind übermäßig zu beschützen. Dabei ist es aber wichtig, das mit zunehmendem Alter wachsende Bedürfnis des Kindes nach Selbstständigkeit und Privatsphäre zu respektieren. Zudem gibt es keine hundertprozentige Sicherheit vor SUDEP - egal, was man tut. Diese Erkenntnis kann schwer auszuhalten sein. Manche Eltern von Kindern mit Epilepsie berichten, dass sie ihr Kind ständig im Auge behalten, um bei einem Anfall rechtzeitig eingreifen zu können. Nachts ist das Bedürfnis nach Kontrolle oft besonders ausgeprägt. Einige Eltern stellen ihr eigenes Leben um, sowohl privat als auch beruflich, um für ihr Kind da zu sein. Sie verzichten auf erholsamen Schlaf oder gemeinsame Unternehmungen mit anderen. Ständige Wachsamkeit, schlaflose Nächte und Vernachlässigung eigener Bedürfnisse: All das ist kräftezehrend und auf Dauer psychisch belastend.
Die Rolle der Aufklärung
Laut Umfragen sprechen Ärzt:innen nur selten mit ihren Patient:innen über dieses Risiko - mit tödlichen Folgen.
Denn nur, wer von SUDEP weiß, kann sich davor schützen. Deswegen empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Neurologie, dass Ärzt:innen schon früh mit Epilepsie-Patient:innen und Angehörigen über den plötzlichen Tod bei Epilepsie sprechen:„SUDEP () ist ein oft unterschätztes Phänomen bei Epilepsiepatienten, eine Aufklärung darüber soll - auch zur Verbesserung der Compliance - frühzeitig erfolgen. Am Mittwoch 20.
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Viele Betroffene und Angehörige wünschen sich eine frühzeitige Aufklärung über SUDEP. Wenn Ärztinnen und Ärzte rechtzeitig und gut informieren, können Ängste und Sorgen meist gut abgefangen werden.
Fazit
SUDEP ist eine ernstzunehmende Komplikation der Epilepsie, aber das Risiko kann durch eine gute Behandlung und geeignete Präventionsmaßnahmen minimiert werden. Eine offene Kommunikation mit dem behandelnden Arzt, der Austausch mit anderen Betroffenen und der Abbau von Ängsten und Sorgen sind wichtige Schritte, um mit dem Thema SUDEP umzugehen und die Lebensqualität zu verbessern.
Die vorzeitige Sterblichkeit von Menschen mit Epilepsie ist im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung etwa um das 2,3-fache erhöht. Das ist vereinfacht ausgedrückt der nicht durch Unfälle, Verletzungen, Ertrinken, Vergiftung, Status epilepticus oder andere Ursachen bedingte plötzliche und unerwartete Tod eines Menschen mit Epilepsie.
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