Einleitung
Die bakterielle Meningitis, insbesondere die durch Pneumokokken verursachte, ist eine schwerwiegende Erkrankung, die eine schnelle Diagnose und Behandlung erfordert. In Deutschland unterliegt die Pneumokokken-Meningitis in einigen Bundesländern einer Meldepflicht. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die Pneumokokken-Meningitis, einschließlich Definition, Häufigkeit, Ursachen, Diagnose, Therapie, Meldepflicht und Präventionsmaßnahmen.
Definition der bakteriellen Meningitis
Die bakterielle Meningitis bzw. Meningoenzephalitis ist eine akute, eitrige Entzündung der Hirnhäute (Meningen) sowie ggf. des Hirngewebes (Enzephalitis).
Häufigkeit und Epidemiologie
Die Inzidenz der bakteriellen Meningitis hat in Europa dank Impfungen und Hygienemaßnahmen in den letzten 30 Jahren abgenommen. In Ländern mit hohem Einkommen liegt die Inzidenz bei etwa 0,9 pro 100.000 Einwohner pro Jahr. Weltweit sind die Inzidenzen höher und liegen zwischen 10 und 80 pro 100.000 Einwohner pro Jahr. In Deutschland wurden im Jahr 2020 138 Fälle invasiver Meningokokken-Infektionen gemeldet, was einer Inzidenz von unter 0,4/100.000 entspricht. Im selben Jahr wurden 48 Fälle von Meningitis durch Listerien gemeldet.
Ätiologie und Pathogenese
Infektionswege
Die Infektion erfolgt meist hämatogen, wobei die Atemwege als Haupteintrittspforte vermutet werden, beispielsweise bei einer Pneumokokken-Pneumonie. Der Prozess umfasst mehrere Schritte: Kolonisation (vor allem des Respirationstrakts), Invasion, Replikation in der Blutbahn und Überwindung der Blut-Hirn-Schranke. Selten kann es durch septische Embolisation von Mikroben aus einem anderen Infektionsfokus (z. B. Endokarditis) ins ZNS kommen. Direkte Infektionen können bei HNO-Infektionen wie Sinusitis, Otitis oder Mastoiditis auftreten (ca. 20 % der Fälle). Seltener sind Liquorfisteln nach Schädel-Hirn-Trauma oder neurochirurgische Eingriffe Ursachen.
Erregerspektrum
- Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken): Grampositive Diplokokken, weltweit häufigster Erreger, Kapselbildung mit > 90 verschiedenen Serotypen.
- Neisseria meningitidis (Meningokokken): Gramnegative Diplokokken, 12 Serotypen (hauptsächlich pathogen sind A, B, C, W, X, Y).
- Haemophilus influenzae Typ B (Hib): Gramnegative, bekapselte Stäbchen, drastischer Rückgang seit Einführung der Impfung. Zuvor verursachte Hib schwere Infektionen wie Epiglottitis, Meningitis, Pneumonie und Sepsis.
- Listeria monocytogenes: Grampositive Stäbchen, fakultativ intrazellulär, besonders relevant für Risikogruppen (Immunsupprimierte, Schwangere, Neugeborene, Personen > 50 Jahre). Manifestiert sich als klassische Meningitis oder als schwere Hirnstammenzephalitis (Rhombenzephalitis).
- Staphylokokken: Grampositive Haufenkokken, Infektion oft sekundär nach Neurochirurgie, Trauma, Fremdkörpern oder Endokarditis.
- Streptococcus agalactiae: Grampositive beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe B, Haupterreger der Neugeborenenmeningitis (in den ersten 3 Lebensmonaten), mütterliche Besiedlung als Risikofaktor.
- Enterobacteriaceae: Gramnegative Stäbchenbakterien, z. B. E. coli, Klebsiella spp., vor allem bei Neugeborenen relevant, Infektionen auch nosokomial nach Eingriffen oder bei Immunsuppression.
Häufigste Erreger nach Altersgruppe
- Neugeborene und Säuglinge < 6 Wochen: Beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe B (50-60 %), Enterobacteriaceae (z. B. E. coli, Klebsiella, Enterobacter, Proteus), Listeria monocytogenes (0-3,5 %).
- Säuglinge > 6 Wochen und Kinder: Neisseria meningitidis (Meningokokken) (38-56 %), Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken) (34-46 %), Haemophilus influenzae (bei nicht geimpften Kindern) (2-12 %).
- Erwachsene: Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken) (10-59 %), Neisseria meningitidis (Meningokokken) (10-43 %), Listeria monocytogenes (0,8-10 %), gramnegative Enterobakterien und Pseudomonas aeruginosa (< 10 %), Staphylokokken (1-9 %), Haemophilus influenzae (1-3 %).
Prädisponierende Faktoren
Zu den prädisponierenden Faktoren gehören:
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- Vorerkrankungen
- Alkoholabhängigkeit
- Operationen im Schädel-/HNO-/Kieferbereich
- Immunsuppression bzw. Immundefekt (z. B. Neutropenie, AIDS)
- Diabetes mellitus
- Dentale Infektionen und Läsionen der Mundhöhle
- Endokarditis
- Sinusitis, Otitis media, Parotitis
- Offenes Schädel-Hirn-Trauma
- Erhöhte Trägerfrequenz von pathogenen Keimen im Pharynx
- Aufenthalt in Institutionen (Schule, Pflegeeinrichtungen usw.)
- Aufenthalt in Regionen mit endemischem Meningokokken-Vorkommen („Meningokokkengürtel“)
- Kontakt mit einem Indexfall mit bakterieller Meningitis
- Rauchen
- Veränderung der Schleimhaut im Respirationstrakt
- Infektion der Schleimhaut im Nasopharynx, in den unteren Atemwegen oder im Mittelohr
- Erkrankungen mit laufender Nase (Rhinorrhö) und Sekretion der Ohren (Otorrhö)
- Erhöhtes Risiko für eine Bakteriämie i. v. Drogenkonsum
ICD-10-Code
- G00: Bakterielle Meningitis, anderenorts nicht klassifiziert
- G00.0 Meningitis durch Haemophilus influenzae
- G00.1 Pneumokokkenmeningitis
- G00.2 Streptokokkenmeningitis
- G00.3 Staphylokokkenmeningitis
- G00.8 Sonstige bakterielle Meningitis
- G00.9 Bakterielle Meningitis, nicht näher bezeichnet
- G01: Meningitis bei andernorts klassifizierten bakteriellen Krankheiten
- G03.9 Meningitis, nicht näher bezeichnet
Diagnostische Kriterien
Die bakterielle Meningitis ist ein medizinischer Notfall und erfordert eine schnelle Diagnostik und Therapieeinleitung. Die Diagnosestellung basiert auf klinischer Symptomatik, Liquordiagnostik, zerebraler Bildgebung und Erregernachweis aus Liquor oder Blut.
Differenzialdiagnosen
Bei Kopfschmerzen und Fieber:
- Grippaler Infekt
- Influenza
- Sinusitis
- Sepsis und septischer Schock
Bei Kopfschmerzen und Meningismus:
- Andere erregerbedingte Meningitis/Enzephalitis
- Meningeosis neoplastica
- Subarachnoidalblutung (SAB)
- Zerebrale Sinus- und Venenthrombose
Anamnese
- Akuter Beginn und rasch progrediente Symptomatik meist < 24 Stunden zwischen Symptombeginn und Krankenhauseinweisung
- Hauptsymptome:
- Deutlich beeinträchtigter Allgemeinzustand
- Kopfschmerzen
- (Hohes) Fieber
- Nackensteife (Meningismus)
- Übelkeit und Erbrechen
- Lichtscheu (Photophobie)
- Verwirrtheit
- Bewusstseinsstörung (Vigilanzminderung)
- Weitere Symptome:
- Hautveränderungen (insbesondere bei Meningokokken petechiales Exanthem)
- Hirnnervenbeteiligung, z. B. Fazialisparese
- Hörminderung/-verlust, a. e. durch eitrige Labyrinthitis (10-20 %)
- Sepsis (v. a. bei Meningokokken)
- Fokal-neurologische Defizite, z. B. Sprach- und Sprechstörungen
- Epileptische Anfälle
- Symptome bei speziellen Patientengruppen:
- Atypische Präsentation ohne oder mit nur geringen Leitsymptomen insbesondere bei älteren Patient*innen möglich
- Bei Neugeborenen und Säuglingen ebenfalls unspezifische Beschwerden wie Fieber, Hypothermie, Müdigkeit, Trinkschwäche, Erbrechen, Diarrhö, Krampfanfälle
Klinische Untersuchung
Die klinischen Befunde sollten schnell und ohne Zeitverlust erhoben werden.
- Vitalparameter (Herzfrequenz, Blutdruck, Temperatur, Atemfrequenz): Zeichen von Fieber, Schock
- Allgemeine körperliche Untersuchung: Auskultation von Herz und Lunge
- Hautveränderungen: Makulopapulöses Exanthem, Petechien, Ekchymosen, Purpura, Hautnekrosen (v. a. bei Meningokokken, auch bei Streptokokken, Pneumokokken, Listerien, Hib)
- Bei Meningokokken-Meningitis oft ausgedehnter Herpes labialis
- Otoskopie (eitriger Ausfluss? Otitis media?)
- Druckschmerz/Schwellung retroaurikulär (Mastoiditis)
- Neurologische Untersuchung:
- Vigilanz (Glasgow Coma Scale)
- Orientierung (Zeit, Ort, Person, Situation)
- Meningismus: schmerzhafte Nackensteifigkeit bei passiver Anteflexion des Kopfes
- Weitere meningeale Reizzeichen (niedrige Sensitivität, hohe Spezifität):
- Brudzinski-Zeichen: reflektorische Beugung der Beine bei Anheben des Kopfes
- Kernig-Zeichen: reflektorische Beugung der Kniegelenke bei Anheben der gestreckten Beine
- Hirnnervenausfälle (v. a. III., VI., VII. und VIII. Hirnnerv, ca. 10 % der Fälle):
- III, VI: Schielen und Doppelbilder
- VII: Fazialisparese
- VIII: Hörminderung/-verlust oder Schwindel
- Sprach- oder Sprechstörungen
- Motorische oder sensible Ausfälle
Laborchemische Diagnostik
- Procalcitonin im Serum sollte bei Verdacht auf akute bakterielle Meningitis bestimmt werden. Es ist hilfreich zur Differenzierung zwischen akuter bakterieller Meningitis und viraler Meningitis (bei akuter bakterieller Meningitis fast immer erhöht).
- Liquordiagnostik soll bei Verdacht auf akute bakterielle Meningitis durchgeführt werden.
- Typische Parameter im Liquor bei bakterieller Meningitis:
- Aussehen: eitrig-trüb
- Zellzahl: > 1.000 /μl
- Zytologie: granulozytär
- Liquor-Serum-Glukose-Index: stark erniedrigt
- Laktat: > 3,5 mmol/l
- Gesamteiweiß: > 100 mg/dL
- Blut-Liquor-Schranke: schwer gestört
- Intrathekale Ig-Synthese: im Verlauf IgA, IgG
- Typische Parameter im Liquor bei bakterieller Meningitis:
Mikrobiologische Diagnostik
- Ziel: Diagnosesicherung durch Erregernachweis im Liquor und/oder in der Blutkultur
- Empfehlungen:
- Min. 2 Blutkultur-Sets sollen vor Antibiotikatherapie abgenommen werden.
- Gramfärbung und Versuch des kulturellen Erregernachweises sollen erfolgen.
- Multiplex-PCR (Meningitis-Panel) sollte ergänzend zum Einsatz kommen.
- Eingesetzte Verfahren:
- Mikroskopisch mittels Gramfärbung (oder Methylenblau-Färbung)
- Molekulargenetisch mittels PCR:
- Einzel-PCR
- Multiplex-PCR-Meningitis-Panels für die häufigsten viralen und bakteriellen Erreger
- Bakteriologisch mittels Kultur (Goldstandard): erlaubt zusätzlich Resistenzprüfung (Antibiogramm)
Bildgebende Untersuchungen
- Kraniale Computertomographie (CCT) soll in der Akutphase bei klinischem Verdacht auf einen erhöhten intrakraniellen Druck vor der LP erfolgen
- Kraniale Magnetresonanztomographie (cMRT) Sollte bei nicht erklärbaren klinischen Zeichen, unklaren CT-Befunden bzgl. des Infektionsfokus oder bei klinischer Verschlechterung unter Antibiotikatherapie durchgeführt werden.
- Typische MRT-Veränderungen bei einer bakteriellen Meningitis:
- Leptomeningeale und/oder durale Kontrastmittelaufnahme
- Entzündliches Exsudat (Eiter) in den kortikalen Sulci und/oder basalen Zisternen
- Ggf. Nachweis von intrakraniellen Komplikationen (z. B. Ischämien, Hydrozephalus)
- Typische MRT-Veränderungen bei einer bakteriellen Meningitis:
Ergänzende Untersuchungen
- HNO-ärztliche Untersuchung soll möglichst frühzeitig erfolgen: Suche nach parameningealem Infektfokus, z. B. Mastoiditis, Sinusitis oder Otitis media. Voraussetzung für rasche operative HNO-Infektsanierung (innerhalb 24-48 Std.)
- Im Verlauf: Überprüfung des Hörvermögens (Audiometrie)
- Weitere Infektfokussuche z. B. Röntgenaufnahmen des Thorax, Abdomen-Sonographie/CT, Echokardiographie
- Transkranielle Dopplersonographie (TCD) bei zerebrovaskulärer Komplikationen (zerebrale arterielle Vaskulopathie)
Indikationen zur Klinikeinweisung
Bei Verdacht auf eine Meningitis oder Enzephalitis unverzügliche Krankenhauseinweisung.
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Therapie
Therapieziele
- Letalen Verlauf verhindern
- Infektion sanieren
- Komplikationen vermeiden
Allgemeines zur Therapie
Ein frühzeitiger, schneller Behandlungsbeginn ist entscheidend für die Prognose. Möglichst innerhalb 1 Stunde nach Eintreffen im Krankenhaus. Ggf. präklinische Stabilisierung der Vitalparameter z. B. Flüssigkeitssubstitution bei Hypotonie oder Sauerstoffgabe bei Hypoxie. Behandlung auf einer Intensivstation in der Initialphase einer bakteriellen Meningitis. Engmaschige klinische Überwachung. Erste Woche der Erkrankung als kritische Phase. Komplikationen in etwa 50 % der Fälle. Zur supportiven Therapie siehe auch Sepsis-Behandlung.
Medikamentöse Therapie
Antibiotikatherapie
Frühzeitiger Therapiebeginn (unmittelbar nach Lumbalpunktion bzw. Blutkulturen). Initiale, empirische Antibiotikatherapie bei Erwachsenen mit ambulant erworbener bakterieller Meningitis: Cephalosporin Gruppe 3a (z. B. Ceftriaxon oder Cefotaxim) Dosierung Ceftriaxon 2 x 2 gAmpicillin Dosierung Ampicillin 6 x 2 g. Bei bekanntem Erreger und ggf. vorliegender Resistenzprüfung (Antibiogramm) Anpassung auf eine gezielte antibiotische Therapie. Dauer der Antibiotikatherapie abhängig von Erregerart und Therapieansprechen:
- Pneumokokkenmeningitis: 10-14 Tage
- Meningokokkenmeningitis: 7-10 Tage
- Haemophilus-influenzae-Meningitis: 7-10 Tagen
- Listerienmeningitis oder Enterobakterien: oft > 3 Wochen
Dexamethason
Wirkung adjuvanter Therapie mit Kortikosteroiden: signifikante Reduktion von Letalität und Komplikationen bei Pneumokokkenmeningitis. Reduktion von Hörschäden bei Meningokokkenmeningitis. Widersprüchliche Ergebnisse zum Einfluss auf die Letalität bei Listerieninfektionen. Empfehlung: soll bei Erwachsenen zusätzlich zu Antibiotika in der Initialtherapie gegeben werden. Beginn unmittelbar vor Gabe des Antibiotikums (oder zeitgleich) Dexamethason 4 x 10 mg i. v. Bei Pneumokokkenmeningitis Fortführung über 4 Tage. Bei Meningokokkenmeningitis Einsatz ggf. bei Hörstörung.
Weitere Therapien
Operative Fokussanierung
Operative Sanierung eines lokalen HNO-Infektfokus als Ursache der Meningitis möglichst innerhalb von 24 Stunden, z. B. Sinusitis, Mastoiditis, Otitis media.
Umgebungsschutz
Maßnahmen bei Meningokokkenerkrankung
Meningokokken-Erkrankung führt im Umfeld zu einem erhöhten Erkrankungsrisiko. Übertragung über oropharyngeale Sekrete. Inkubationszeit von meist 3-4 Tagen (Spanne 2-10 Tage). Isolation bei Verdacht auf Meningokokken-Meningitis bis 24 Stunden nach Beginn einer wirksamen Antibiotikatherapie. Prophylaxe bei Kontaktpersonen: Identifikation von Kontaktpersonen und Aufklärung über Risiken und Symptome durch das Gesundheitsamt. Chemoprophylaxe muss schnellstmöglich begonnen werden (sinnvoll bis max. 10 Tage nach letztem Kontakt). Substanzen: Rifampicin, Ciprofloxacin, Ceftriaxon und Azithromycin. Ggf. zusätzlich postexpositionelle Meningokokkenimpfung mit einem Impfstoff gegen entsprechende Serogruppe (A, C, W, Y und B).
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Meldepflicht
Meldepflicht entsprechend Infektionsschutzgesetz (IfSG § 6 Meldepflichtige Krankheiten)
Krankheitsverdacht, Erkrankung sowie Tod an Meningokokken-Meningitis oder -Sepsis sind meldepflichtig. Unverzügliche, namentliche Meldung durch die feststellenden Ärzt*innen, d. h. ohne zeitliche Verzögerung, jedoch innerhalb von 24 Stunden an das Gesundheitsamt, das für den Aufenthalt der betroffenen Person zuständig ist.
Meldepflicht entsprechend Infektionsschutzgesetz (IfSG § 7 Meldepflichtige Nachweise von Krankheitserregern)
Meldung durch die Leiter*innen des untersuchenden Labors. Namentliche Meldung bei Krankheitserregern, die auf eine akute Infektion hinweisen:
- Haemophilus influenzae (Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Liquor oder Blut)
- Listeria monocytogenes (Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Blut, Liquor oder anderen normalerweise sterilen Substraten sowie aus Abstrichen von Neugeborenen)
- Neisseria meningitidis (Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Liquor, Blut, hämorrhag… bei Nachweis einer Carbapenemase-Determinante oder mit verminderter Empfindlichkeit gegenüber Carbapenemen außer bei natürlicher Resistenz; Meldepflicht nur bei Infektion oder Kolonisation.
Pneumokokken-Infektionen
Erregerspezifische Aspekte
Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae) sind grampositive Kokken, die häufig in Form von Diplokokken vorliegen. Sie sind weltweit verbreitet, wobei die Serotypen regional variieren. Die Immunität gegen Pneumokokken ist typspezifisch und wird hauptsächlich durch Antikörper vermittelt.
Diagnostik
Der direkte Erregernachweis (Kultur) steht bei Pneumokokken-Infektionen im Vordergrund. Geeignete Materialien sind:
- Blutkulturen: Fast immer sinnvoll, insbesondere bei Verdacht auf invasive Infektionen.
- Atemwegssekret: Bei Pneumonie (BAL oder geschützte Bürste ideal, Sputum am ungünstigsten).
- Pleurapunktat: Bei parapneumonischem Erguss.
- Liquor: Bei Meningitis (bei negativer Kultur ist auch ein Nachweis mittels panbakterieller 16S-rDNA-PCR möglich).
- Abstrich aus dem mittleren Nasengang: Bei Sinusitis.
- Material vom vermuteten Infektfokus: Bei Sepsis.
Therapie
In der Regel sollte mit einem β-Laktam-Antibiotikum behandelt werden. Bei ambulanten Patienten können neben Amoxicillin auch Amoxicillin+Clavulansäure, Ampicillin+Sulbactam (Sultamicillin), Cefuroxim(-Axetil), Cefpodoxim, Doxycyclin und neuere Fluorchinolone (Levofloxacin, Moxifloxacin) für die kalkulierte Therapie eingesetzt werden. Vor dem Einsatz von Penicillin V oder Makroliden (z. B. Clarithromycin) sollte ein sensibles Ergebnis in der Resistenztestung vorliegen. Bei stationären Patienten kommt neben den bei leichteren Verläufen ebenfalls eingesetzten o. g. Medikamenten eine intravenöse Therapie mit β-Laktam-Antibiotika in Betracht. Bei Pneumonien erfolgt die kalkulierte Therapie häufig mit 1x2 g Ceftriaxon, alternativ können 3x2 g Cefotaxim, 3x1,5 g Cefuroxim, 4x2 g Ampicillin oder 4x5 Mio. IE Penicillin G verwendet werden. Nach Erhalt eines sensiblen Ergebnisses für Penicillin in der Resistenztestung kann in der Regel auf 4x3 Mio. IE Penicillin G deeskaliert werden. Penicillin-resistente Isolate (in Deutschland bisher sehr selten, knapp 10 % der bei uns angezüchteten Stämme invasiver Infektionen sind allerdings intermediär sensibel) können z. B. mit Ceftriaxon±Vancomycin, Moxifloxacin oder Linezolid behandelt werden. Für die Behandlung der Pneumokokken-Meningitis eignet sich am besten Cefotaxim (3x2 g), alternativ auch Ceftriaxon (1x2 g). Bei schwer verlaufenden Pneumokokken-Infektionen kommt nach vorläufigen Studienergebnissen eine Kombinationstherapie aus β-Laktam-Antibiotikum (z. B. Cefotaxim) und Makrolid in Betracht, diese ist möglicherweise mit einer höheren Überlebensrate assoziiert. Die Therapiedauer beträgt bei Pneumokokken-Infektionen in der Regel 5-10 Tage (bzw. weitere 3-5 Tage nach Entfieberung).
Prävention
Gut wirksame Konjugatimpfstoffe sind insbesondere für die Anwendung bei Kindern etabliert und dringend anzuraten. Derzeit wird von der STIKO ein Schema mit vier Impfungen (im Alter von 2, 3, 4 und 11-14 Monaten) allgemein empfohlen, dieses könnte bei sinkendem Infektionsdruck zukünftig auf ein Schema mit drei Impfungen vereinfacht werden (dieses ist für beide Konjugatimpfstoffe bereits ab einem Alter von 2 Monaten zugelassen, bei späterem Impfbeginn verringert sich die Zahl der Injektionen ohnehin). Auf dem Markt sind ein 13valenter und ein 10valenter Konjugatimpfstoff. Der 13valente Impfstoff ist bei höherem Preis aus theoretischer Sicht besser für die Impfprophylaxe invasiver Pneumokokkeninfektionen geeignet, da zwei der darin im Unterschied zum 10valenten Impfstoff enthaltenen Serotypen auch in Deutschland zirkulieren und bei Kindern invasive Infektionen verursachen (3 und 19A). Für Kinder ab dem vollendeten 2. Lebensjahr sowie junge Erwachsene handelt es sich bei der Pneumokokken-Vakzine um eine Indikationsimpfung (z. B. bei angeborener und erworbener Immunschwäche, chronischen Krankheiten wie Diabetes, COPD und chronischen Nierenkrankheiten, Details siehe STIKO-Empfehlungen). Hier kommen je nach genauer Situation die Konjugatimpfstoffe und/oder der 23valente Polysaccharidimpfstoff in Betracht. Allgemein empfohlen ist die Polysaccharidimpfung für Senioren ab 60 Jahren. In der Regel wird nur eine einmalige Impfung im Alter von 60 Jahren verabreicht, Auffrischungen erfolgen nur bei ganz bestimmten Indikationen.
Meldepflicht für Pneumokokken-Infektionen
Laut Infektionsschutzgesetz sind durch Pneumokokken verursachte Erkrankungen in Deutschland nicht generell meldepflichtig. Einige Bundesländer haben per Landesverordnung eine Meldepflicht (überwiegend für invasive Infektionen) eingeführt:
- Labormeldepflicht in: Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt, Brandenburg
- Klinische Meldepflicht für Meningitiden: in Sachsen
In den übrigen Bundesländern ist die Surveillance invasiver Infektionen freiwillig (Pneumoweb, Nationales Referenzzentrum für Streptokokken an der RWTH Aachen).
Meningokokken-Erkrankungen: Prävention und Postexpositionsprophylaxe (PEP)
Postexpositionsprophylaxe (PEP)
Die postexpositionelle Prophylaxe (PEP) dient der Vermeidung des Auftretens weiterer Erkrankungen (sog. sekundärer Krankheitsfälle). Beim Auftreten einer invasiven Meningokokken-Erkrankung muss die Ausbreitung des Bakteriums verhindert werden. Eine postexpositionelle Prophylaxe (PEP) sollte bei nachgewiesener invasiver Meningokokken-Erkrankung oder Meningokokken-Konjunktivitis durchgeführt werden. Die Erkrankung ist nachgewiesen, wenn zu einem passenden klinischen Krankheitsbild auch der mikrobiologische Nachweis von N. meningitidis aus entsprechend entnommenem Patientenmaterial vorliegt. Darüber hinaus kann im Falle einer wahrscheinlichen invasiven Meningokokken-Erkrankung bei entsprechendem Kontakt eine PEP empfohlen werden. Hierbei spricht die klinische Diagnose am ehesten für eine invasive Infektion mit N. meningitidis, ohne dass ein Labornachweis vorliegt. Ist die Indikation einer PEP gegeben, sollte sie so schnell wie möglich durchgeführt werden. Der Kreis derjenigen Personen, die eine PEP erhalten sollten, ist durch das RKI in der Empfehlung der STIKO klar definiert. Die PEP sollte auf Personen beschränkt werden, die mit Sekreten des Mund /Nasenbereichs, bzw. der Atemwege in Berührung gekommen sein könnten. Hierzu zählen beispielsweise Sexualpartner, evtl. enge Freunde, feste Banknachbarn in der Schule. Prophylaxemaßnahmen sollten nicht undifferenziert auf Schüler einer ganzen Schulklasse ausgedehnt werden. Die Empfehlung der STIKO definiert den Kreis der Kontaktpersonen eindeutig nach dem Risiko des direkten Kontakts mit oropharyngealen Sekreten. Wer nicht direkt diesem Risiko ausgesetzt ist, für den ist keine Prophylaxe empfohlen.
Antibiotische Prophylaxe
Mittel der Wahl für Kinder ist Rifampicin. Es wird bei Säuglingen, Kindern und Jugendlichen bis 60 kg über 2 Tage in einer Dosierung von 2 x 10 mg/kg KG/Tag gegeben (maximale ED 600 mg). Jugendliche ab 60 kg und Erwachsene erhalten 2 x 600 mg/Tag für 2 Tage. Bei Neugeborenen im 1. Lebensmonat beträgt die Dosis 2 x 5 mg/kg KG/Tag ebenfalls für 2 Tage. Weiterhin ist eine Prophylaxe mit Ceftriaxon (i. m. Applikation) mit einer einmaligen Gabe von 125 mg bei Kindern unter 12 Jahren und 250 mg bei Kontaktpersonen über 12 Jahren möglich. Bei Schwangeren ist Ceftriaxon das Mittel der Wahl. Alternativ ist die Gabe von Azithromycin möglich (einmalig 500 mg p.o.).
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