Die Welt der Pokémon ist bunt, aufregend und für viele ein wichtiger Teil ihrer Kindheit. Doch hinter der Fassade der harmlosen Unterhaltung verbirgt sich ein dunkles Kapitel: die sogenannte "Pokémon-Epilepsie-Folge". Diese Episode, die weltweit für Aufsehen sorgte, führte zu einem beispiellosen Vorfall und warf einen Schatten auf die gesamte Anime-Serie.
Der Auslöser: "Dennō Senshi Porygon"
Die verhängnisvolle Episode trägt den Titel "Dennō Senshi Porygon" (auf Deutsch etwa: "Computer-Soldat Porygon") und ist die wohl bekannteste verbotene Folge der Pokémon-Anime-Reihe. Sie wurde in Japan am 16. Dezember 1997 ausgestrahlt, sollte die 38. Episode der Serie sein und zeigte Ash und seine Freunde in einer digitalen Welt.
Die Handlung ist schnell zusammengefasst: Team Rocket hat einen Virus in das Pokéball-Transportsystem der Pokémon Center eingeschleust, um so hoffentlich die Pokémon abzugreifen. Um den Virus zu besiegen, begeben sich Ash, Misty und Rocko mit Hilfe des digitalen Pokémon Porygon ebenfalls in den Cyberspace.
Etwa 20 Minuten nach Beginn der Episode kam es zu dem folgenschweren Ereignis: Ashs Pikachu wehrte vier Raketen mit einem Donnerblitz ab. Dabei entstand eine Explosion, die durch ein schnelles Flackern in Rot und Blau dargestellt wurde. Dieses Flackern, das mit einer Frequenz von 12 Hz über vier Sekunden andauerte, löste bei einer großen Anzahl von Zuschauern gesundheitliche Probleme aus.
Die Folgen: Der "Pokémon-Schock"
Ungefähr bis etwas über 700 Personen, darunter 685 Kinder (310 Jungen und 375 Mädchen), suchten aufgrund von Beschwerden ein Krankenhaus auf. Sie klagten über Symptome wie Übelkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Sehstörungen und in einigen Fällen sogar über epileptische Anfälle. Der Vorfall ging als "Pokémon-Schock" in die Geschichte ein und sorgte für weltweite Schlagzeilen.
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Die Ausstrahlung von "Pokémon" wurde in Japan für mehrere Monate unterbrochen. Der erste Pokémon-Film "Mewtu schlägt zurück" musste angepasst werden, da die Hintergrundgeschichte des Films aufgrund der Pause erst nach dem Kinostart in den Film gepackt werden musste.
Die Reaktion: Weltweites Verbot und Vorsichtsmaßnahmen
Infolgedessen wurde die Episode nie mehr ausgestrahlt, weder in Japan noch in anderen Ländern. Sie verschwand im Giftschrank und wurde zu einem Tabuthema innerhalb des Pokémon-Franchise. Auch hatten Porygon und seine Entwicklungen seitdem keine Auftritte mehr im Anime. Vermutlich sollte damit sichergestellt werden, dass so ein Desaster nicht noch einmal passieren kann. Immerhin stand die Pokémon-Serie hier noch ganz am Anfang und die negative PR hätte ihr dauerhaft schaden können. Denn die Explosion, die zu den blinkenden Lichtern führte, wurde gar nicht von Porygon, sondern von Pikachu ausgelöst.
Die "Pokémon-Epilepsie-Folge" hatte weitreichende Auswirkungen auf die gesamte Anime-Industrie. Viele Animes in Japan zeigen seitdem eine Epilepsie-Warnung, die bei den meisten davon auch noch animiert ist. Diese Warnungen sollen Zuschauer mit Photosensibilität auf mögliche Risiken hinweisen und sie dazu auffordern, den Fernseher nicht in einem dunklen Raum zu schauen und ausreichend Abstand zum Bildschirm zu halten.
Die Ursachenforschung: Eine Massenhysterie?
Allerdings sorgten die Berichte von rund 12.000 betroffenen Kindern für Ratlosigkeit bei den Experten. Eigentlich haben nämlich nur rund ein Prozent der Menschen Epilepsie und nur drei Prozent der Betroffenen leiden unter photosensitiver Epilepsie. Grund genug, die Angelegenheit noch einmal genauer zu untersuchen.
Spätere Untersuchungen deuteten darauf hin, dass die hohe Anzahl der Betroffenen möglicherweise nicht nur auf die Lichteffekte der Episode zurückzuführen war. Einige Experten vermuten, dass es sich um eine Art Massenhysterie gehandelt haben könnte, die durch die Berichterstattung in den Medien verstärkt wurde. Viele Kinder haben die Folge der Serie gar nicht live bei der Erstausstrahlung angesehen, sondern erst später, als sie bereits um die Möglichkeiten wussten. "Es ist nicht so, dass sie das vortäuschen. Es ist auch nicht so, dass sie sich das einbilden.
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Weitere "verbotene" Pokémon-Episoden
Die "Pokémon-Epilepsie-Folge" ist zwar der bekannteste Fall, aber nicht die einzige Episode, die aus verschiedenen Gründen nicht ausgestrahlt wurde oder nachträglich aus dem Programm genommen wurde. Einige Beispiele:
- Ōmisokada yo! Geplant als Folge 40, sollte diese Episode am 31.12.1997 ausgestrahlt werden. Nach den Vorfall von EP038 wurde der Sendeplan verändert und diese Folge nie ausgestrahlt.
- Yureru Shima no Tatakai! Diese Episode wurde in Japan nie gesendet, weil sie thematisch von einem Erdbeben handelte, welches von einigen Welsar verursacht wurde. Aber da zum Zeitpunkt der Erstausstrahlung (04.11.2004) in Japan einige größere Erdbeben waren, wurde auf die Ausstrahlung dieser Episode in Japan verzichtet. Auch auf den DVDs zur Serie wurde diese Folge ausgelassen.
- Rocket-dan VS Plasma-dan! (Zenpen) und Rocket-dan VS Plasma-dan! Die geplanten Zeitpunkte der Ausstrahlung in Japan lagen nur wenige Tage nach dem Tōhoku-Erdbeben 2011 welches katastrophale Folgen in Japan hatte. Inwieweit diese Ereignisse die Austrahlung beeinflussten ist unklar, jedoch lässt sich ein inhaltlicher Zusammenhang erkennen, da Professor Esche in der Episode Ansturm der Toxiped!
- Beauty and the Beach: In dieser Episode verkleidet sich James von Team Rocket als Frau und trägt künstliche Brüste. Aufgrund dieser Darstellung wurde die Folge in einigen Ländern nicht ausgestrahlt.
- The Legend of Dratini: Diese Episode wurde in den USA aufgrund der Darstellung von Gewalt, unter anderem durch Faustfeuerwaffen, nicht ausgestrahlt.
- Rossanas Odyssee und weitere Episoden mit Rossana: Nach Beschwerden über Rossanas Darstellung als Stereotyp einer schwarzen Frau wurden Episoden, in denen Rossana mit schwarzer Hautfarbe auftritt, in den USA gebannt.
- Satoshi to Nagetukesaru! Die Folge wurde vermutlich nicht ausgestrahlt, weil sich Ash hier als Quartermak verkleidet.
- Episoden in Südkorea: In Südkorea wurden einige Folgen nicht ausgestrahlt, die Bezug nehmen auf die japanische Kultur, da Südkoreaner den Japanern gegenüber voreingenommen sind. Dies betraf Episoden mit Samurai, japanischen Traditionen, traditioneller japanischer Kleidung oder Ninjas.
- Tentacha und Tentoxa und Der Terror-Turm: In den Vereinigten Staaten wurden diese Folgen nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 aus der Sendereihe genommen. "Tentacha und Tentoxa" wegen der Zerstörung von Porta Vista durch das riesige Tentoxa, "Der Terror-Turm" einfach wegen des Titels.
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