Die Annahme, dass Epilepsie eine Person in ihren Fähigkeiten einschränkt, wird durch die lange Liste von Persönlichkeiten widerlegt, die trotz dieser neurologischen Erkrankung Herausragendes geleistet haben. Diese Liste reicht von biblischen Figuren wie Bileam über historische Größen wie Julius Caesar und Apostel Paulus bis hin zu Künstlern und Denkern wie Kardinal Richelieu, Napoleon, Fjodor Dostojewskij und Vincent van Gogh. Viele dieser Persönlichkeiten wurden von Künstlern porträtiert, was ihre Bedeutung in der Geschichte und Kultur unterstreicht.
Epilepsie im historischen Kontext: Kunst und Stigmatisierung
Während viele berühmte Epilepsiekranke in Gemälden und Skulpturen verewigt wurden, sind Darstellungen von Kindern mit Epilepsie selten. Dies dürfte daran liegen, dass diese Kinder zu Lebzeiten weniger bekannt waren und ihre Familien sie nicht als "Schauobjekte" präsentieren wollten.
Ein Beispiel für ein Kind mit Epilepsie, das in der Kunst dargestellt wurde, ist Don Filippino, der Sohn von Erzherzogin Johanna von Österreich. Ein Gemälde in den Uffizien in Florenz zeigt ihn als ernstes Kind, was möglicherweise auf seine gesundheitlichen Probleme hindeutet.
Die Geschichte von Don Filippino wirft ein Licht auf die medizinischen Praktiken der damaligen Zeit. Nach seinem Tod wurde eine Schädelöffnung durchgeführt, bei der "reichlich Wasser" im Gehirn gefunden wurde. Eine spätere Autopsie im Jahr 2004 bestätigte die Diagnose eines Hydrozephalus.
Epilepsie in Adelsfamilien: Zwischen Vererbung und Stigmatisierung
Epilepsie trat auch in verschiedenen europäischen Adelsfamilien auf, was zu Stigmatisierung undDiskussionen über die Vererbbarkeit der Krankheit führte.
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Franz Joseph, Kaiser von Österreich, bestieg den Thron, nachdem sein Onkel Ferdinand I. aufgrund seiner psychischen Auffälligkeiten und Epilepsie zurückgetreten war. Auch Franz Josephs Nichte, Erzherzogin Maria Anna Karolina, erkrankte im Alter von zwei Jahren an Epilepsie. Die Ursache ihrer Anfälle ist unbekannt, aber eine genetische Veranlagung wird vermutet, da mehrere ihrer Onkel ebenfalls an Epilepsie litten.
Ein weiteres Beispiel ist Prinz John Charles Francis von Großbritannien und Irland, der Sohn von König Georg V. Er litt unter psychischen Problemen, Entwicklungsverzögerungen und epileptischen Anfällen. Aufgrund seines Zustands lebte er abseits der Öffentlichkeit auf einer Farm. Es gibt nur wenige künstlerische Darstellungen von ihm, aber ein Aquarell zeigt ihn im Alter von etwa vier Jahren.
Epilepsie und Kunst: Napoleon und die Begegnung in Stammersdorf
Ein Gemälde im Schloss Versailles zeigt eine bemerkenswerte Szene: die Begegnung zwischen Kaiser Napoleon und Erzherzog Karl von Österreich im Jagdschloss von Stammersdorf im Dezember 1805. Erzherzog Karl litt ebenfalls an Epilepsie. Die Begegnung fand anlässlich des Friedensschlusses von Pressburg statt, und Napoleon bot Erzherzog Karl als Zeichen seines Wohlwollens seinen Degen an.
Historische Persönlichkeiten mit Epilepsie: Julius Caesar und Apostel Paulus
Julius Caesar war eine weitere historische Figur, die an Epilepsie litt. Schon zu seinen Lebzeiten wurde offen über seine Anfälle gesprochen, die in Biografien oft als "morbus comitialis" bezeichnet wurden. Plutarch beschreibt Caesar als hager und von Kopfschmerzen und epileptischen Anfällen geplagt, betont aber auch, dass Caesar seine Krankheit nicht als Vorwand für ein nachgiebiges Leben nutzte.
Der Apostel Paulus ist eine weitere prominente Figur, bei der vermutet wird, dass er an Epilepsie litt. Viele Darstellungen zeigen ihn während seines Anfalls, oft als Sturz vom Pferd. Paulus selbst spricht in seinen Briefen von einem "Dorn in seinem Fleisch", was als Hinweis auf seine Epilepsie interpretiert wird. In Fachkreisen spricht man noch heute von einem "Paulus-Anfall", wenn ein epileptisches Geschehen mit vorübergehender Blindheit einhergeht.
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Kardinal Richelieu und Dostojewskij: Epilepsie als Teil der Persönlichkeit
Auch Kardinal Richelieu, der französische Staats- und Kirchenmann, litt vermutlich an Epilepsie. Zeitgenössische Ärzte und Biographen beschrieben seine Krankheit, die er vergeblich mit Duftessenzen zu behandeln versuchte.
Fjodor Dostojewskij, einer der größten Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, ist wohl der berühmteste Epilepsiekranke. Es gibt genaue Schilderungen seiner häufigen epileptischen Anfälle, und seine Krankheit beeinflusste sein Leben und seine schriftstellerische Tätigkeit stark. Er verlieh mehreren Hauptfiguren seiner Romane eine Epilepsie, darunter Fürst Myschkin in "Der Idiot" und Smerdjakow in "Die Brüder Karamasow". Viele Biographen sind der Ansicht, dass Dostojewskijs Werk ohne seine Epilepsie ganz anders ausgefallen wäre.
Gustave Flaubert und Vincent van Gogh: Epilepsie und künstlerischer Ausdruck
Auch Gustave Flaubert, ein weiterer bedeutender Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, litt an Epilepsie. Sein Zeitgenosse Maxime Du Camp beschrieb einen seiner Anfälle detailliert.
Vincent van Gogh wurde im Krankenhaus im südfranzösischen Arles mit "Petit mal intellectuel" diagnostiziert, was heute als fokale Epilepsie mit partial-komplexen Anfällen bezeichnet wird. Er wurde mit Brom-Kalium behandelt, dem damals einzigen verfügbaren Anfallssuppressivum. Van Goghs Selbstporträts lassen zwar keine direkten Rückschlüsse auf seine Epilepsie zu, spiegeln aber möglicherweise seine leidvollen Lebenserfahrungen wider.
Jean-Martin Charcot und Marie "Blanche" Wittman: Epilepsie als Demonstrationsobjekt
Jean-Martin Charcot, ein angesehener Neurologe des 19. Jahrhunderts, demonstrierte in seinen "Dienstag-Vorlesungen" am Hôpital de la Salpêtrière in Paris häufig Patienten mit eindrücklichen Krankheitssymptomen. Sein berühmtestes "Demonstrationsobjekt" war Marie "Blanche" Wittman, die mit 18 Jahren mit der Diagnose "Epilepsie" in die Klinik eingewiesen worden war. Charcot stellte sie häufig in seinen Vorlesungen vor und demonstrierte an ihr Krankheitssymptome, die sie quasi auf Befehl oder unter Hypnose produzieren konnte. Ein Gemälde von Pierre Aristide André Brouillet zeigt eine solche Szene, in der Charcot doziert und Joseph Babinski Marie Wittman vor einem drohenden Sturz bewahrt.
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Epilepsie heute: Herausforderungen und Fortschritte
In Deutschland leben heute schätzungsweise 600.000 bis 800.000 Menschen mit Epilepsie. Die Erkrankung kann in jedem Alter auftreten und äußert sich in unterschiedlichen Anfallsformen.
Die Diagnose Epilepsie wird gestellt, wenn mindestens zwei unprovozierte epileptische Anfälle aufgetreten sind. Es gibt jedoch auch epileptische Anfälle, die sehr kurz sind, sogenannte "Absencen", die vor allem bei Kindern vorkommen.
Die Behandlung von Epilepsie hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Es stehen viele Medikamente zur Verfügung, darunter auch neue Wirkstoffe mit weniger Nebenwirkungen. In einigen Fällen ist auch eine Operation möglich, um den Teil des Gehirns zu entfernen, der für die Anfälle verantwortlich ist.
Trotz der Fortschritte in der Behandlung bleibt die Akzeptanz der Krankheit eine Herausforderung. Viele Menschen mit Epilepsie fühlen sich stigmatisiert und haben Angst vor Anfällen in der Öffentlichkeit.
Epilepsie im Nationalsozialismus: Stigmatisierung, Zwangssterilisation und "Euthanasie"
Im Nationalsozialismus waren Menschen mit Epilepsie besonders stigmatisiert. Sie waren vom "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" betroffen und wurden zwangssterilisiert. Nach Beginn der sogenannten "Euthanasie"-Aktionen waren sie vom Tod bedroht.
Die Krankenakten der ehemaligen Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt (PHPA) Bonn geben Einblick in das Schicksal von Menschen mit Epilepsie in der NS-Zeit. Die Akten zeigen, dass Patientinnen und Patienten oft nicht freiwillig in der Anstalt waren und dass Ärzte und Pfleger negative Zuschreibungen vornahmen.
Es gab wenig Protest gegen die drohende Sterilisation, obwohl einige Angehörige versuchten, die Operation zu verhindern. Die Sterilisation wurde in der Regel in der Universitäts-Frauenklinik oder der Chirurgischen Klinik durchgeführt, und die Patientinnen und Patienten kehrten danach oft in die PHPA Bonn zurück.
In den Ego-Dokumenten der Patientinnen und Patienten finden sich kaum Schilderungen der Operation. Eine Frau mit Epilepsie, die 1936 sterilisiert wurde, berichtete jedoch Jahrzehnte später, dass sie und ihre Eltern aus Angst vor Strafe der Operation zugestimmt hatten.
Auch "Gesunde" aus "Epileptikersippen" waren von der Stigmatisierung betroffen. Der Schwager einer Patientin fragte besorgt bei der Bonner Heilanstalt an, ob es sich um ein erbliches Leiden handle und er folglich mit der Schwester der Patientin keine Kinder haben solle.
Als Antiepileptikum wurde meist Luminal eingesetzt, das oft sedierend wirkte. In einigen Fällen wurden Patientinnen und Patienten auch fixiert und zwangsweise ernährt.
Die Sterblichkeit in der PHPA Bonn stieg während des Krieges deutlich an. Es gibt Verdachtsfälle auf "dezentrale 'Euthanasie'", bei denen Patientinnen und Patienten durch Vernachlässigung oder gezielte Tötung ums Leben kamen.
Die Ego-Dokumente der Patientinnen und Patienten geben einen Einblick in den Anstaltsalltag und beleuchten die Situation der Betroffenen. Sie enthalten Informationen, die in anderen Dokumenten fehlen, und bieten eine Perspektive, die Leben und Leiden von Patientinnen und Patienten umfassender erschließt.
Neue Therapieansätze: Gentherapie bei fokalen Epilepsien
Am heutigen Tag der Epilepsie berichtet Prof. Dr. Regine Heilbronn von EpiBlok Therapeutics GmbH von einer neuen Gentherapie, bei der ein Adeno-assoziiertes Virus (AAV) das Gen für das Neuropeptid Dynorphin gezielt in Neurone der betroffenen Hirnregion bringt. Ziel ist eine langfristige Unterdrückung von Anfällen, indem die Nervenzellen Dynorphin auf Vorrat produzieren und bei Bedarf ausschütten.
Bei fokalen Epilepsien entstehen epileptische Anfälle immer wieder an ein und derselben Stelle im Gehirn. Bei der klinisch häufigsten Form, der sogenannten Schläfenlappenepilepsie, liegt der Fokus sehr oft im Hippocampus, wo Lernen, Gedächtnis und Emotionskontrolle gesteuert werden. Bereits zu Beginn der Erkrankung sprechen ca. ein Drittel der Patienten auf keine der verfügbaren Medikamentenklassen an. Außerdem versagen mit zunehmender Krankheitsdauer die verfügbaren Medikamente immer häufiger.
EpiBlok entwickelt einen Genvektor, der epileptische Anfälle am Ort der Entstehung verhindern kann. Die schonende Einmaltherapie wird nur zum Zeitpunkt der Anfallsentstehung aktiviert. Es handelt sich um einen AAV-basierten Genvektor, der schützende Neuropeptide fokal produziert und speichert. Diese werden nur bei starker Erregung freigesetzt, wie zu Beginn eines Anfalls.
Die Vision von EpiBlok ist es, die heute üblichen Therapien von fokalen Epilepsien mit antiepileptischen Medikamenten mit starken Nebenwirkungen oder mittels invasiver Operationen in Zukunft durch eine lokale, minimal-invasive und "on demand" erfolgende Therapie abzulösen.
Epilepsie und Alzheimer-Krankheit: Eine komplexe Wechselwirkung
Die Prävalenz von Alzheimer-Krankheit und Epilepsien steigt aufgrund der alternden Bevölkerung. Die Diagnostik ist nicht immer einfach und eindeutig. Umso wichtiger ist es zu wissen, dass es dennoch Kriterien für eine pragmatische Therapie der Anfallssuppression gibt.
Der demografische Wandel erhöht die Prävalenz altersassoziierter Krankheiten. Hierzu gehören symptomatische Epilepsien, die Alzheimer-Krankheit sowie eine Vielzahl von neurodegenerativen und vaskulären Krankheiten. Der relative Anteil einzelner Ätiologien verschiebt sich zugunsten der Krankheiten, deren Inzidenz mit dem Alter am stärksten ansteigt. Der Anteil der Alzheimer-Krankheit an der Gesamtheit der Krankheiten, die zu einem demenziellen Syndrom führen, nimmt daher zu.
Außerdem nehmen die Komorbiditäten jeglicher altersassoziierter Krankheiten zu. Manche Kombinationen treten allerdings nicht nur unabhängig voneinander als Folge des Alters gehäuft auf, sondern zumindest teilweise als Folge gemeinsamer pathophysiologischer Zwischenstrecken. Das betrifft auch die Kombination Epilepsie und Alzheimer-Krankheit.
Bei einer Epilepsie treten wiederholt anfallsartig fokale oder generalisierte Zeichen oder Symptome auf. Sie sind Folge pathologisch gesteigerter Erregbarkeit oder synchroner Aktivität von Nerven und mit der Hyperexzitabilität neuronaler Netzwerke assoziiert. Wird ein Schwellenwert überschritten, fällt ein Anfall klinisch auf.
Sowohl Prävalenz epileptischer Syndrome als auch Inzidenz neu diagnostizierter Epilepsien steigen mit dem Alter. In einer kürzlich veröffentlichten Arbeit wurde hypothetisiert, dass eine neu auftretende Epilepsie im Alter Prodromalsymptom einer neurodegenerativen Demenz sein kann.
Häufige Foci sind Folgen zerebraler Durchblutungsstörungen mit Beteiligung des zerebralen Kortex, Fehlbildungen, Tumore und in letzter Zeit häufiger beachtet auch neurodegenerative Erkrankungen. In diesem Zusammenhang ist bedeutsam, dass bei Temporallappenepilepsie nicht nur ein Anstieg von Amyloidplaques beschrieben wurde, sondern auch von hyperphosphoryliertem Tau-Protein - beide Pathologien sind für die Alzheimer-Krankheit charakteristisch.
Die klinische Anamnese und die Beobachtung eines Anfalls sind die Eckpfeiler der Diagnose. Die gesteigerte oder synchrone neuronale Aktivität kann durch ein Oberflächen-Elektroenzephalogramm oder andere anfallsdetektierende Instrumente nachgewiesen werden und die Ätiologie durch biochemische, bildgebende, genetische und sonstige Untersuchungen bestimmt werden.
Klinisch ist bedeutsam, dass vor, während oder nach einem Anfall phasenhaft wohl sämtliche neuropsychiatrischen Symptome auftreten können. Dazu zählen kognitive Symptome (wie Gedächtnisdefizite und Orientierungsstörungen), affektive Symptome, psychotische Symptome, aggressives Verhalten und delirante Zustände.
Häufigste Ursache eines Demenzsyndroms im Alter ist die Alzheimer-Krankheit. Lange vor den ersten klinischen Symptomen sind charakteristische Amyloidablagerungen und Amyloid-Peptide als Folge des gestörten Amyloidstoffwechsels und eine Erhöhung hyperphosphorylierter Tau-Proteine als Ausdruck des Neuronenuntergangs nachweisbar.
Die Diagnose Alzheimer-Erkrankung kann bereits vor dem Stadium der Demenz gestellt werden, wenn die Konsolidierung episodischer Gedächtnisleistungen oder die räumliche Orientierung in fremden Umgebungen defizitär ist und zusätzlich eine charakteristische Konstellation von Biomarkern vorliegt.
Wiederholt wurde die Hyperexzitabilität von Neuronennetzwerken mit subklinisch-epileptiformer Aktivität in Computermodellen oder transgenen Tiermodellen der Alzheimer-Krankheit und auch bei Patientinnen und Patienten nachgewiesen. Eine Vielzahl von aktuellen Publikationen verweist darauf, dass es klinisch eine erhöhte Prävalenz von Epilepsien oder zumindest epileptiformer Aktivität bei Patienten mit Alzheimer-Krankheit gibt. Die Progression der Alzheimer-Krankheit ist beschleunigt, wenn die klinische Diagnose einer Epilepsie vorliegt oder im Oberflächen-EEG epileptiforme Aktivität nachgewiesen wird.
Nicht nur bei der Alzheimer-Krankheit, sondern auch bei anderen neurodegenerativen Krankheiten kommt eine Epilepsie als Komorbidität im Verlauf vor. Ebenso wie bei der Alzheimer-Krankheit ist eine erhöhte Prävalenz der Kombination von FTD und Epilepsie zu beobachten. Auch α-Synuclein kann die neuronale Exzitabilität so verändern, dass epileptiforme Aktivität auftritt. So verwundert es nicht, dass auch hier gehäuft Epilepsie diagnostiziert wird.
Die klinische Symptomatik epileptischer Anfälle beim älteren Patienten zu erkennen oder im Oberflächen-EEG nachzuweisen kann schwierig sein. Die Prävalenz einer Epilepsie oder epileptiformer Aktivität in zusatzdiagnostischen Untersuchungen ist daher insbesondere bei älteren Patienten unbekannt und es kann von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden, weil die Diagnose weder klinisch vermutet noch zusatzdiagnostisch nachgewiesen wird.
Mehr als 90 % der epileptiformen Aktivität im Hippocampus kann aus methodischen Gründen nicht mit Oberflächenelektroden aufgezeichnet werden und entgeht daher einer Diagnosestellung.
Die Häufigkeit, mit der Oberflächenelektroden epileptiforme neuronale Aktivität nachweisen können, steigt bei Langzeit-EEG-Ableitungen. Diese können also bei einer größeren Zahl von Patienten mit Alzheimer-Krankheit subklinische epileptische Aktivität nachweisen, allerdings ist ihre Anwendung aus Compliance-Gründen bei fortschreitenden kognitiven Defiziten eingeschränkt. Nichtsdestotrotz ist bekannt, dass die Häufigkeit epileptischer Aktivität mit dem Schweregrad des Demenzsyndroms ansteigt.
Die Krankheitsprogression bei neurodegenerativen Erkrankungen wird bestimmt durch krankheitsbezogene Faktoren und durch Komorbiditäten. Gerade bei dem langjährigen Verlauf der Alzheimer-Krankheit und der häufigen Assoziation mit anderen alterstypischen Krankheiten bietet eine Therapie der Komorbiditäten eine wichtige Option, um die Krankheitsprogression zu beeinflussen.
Eine Vielzahl von Arbeiten zeigt in Tiermodellen der Alzheimer-Krankheit, dass kognitive Defizite durch anfallssupprimierende Medikamente vermindert werden können. Dies wurde für Lamotrigin, Levetiracetam, Perampanel und Topiramat gezeigt.
Die Behandlung einer diagnostizierten Epilepsie bei Patienten mit Alzheimer-Krankheit wirkt sich vorteilhaft auf den Krankheitsverlauf aus. Der Einsatz anfallssupprimierender Medikamente, um die kognitive Verschlechterung zu beeinflussen, ist die Grundlage, diese Medikamente auch unabhängig von der Diagnose einer Epilepsie im Kontext neurodegenerativer Erkrankungen beim Menschen einzusetzen.
Anfallssupprimierende Medikamente haben auch bei nichtkognitiven Symptomen bei der Alzheimer-Krankheit eine positive Wirkung gezeigt. Aggressives Verhalten ist ein häufiges Symptom fortgeschrittener Demenzerkrankungen, von denen viele eine Alzheimer-Krankheit haben.
Wenn es intermittierend, innerhalb von Stunden oder Tagen, zu kognitive Verschlechterungen kommt, oder intermittierend starke Schwankungen neuropsychiatrischer Symptome ohne infektiöse oder metabolische Ursachen auftreten, gilt es im Einzelfall zu bedenken, ob dies gegebenenfalls den individuellen Behandlungsversuch mit anfallssupprimierenden Substanzen rechtfertigt.