Expertenstandard Demenz: Inhalte und Bedeutung für die Pflege

Der Expertenstandard Demenz ist ein wichtiger Bezugspunkt für die Pflege von Menschen mit Demenz. Er bietet eine wissenschaftliche Grundlage und gibt Pflegeteams einen Rahmen für ihre Arbeit. Da die "offiziellen" Leitlinien mangels belastbarer Forschungsarbeit in vielen Punkten eher nebulös bleiben, kommt dem Expertenstandard eine besondere Bedeutung zu.

Zentrale Aspekte des Expertenstandards Demenz

Der Expertenstandard Demenz umfasst verschiedene Aspekte, die für eine umfassende und individuelle Versorgung von Menschen mit Demenz relevant sind. Dazu gehören:

  • Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten: Aggressives Verhalten, Weglauftendenzen, Depressionen und enthemmtes Verhalten sind häufige Begleiterscheinungen einer Demenz. Der Expertenstandard gibt Hinweise, wie Pflegekräfte mit solchen Verhaltensweisen umgehen und die Ursachen erkennen können. Allzu oft wird enthemmtes Verhalten als unabänderliche Folge des hirnorganischen Abbaus gewertet - und hingenommen. Damit ist jedoch weder dem Senioren geholfen noch seinem Umfeld, das unter dessen Auftreten leidet.

  • Kommunikation: In der Spätphase einer Demenz entwickeln sich die Sprachfähigkeiten immer weiter zurück. Bis als einzige verbale Kommunikationsform das Schreien bleibt. Die Kommunikation mit Menschen mit Demenz erfordert Empathie, Geduld und spezielle Techniken. Der Expertenstandard betont die Bedeutung einer wertschätzenden und personenzentrierten Kommunikation.

  • Beschäftigung und soziale Interaktion: Demenzpatienten sinnvoll zu beschäftigen ist Maßarbeit, da die mentalen und körperlichen Defizite unterschiedlich fortschreiten. Pflegekräfte müssen kreativ sein, um für jeden Betroffenen eine individuelle Lösung zu finden. Ein sicheres Gespür für die Ressourcen und Vorlieben von dementen Senioren ist die Voraussetzung für ein sinnvolles Beschäftigungsangebot. Dabei muss eine Überforderung ebenso wie eine Unterforderung vermieden werden. Angebote der sozialen Betreuung sollten auf die Struktur und Bedürfnisse der Bewohner ausgerichtet sein. Insbesondere mit einem guten Beschäftigungskonzept lassen sich bei einer Prüfung so manche Bonuspunkte sammeln.

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  • Ernährung: Die gesunde Ernährung von Demenzpatienten ist eine Wissenschaft für sich. Manche Betroffene werden durch die hirnorganischen Veränderungen so phlegmatisch, dass der Kalorienbedarf auf einen Bruchteil sinkt. Der Expertenstandard gibt Empfehlungen zur Gestaltung einer altersgerechten und bedarfsgerechten Ernährung.

  • Schmerzmanagement: Anders als der Blutdruck oder die Körpertemperatur lassen sich Schmerzen nicht messen. Dazu kommt, dass sich viele Betroffene ihre Schmerzen nicht anmerken lassen. Der Expertenstandard betont die Bedeutung einer adäquaten Schmerzbehandlung bei Menschen mit Demenz.

  • Mobilität: Viele Senioren verlieren ihre körperliche Mobilität. Das senkt zwar die Unfallgefahr, dafür steigt das Risiko von Komplikationen. Insbesondere im Übergang zum Sterbeprozess treten Krampfanfälle, Pneumonien, Dekubitus oder chronische Schmerzen auf. Der Expertenstandard gibt Hinweise zur Förderung der Mobilität und zur Vermeidung von Komplikationen.

  • Freiheitsentziehende Maßnahmen: Freiheitsentziehende Maßnahmen sind für viele pflegende Angehörige ein wichtiges Thema. Der Expertenstandard gibt einen Rahmen für den Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen und betont die Bedeutung von Alternativen.

Expertenstandard Demenz in der Praxis

Die Umsetzung des Expertenstandards Demenz in der Praxis erfordert eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen und Ressourcen der Menschen mit Demenz. Pflegeteams müssen ihre Arbeit an den individuellen Bedürfnissen der Betroffenen ausrichten und die Angehörigen in die Versorgung einbeziehen.

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  • Individuelle Pflegeplanung: Die Pflegeplanung muss sich an den individuellen Bedürfnissen und Ressourcen des Bewohners orientieren. Dabei sind die Biografie, die Vorlieben und die Abneigungen des Bewohners zu berücksichtigen.

  • Aktivierende Pflege: Die aktivierende Pflege hat zum Ziel, die Selbstständigkeit des Bewohners möglichst lange zu erhalten. Dabei werden die Fähigkeiten des Bewohners gefördert und unterstützt.

  • Bezugspflege: Die Bezugspflege ermöglicht eine kontinuierliche und vertrauensvolle Beziehung zwischen dem Bewohner und seiner Pflegekraft.

  • Angehörigenarbeit: Die Angehörigen werden in die Versorgung des Bewohners einbezogen. Sie werden beraten und unterstützt.

Herausforderungen bei der Umsetzung des Expertenstandards Demenz

Die Umsetzung des Expertenstandards Demenz in der Praxis ist mit einigen Herausforderungen verbunden. Dazu gehören:

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  • Komplexe Krankheitsbilder: Demenz ist eine komplexe Erkrankung, die mit einer Vielzahl von Symptomen und Begleiterkrankungen einhergehen kann.

  • Hoher Zeitaufwand: Die individuelle und personenzentrierte Pflege von Menschen mit Demenz erfordert einen hohen Zeitaufwand.

  • Mangelnde Ressourcen: In vielen Pflegeeinrichtungen und Pflegediensten fehlen die notwendigen Ressourcen, um den Expertenstandard Demenz umfassend umzusetzen.

  • Eigene Interpretation des MDK: Eigentlich sollten die Expertenstandards als verbindliche Richtschnur für die wichtigsten Themenfelder fungieren. In der Praxis legt manch MDK-Prüfer die Vorgaben jedoch recht eigenwillig aus.

Bedeutung des Expertenstandards Demenz

Der Expertenstandard Demenz ist ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Versorgung von Menschen mit Demenz. Er bietet eine wissenschaftliche Grundlage und gibt Pflegeteams einen Rahmen für ihre Arbeit. Durch die Umsetzung des Expertenstandards können die Lebensqualität und die Selbstständigkeit von Menschen mit Demenz erhalten und gefördert werden.

  • Qualitätsverbesserung: Durch die Umsetzung des Expertenstandards kann die Qualität der Pflege von Menschen mit Demenz verbessert werden.

  • Rechtssicherheit: Der Expertenstandard bietet Pflegeteams eine Orientierung und gibt ihnen Rechtssicherheit.

  • Wissensgrundlage: Der Expertenstandard vermittelt Pflegeteams das notwendige Wissen, um Menschen mit Demenz kompetent zu versorgen.

Weitere wichtige Aspekte in der Demenzpflege

Neben den Inhalten des Expertenstandards gibt es weitere Aspekte, die in der Demenzpflege von Bedeutung sind:

Sturzprophylaxe

Ein Sturz im Alter ist oft der Beginn einer Abwärtsspirale in die dauerhafte Immobilität. Umso wichtiger ist eine effektive Prophylaxe. Für allein lebende Senioren stellen Stürze eine große Gefahr dar. Verletzungen an Bein oder Fuß machen jeden weiteren Schritt unmöglich.

Hautintegrität

Auf den ersten Blick fasst der neue Expertenstandard zur Hautintegrität nur Basiswissen zusammen, über das jede frisch examinierte Pflegekraft verfügen sollte. Eigentlich. Tatsächlich jedoch lässt die fachliche Qualifikation in vielen Teams zu wünschen übrig. Nüchtern betrachtet bringt der Expertenstandard zur Hautgesundheit keine neuen Erkenntnisse. Die zentralen Vorgaben der Richtlinie sind bereits seit den 90er-Jahren Allgemeinwissen in jeder Pflegeschule. Entsprechend einfach ist die praktische Umsetzung. Weit über 100 verschiedene Risikofaktoren begünstigen die Entstehung eines Dekubitus. Kein Wunder, dass es weder einen praktikablen Erhebungsbogen noch eine funktionierende Risikoskala gibt. Die Vermeidung von Druckgeschwüren ist eine höchst komplexe Aufgabe. Mit modernen Wundauflagen und Verbandstechniken lassen sich heute selbst "hoffnungslose" Hautdefekte zur Abheilung bringen. Dazu trägt auch der Expertenstandard bei, der radikal mit unwirksamen und oft schädlichen Hausmitteln aufräumt. Moderne Wundauflagen lassen selbst hartnäckige Verletzungen heilen. Dafür reißen sie ein Loch in das Verschreibungsbudget des verschreibenden Arztes.

Mundgesundheit

Nur wenige Senioren verfügen über eine intakte Zahnsubstanz und einen gesunden Mundraum. Die Mehrzahl der Hochbetagten leidet unter Karies, Mundsoor, Parodontitis oder schlecht sitzendem Zahnersatz. Bei der Erhaltung der Mundgesundheit ist die Mini-Taschenlampe das wichtigste Werkzeug jeder Pflegekraft.

Ernährung und Flüssigkeitszufuhr

Nachlassender Appetit ist bei älteren Menschen immer ein Warnsignal. Spätestens wenn die Pfunde purzeln, müssen Pflegekräfte den Ursachen auf den Grund gehen und entsprechend reagieren. Ein rapider Gewichtsverlust hat auch im hohen Alter selten etwas Gutes zu bedeuten. Vor allem alleinlebende Klienten sind von Mangelernährung bedroht. Viele ältere Menschen stehen in Deutschland unter einer Betreuung. Und häufig kommt es im Laufe der Zeit nicht nur zur Verschlechterung des körperlichen Zustands. Auch mentale Fähigkeiten gehen verloren. Dann ist es oft unumgänglich, die Aufgabenkreise zu erweitern.

Mobilität

Mobilität ist der beste Schutz vor vielen typischen Alterserkrankungen. Solange ein betagter Mensch auf eigenen Beinen unterwegs ist, drohen zumeist weder Druckgeschwüre noch Kontrakturen oder Thrombosen. Im Alter verwandelt sich die eigene Wohnung für viele Klienten in ein Gefängnis. Treppen und enge Flure werden unpassierbar, wenn die Mobilität nachlässt.

Schmerzmanagement

Ältere Menschen haben nur geringe Chancen auf eine optimale Schmerzbehandlung. Aus Angst vor Medikamentenabhängigkeit oder im Irrglauben an eine höhere Schmerzschwelle im Alter verschreiben viele Ärzte nicht die notwendigen Analgetika. In unserem Gesundheitssystem mag es an vielem mangeln, Analgetika jedoch gibt es im Überfluss. Für fast jeden Schmerz kann der Arzt das passende Medikament verschreiben. Dass viele Senioren dennoch unter starken Beschwerden leiden, hat andere Gründe.

Inkontinenz

Auch die besten Prophylaxemaßnahmen können nicht verhindern, dass hochbetagte Menschen gelegentlich ein paar Tropfen Urin verlieren. Eine schwere Inkontinenz jedoch lässt sich oft abwenden. Inkontinenz ist auch in unserer aufgeklärten Gesellschaft ein Tabuthema. Selbst gegenüber dem eigenen Arzt verschweigen die meisten Patienten den unwillkürlichen Harn- oder gar Stuhlgang.

Infektionsschutz

Bei allen Fragen zur Infektionsvermeidung gibt es eine ganz einfache Regel: Das Robert Koch-Institut hat immer recht.

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