Prophylaxen bei Demenz: Ein umfassender Überblick

Die Angst vor dem unaufhaltsamen Verlust des Gedächtnisses ist weit verbreitet. In Deutschland sind etwa 1,7 Millionen Menschen von Demenz betroffen, wobei die Tendenz aufgrund der steigenden Lebenserwartung zunimmt. Bis zum Jahr 2030 wird mit bis zu 82 Millionen Menschen weltweit gerechnet, die an Demenz leiden werden. Obwohl es derzeit keine Heilung für Demenz gibt, existieren zahlreiche Möglichkeiten der Prophylaxe, um das Risiko zu senken oder den Verlauf zu verlangsamen. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über Demenzprophylaxe, einschließlich Risikofaktoren, präventiver Maßnahmen und Alltagshilfen.

Was ist Demenz?

Demenz ist ein Sammelbegriff für verschiedene Erkrankungen, die mit einem fortschreitenden Verlust geistiger Fähigkeiten einhergehen. Die häufigste Form ist die Alzheimer-Krankheit, aber auch vaskuläre Demenz, Lewy-Körper-Demenz und frontotemporale Demenz gehören dazu. Betroffene leiden unter Gedächtnisverlust, Sprachstörungen, Orientierungsproblemen und einem schleichenden Verlust der Alltagskompetenz. Mit der Zeit werden einfache Aufgaben, wie sich an den eigenen Namen zu erinnern oder sich im Alltag zurechtzufinden, zur Herausforderung.

Ursachen und Risikofaktoren

Die genauen Ursachen für Demenz sind noch nicht vollständig geklärt. Neben genetischen Veranlagungen tragen verschiedene Risikofaktoren zur Entstehung bei. Eine internationale Forschergruppe (The Lancet Commission on Dementia and Prevention) hat 2020 zwölf Risikofaktoren aufgelistet, die das Alzheimer-Risiko erhöhen:

  • Frühes Lebensalter: Geringe Bildung
  • Mittleres Lebensalter: Hörverlust, Bluthochdruck, Schädel-Hirn-Verletzungen, schädlicher Alkoholkonsum, Übergewicht
  • Spätes Lebensalter: Rauchen, Depression, soziale Isolation, Bewegungsmangel, Luftverschmutzung, Diabetes

Es ist wichtig zu beachten, dass nicht alle Faktoren beeinflussbar sind. Ein Unfall mit Kopfverletzung lässt sich nachträglich nicht korrigieren. Allerdings gibt es Faktoren, die klar und eindeutig belegt sind und beeinflusst werden können, wie gesunde Ernährung, Bewegung, kein Übergewicht und Nichtrauchen.

Präventive Maßnahmen: 7 Möglichkeiten zur Prophylaxe gegen Demenz

Auch wenn es kein "Wundermittel" gibt, zeigt die Forschung, dass eine Kombination aus verschiedenen Maßnahmen das beste Mittel zur Vorbeugung ist.

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1. Gesunde Ernährung

Eine gesunde und ausgewogene Ernährung ist der Schlüssel zu einem gesunden Leben und spielt eine wesentliche Rolle für die geistige Leistungsfähigkeit. Sie beugt Erkrankungen vor, die Demenz und Alzheimer fördern können, wie Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes. Empfehlenswert ist eine Ernährung mit viel Obst und Gemüse, hochwertigen Ölen, Vollkornprodukten, Reis, Kartoffeln und Fisch. Die mediterrane Küche dient hier als gutes Vorbild. Fertigprodukte, fettreiche Speisen, zu viel Salz und Zucker sollten vermieden werden, um Gefäßverkalkung im Gehirn zu verhindern.

2. Viel körperliche Bewegung

Körperliche Aktivität hält nicht nur den Körper fit, sondern auch das Gehirn. Regelmäßiger Sport aktiviert die Ausschüttung eines Wachstumshormons, das sich unmittelbar auf die Hirnstruktur auswirkt und die Bildung neuer Nervenzellen fördert. Zudem bekämpft körperliche Aktivität Risikofaktoren wie Übergewicht, Stress, Bluthochdruck und Diabetes. Empfohlen werden 150 Minuten moderate körperliche Aktivität pro Woche (z.B. Spaziergänge, Wanderungen) oder 75 Minuten hochintensiver Sport pro Woche (z.B. Schwimmen, Radfahren, Laufen). Für Menschen mit geringerer Mobilität sind regelmäßige Bewegungsübungen an mindestens drei Tagen pro Woche ratsam.

Beispiele für Übungen und Aktivitäten:

  • Schlangenkopf: Teilnehmer teilen sich in kleine Gruppen auf und bewegen sich als Schlange durch den Raum. Durch das Abwechseln der "Kopf"-Position wird die Aufmerksamkeit und die Reaktionsfähigkeit trainiert.
  • Mauerball: Den Ball gegen eine Wand werfen und fangen, während gleichzeitig Zähl- oder Rechenaufgaben gelöst werden. Dies fördert die Koordination und das Gedächtnis.
  • Ballprellen und Wörter nennen: Sitzend oder stehend einen Ball prellen und gleichzeitig Begriffe zu einem vorgegebenen Thema nennen. Dies schult die Konzentration und den Wortschatz.
  • Blau - rot - gelb: Bewegungen zuordnen und ausführen, nachdem eine Farbe genannt wurde. Dies trainiert die Reaktionsfähigkeit und die Farberkennung.

3. Verzicht auf Nikotin und Alkohol

Nikotin und Alkohol schädigen verschiedene Körpersysteme und sollten daher vermieden werden. Nikotin verengt die Gefäße und führt zu einer Unterversorgung des Körpers mit Sauerstoff, was Hirnzellen absterben lässt. Alkohol schädigt das Gehirn direkt, indem er die Funktion der Leber einschränkt und Giftstoffe ins Gehirn gelangen lässt.

4. Vermeidung von Bluthochdruck

Ein zu hoher Blutdruck schädigt die Hirnarterien und kann zu stummen Hirninfarkten führen, was das Risiko einer Demenz erheblich steigert. Regelmäßige Blutdruckkontrollen und eine bedarfsgerechte Behandlung sind daher wichtig.

5. Rascher Ausgleich auftretenden Hörverlusts

Ein unbehandelter Hörverlust kann das Gehirn unterfordern und das Demenzrisiko verdoppeln. Daher sollte ein Hörverlust schnellstmöglich ausgeglichen werden.

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6. Soziale Kontakte für eine hohe Hirnaktivität

Soziale Interaktionen wie Unterhaltungen, Diskussionen, gemeinsames Lachen und Spielen fördern das Sprachvermögen, das Kurzzeitgedächtnis und das Gefühlszentrum. Der Kontakt zu Freunden, Familie und Nachbarn ist daher ein wichtiger Bestandteil der Demenzprophylaxe. Viele Städte und Gemeinden bieten Stammtische an, um älteren Menschen den Austausch und die soziale Interaktion zu ermöglichen.

7. Die Kraft des Gehirnjoggings

Regelmäßiges Gehirnjogging fordert das Gehirn und hält es fit. Das Lösen von Rätseln oder Puzzles, das Musizieren, Lesen, Schreiben oder das Spielen von Karten- oder Gesellschaftsspielen regen das Gehirn an. Auch Reisen kann die Hirnaktivität anregen, da das Kennenlernen neuer Umgebungen und Orte die Leistung konstant hält.

Alltagshilfen und Hilfsmittel für Menschen mit Demenz

Für viele Menschen mit Demenz wird es mit Fortschreiten der Krankheit schwieriger, sich zu orientieren und Gefahren richtig einzuschätzen. Alltagshilfen und Hilfsmittel können ihnen dabei helfen, so lange wie möglich selbstständig und sicher in den eigenen vier Wänden zu leben.

Erinnerungshilfen

  • Sprechende Zeitplaner: Helfen Demenzerkrankten, ihren Tagesablauf besser zu strukturieren.
  • Großer und einfacher Kalender: Hilft bei der zeitlichen Orientierung, indem Wochentage und Daten ausgeschrieben sind. Fotos von Besuchern können an den entsprechenden Tagen angebracht werden.
  • Große, gut sichtbare Wanduhr: Hilft dabei, den Tagesverlauf besser zu verstehen.
  • Wochenplan: Gibt eine klare Übersicht über den Tagesablauf.

Technische Hilfsmittel

  • Schlüsselfinder und Ortungssysteme: Helfen, verlegte Schlüssel oder andere Gegenstände schnell wiederzufinden.
  • GPS-Tracker und Notfalluhren: Ermöglichen es, den Standort von Demenzerkrankten im Notfall nachzuverfolgen.
  • Spezielle Telefone: Senioren-Telefone mit großen Tasten und vorprogrammierten Nummern erleichtern das Telefonieren.
  • Demenz-Uhren mit Ortungssystem: Ermöglichen es dem Träger, einen Notruf zu senden oder von Angehörigen geortet zu werden.

Sicherheit im Wohnbereich

  • Herdsicherung: Sorgt dafür, dass der Herd nach einer voreingestellten Zeit automatisch abschaltet und somit Brände verhindert werden.
  • Rauchmelder: Sind eine lebensrettende Sicherheitsmaßnahme, die besonders in Haushalten mit Demenzerkrankten unverzichtbar ist.
  • Sichere Aufbewahrung gefährlicher Gegenstände: Reinigungsmittel, Messer, Kerzen, Feuerzeuge und Medikamentenvorräte sollten sicher und außer Reichweite gelagert werden.
  • Kontaktmatten und Lichtschranken: Warnen die Pflegeperson, wenn der Betroffene das Bett oder die Wohnung verlässt.
  • Haustüralarm: Schlägt Alarm, sobald die Tür geöffnet wird.

Alltagshilfen für die Nahrungsaufnahme

  • Demenz-Geschirr: Speziell entwickeltes Geschirr in klaren Formen und leuchtenden Signalfarben hilft, die Speisen besser zu erkennen und zu erfassen. Teller mit einem erhöhten Rand und einem geneigten Boden erleichtern das Aufnehmen von Essen.
  • Finger Food: Wenn die Person nicht mehr weiß, wie sie das Besteck verwenden soll, kann man Finger Food zubereiten.
  • Stundenplan für Mahlzeiten: Um sicherzustellen, dass Demenzerkrankte Frühstück, Mittag- und Abendessen nicht vergessen, können Sie die Zeiten in einer Art Stundenplan für den Betroffenen eintragen.
  • Lieblingsessen zubereiten: Das Lieblingsessen ist immer mit schönen Gefühlen verbunden. Daher kann es ein besonderes Erlebnis sein, wenn alte Lieblingsgerichte aus der Kindheit der Betroffenen zubereitet werden. Noch besser wäre es, wenn das Essen gemeinsam geplant und gekocht werden kann, um einen persönlicheren Bezug zum Essen herzustellen.

Wohnumfeld anpassen

  • Übersichtliche und aufgeräumte Wohnumgebung: Hilft Demenzerkrankten, sich besser zu orientieren und reduziert das Risiko von Verwirrung oder Stress. Vermeiden Sie überladene Dekorationen, da diese Demenzerkrankte überfordern können.

Präventive Pflege: Prophylaxen im Pflegealltag

Neben den allgemeinen Maßnahmen zur Demenzprophylaxe spielen auch präventive Maßnahmen im Pflegealltag eine wichtige Rolle, um gesundheitliche Komplikationen zu vermeiden und die Lebensqualität der Betroffenen zu erhalten.

1. Sturzprophylaxe

  • Risikofaktoren: Schlechtes Sehen, schlechtes Hören, Schwindelattacken, Muskelschwäche, Inkontinenz, vorangegangener Sturz, wenig Bewegung
  • Vorbeugende Maßnahmen: Stolperfallen aus dem Weg räumen, für gute Beleuchtung sorgen, Hilfsmittel verwenden (z.B. Rollator), festes Schuhwerk tragen, Haltegriffe anbringen

2. Soorprophylaxe

  • Risikofaktoren: Immunschwäche, geringe Flüssigkeitsaufnahme, bestimmte Medikamente
  • Vorbeugende Maßnahmen: Auf guten Sitz bei Zahnprothesen achten und gut reinigen, weiche Zahnbürste verwenden, Zahnzwischenräume vorsichtig reinigen, regelmäßig trinken, Immunsystem stärken

3. Parotitisprophylaxe

  • Risikofaktoren: Reduzierte Speichelproduktion, Flüssigkeitsmangel
  • Vorbeugende Maßnahmen: Gute Mundpflege, regelmäßig trinken, Kautätigkeit anregen, Massieren der Ohrspeicheldrüsen

4. Dekubitusprophylaxe

  • Risikofaktoren: Langes Liegen oder Sitzen ohne Bewegung, Falten im Bettlaken oder der Kleidung, schlecht sitzende Kleidung, Scherkräfte, höheres Alter, eingeschränkte Mobilität, Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Schlaganfall oder Durchblutungsstörungen, Über- oder Untergewicht, unzureichende Ernährung, mangelnde Hygiene, trockener und rissiger Hautzustand
  • Vorbeugende Maßnahmen: Regelmäßige Lageveränderung, Bettlaken regelmäßig prüfen, bequeme, gut sitzende Kleidung wählen, gute Hautbeobachtung, Mobilisation

5. Obstipationsprophylaxe

  • Risikofaktoren: Ballaststoffarme Ernährung, geringe Flüssigkeitszufuhr, mangelnde Bewegung, sonstige Erkrankungen, bestimmte Medikamente
  • Vorbeugende Maßnahmen: Ballaststoffreiches Gemüse, Obst und Vollkorn essen, mind. 30 Min. Bewegung, regelmäßig trinken, bei Stuhldrang Darm zeitnah entleeren

6. Pneumonieprophylaxe

  • Risikofaktoren: Immunschwäche, Asthma oder Lungenerkrankungen, Rauchen, Bettlägerigkeit, Demenzerkrankung, Schluckbeschwerden nach Schlaganfall
  • Vorbeugende Maßnahmen: Rauch-Stopp, regelmäßig trinken, Luftbefeuchter verwenden, zu tiefem Durchatmen anregen, regelmäßige Bewegung, Räume regelmäßig lüften, Einreibungen

7. Thromboseprophylaxe

  • Risikofaktoren: Gerinnungsstörungen, Bewegungsmangel, Übergewicht, höheres Lebensalter, frühere Thrombosen
  • Vorbeugende Maßnahmen: Langes Sitzen vermeiden, mehr Bewegung im Alltag, Übergewicht abbauen, gemüselastige Ernährung, entstauende Lagerung

8. Kontrakturenprophylaxe

  • Risikofaktoren: Entzündliche Gelenkerkrankungen, Bewusstseinsstörungen, Nervenlähmungen, Inaktivität
  • Vorbeugende Maßnahmen: Mobilisation der Gelenke durch unterschiedliche Bewegungsübungen

9. Intertrigoprophylaxe

  • Risikofaktoren: Übergewicht, starkes Schwitzen, mangelnde oder übermäßige Hautpflege, unzureichendes Trockenhalten, Reibung durch Kleidung oder Inkontinenzprodukte
  • Vorbeugende Maßnahmen: Sorgfältige Reinigung und gründliches Trocknen der Hautfalten, Verwendung von atmungsaktiver, lockerer Kleidung, Auswahl geeigneter Pflegeprodukte, regelmäßige Kontrolle der Haut, Einsatz von z.B. Mullkompressen zwischen den Hautfalten

10. Exsikkoseprophylaxe

  • Risikofaktoren: Geringe Flüssigkeitsaufnahme, starker Flüssigkeitsverlust
  • Vorbeugende Maßnahmen: Regelmäßig trinken und Lebensmittel mit hohem Wassergehalt essen, Trinkmenge im Blick haben/protokollieren

Finanzielle Unterstützung

Die finanzielle Entlastung durch Krankenkassen ist für viele Familien ein wichtiger Schritt, um notwendige Hilfsmittel für Demenzerkrankte zu beschaffen. Im Hilfsmittelkatalog sind zahlreiche Produkte aufgeführt, die von der Pflegekasse unter bestimmten Voraussetzungen übernommen werden können.

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