Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) haben die neue S2k-Leitlinie „Sekundärprophylaxe ischämischer Schlaganfall und transitorische ischämische Attacke“ publiziert. Diese Leitlinie löst die bisherige S3-Leitlinie zum gleichen Thema ab. Die Erstellung erfolgte unter Federführung der DGN und der DSG, unter Beteiligung zahlreicher weiterer Fachgesellschaften und Organisationen.
Hintergrund und Bedeutung
Wiederholte Schlaganfälle, sogenannte Rezidive, sind relativ häufig. Eine Analyse der Abrechnungsdaten der AOK Niedersachsen aus dem Jahr 2019 ergab, dass das Risiko eines Folgeschlaganfalls nach einem ersten Schlaganfall bei 1,2 Prozent nach 30 Tagen, 3,4 Prozent nach 90 Tagen, 7,4 Prozent nach einem Jahr und 19,4 Prozent nach fünf Jahren liegt. Demnach muss fast jeder fünfte Patient, der einen Schlaganfall erlitten hat, innerhalb der nächsten fünf Jahre mit einem Folgeschlaganfall rechnen. Auch nach einer transitorischen ischämischen Attacke (TIA), bei der sich die Symptome innerhalb weniger Stunden vollständig zurückbilden, ist das Schlaganfallrisiko, insbesondere in den Tagen unmittelbar nach der Attacke, deutlich erhöht. Die Rezidiv-Prophylaxe ist daher von besonderer Bedeutung.
Inhalt der Leitlinie
Die neue Leitlinie besteht aus zwei Teilen:
Teil 1: Dieser Teil befasst sich mit der medikamentösen Behandlung der „klassischen“ Risikofaktoren. Dazu gehören die folgenden Aspekte:
- Plättchenhemmung
- Antikoagulation
- Therapie von Hypercholesterinämie
- Therapie von Hypertonie zur Vermeidung von Folgeschlaganfällen
Teil 2: Dieser Teil fokussiert auf die darüberhinausgehenden Risikofaktoren, darunter:
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- Lebensstilmodifikation
- Diabetes mellitus
- Hormonersatztherapie
- Schlafapnoe
- Weitere Indikationen zur oralen Antikoagulation jenseits des Vorhofflimmerns
- Therapie von Dissektionen der hirnversorgenden Arterien
- Behandlung intrakranieller Gefäßstenosen
Medikamentöse Therapie zur Sekundärprophylaxe
Blutdrucksenkung
Der Blutdruck sollte nach einem Schlaganfall oder einer TIA langfristig unter 140/90 mm Hg gesenkt werden. Je nach Alter der Betroffenen, Verträglichkeit der Blutdrucksenker und Vorerkrankungen ist sogar eine Senkung auf systolisch 120 bis 130 mm Hg zu erwägen. Dabei hat das Erreichen der Zielblutdruckwerte einen höheren Stellenwert als die Wahl der antihypertensiven Therapie.
Cholesterinsenkung
Als Zielwert der cholesterinsenkenden Therapie gilt ein LDL-C-Wert von unter 70 mg/dl. Alternativ kann eine Reduktion um > 50 Prozent des Ausgangswerts erfolgen.
Thrombozytenaggregationshemmung
Zur Thrombozytenaggregationshemmung werden in der Leitlinie ausschließlich Acetylsalicylsäure (ASS), Clopidogrel und Ticagrelor empfohlen, da andere Präparate mehr Nebenwirkungen haben oder der Nachweis eines Zusatznutzens fehlt. Bei vertretbarem Blutungsrisiko ist die frühe (innerhalb von 24 Stunden nach Symptombeginn) und kurzzeitige doppelte Thrombozytenaggregationshemmung mit ASS und Clopidogrel für 21 Tage oder alternativ ASS und Ticagrelor für 30 Tage möglich.
Orale Antikoagulation
Bei Betroffenen mit Vorhofflimmern sollte immer eine orale Antikoagulation mit direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) oder Vitamin-K-Antagonisten erfolgen. NOAKs sollen zur Sekundärprävention eines ESUS (embolic stroke of undetermined source) nicht zum Einsatz kommen, jedenfalls solange eine ESUS-unabhängige Indikation zur oralen Antikoagulation fehlt.
Lebensstilmodifikation
„Für Betroffene sind insbesondere die Informationen zum Lebensstil von hoher Relevanz, da sie ihn selbst beeinflussen können“, erklärt Professor Kurth. Die Leitlinie gibt folgende Empfehlungen:
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- Regelmäßige körperliche Aktivität: Sportliche Betätigung sollte in den Alltag integriert werden.
- Ernährung: Der regelmäßige Verzehr von Obst und Gemüse oder eine mediterrane Diät senken das Risiko eines Schlaganfallrezidivs und vaskulärer Folgeereignisse. Der Salzkonsum sollte reduziert werden.
- Nikotin und Alkohol: Betroffene sollten auf das Rauchen verzichten und den Alkoholkonsum reduzieren.
- Diabetes mellitus: Einem Diabetes mellitus als Risikofaktor für Schlaganfälle sollte möglichst vorgebeugt werden. Diabetiker sollten nach einem Schlaganfall in jedem Fall auf eine gute Blutzuckereinstellung achten.
- Schlafapnoe: Nach einer Schlafapnoe als zusätzlichem Risikofaktor sollte gezielt gesucht werden. Die nächtliche Überdruckbeatmung (CPAP) ist bei mittelschwerer bis schwerer Schlafapnoe die Therapie der Wahl.
- Hormone: Schlaganfallpatientinnen, die Kontrazeptiva einnehmen, sollten andere Verhütungsmethoden erwägen.
Bedeutung für die Praxis
„Die Leitlinien geben also ein breites Armamentarium an die Hand, um das Rezidivrisiko nach ischämischem Insult oder TIA zu senken. Zur Maximalprophylaxe sollten alle Maßnahmen dauerhaft umgesetzt werden, was eine enge Zusammenarbeit zwischen Neurologinnen/Neurologen, Hausärztin/Hausarzt und Betroffenen erfordert. Gerade die langfristige Lebensstilumstellung stellt für viele Patientinnen und Patienten eine Herausforderung dar, bei der Medizinerinnen und Mediziner immer wieder Unterstützung leisten müssen. Die neurologische Nachsorge sollte dabei weit über die medikamentöse Einstellung der ‚klassischen‘ Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder hohe Lipidwerte hinausgehen“, betont DGN-Generalsekretär Professor Dr.
Die Thrombozytenaggregationshemmung und der Einsatz der oralen Antikoagulation sollten individuell je nach Blutungsneigung, Komorbiditäten und Risikofaktoren aufeinander abgestimmt werden. Die Leitlinie gibt hier einen Handlungskorridor vor, innerhalb dessen eine auf die einzelne Patientin/den einzelnen Patienten angepasste Therapie erfolgen kann.
Beteiligte Fachgesellschaften und Organisationen
Neben der DGN und der DSG waren an der Erstellung der Leitlinie beteiligt:
- Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK)
- Deutsche Gesellschaft für Angiologie - Gesellschaft für Gefäßmedizin (DGA)
- Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e. V. (DEGAM)
- Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM)
- Deutsche Hochdruckliga e. V.
- Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN)
- Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung von Fettstoffwechselstörungen und ihren Folgeerkrankungen DGFF (Lipid-Liga) e. V.
- Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie e. V. (DGGG)
- Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG)
- Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH)
- Deutsche Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL)
- Berufsverband Deutscher Neurologen (BDN)
- Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe
- Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie
- Deutsche Diabetes Gesellschaft
- Deutsche Gesellschaft für Pharmakologie
- Insulthilfe e.
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