Raynaud-Syndrom: Ursachen, neurologische Aspekte und Behandlung

Das Raynaud-Syndrom, oft auch als Weißfingerkrankheit bekannt, ist eine Gefäßerkrankung, die durch vorübergehende Durchblutungsstörungen, meist an den Fingern und Zehen, gekennzeichnet ist. Die Symptome werden typischerweise durch Kälte oder emotionale Belastung ausgelöst. Dabei kommt es zu einer Verengung der Blutgefäße, was zu den charakteristischen Farbveränderungen und Gefühlsstörungen führt.

Was ist das Raynaud-Syndrom?

Das Raynaud-Syndrom (Morbus Raynaud) ist eine Durchblutungsstörung, die durch Gefäßkrämpfe (Vasospasmen) hervorgerufen wird. Die Krämpfe treten anfallsartig meist an den Fingern auf, seltener an den Zehen und anderen Körperpartien. Sie führen dazu, dass sich die Blutgefäße zusammenziehen und den Blutfluss zu der betroffenen Körperregion behindern.

Beim Raynaud-Syndrom verfärben sich die Hände weiß, sind kalt und schmerzen, wenn sie mit Kälte in Berührung kommen - zum Beispiel beim Kontakt mit kalter Luft, beim Griff ins Kühlregal oder in kaltes Wasser. Sobald die Hände wieder warm werden, verschwinden die Beschwerden.

Formen des Raynaud-Syndroms

Es gibt zwei Hauptformen des Raynaud-Syndroms:

  • Primäres Raynaud-Syndrom: Diese Form tritt ohne erkennbare Grunderkrankung auf und ist die häufigere Variante (ca. 80 % der Fälle). Die Ursache ist ungeklärt. Meist sind beide Hände betroffen - alle Finger, bis auf die Daumen, manchmal auch die Füße. Häufig taucht das Raynaud-Syndrom bei jungen Frauen mit niedrigem Blutdruck auf und hinterlässt in der Regel keine Schäden.
  • Sekundäres Raynaud-Syndrom: Diese Form wird durch eine andere Grunderkrankung verursacht. Dem sekundären Raynaud-Syndrom liegt in der Regel eine ernste Erkrankung zugrunde, etwa entzündliches Rheuma oder Bindegewebserkrankungen wie eine Sklerodermie. Auch neurologische Krankheiten wie Multiple Sklerose, Nervenentzündungen, Nervenschäden im Bereich der Hand (Karpaltunnelsyndrom) können dahinterstecken. Hier kann es durch die wiederkehrenden Durchblutungsstörungen zu irreparablen Gefäßerkrankungen kommen. Zellen können absterben. Meist ist nur eine Hand betroffen.

Ursachen und Risikofaktoren

Die genaue Ursache der Raynaud-Krankheit ist nicht vollständig verstanden, aber es wird angenommen, dass sie mit einer übermäßigen Reaktion der Blutgefäße auf Kälte oder Stress zusammenhängt.

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Primäres Raynaud-Syndrom

Beim primären Raynaud-Syndrom, mit rund 80 Prozent die häufigere Variante, ist die Ursache ungeklärt. Störungen der Temperaturregulation und der Gefäßreagibilität auf Kältereize wurden bei Patienten mit primärem Raynaud-Phänomen vielfach beschrieben.

Sekundäres Raynaud-Syndrom

Das sekundäre Raynaud-Syndrom kann durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden:

  • Autoimmunerkrankungen: Systemische Sklerose, Lupus erythematodes, rheumatoide Arthritis, Dermatomyositis und Vaskulitiden. Bis zu 90 Prozent der Patientinnen und Patienten mit einer systemischen Sklerose haben ein Raynaud-Phänomen als erstes Symptom oder bekommen es im Verlauf der Erkrankung.
  • Neurologische Erkrankungen: Multiple Sklerose, Nervenentzündungen, Nervenschäden im Bereich der Hand (Karpaltunnelsyndrom).
  • Gefäßerkrankungen: Hand- oder Armarterienverschlüsse anderer Genese.
  • Weitere Ursachen: Malignome, Hand-Arm-Vibrationssyndrom, berufliche Exposition (z.B. mit Vinylchlorid), Kompressionssyndrome der oberen Extremitäten.
  • Medikamente und Drogen: Bestimmte Medikamente, wie Betablocker, Migränemittel, Interferon beta, und Drogen können ein Raynaud-Phänomen auslösen oder verstärken.
  • Genetische Faktoren: Ein deutsch-britisches Forscherteam hat die genetische Ursache für die erblich bedingte Erkrankung gefunden. Die Forschenden verglichen Gen- und Krankheitsdaten von über 5.000 Betroffenen und mehr als 400.000 Gesunden. Die Studie zeigt, dass bei den von der Weißfingerkrankheit Betroffenen zwei Gene häufiger verändert waren: Zum einen war das der alpha-2A-adrenerge Rezeptor für Adrenalin, ADRA2A, ein klassischer Stressrezeptor. Dieser bewirkt, dass sich die kleinen Gefäße zusammenziehen. Zum anderen handelte es sich um das Gen für den Transkriptionsfaktor IRX1, der die Fähigkeit zur Gefäßerweiterung regulieren könnte. Die Forschenden konnten zusätzlich nachweisen, dass Menschen mit einer genetischen Neigung zu einem niedrigen Blutzuckerspiegel ein erhöhtes Risiko für die Weißfingerkrankheit haben.

Risikofaktoren

Zu den Risikofaktoren für das Raynaud-Syndrom gehören:

  • Geschlecht: Frauen sind häufiger betroffen als Männer.
  • Alter: Das primäre Raynaud-Syndrom tritt meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auf. Das sekundäre Raynaud-Syndrom manifestiert sich häufig erstmals nach dem 30. Lebensjahr.
  • Geografische Lage: Die RP-Häufigkeit ist abhängig von der geografischen Breite (häufiger im Norden als im Süden) und Höhe (häufiger in Gebirgsregionen als im Flachland), ferner variiert sie saisonal (häufiger im Winter als im Sommer).
  • Familiäre Häufung: Freedman et al. fanden eine familiäre Häufung des RP bei circa 25 % der Verwandten 1. Grades (11), während aus Zwillingsstudien eine höhere Heredität von 55 % ermittelt wurde (12).
  • Rauchen: Nikotin verengt die Gefäße zusätzlich.
  • Bestimmte Erkrankungen: Autoimmunerkrankungen, neurologische Erkrankungen, Gefäßerkrankungen.

Symptome

Ein typisches Symptom des Raynaud-Syndrom ist daher, dass sich die Finger (meist mit Ausnahme des Daumens) oder die Zehen während einer Attacke zunächst blass und später blau färben. Aufgrund der eintretenden Blässe ist die Erkrankung auch als Weißfingerkrankheit oder Leichenfingerkrankheit bekannt. Viele Betroffene leiden unter Missempfindungen und Taubheitsgefühlen, auch Schmerzen sind häufig.

Die Attacken dauern meist nicht länger als eine halbe Stunde. Anschließend ist die Haut oft gerötet. Den typischen dreiphasigen Farbverlauf von blass nach blau und später rot bezeichnen Mediziner auch als Trikolore-Phänomen.

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Typische Symptome sind:

  • Farbveränderungen der Finger oder Zehen (weiß, dann blau und schließlich rot), insbesondere bei Kälteexposition oder emotionaler Belastung.
  • Gefühlsstörungen wie Taubheit oder Kribbeln in den betroffenen Bereichen.
  • Schmerzen oder Unbehagen in den Fingern oder Zehen während oder nach einem Raynaud-Anfall.
  • Kälteempfindlichkeit der betroffenen Extremitäten.

Nicht immer werden alle drei Farbveränderungen durchlaufen. Nach der Richtlinie der European Society of Vascular Medicine (ESVM) muss definitorisch eine Abblassungsphase auftreten (1), während andere Autoren auch eine intermittierend auftretende Zyanose gelten lassen („blauer Raynaud“) (2). Das RP manifestiert sich überwiegend an den Fingern und Zehen, seltener an anderen Körperenden (1, 2). Die Dauer der einzelnen Attacken ist variabel und beträgt durchschnittlich 20 Minuten (2). Ein RP tritt bei 60 % der Patienten mindestens einmal täglich auf, 10 % der Betroffenen berichten über 1-3 Attacken pro Monat und 1 % über Gelegenheitsattacken (2).

Diagnose

Die Diagnose von Raynaud erfolgt oft aufgrund der charakteristischen Symptome und der Anamnese der Patientin bzw. des Patienten. Der erste Ansprechpartner bei einem Raynaud-Syndrom ist der Hausarzt, der gegebenenfalls an einen Rheumatologen überweist. In der Regel reicht eine ausführliche Beschreibung der Symptome schon aus, um die Diagnose "Raynaud-Syndrom" zu stellen.

Das ärztliche Gespräch liefert wichtige Hinweise auf Art und Ursache eines Raynaud-Syndroms. Im Gespräch wird der Arzt unter anderem folgende Fragen stellen:

  • Kommt es zu plötzlichen Verfärbungen der Hände, eventuell verbunden mit Schmerz?
  • Treten die Symptome symmetrisch an beiden Händen auf?
  • Treten die Symptome häufig unter Stress oder bei Kälte auf?
  • Sind Veränderungen an Haut oder Nägeln vorhanden?
  • Sind Vorerkrankungen bekannt?
  • Gibt es ähnliche Fälle in der Familie?

Eine Reihe von Tests erhärtet die Diagnose eines Raynaud-Syndroms.

Diagnostische Verfahren

  • Kälteprovokationstest: Eine Durchblutungsstörung lässt sich mithilfe von Lichtimpulsen (akrale Oszillografie) sichern. Spezielles Kaltlicht durchdringt die Haut, sodass kleinste Veränderungen der Gefäße sichtbar werden. Ein Kälteprovokationstest kanngelegentlich durchgeführt werden, bei dem die Hände oder Füße für kurze Zeit in kaltes Wasser getaucht werden, um einen Raynaud-Anfall auszulösen und die Reaktion der Blutgefäße zu beobachten.
  • Kapillarmikroskopie: Die Untersuchung dient dem gleichen Zweck wie das ANA-Screening (1, 7, 8, 19). Ihr positiv prädiktiver Wert ist mit 47 % besser als der des ANA-Screenings (7). Im Rahmen der Kooperation mit den Kollegen der Rheumatologie im Hause eine Kapillarmikroskopie an, die ebenfalls eine weiterführende diagnostische Zuordnung und Schweregradbeurteilung erlauben kann.
  • Blutuntersuchungen: Bluttests decken weitere Erkrankungen auf, die mitunter ein sekundäres Raynaud-Syndrom zur Folge haben. Wichtig sind zum Beispiel ein Blutbild, die Entzündungswerte sowie der Nachweis bestimmter Antikörper. Dazu gehören sogenannte ANA und anti-DNS-Antikörper, die typisch für die seltene Immunerkrankung Lupus erythematodes sind. Die Bestimmung der antinukleären Antikörper (ANA) dient als Screeningtest für das Vorliegen oder für die Identifizierung einer erhöhten Gefährdung für die Entwicklung einer Kollagenose (1, 7, 8, 19).
  • Bildgebende Verfahren: Die Magnetresonanz-Angiografie und die Duplexsonografie ermöglichen den Nachweis von Gefäßkrämpfen (Spasmen), Verengungen (Stenosen) und anderen Gefäßveränderungen. Es empfiehlt sich in der Regel, zusätzlich auch Herz- und Halsgefäße zu untersuchen.

Kriterien zur Diagnose

Die Kriterien für die Diagnose eines primären Raynaud-Syndroms sind:

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  • Beide Hände sind betroffen.
  • Die Attacken erfolgen vor allem bei Kälte oder Stress.
  • Es liegen Gewebeschäden vor.
  • Die Symptome treten bereits über zwei Jahre auf, ohne dass eine zugrunde liegende Krankheit festgestellt wurde.
  • Weitere Untersuchungen sind unauffällig.

Die Kriterien, die für das Vorliegen eines sekundären Raynaud-Syndroms sprechen, sind:

  • Es ist nur eine Hand betroffen.
  • Das Gewebe in den betroffenen Regionen ist geschädigt.
  • Treten die Beschwerden bei Männern auf, die über 30 Jahre alt sind, spricht das ebenfalls eher für ein sekundäres Raynaud-Syndrom.

Therapie

Die Therapie der Erkrankung beginnt mit Vermeidung der Triggerfaktoren wie z. B. Kälte. Nicht bei jedem RP besteht eine medikamentöse Therapieindikation. Bei seltenem Auftreten oder geringer subjektiver Beeinträchtigung genügen allgemeine Kälteschutzmaßnahmen und das Meiden spezifischer Auslösesituationen (1).

Nichtmedikamentöse Behandlung

  • Kälteschutz: Vorrangig wird ein Schutz vor Kälte, Nässe und Wind empfohlen (1). Die Palette der Möglichkeiten reicht von herkömmlichen Handschuhen über Heizkissen und Taschenwärmer bis hin zu beheizbaren Handschuhen, Schuheinlagen und Socken.
  • Nikotinverzicht: Da Nikotin die Gefäße verengt, ist Rauchen für Betroffene tabu.
  • Stressmanagement: Stress kann ebenfalls Gefäßverengungen begünstigen. Entspannungstechniken wie autogenes Training oder Biofeedback können helfen.
  • Gefäßtraining: Regelmäßiges Gefäßtraining (Gymnastik, Wechselbäder), Sport, Massieren der Finger und eine gute Hautpflege (einfetten!).
  • Ernährung: Gegebenenfalls hilft auch eine Ernährung, die reich an Omega-3-Fettsäuren ist, dies ist jedoch wissenschaftlich nicht eindeutig bewiesen.

Medikamentöse Behandlung

Reichen die nichtmedikamentösen Maßnahmen nicht aus, können Medikamente eingesetzt werden, um die Gefäße zu erweitern und die Durchblutung zu verbessern. Erst wenn diese allgemeinen und nebenwirkungsfreien Maßnahmen nicht ausreichend sind und Nekrosen (offene Finger) oder nicht heilende Wunden drohen oder entstehen, kommen Medikamente zum Einsatz. Das Problem bei Medikamenten ist die Tatsache, dass die zur Verfügung stehenden Mittel in der Regel Nebenwirkungen haben.

  • Kalziumantagonisten: Vor allem Nifedipin verursacht häufig Kopfschmerzen, außerdem treten Wassereinlagerungen, Hautrötung, Schwindel, Blutdruckerniedrigung oder Verdauungsprobleme auf.
  • ACE-Hemmer und Prostaglandin-Analoga: Alternativ kommen ACE-Hemmer und Prostaglandin-Analoga zum Einsatz.
  • Infusionen: Benötigen Betroffene Infusionen mit Medikamenten, die die Gefäße weit stellen. Ihre Wirkung hält in der Regel fünf bis sechs Wochen an. Infusionen, etwa mit Iloprost, wirken schnell, machen aber häufig einen stationären Aufenthalt erforderlich.
  • Endothelin-Antagonisten: Sogenannte Endothelin-Antagonisten wie Bosentan stehen als Tabletten zur Verfügung, eine engmaschige ambulante Kontrolle ist jedoch nötig.
  • Sildenafil: Auch Sildenafil erweitert die Blutgefäße, hat jedoch keine Zulassung für die Anwendung beim Raynaud-Phänomen.

Weitere Maßnahmen

  • Operation oder Weitung der Gefäße per Katheter: Verengen sich große Blutgefäße, kommt eine Operation oder Weitung der Gefäße per Katheter infrage sowie eine Blockade der Nerven, die für die Gefäßkrämpfe mitverantwortlich sind.
  • Behandlung der Grunderkrankung: Für Betroffene mit sekundärem Raynaud-Syndrom ist es wichtig, die Grunderkrankung vom Arzt behandeln zu lassen. Sekundäre Formen hingegen lassen sich gezielter therapieren. Oft werden bei rheumatischen Krankheiten Medikamente zur Unterdrückung der Immunabwehr verordnet (zum Beispiel Cortison).

Verlauf und Prognose

Ein primäres Raynaud-Syndrom ist zwar störend und unangenehm, verläuft aber harmlos und schränkt die Lebensqualität meist nur wenig ein. In der Regel bessern sich die Beschwerden im Laufe der Zeit. Beim sekundären Raynaud-Syndrom ist die Prognose abhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung.

Bleiben die Verkrampfungen (Spasmen) in selteneren Fällen über einen längeren Zeitraum bestehen, nehmen die Gefäße dauerhaft Schaden. In einigen Fällen stirbt mitunter das Gewebe ab - es bilden sich Nekrosen. Solche Schäden treten aber in der Regel nur als Komplikationen eines sekundären Raynaud-Syndroms auf.

Fazit

Das Raynaud-Syndrom ist eine häufige Erkrankung, die durch Kälte oder Stress ausgelöste Durchblutungsstörungen verursacht. Während das primäre Raynaud-Syndrom meist harmlos verläuft, kann das sekundäre Raynaud-Syndrom auf eine ernsthafte Grunderkrankung hindeuten. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind wichtig, um Komplikationen zu vermeiden und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

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