Rechte und linke Gehirnhälfte: Mythos und Realität eines Online-Tests

Das menschliche Gehirn ist ein komplexes Organ, das aus zwei Hälften (Hemisphären) besteht, die durch einen dicken Nervenstrang, den sogenannten Balken, miteinander verbunden sind. Diese beiden Bereiche sind zwar miteinander verbunden, übernehmen aber teilweise unterschiedliche Aufgaben. Die rechte Gehirnhälfte ist spezialisiert auf räumliches Denken, die Verarbeitung von Bildern und die Wahrnehmung der Position des eigenen Körpers im Raum. Die linke Gehirnhälfte hingegen ist besonders für die Verarbeitung von Sprache und abstraktem Denken zuständig.

Die Hemisphären-Theorie: Logik versus Emotion

Laut der sogenannten Hemisphären-Theorie ist die linke Gehirnhälfte für Logik und rationales Denken zuständig, während die rechte Gehirnhälfte emotionale und kreative Denkprozesse steuert. Je nachdem, welche Hälfte dominant ist, sollen sich unterschiedliche Stärken und Charaktereigenschaften einer Person zeigen. Diese Theorie ist weit verbreitet, obwohl es bisher keine umfassenden wissenschaftlichen Studien zu diesem Thema gibt.

Online-Tests zur Dominanz der Gehirnhälfte: Ein unterhaltsames Werkzeug

Im Internet kursieren zahlreiche Gehirntests, die angeblich feststellen können, welche Gehirnhälfte dominant ist. Diese Tests reichen von wissenschaftlichen Ansätzen bis hin zu unterhaltsamen Spielen. Obwohl solche Tests oft der Unterhaltung dienen, können sie den Teilnehmern Hinweise darauf geben, welche Gehirnhälfte bei ihnen stärker ausgeprägt ist.

Ein Beispiel für einen solchen Test ist der Test der Agentur Sommer + Sommer, der überprüfen sollte, wie deutsche Marketingentscheider "ticken". Der Test sollte zeigen, ob diese eher von der Ratio (linke Gehirnhälfte, zuständig für Vernunft, Ordnung und Logik) oder von den Emotionen (rechte Gehirnhälfte) bestimmt werden.

Ein weiterer beliebter Test ist der sogenannte 2-Sekunden-Test, bei dem man eine sich drehende Tänzerin beobachtet. Dreht sie sich im Uhrzeigersinn, wird der rechten Gehirnhälfte der Vorzug gegeben, was auf Kreativität, Intuition und Emotionalität hindeutet. Dreht sie sich gegen den Uhrzeigersinn, dominiert die linke Gehirnhälfte, was auf ein strukturiertes, logisch-analytisches Denken schließen lässt.

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Neurowissenschaftliche Erkenntnisse: Spezialisierung und Zusammenarbeit

Die Neurowissenschaft hat gezeigt, dass es tatsächlich eine Spezialisierung der Hirnareale gibt. Im 19. Jahrhundert beschrieben Paul Broca und Karl Wernicke die sprachbezogenen Bereiche der linken Hemisphäre: das Broca-Areal und das Wernicke-Areal. Diese Erkenntnisse inspirierten die Idee der Gehirnasymmetrie.

Sensorische und motorische Funktionen werden jedoch von beiden Gehirnhälften wahrgenommen. Die Muskeln der linken Körperhälfte werden von der rechten Gehirnhälfte gesteuert und umgekehrt, was den Eindruck erwecken kann, dass die beiden Hemisphären unabhängig voneinander arbeiten.

Der Mythos der "linkshirnigen" und "rechtshirnigen" Persönlichkeit

Die Vorstellung, dass es Persönlichkeiten mit "linker" und "rechter Gehirnhälfte" gibt, die eine Gehirnhälfte mehr nutzen als die andere, ist ein weit verbreiteter Mythos. Auch die Zuschreibung der linken Gehirnhälfte an Männer und der rechten Gehirnhälfte an Frauen, die oft als intuitiver gelten, entbehrt jeglicher wissenschaftlicher Grundlage. Es ist nicht möglich, Persönlichkeiten durch eine Spezialisierung der einen Gehirnhälfte zu definieren, die Vorrang vor der anderen hätte.

Die Rolle der Emotionen: Nicht nur eine Frage der rechten Gehirnhälfte

Obwohl die rechte Gehirnhälfte oft mit Emotionen in Verbindung gebracht wird, ist die Realität komplexer. Einige Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass eine Dominanz der rechten Gehirnhälfte eher mit negativen Emotionen zusammenhängt. Die Valenzhypothese besagt, dass eine Hyperaktivität der rechten Gehirnhälfte dazu führen kann, dass negative Gefühle stärker verarbeitet werden, pessimistische Gedanken auftauchen und unkonstruktive Denkmuster entstehen.

Gehirntraining: Beide Hälften profitieren

Die Vorstellung, dass man gezielt nur eine Gehirnhälfte trainieren kann, ist ebenfalls ein Mythos. Bei jeder Art von Gehirntraining werden immer beide Hälften aktiv, jedoch in unterschiedlicher Form. Gehirntrainingsprogramme, die vorgeben, nur die rechte Gehirnhälfte anzusprechen, sind wissenschaftlich nicht fundiert.

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Es ist jedoch möglich, die Aufmerksamkeit und andere kognitive Fähigkeiten durch gezieltes Training zu verbessern. NeuroNation bietet beispielsweise Übungen an, die die Aufmerksamkeitsspanne verlängern und den Fokus verbessern.

Die Bedeutung der Zusammenarbeit beider Gehirnhälften

Um exzellente und kreative Denkleistungen zu erbringen, müssen beide Gehirnhälften des Großhirns gut zusammenarbeiten und sich ergänzen. Die neuen Erkenntnisse bezüglich der Neurobiologie des Gedächtnisses bestätigen, dass Lehrer variable methodische Konzepte anwenden sollten, um Studierenden und Schülern beim Erwerb von Erfahrung und Wissen zu helfen.

Um die Zusammenarbeit und Synchronisation beider Gehirnhälften zu stärken, gibt es verschiedene Möglichkeiten:

  • Multisensorische Aktivitäten: Tätigkeiten, die mehrere Sinne ansprechen und somit beide Gehirnhälften gleichzeitig aktivieren.
  • Kinesiologische Übungen: Übungen, die die Koordination zwischen beiden Gehirnhälften verbessern sollen.
  • Lernen durch Visualisierung und Assoziation: Das Gehirn durch verschiedene Lern- und Denkprozesse fordern und trainieren, um eine bessere Vernetzung der gespeicherten Informationen zu erreichen.
  • Verbindung zwischen systematischem Denken und Intuition: Um das Gedächtnis zu verbessern, müssen Synapsen verstärkt werden. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, ist die Verbindung zwischen systematischem Denken und Intuition.
  • Verwendung von Mind Maps oder anderen visuellen Techniken: Durch das Zusammenspiel beider Gehirnhälften können Informationen besser verarbeitet und abgerufen werden. Dies ist besonders wichtig für die kreative Problemlösung und das Lernen.

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