Schluckstörungen, auch Dysphagien genannt, sind eine häufige Folge eines Schlaganfalls. Die Rehabilitation von Patienten mit Dysphagie erfordert ein sensibles, hochspezialisiertes therapeutisches Training. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Diagnostik und Therapiemöglichkeiten von Schluckstörungen nach einem Schlaganfall.
Ursachen von Schluckstörungen nach Schlaganfall
Ein Schlaganfall kann zu Schädigungen von Strukturen der Sprach-, Sprech- oder Schlucksysteme im zentralen oder peripheren Nervensystem führen. Diese Schädigungen können eine neurogene Dysphagie verursachen, bei der es zum "krankhaften Verschlucken" von fester Nahrung und/oder Flüssigkeiten kommt. Statt in die Speiseröhre gelangen diese in die Luftwege. Schutzfunktionen wie Husten oder Räuspern sind dabei häufig gestört, was zu einer "stillen Aspiration" führen kann. Der Kauvorgang kann ebenfalls beeinträchtigt sein.
Die motorischen und sensorischen Mechanismen des Schluckablaufs werden durch verschiedene Zentren des Gehirns gesteuert. Durch einen Schlaganfall kann es zu Schädigungen der Hirnareale oder der Hirnnerven kommen, die die komplexen Bewegungsabläufe der Schluckphasen ermöglichen.
Phasen des Schluckvorgangs
Der Schluckvorgang besteht aus fünf Phasen:
- Orale Vorbereitungsphase: Hier wird die Nahrung durch Kauen und Speichel zu einem Bolus geformt.
- Orale Phase: Die Zunge befördert den Bolus nach hinten in den Rachen.
- Pharyngeale Phase: Die Luftröhre wird verschlossen, um zu verhindern, dass Nahrung in die Atemwege gelangt. Der Bolus wird durch den Rachen in die Speiseröhre transportiert.
- Ösophageale Phase: Der Bolus wird durch peristaltische Bewegungen der Speiseröhre in den Magen befördert.
Sind eine oder mehrere dieser Phasen nach dem Schlaganfall gestört, spricht man von einer Schluckstörung (Dysphagie). Eine Schluckstörung bedeutet daher nicht zwingend, dass sich die Betroffenen verschlucken.
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Diagnostik von Schluckstörungen
Eine frühzeitige Diagnostik ist entscheidend, um schwerwiegende Folgen wie Mangelernährung, Flüssigkeitsmangel, Schluckangst, Gewichtsverlust und Lungenentzündungen zu vermeiden. Direkt bei Aufnahme wird bereits bei Verdacht auf mögliche Dysphagie ein klinisches Schluckscreening durchgeführt und die Kostform (z.B. weiche oder pürierte Kost, Flüssigkeiten angedickt) festgelegt. Bei Hinweis auf schwere Schluckstörung muss zunächst sogar auf orale Nahrungs- und/oder Flüssigkeitsaufnahme verzichtet werden.
Ergänzend zu dieser klinisch-therapeutischen Untersuchung können bildgebende Verfahren eingesetzt werden, um die Aspirationsgefahr und -menge zu beurteilen.
Im Verlauf erfolgt bei Bedarf eine apparative Schluckdiagnostik. Hier nutzen wir eine fiberendoskopische Evaluation des Schluckens (FEES). Dabei wird ein dünnes Endoskop durch die Nase eingeführt, um den Schluckvorgang zu beobachten. Diese Untersuchung gibt uns einen sicheren Aufschluss darüber, ob die Nahrungs- und /oder Flüssigkeitsaufnahme ohne Aspiration möglich ist. Die Aspiration, also das Eindringen von Nahrung und /oder Flüssigkeit in die Lunge, stellt ein unter Umständen tödliches Risiko dar, das es zu vermeiden gilt. Aus diesem Grund wird bei der FEES ebenfalls überprüft, welche Kostformen, Haltungstechniken und Schluckregeln die Aspirationsgefahr minimieren oder auch verhindern.
Therapie von Schluckstörungen
Für jeden Patienten werden individuelle Therapien von Logopäden je nach Schweregrad und Störung mit dem Ziel des sicheren Speichelschluckens sowie der sicheren Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme durchgeführt. Dabei wird nach wissenschaftlich anerkannten Therapiemethoden und -techniken vorgegangen.
Hauptziel der Therapie bei Dysphagien ist die möglichst weitgehende Wiedererlangung der Fähigkeit zur oralen Nahrungsaufnahme und die Reduzierung des Aspirationsrisikos. Die Therapie umfasst verschiedene Verfahren:
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- Funktionstraining: Stärkt die Muskelkraft der am Schluckprozess beteiligten Organstrukturen. Außerdem lässt sich die Bewegungsfähigkeit zum Beispiel von Zunge, Kehlkopf und Kiefer gezielt trainieren.
- Stimulationstechniken: Arbeiten mit Vibration, Druck oder Geschmack und können helfen, dass Betroffene mit Wahrnehmungsstörungen ihre Schluckorgane wieder steuern können. Auch Sensibilitätsstörungen können logopädisch behandelt werden. Das ist wichtig, denn zum Schlucken muss die Nahrung gespürt werden. Dr. Melanie Weinert vom Kölner Dysphagiezentrum beschreibt das Prinzip so: „Was ich spüre, bewege ich."
- Kompensationstechniken: Werden erlernt, um den Schluckvorgang zu erleichtern, wenn verloren gegangene Fähigkeiten nicht wiedererlangt werden können. Dazu wird der Schluckvorgang durch Haltungsänderungen oder bestimmte Schlucktechniken verändert.
- Adaptierende Verfahren: Sie beinhalten unter anderem eine Anpassung der Kostform (pürierte vs. weiche vs. feste Kost, angedickte Getränke, etc.), aber auch die Verwendung spezieller Trinkbecher, eines speziellen Bestecks oder weiterer unterstützender Therapiehilfen. Adaptierende Verfahren: diese werden vor allem in frühen Phasen dysphagischer Erkrankungen hinzugezogen.
Die Kunst besteht darin, die Mahlzeiten nur so weit anzupassen, wie es für die Schlucksicherheit der Betroffenen nötig ist“, erklärt Weinert. Dabei gelten Mischkonsistenzen wie frisches Obst oder Suppen mit Einlage als besonders schwer zu schlucken. Welche Therapie für wen geeignet ist, hängt von der betroffenen Hirnregion und den weiteren Einschränkungen ab, die der Schlaganfall verursacht hat. „Auf jeden Fall muss die Therapie individuell angepasst werden“, betont Melanie Weinert.
Weitere Therapiemöglichkeiten
- Pharyngeale Elektrostimulation (PES): Sie kommt für manche Patienten mit schwerer Schluckstörung, meist auch mit Trachealkanülenversorgung, vor allem nach Schlaganfall in den Großhirn-Hemisphären oder Schädel-Hirn-Trauma in Betracht. Mit einem speziellen Katheter, ähnlich einer Ernährungssonde, werden Nervenbahnen im Schlund an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen elektrisch gereizt. Die dadurch verursachte Umorganisation in den Schluckzentren der Hirnrinde kann zu einer Verbesserung der Schluckfrequenz und auch zur rascheren Entwöhnung von der Trachealkanüle führen.
- Tracheotomie: Ebenso kann es bei schwersten Dysphagien, die zu einer dauerhaften Aspiration von Speichel führen, notwendig sein, ein Luftröhrenschnitt (Tracheotomie) durchzuführen und den Patienten mit einer geblockten Trachealkanüle zu versorgen, um die tieferen Atemwege vor dem aspirierten Speichel und Sekret zu schützen. In diesem Fall ist das Ziel der Dysphagietherapie zunächst nicht im Erreichen der oralen Nahrungsaufnahme zu sehen, sondern in der Anbahnung und Sicherung der Schluckfunktion und dem Entwöhnen von der Trachealkanüle. Erst nach der Dekanülierung kann ggf.
Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit
Eine optimale Behandlung erreichen wir nicht zuletzt durch unsere multiprofessionelle, interdisziplinäre Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsgruppen. In regelmäßigen Teamsitzungen werden der aktuelle Stand der Therapie besprochen und die Therapieziele und Vorgehensweisen angepasst.
Frührehabilitation nach Schlaganfall
Die Frührehabilitation nach einem ischämischen Insult, umgangssprachlich als Schlaganfall bekannt, ist ein kritischer Schritt auf dem Weg zur Genesung. Sie beginnt unmittelbar nach der Akutbehandlung und trägt maßgeblich dazu bei, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Ziele und Methoden der Frührehabilitation
Bei der Frührehabilitation geht es darum, die durch die Hirnschädigung verursachten Funktionsstörungen zu verbessern. Primäres Ziel der Frührehabilitation ist es, Langzeitbehinderungen zu minimieren. Dies umfasst die Wiederherstellung der motorischen Funktionen, die Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten und die Unterstützung bei emotionalen und sozialen Anpassungen.
Schritte zum Wiedererlangen der Funktionen
Die Frührehabilitation nach einem ischämischen Insult, besser bekannt als Schlaganfall, ist ein mehrstufiger Prozess. Er zielt darauf ab, die durch die Hirnschädigung verursachten Beeinträchtigungen zu minimieren und die betroffene Person so weit wie möglich in ihren Alltagsfunktionen zu unterstützen. Von Beginn an wird die Verfassung durch ein interdisziplinäres Team aus Ärzt:innen, Physiotherapeut:innen, Ergotherapeut:innen und Logopäd:innen umfassend bewertet. Dabei werden die Auswirkungen des Schlaganfalls auf die motorischen, sensorischen, kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten erfasst.
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Bedeutung der Frührehabilitation
Nach einem ischämischen Schlaganfall ist die Frührehabilitation entscheidend für die Prognose und das langfristige Wohlbefinden der Betroffenen. Wird diese Phase nicht adäquat durchgeführt, können die Konsequenzen weitreichend sein.
Nachsorge und Weiterführung der Therapie
Für den weiteren Genesungsprozess spielt die Nachsorge nach einer erfolgreichen Frührehabilitation eine zentrale Rolle. In dieser Phase können Sie damit rechnen, dass sich Ihre motorischen Fähigkeiten, kognitiven Funktionen und Ihre Unabhängigkeit im Alltag allmählich verbessern. In der Regel beginnt die Nachsorge mit einer ambulanten oder teilstationären Rehabilitation. Die in der Frührehabilitation begonnenen Therapieansätze werden fortgesetzt und an Ihren aktuellen Genesungsstand angepasst.
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