Die Verbindung zwischen rheumatischen Erkrankungen und Demenz ist ein vielschichtiges Thema, das in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der Forschung gerückt ist. Während einige Studien darauf hindeuten, dass bestimmte rheumatische Erkrankungen das Demenzrisiko erhöhen können, gibt es auch Hinweise darauf, dass bestimmte Medikamente, die zur Behandlung von Rheuma eingesetzt werden, möglicherweise vor Demenz schützen können. Dieser Artikel beleuchtet die aktuellen Erkenntnisse zu diesem Thema und versucht, die komplexen Zusammenhänge zwischen Rheuma und Demenz zu entwirren.
Erhöht Rheuma das Demenzrisiko?
Mehrere Studien deuten darauf hin, dass bestimmte rheumatische Erkrankungen mit einem erhöhten Risiko für Demenz verbunden sein könnten. Eine Fall-Kontroll-Studie aus Taiwan, die Daten von über 10.000 Demenzpatienten und 60.000 Kontrollpersonen auswertete, ergab, dass Frauen mit Sjögren-Syndrom (SS), systemischem Lupus erythematodes (SLE) und Arthrose sowie Männer mit SS, Psoriasis-Arthritis und Arthrose häufiger an Demenz erkrankten. Die Autoren vermuten, dass Entzündungsfaktoren und die eingesetzten Medikamente eine Rolle bei diesem Zusammenhang spielen könnten.
Eine weitere bevölkerungsbasierte Kohortenstudie zeigte, dass RA-Patienten ein 1,2-fach höheres Risiko hatten, eine Demenz (Alzheimer oder vaskuläre Demenz) zu entwickeln als Kontrollpersonen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Lebensstilfaktoren und Komorbiditäten. Darüber hinaus ergab eine epidemiologische Studie aus den USA, dass eine seropositive rheumatoide Arthritis (RA) das Risiko für eine Demenz leicht erhöht. Eine seropositive RA liegt vor, wenn der Rheumafaktor und/oder positive CCP-Antikörper im Blut gefunden wurden.
Es gibt auch Hinweise darauf, dass bestimmte Faktoren bei RA-Patienten das Demenzrisiko erhöhen können. Eine Studie zeigte, dass ein höheres Alter beim Auftreten der RA, Granulome (Rheumaknoten), große Schwellungen an den Gelenken, Bluthochdruck, Herzinsuffizienz und Depressionen mit einem signifikant erhöhten Risiko, an Demenz zu erkranken, verbunden waren. Auch große Gelenkschwellungen, kardiovaskuläre oder zerebrovaskuläre Erkrankungen (insbesondere Herzinsuffizienz und ischämischer Schlaganfall) sowie Angstzustände und Depressionen erhöhten das Demenzrisiko.
Schützende Effekte von Rheuma-Medikamenten?
Interessanterweise gibt es auch Hinweise darauf, dass bestimmte Medikamente, die zur Behandlung von Rheuma eingesetzt werden, möglicherweise vor Demenz schützen können. Eine im Jahr 2001 veröffentlichte Studie in New England Journal of Medicine zeigte, dass eine langfristige Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) vor einem Morbus Alzheimer, nicht jedoch vor einer vaskulären Demenz schützen kann. Das relative Risiko für einen Morbus Alzheimer betrug 0,95 bei kurzfristiger NSAR-Einnahme, 0,83 bei mittelfristiger Einnahme und 0,20 bei langfristiger Einnahme, wenn Alter, Geschlecht, Bildungsstand, Nikotinkonsum sowie Einnahme von ASS, H2-Blockern, Antihypertonika und Blutzucker senkenden Substanzen berücksichtigt wurden.
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Eine weitere Studie aus dem Jahr 2017 ergab, dass das Antirheumatikum Methotrexat das Risiko für Demenzerkrankungen bei rheumatoider Arthritis um die Hälfte reduzieren kann. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass bestimmte Rheuma-Medikamente möglicherweise neuroprotektive Eigenschaften besitzen.
Die Rolle von Entzündungen
Chronische Entzündungen spielen sowohl bei rheumatischen Erkrankungen als auch bei Demenz eine wichtige Rolle. Bei rheumatischen Erkrankungen kommt es zu schubweisen Schmerzen und Funktionsstörungen des Bewegungsapparats. Zu den autoimmunbedingten entzündlich-rheumatischen Erkrankungen zählen unter anderem die rheumatoide Arthritis, Morbus Bechterew, Psoriasis-Arthritis und die beiden Bindegewebserkrankungen systemischer Lupus erythematodes und das Sjögren-Syndrom. Außerdem werden auch degenerative Gelenk- und Wirbelsäulenveränderungen wie die Arthrose, Weichteilrheumatismus und Stoffwechselerkrankungen wie die Gicht zu den rheumatischen Erkrankungen gezählt.
Bei der Demenz kommt es zu Eiweißablagerungen, entzündlichen Reaktionen in den Nervenzellen des Gehirns und zu Änderungen der Botenstoffe, die für die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen benötigt werden. Dadurch kommt es zu einer verminderten Leistung und einem Absterben der Nervenzellen.
Forscher des Universitätsklinikums Erlangen und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg haben erstmals einen konkreten Zusammenhang zwischen chronischen peripheren Entzündungen und neurodegenerativen Erkrankungen nachgewiesen. Sie fanden heraus, dass bei Rheumatoider Arthritis sogenannte Mikroglia - Gewebsmakrophagen des Immunsystems - in bestimmten Bereichen des Gehirns aktiviert werden. Die Vermutung der Forscher: Mikroglia werden durch die anhaltende Stimulation infolge peripherer Entzündungen so verändert, dass sie zum Sterben von Nervenzellen und zur Hirndegeneration beitragen.
Es gibt auch Hinweise darauf, dass das Protein GM-CSF, das der Körper durch einen Befall mit rheumatoider Arthritis freisetzt, das Fortschreiten von Alzheimer deutlich verringern und den typischen Gedächtnisverlust sogar rückgängig machen kann. Das Protein GM-CSF regt die körpereigenen Aufräumdienste an, die Amyloidablagerungen im Gehirn abzubauen, die für Alzheimer typisch sind.
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Weitere Faktoren
Neben Entzündungen und Medikamenten gibt es auch andere Faktoren, die den Zusammenhang zwischen Rheuma und Demenz beeinflussen können. Dazu gehören:
- Alter: Demenz tritt vermehrt ab dem 65. Lebensjahr auf. Ein höheres Alter beim Auftreten der RA war in einer Studie durchweg mit einem höheren Demenzrisiko verbunden.
- Lebensstil: Faktoren wie Rauchen und Luftverschmutzung können sowohl das Risiko für rheumatische Erkrankungen als auch für Demenz erhöhen. Passivrauchen erhöht das Risiko für rheumatoide Arthritis. Eine höhere Luftverschmutzung war mit höheren Entzündungswerten verbunden.
- Begleiterkrankungen: Zusatzerkrankungen wie Diabetes mellitus sowie chronische Lungen- oder Nierenerkrankung können das Infektionsrisiko bei RA-Patienten erhöhen. Berliner Forscher haben nachgewiesen, dass niedrigschwellige Entzündungen im höheren Alter zunehmen. Dazu können auch andere Faktoren außer dem Alter beitragen, etwa höheres Gewicht, chronische Infektionen, Isolation, Bewegungsmangel, Schlafprobleme und Umweltfaktoren. Als Konsequenz steigt mit höherem Lebensalter das Risiko für das sogenannte metabolische Syndrom, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Depressionen, Muskelschwund, neurodegenerative Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen.
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