Herzinfarkt und Schlaganfall sind zwei der häufigsten und potenziell lebensbedrohlichen Erkrankungen weltweit. Beide Ereignisse haben oft ähnliche Ursachen und Risikofaktoren, die sich gegenseitig beeinflussen können. Das Verständnis dieser Risikofaktoren ist entscheidend für die Prävention und Reduzierung des Erkrankungsrisikos. Dieser Artikel beleuchtet die wichtigsten Risikofaktoren, ihre Bedeutung und wie sie durch Änderungen des Lebensstils und medizinische Interventionen beeinflusst werden können.
Gemeinsame Ursachen und Zusammenhänge
Schlaganfälle und Herzinfarkte haben häufig die gleiche Ursache. Beide lebensbedrohliche Erkrankungen werden in vielen Fällen durch ein Blutgerinnsel (Thrombus) verursacht, das ein Gefäß verstopft. Die von der Durchblutung abgeschnittenen Bereiche sind dann nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Gewebe stirbt ab, und es kommt zum Infarkt. Steckt das Gerinnsel im Herzen fest, ist ein Herzinfarkt die Folge. Wird das Blutgerinnsel mit dem Blutstrom ins Gehirn getragen, droht ein Schlaganfall. Hinzu kommt, dass ein krankes Herz das Schlaganfall-Risiko erhöht. Herzerkrankungen zählen zu den häufigsten Schlaganfall-Ursachen überhaupt. Dies gilt vor allem für Vorhofflimmern und bestimmte Herzklappenerkrankungen.
Die Interstroke-Studie und ihre Erkenntnisse
Die Interstroke-Studie, veröffentlicht im Fachmagazin „Lancet“ (2010), identifizierte zehn Hauptrisikofaktoren, die für 90 Prozent aller Schlaganfälle weltweit verantwortlich sind. Diese Studie umfasste 3.000 Schlaganfallpatienten aus 22 Ländern, denen eine gleiche Anzahl von Kontrollpersonen gegenübergestellt wurde. Die Interstroke-Studie ist das Pendant zur Interheart-Studie, die vor sechs Jahren publiziert wurde und die die gleichen Risikofaktoren für den Herzinfarkt ermittelte, wenn auch mit anderer Gewichtung.
Die wichtigsten Risikofaktoren für Schlaganfälle sind laut Interstroke-Studie:
- Arterielle Hypertonie (Bluthochdruck): Mit einem populationsattributablen Risiko (PAR) von 34,6 Prozent ist Bluthochdruck der bedeutendste Risikofaktor.
- Abdominale Adipositas (Bauchfettsucht): Trägt mit 26,5 Prozent zum Schlaganfallrisiko bei.
- Bewegungsmangel: Ist mit 28,5 Prozent ein wesentlicher Faktor.
- Rauchen: Verantwortlich für 18,9 Prozent der Schlaganfälle.
- Ernährungsfehler: Tragen mit 18,8 Prozent zum Risiko bei.
Diese fünf Faktoren erklären bereits 80 Prozent aller Schlaganfälle. Weitere Risikofaktoren, die das Risiko erhöhen, sind:
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- Fette (Quotient Apolipoprotein B zu A1)
- Diabetes mellitus
- Alkoholkonsum
- Stress
- Depressionen
Werden diese Faktoren berücksichtigt, steigt der Anteil erklärter Schlaganfälle auf 90 Prozent.
Die PROCAM-Studie und ihre Ergebnisse
Die „Prospektive Münster Studie“ (PROCAM) identifizierte Geschlecht, Alter, Rauchen, Diabetes mellitus oder Nüchternblutzucker ab 120 mg/dl und Bluthochdruck als wichtigste Schlaganfall-Risikofaktoren. Diese Studie unterstreicht die Bedeutung von Langzeitbeobachtungen zur Identifizierung und Quantifizierung von Risikofaktoren.
Beeinflussbare und nicht beeinflussbare Risikofaktoren
Risikofaktoren für Herzinfarkt und Schlaganfall lassen sich in beeinflussbare und nicht beeinflussbare Faktoren unterteilen. Zu den nicht beeinflussbaren Risikofaktoren gehören:
- Geschlecht: Männer haben tendenziell ein höheres Risiko als Frauen.
- Alter: Das Risiko steigt mit zunehmendem Alter.
- Familiäre Veranlagung: Wenn Herzinfarkte oder Schlaganfälle bei nahen Verwandten gehäuft auftreten, deutet dies auf ein erblich erhöhtes Risiko hin.
Beeinflussbare Risikofaktoren sind:
- Bluthochdruck: Ein hoher Blutdruck schädigt die Blutgefäße und das Herz und erhöht somit das Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte.
- Diabetes: Diabetes mellitus ist ein klassischer Risikofaktor, da dauerhaft erhöhte Blutzuckerwerte die Blutgefäße schädigen.
- Schlechte Blutfettwerte: Insbesondere ein erhöhter LDL-Cholesterinspiegel (Low-Density-Lipoprotein) begünstigt die Entstehung von Arteriosklerose.
- Rauchen: Schädigt die Blutgefäße und senkt die Sauerstoffaufnahme im Blut, was zu erhöhtem Blutdruck und verengten Gefäßen führt.
- Alkoholkonsum: Übermäßiger Alkoholkonsum kann den Blutdruck erhöhen und das Risiko für Herzrhythmusstörungen steigern.
- Übergewicht und Bewegungsmangel: Fördern Bluthochdruck, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen.
- Stress und Depressionen: Können indirekt das Risiko erhöhen, indem sie ungesunde Verhaltensweisen fördern.
Die Bedeutung der Blutdruckkontrolle
Bluthochdruck gehört zu den größten Gefahren für die Entwicklung einer Arteriosklerose (Gefäßverkalkung). Die verengten und oft entzündeten Gefäße sind ein bedeutender Risikofaktor für die Entstehung von Blutgerinnseln. „Bei einem Bluthochdruck kann die Senkung des oberen Wertes um nur 10 mmHg das Schlaganfall-Risiko bereits um die enorme Zahl von fast 40 Prozent verringern“, erklärt Prof. Dr. med. Joachim Röther.
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Regelmäßige Blutdruckmessungen sind daher essenziell. Empfehlungen für die Häufigkeit der Messungen sind:
- Tägliche Messung: Sinnvoll für Bluthochdruckpatienten, insbesondere bei Änderungen der Medikation oder bei Beschwerden wie Schwindel, Kopfschmerzen oder Nasenbluten.
- Monatliche Messung: Ratsam für Menschen mit Herzerkrankungen, um sicherzustellen, dass das Herz keinem zu hohen Druck ausgesetzt ist.
- Halbjährliche Messung: Viele Mediziner empfehlen, ab dem 40. Lebensjahr mindestens halbjährlich den Blutdruck zu messen, besonders bei Vorliegen von Risikofaktoren wie Übergewicht, Rauchen, hohen Blutfettwerten, Bewegungsmangel und Stress. Bei familiärer Vorbelastung sollte bereits ab dem 35. Lebensjahr gemessen werden.
Diabetes als Risikofaktor
Bei etwa jedem vierten Patienten, der einen Schlaganfall erlebt hat, ist Diabetes mellitus nachweisbar. Generell ist bei Diabetes das Schlaganfallrisiko zwei bis viermal erhöht. Diabetes ist daher ein klassischer Risikofaktor für den Schlaganfall. Beim Diabetes kommt es durch dauerhaft erhöhte Blutzuckerwerte zu einer fortschreitenden Schädigung vor allem kleinerer Blutgefäße.
Herzrhythmusstörungen und Schlaganfallrisiko
Herzrhythmusstörungen können zur Bildung von Blutgerinnseln im Herzen führen. Solche Gerinnsel können mit dem Blutstrom in die Hirnschlagadern gelangen und stellen ein sehr großes Risiko für Schlaganfälle dar. Die zugrundeliegenden Herzrhythmusstörungen werden von den Betroffenen häufig nicht bemerkt. Menschen mit Vorhofflimmern haben ein bis zu 5-fach erhöhtes Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden. Die Wahrscheinlichkeit für ein Vorhofflimmern steigt mit zunehmendem Lebensalter. Die Einnahme von Gerinnungshemmern (Blutverdünnern) beispielsweise gehört zu den wichtigsten Therapiemaßnahmen bei Vorhofflimmern und Herzklappenerkrankungen. „Mit einer gewissenhaften Einnahme von Gerinnungshemmern lässt sich die Bildung von gefährlichen Blutgerinnseln in vielen Fällen wirkungsvoll verhindern und somit ein effizienter Schutz vor Schlaganfällen erreichen“, sagt Prof. Dr. med.
Weitere Risikofaktoren und ihre Bedeutung
- Übergewicht und Bewegungsmangel: Können einen Bluthochdruck oder einen Diabetes zur Folge haben. Alleine hierdurch ist das Schlaganfallrisiko bei übergewichtigen Menschen deutlich erhöht.
- Rauchen: Schädigt die Blutgefäße und senkt die Sauerstoffaufnahme im Blut. Folge sind ein erhöhter Blutdruck, verengte Blutgefäße und eine schlechtere Gewebedurchblutung. Raucher haben ein zwei- bis vierfach erhöhtes Schlaganfallrisiko. Aufhören lohnt sich.
- Alkohol: In geringen Mengen hat Alkohol keinen negativen Effekt auf das Schlaganfallrisiko. Im Gegenteil: Rotwein kann - in geringen Mengen konsumiert - sogar vor atherosklerotischen Gefäßveränderungen schützen und den Cholesterinspiegel senken.
- Fettstoffwechselstörungen: Können eine Atherosklerose begünstigen und tragen damit zu einem erhöhten Schlaganfallrisiko bei. Besonders das sogenannte LDL-Cholesterin erhöht das Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte.
- Familiäre Veranlagung: Ist bei Familienmitgliedern bereits ein Schlaganfall aufgetreten, so ist das Schlaganfallrisiko erhöht.
Die Potenzierung von Risikofaktoren
Die Risikofaktoren für den ischämischen Schlaganfall addieren sich nicht nur, sondern potenzieren sich: Diabetes mellitus erhöht das Risiko um den Faktor 2 bis 3, ebenso Rauchen. Bluthochdruck schlägt sogar mit dem Faktor 6 bis 8 zu Buche. Die absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern führt ebenfalls zu einem mindestens 5fach erhöhten Schlaganfallrisiko. Wenn neben dem Vorhofflimmern noch eine koronare Herzerkrankung oder eine Herzschwäche bestehen, erhöht sich das Risiko zusätzlich um den Faktor 2 bis 3. Viele Menschen sind von mehreren dieser Einflüsse gleichzeitig betroffen.
Prävention und Lebensstiländerungen
Viele Herzinfarkte und Schlaganfälle sind durch die Kontrolle und Behandlung der klassischen Risikofaktoren vermeidbar. Ein gesunder Lebensstil kann diese Risikofaktoren reduzieren. Dies beinhaltet:
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- Regelmäßige Bewegung: Fördert die Herz-Kreislauf-Gesundheit und hilft, Übergewicht zu vermeiden.
- Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und wenig gesättigten Fetten und Cholesterin kann das Risiko senken.
- Gewichtsabnahme: Reduziert den Blutdruck, verbessert die Blutfettwerte und senkt das Diabetesrisiko.
- Normalisierung der Cholesterinspiegel: Kann durch Ernährung, Bewegung und gegebenenfalls Medikamente erreicht werden.
- Verzicht auf Rauchen: Reduziert das Risiko erheblich und verbessert die allgemeine Gesundheit.
Schlaganfall-Warnzeichen erkennen
Einem Schlaganfall gehen oft Vorboten voraus. Diese können Stunden, Tage oder Wochen vor dem Hirninfarkt auftreten. Meist handelt es sich um fast die gleichen Symptome wie bei einem Schlaganfall. Anders als bei einem „echten“ Schlaganfall verschwinden die Beschwerden nach kurzer Zeit jedoch wieder. Mediziner nennen diese Schlaganfall-Vorboten „Transitorische Ischämische Attacke“, kurz TIA.
„Tritt auch nur eines der oben genannten Schlaganfall-Warnzeichen auf, rufen Sie sofort den Notruf unter 112 und äußern Sie den Verdacht auf einen Schlaganfall. Bei einem Hirninfarkt zählt jede Minute. Es gilt: ‚Time is Brain‘, also ‚Zeit ist Gehirn‘“, warnt Prof. Dr. med. Joachim Röther. „Viele Menschen begehen den Fehler, dass sie erst einmal abwarten, ob die Probleme von alleine wieder verschwinden. Bei einem Notfall in der Nacht warten sie bis zum nächsten Morgen oder am Wochenende bis zum Montag.“
Diagnostische Maßnahmen
Die Blutanalyse ist ein wichtiger Bestandteil der Herz-Kreislauf-Kontrolle. Bei dieser labortechnischen Untersuchung werden alle wichtigen Stoffwechsel- und Organfunktionswerte bestimmt. Im Hinblick auf die Früherkennung und Vorsorge von Herz-Kreislauf-Erkrankungen kommt der Farbdoppler-Echokardiographie eine besondere Bedeutung zu. Bei bestimmten Fragestellung und Auffälligkeiten gibt es auch die Möglichkeit einer weiterführenden Diagnostik wie die Kardio-MRT (Herz-MRT-Untersuchung), evtl. mit Stressbelastung, zur genaueren Beurteilung von Wandstruktur und Durchblutung des Herzmuskels. Zur umfassenden Befunderhebung des Herzens wird ein Ruhe- und Belastungs-EKG, die so genannte Ergometrie, durchgeführt. Ggf. erfolgt bei Bedarf auch ein Langzeit-EKG. Mit diesen Untersuchungen können z.B. Herzrhythmusstörungen erkannt werden.
Die Bedeutung frühzeitiger Erkennung und Behandlung
Viele Menschen sind sich der Risikofaktoren für Herzinfarkt und Schlaganfall bewusst, unterschätzen jedoch oft die eigene Gefährdung. Das Tückische ist, dass frühe Krankheitszeichen und Warnhinweise oft nicht bemerkt werden. Die frühzeitige Erkennung eines erhöhten kardio-vaskulären Ereignisrisikos und die Einleitung von präventiven Behandlungsstrategien sind daher sinnvoll.
Globale Perspektive: Die Global Cardiovascular Risk Consortium Studie
Das Global Cardiovascular Risk Consortium wertete die individuellen Daten von 1,5 Millionen Menschen aus 112 Kohortenstudien aus, die aus 34 Ländern der acht geographischen Regionen Nordamerika, Lateinamerika, Westeuropa, Osteuropa und Russland, Nordafrika und Mittlerer Osten, Subsahara-Afrika, Asien und Australien stammen. Ziel der Studie war es, ein besseres Verständnis für die weltweite Verteilung, die Bedeutsamkeit der einzelnen Risikofaktoren und deren Auswirkungen auf kardiovaskuläre Erkrankungen und die Gesamtsterblichkeit zu erhalten, um daraus gezielte präventive Maßnahmen abzuleiten.
Die Studie zeigte Unterschiede in den acht globalen Regionen hinsichtlich der Häufigkeit der Risikofaktoren. Höchste Werte für Übergewicht sahen die Wissenschaftler:innen in Lateinamerika, für Bluthochdruck und erhöhte Cholesterinwerte in Europa. Der Risikofaktor Rauchen ist besonders in Lateinamerika und Osteuropa ausschlaggebend, Diabetes mellitus in Nordafrika und im Mittleren Osten.
Alle fünf Risikofaktoren (Übergewicht, Bluthochdruck, erhöhte Cholesterinwerte, Rauchen und Diabetes mellitus) zusammen erklären 57,2% des kardiovaskulären Risikos bei Frauen und 52,6 Prozent des kardiovaskulären Risikos bei Männern. Die Studie macht außerdem deutlich, dass erhöhter Blutdruck oder erhöhte Cholesterinwerte linear mit dem Auftreten von kardiovaskulären Erkrankungen zusammenhängen: Je höher die Werte sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von kardiovaskulären Erkrankungen. Dieses Ergebnis gilt für alle untersuchten weltweiten Regionen.
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