Die COVID-19-Pandemie hat weltweit zu Unsicherheiten geführt, insbesondere bei Menschen mit chronischen Erkrankungen. Eine häufige Frage ist, ob auch Menschen mit chronischen neurologischen Erkrankungen wie Epilepsie und Parkinson gegen COVID-19 geimpft werden sollten. Dieser Artikel beleuchtet die Empfehlungen und gibt eine differenzierte Risiko-Nutzen-Abwägung.
Hintergrund der COVID-19-Pandemie und ihre Auswirkungen auf Epilepsiepatienten
Seit Dezember 2019 hat sich das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2, das die Krankheit COVID-19 verursacht, rasant verbreitet und eine weltweite Pandemie ausgelöst. COVID-19 manifestiert sich hauptsächlich als Atemwegsinfektion mit Symptomen wie Fieber, Husten und Atembeschwerden. In seltenen Fällen kann das zentrale Nervensystem (ZNS) betroffen sein, wobei der Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns als annähernd pathognomonisches Symptom gilt.
Epileptische Anfälle und Status epilepticus sind seltene Manifestationen von COVID-19. Allerdings können mit Epilepsie assoziierte Komorbiditäten wie das Down-Syndrom oder geistige Behinderung das Risiko für Hospitalisierung und Mortalität erhöhen. Die Pandemie hat zudem zu Einschränkungen in der allgemeinen Gesundheitsversorgung geführt, was auch die Behandlung von Menschen mit Epilepsie beeinträchtigt hat. Daher ist eine wirksame Bekämpfung der Pandemie essenziell, um die Gesundheitsversorgung insgesamt zu verbessern.
Die Rolle der Impfung im Kampf gegen die Pandemie
Neben Schutzmaßnahmen wie Händehygiene, Maskentragen und Abstandhalten spielen die neu entwickelten Impfstoffe gegen COVID-19 eine entscheidende Rolle. Studien haben eine hohe Wirksamkeit dieser Impfstoffe gezeigt. Für den mRNA-Impfstoff Comirnaty® (BioNTech/Pfizer) wurde nachgewiesen, dass bis zu 95 % der geimpften Personen vollständig vor einer Erkrankung geschützt sind. Bei den übrigen 5 % verlief die Erkrankung mild und ohne Notwendigkeit einer Hospitalisierung. Der mRNA-Impfstoff von Moderna® weist eine vergleichbare Wirksamkeit von 94 % auf. Die Impfungen sind für Personen ab 16 Jahren zugelassen.
Empfehlungen der STIKO zur COVID-19-Impfung bei Epilepsie
Die Ständige Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Instituts (RKI) ist die maßgebliche Bundesbehörde für Impfempfehlungen in Deutschland. Die STIKO stuft Epilepsie nicht als generelle Kontraindikation für Impfungen ein. Menschen mit Epilepsie haben grundsätzlich das Angebot zur Impfung gemäß den Priorisierungsvorgaben der STIKO. Ein Anspruch auf bevorzugte Impfung besteht jedoch nicht, es sei denn, es liegen Komorbiditäten oder Grunderkrankungen vor, die eine Priorisierung rechtfertigen.
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Die STIKO betont, dass immer eine differenzierte, ausgewogene Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgen sollte. Dabei sind die potenziell erhöhte Anfallsbereitschaft durch Fieber als Folge einer Impfung und der zu erwartende Nutzen durch die Verhinderung der Erkrankung gegeneinander abzuwägen. Die Datenlage zur Gefährdung von Menschen mit Epilepsie durch eine COVID-19-Erkrankung ist nicht eindeutig. Ohne begleitende Erkrankungen scheint kein erhöhtes Risiko zu bestehen. Mögliche Komorbiditäten und klinische Manifestationen einer zugrunde liegenden Erkrankung können jedoch zu einer Priorisierung in eine höhere Stufe führen.
Priorisierung bei der COVID-19-Impfung
Die STIKO hat eine Priorisierung des Impfangebotes für Personengruppen festgelegt, die ein hohes Risiko für schwere oder tödliche Verläufe einer COVID-19-Erkrankung haben oder beruflich besonders exponiert sind oder engen Kontakt zu vulnerablen Personengruppen haben. Menschen mit Epilepsie werden in der STIKO-Empfehlung zur COVID-19-Impfung nicht als besondere Risikogruppe aufgeführt.
Personen in Institutionen mit Demenz oder geistiger Behinderung sowie Personen mit Down-Syndrom können der Stufe 2 (hohe Priorität) zugeordnet werden. Personen mit Adipositas (BMI > 30) oder einer chronischen Nierenerkrankung können der Stufe 3 (erhöhte Priorität) zugeordnet werden. Personen mit schwerer Depression, chronischer Lebererkrankung, Immunkompromittierung, Diabetes mellitus, kardialer Arrhythmie/Vorhofflimmern, HIV-Infektion, koronarer Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, zerebrovaskulären Erkrankungen/Schlaganfall, Autoimmunerkrankungen, COPD, Krebserkrankungen, arterieller Hypertonie, rheumatologischen Erkrankungen oder Asthma bronchiale können der Stufe 4 zugeordnet werden. Auch enge Kontaktpersonen von Schwangeren und engen Kontaktpersonen bzw.
Da bei der Priorisierung innerhalb der COVID-19-Impfempfehlung der STIKO nicht alle Krankheitsbilder oder Impfindikationen berücksichtigt werden konnten, sind Einzelfallentscheidungen möglich, die auch die Gesamtzahl der Vorerkrankungen und das Expositionsrisiko berücksichtigen. Es obliegt den für die Impfung Verantwortlichen, Personen, die nicht explizit genannt sind, in die jeweilige Priorisierungskategorie einzuordnen.
Mögliche Auswirkungen der Impfung auf Epilepsiepatienten
Aktuell gibt es keine Hinweise darauf, dass für Menschen mit Epilepsie ein besonders hohes Risiko für Nebenwirkungen bei einer Impfung zur Vorbeugung der COVID-19-Erkrankung besteht. Unter den bislang bekannten Nebenwirkungen sind epileptische Anfälle und Epilepsien nicht aufgeführt.
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Es ist jedoch zu beachten, dass nach jeder Impfung Fieber auftreten kann, was bei einigen Patienten mit Epilepsie anfallsauslösend wirken kann. Dieser anfallsprovozierende Faktor ist in der Regel bei den betroffenen Patienten durch vorherige fieberhafte Infekte oder Grippeschutzimpfungen bekannt. Auch die Impfstoffe zur Vorbeugung der COVID-19-Erkrankung können zu einer leichten Entzündungsreaktion mit Auftreten von Fieber führen. Hierauf wäre also nach einer Impfung zu achten, insbesondere wenn in der Vergangenheit in zeitlichem Zusammenhang mit Impfungen oder mit vorhergehenden Infekten epileptische Anfälle aufgetreten sind.
Umgang mit Fieber nach der Impfung
Um das Risiko von Fieber-induzierten Anfällen zu minimieren, können fiebersenkende Mittel wie Ibuprofen oder Paracetamol eingesetzt werden, sofern diese vom Patienten vertragen werden. Alternativ könnte vorübergehend die Dosis der Antiepileptika erhöht werden, oder es kann passager der Einsatz von Benzodiazepinen in Erwägung gezogen werden.
Wechselwirkungen mit Immunsuppressiva
Die Wirksamkeit der Impfung kann möglicherweise bei einer bestehenden Immunschwäche oder bei einer Behandlung, die die Immunantwort vermindert, beeinträchtigt sein. Hierzu zählen insbesondere Kortikosteroide (z. B. Prednisolon), Azathioprin oder auch monoklonale Antikörper wie Rituximab, die bei akut-symptomatischen Anfällen bei Autoimmunenzephalitis sowie autoimmun assoziierten Epilepsien eingesetzt werden können. Dies gilt auch für den mTOR-Inhibitor Everolimus, der zur Zusatzbehandlung von epileptischen Anfällen im Zusammenhang mit tuberöser Sklerose eingesetzt werden kann. In diesen Fällen kann die Immunreaktion auf die Impfung möglicherweise beeinträchtigt und deshalb weniger wirksam sein.
Patienten, die immunsuppressiv behandelt werden, sollten das Ansprechen auf die Impfung und die Nutzen-Risiko-Abwägung mit dem behandelnden Arzt vor der Impfung erörtern. Im Idealfall sollten Impfungen 6 Wochen vor Beginn einer immunmodulierenden Behandlung durchgeführt werden.
Allgemeine Empfehlungen und Verhaltensweisen
Generell sollten Menschen mit Epilepsie den gleichen Impfschutz erhalten wie andere Menschen auch. Zuvor in zeitlichem Zusammenhang mit Impfungen aufgetretene epileptische Anfälle sind keine Kontraindikation für eine Impfung zur Vorbeugung der COVID-19-Erkrankung.
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Es ist wichtig, die Empfehlungen der WHO, des RKI sowie der regionalen und lokalen Behörden zur Pandemie zu befolgen. Der Kontakt zwischen Patienten und betreuenden Neurologen und Nervenärzten sollte aufrechterhalten werden, ggf. unter Nutzung von telemedizinischen Kontaktmöglichkeiten. Bei psychischen Problemen sollten ggf. rasch therapeutische Maßnahmen eingeleitet bzw. auf niederschwellige Hilfsangebote hingewiesen werden. Die Patienten sollten ausreichend früh hohe Verordnungsmengen ihrer Antikonvulsiva erhalten. Folgeverordnungen sollten einfach, z.B. ohne persönlichen Besuch einer Praxis oder Epilepsieambulanz möglich sein. Da Infektionen Anfälle triggern können, sollte mit den Patienten besprochen werden, was ggf. unternommen werden sollte.
Medikamentöse Behandlung von COVID-19 bei Epilepsiepatienten
Falls zur Behandlung der COVID-19-Erkrankung Medikamente eingesetzt werden sollen, die bei Epilepsie kontraindiziert sind, sollte jeweils im Einzelfall das Für und Wider des Einsatzes sorgfältig abgewogen werden. Die möglichen Wechselwirkungen von zur COVID-19-Erkrankung eingesetzten Substanzen mit den jeweiligen Antikonvulsiva sollten berücksichtigt werden. Bei Patienten mit Fieber-assoziierten Anfällen wird die Einnahme eines NSAID (Paracetamol) empfohlen.
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