Sativex bei Nervenschmerzen: Erfahrungen, Anwendung und Wirksamkeit

Sativex ist ein verschreibungspflichtiges Mundspray auf Cannabis-Basis, das zur Behandlung von Spastik bei Multipler Sklerose (MS) eingesetzt wird. Es enthält eine standardisierte Kombination aus Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD), den beiden Hauptwirkstoffen der Cannabispflanze. In Deutschland ist Sativex als zugelassenes Fertigarzneimittel erhältlich und kann von allen Ärzten, mit Ausnahme von Zahn- und Tierärzten, verordnet werden.

Was ist Sativex?

Sativex ist ein medizinisches Cannabis-Spray, das die beiden Wirkstoffe THC und CBD in einem ausgewogenen Verhältnis kombiniert und unter strengen Qualitätsstandards hergestellt wird. Es enthält 38 bis 44 mg Dickextrakt aus Cannabis sativa pro Milliliter, was 27 mg Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) entspricht. Darüber hinaus enthält Sativex auch Cannabidiol (CBD), wobei ein Milliliter 25 mg CBD enthält. Ein Sprühstoß setzt 100 μl frei, was 2,7 mg THC und 2,5 mg CBD entspricht.

Anwendungsgebiete und Verordnung von Sativex

Sativex ist zur Behandlung von mittelschwerer bis schwerer Spastik bei Multipler Sklerose zugelassen, sofern diese nicht ausreichend auf eine andere antispastische Arzneimitteltherapie anspricht. Das Cannabis-Spray ist nicht frei käuflich, sondern muss von einem Arzt auf einem Rezept verordnet werden. Die Verordnung des Cannabis-Sprays ist bei durch Multiple Sklerose ausgelösten Muskelkrämpfen (Spastik) möglich.

Eine Verordnung außerhalb der Zulassung („Off-Label-Use“), beispielsweise bei chronischen Schmerzen, ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich, wenn dies ärztlicherseits als medizinisch notwendig erachtet wird und andere Therapien keine ausreichende Wirkung zeigen. Allerdings übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen nur in Ausnahmefällen die Kosten für Off-Label-Therapien. Häufig muss ein individueller Antrag gestellt werden. Sollte dieser abgelehnt werden, kann Widerspruch eingelegt werden. Zudem ist es möglich, dass Patienten die Kosten selbst tragen. Bei Privatversicherten ist eine Kostenübernahme häufiger möglich als bei gesetzlich Versicherten. Es kommt jedoch auf den individuellen Tarif der privaten Krankenversicherung an. Manche Versicherer verlangen eine ärztliche Begründung oder ein Gutachten. Unter Umständen wird die Kostenübernahme zunächst abgelehnt oder muss geprüft werden. Auch in einem solchen Fall kann Widerspruch eingelegt werden.

Herstellung von Sativex

Die Herstellung von Sativex erfolgt in mehreren sorgfältig kontrollierten Schritten:

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  1. Anbau der Cannabis-Pflanzen: Es werden 2 spezielle Cannabis-Sorten angebaut, die einen hohen THC- und CBD-Gehalt aufweisen. Um eine gleichbleibende Qualität zu gewährleisten, werden die Pflanzen durch Stecklinge (Klonen) vermehrt. So haben alle Pflanzen identische genetische Eigenschaften. Dabei erfolgt der Anbau in streng überwachten Gewächshäusern mit kontrollierter Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Lichtzufuhr.
  2. Ernte und Vorbereitung: Nach der Ernte werden die Blüten und Blätter getrocknet. Das getrocknete Pflanzenmaterial wird danach fein zerkleinert, um die Wirkstoffe besser extrahieren zu können.
  3. Aktivierung der Wirkstoffe, Extraktion und Reinigung: Das zerkleinerte Pflanzenmaterial wird bei niedriger Temperatur erhitzt, um die inaktiven Vorstufen der Wirkstoffe in ihre aktive Form umzuwandeln. Danach werden die aktivierten Cannabinoide THC und CBD mit flüssigem Kohlendioxid (CO₂) extrahiert. Dieses Verfahren ermöglicht eine saubere und effiziente Gewinnung der Wirkstoffe ohne den Einsatz von schädlichen Lösungsmitteln. Der gewonnene Extrakt wird anschließend mit kaltem Ethanol behandelt und auf etwa -20 °C gekühlt. Dabei setzen sich Wachse und andere unerwünschte Bestandteile ab und können durch Filtration entfernt werden.
  4. Mischung und Standardisierung: Die gereinigten THC- und CBD-reichen Extrakte werden in einem festgelegten Verhältnis gemischt, um eine gleichbleibende Dosierung sicherzustellen. Zur Verbesserung der Stabilität und des Geschmacks werden Ethanol, Propylenglycol und Pfefferminzöl hinzugefügt.
  5. Abfüllung: Die fertige Lösung wird in Sprühflaschen abgefüllt, die eine präzise Dosierung ermöglichen. Jeder Sprühstoß enthält 2,7 mg THC und 2,5 mg CBD.

Anwendung von Sativex

Vor der Anwendung sollte das Cannabis-Spray Sativex gut geschüttelt werden. Um einen gleichmäßigen Sprühnebel zu erhalten, ist es ratsam, 2- bis 3-mal in ein Papiertuch oder das Waschbecken zu sprühen. Danach ist das Spray einsatzbereit. Der Sprühstoß erfolgt auf die Innenseite der Wange oder unter der Zunge. Es sollte direkt danach mehrere Minuten lang nicht geschluckt oder getrunken werden, damit die Mundschleimhaut Zeit hat, die Wirkstoffe aufzunehmen. Die Dosierung des Cannabis-Sprays Sativex® gibt die Ärztin oder der Arzt vor. In der Regel wird mit einer niedrigen Dosis begonnen und diese langsam gesteigert. In den ersten vier Tagen sprüht der Patient/die Patientin ausschließlich abends. Erst ab Tag 5 kommt ein morgendlicher Sprühstoß hinzu. Die Eingewöhnungsphase dauert 14 Tage. Nach zwei Wochen können dann morgens fünf und abends sieben Sprühstöße an verschiedene Stellen in der Mundhöhle gegeben werden. Das Arzneimittel ist ab 18 Jahren zugelassen.

Wie wirkt Sativex?

Wenn die Wirkstoffe mit der gut durchbluteten Schleimhaut in Kontakt kommen, gelangen sie direkt ins Blut. Dadurch umgehen sie den Verdauungstrakt und die Leber, sodass die Wirkung relativ schnell eintritt, meist nach 15 bis 45 Minuten. Abhängig ist der Wirkungseintritt unter anderem von der Dosis sowie der individuellen Aufnahmefähigkeit der Mundschleimhaut. Die Wirkung hält in der Regel etwa 4-6 Stunden an. Bei manchen Menschen kann sie auch länger oder kürzer wirken, je nach Stoffwechsel und Dosierung.

Sativex bei Nervenschmerzen

Die Ergebnisse zur potenziellen Wirkung von Sativex bei Nervenschmerzen sind nicht eindeutig. Während einige MS-Betroffene in Studien eine Linderung verspürten, berichteten andere, dass sich ihre Nervenschmerzen durch Sativex nicht verbesserten. Eine Studie aus dem Jahr 2014 zeigte, dass der Cannabisextrakt Sativex bei peripheren neuropathischen Schmerzen klinisch wichtige Verbesserungen bei den Schmerzen und der Schlafqualität bewirken kann. In dieser Studie wurden 303 Patienten mit peripheren neuropathischen Schmerzen gesichtet, von denen 128 zufällig einer Therapie mit Sativex (THC-/CBD-Spray) und 118 einem Plazebo, zusätzlich zur bisherigen Schmerztherapie, zugeteilt wurden. Es gab im Vergleich zur Plazebogruppe einen statistisch höheren Prozentsatz von Patienten in der Sativexgruppe mit einer Verbesserung der Schmerzen um mehr als 30 %. Sekundäre Ergebnisparameter der Schlafqualität und des subjektiven allgemeinen Eindrucks der Veränderung zeigten auch statistisch signifikante Behandlungsunterschiede zu Gunsten der Behandlung mit dem THC-/CBD-Spray.

Nebenwirkungen von Sativex

Wie jedes Medikament kann auch das Cannabis-Spray Sativex Nebenwirkungen verursachen. Um diese gering zu halten, beginnen Patientinnen und Patienten in der Regel mit einer niedrigen Dosis. Zu Beginn der Behandlung treten je nach Dosis und individueller Toleranz häufig Nebenwirkungen auf, darunter unter anderem:

  • Müdigkeit
  • Schwindel
  • Mundtrockenheit
  • Magenbeschwerden

Meist lassen die Nebenwirkungen nach kurzer Zeit nach, wenn sich der Körper an das Medikament gewöhnt hat. Bis dahin sollte sicherheitshalber kein Auto gefahren und keine Maschinen bedient werden. Um die Nebenwirkungen so gering wie möglich zu halten, wird Sativex in der Regel zunächst niedrig dosiert und dann langsam gesteigert. Andernfalls könnten bei hohen Dosen folgende unerwünschte Wirkungen auftreten:

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  • Verwirrtheit
  • Angst oder Reizbarkeit
  • Halluzinationen
  • Depressive Verstimmung
  • Durchfall oder Verdauungsprobleme

Während der Schwangerschaft sollte Sativex nicht angewendet werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Wirkstoffe und Metabolite in die Muttermilch übergehen können. Eine Anwendung während der Stillzeit ist zu vermeiden. Frauen im gebährfähigen Alter sollten für die Dauer der Anwendung und für drei Monate nach dem Absetzen eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. Sativex kann die Wirksamkeit von hormonellen Kontrazeptiva abschwächen.

Studienergebnisse zur Wirksamkeit von Sativex

Zur Wirkung von Sativex wurden bereits verschiedene Studien mit kontrollierten Untersuchungen, vielen Teilnehmern und Vergleichsgruppen durchgeführt. Diese legen nahe, dass das Cannabis-Spray Spastiken lindern kann, jedoch nicht bei allen Betroffenen:

  • In Phase 1 einer Studie nahmen 191 MS-Patienten und -Patientinnen mit Spastik teil. Neben ihrer Standardmedikation erhielten sie 4 Wochen lang zusätzlich Sativex. Nach 4 Wochen berichteten über 40 % von einer deutlichen Besserung der Spastik.
  • In einer weiteren, 12-wöchigen Phase mit 106 Teilnehmern konnte das Cannabis-Spray zudem besser wirken als ein Placebo (Scheinmedikament).
  • In einer einjährigen Beobachtungsstudie mit 52 MS-Patientinnen und Patienten blieb die Wirkung von Sativex bei den meisten von ihnen langfristig stabil. Nur etwa ein Drittel brach die Therapie ab, meist aufgrund von Nebenwirkungen.

Cannabis als Medizin: Rechtliche Situation in Deutschland

Seit dem 1. April 2024 ist Cannabis in Deutschland teilweise legal. Unabhängig davon finden Cannabis und cannabishaltige Produkte seit vielen Jahren Einsatz in der Medizin. Dabei handelt es sich um sogenanntes Medizinalcannabis bzw. Cannabis zu medizinischen Zwecken. Seit 1. April 2024 können Ärzte medizinisches Cannabis per elektronischem Rezept - wie andere Arzneimittel auch - verordnen. Mit der Teil-Legalisierung von Cannabis unterliegt die Verordnung von Cannabisarzneimitteln nicht länger dem Betäubungsmittelgesetz. Bei Multiple Sklerose (MS) findet Medizinalcannabis Einsatz in der symptomatischen Therapie, u.a. bei MS bedingter Spastik. Mit Sativex® ist seit Mai 2011 bislang lediglich ein Cannabinoid-basiertes Arzneimittel speziell für MS zugelassen, welches zur symptomatischen Therapie der Spastik verwendet werden soll. Hierbei handelt es sich um einen Cannabisextrakt als Mundspray, welches eine Kombination aus THC und Cannabidiol (CBD) enthält. Darüber hinaus war es bereits möglich, dass Cannabisprodukte off-label durch Ärzte verschrieben wurden, also ohne dem von der Arzneimittlebehörde zugelassenen Gebrauch bzw. Verwendungszweck zu entsprechen. So wird Sativex® teilweise auch (off-label) eingesetzt, um andere Symptome, wie etwa Schmerz, zu lindern.

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