Ein Sauerstoffmangel im Gehirn, auch als hypoxischer Hirnschaden oder hypoxisch-ischämische Enzephalopathie (HIE) bezeichnet, ist eine schwerwiegende Erkrankung, die zu irreversiblen Schäden führen kann. Die Nervenzellen des Gehirns, insbesondere die an der Oberfläche des Großhirns, die für höhere Funktionen wie Wahrnehmung, Gedächtnis und Koordination zuständig sind, sind besonders empfindlich gegenüber Sauerstoffmangel und sterben innerhalb weniger Minuten ab. Da sich diese Nervenzellen nicht wieder nachbilden, kann das Gehirn irreparabel geschädigt werden.
Ursachen für Sauerstoffmangel im Gehirn
Verschiedenste Ursachen können einen Sauerstoffmangel im Gehirn auslösen. Dazu gehören:
- Komplikationen während der Geburt: Vor und während der Geburt können Komplikationen wie eine Sauerstoff-Mangelversorgung, eine vorzeitige Plazentalösung oder eine eingeklemmte Nabelschnur auftreten, die zu Hirnschäden führen können. Eine hypoxische Hirnschädigung bei Kleinkindern wird also meist durch äußere Faktoren verursacht.
- Ertrinkungsunfälle: Sauerstoffmangel bei Ertrinkungsunfällen kann ebenfalls zu einem hypoxischen Hirnschaden führen.
- Herzinfarkt: Ein Herzinfarkt kann die Sauerstoffversorgung des Gehirns beeinträchtigen und einen Sauerstoffmangel verursachen.
- Hirnblutung: Auch eine Hirnblutung kann die Sauerstoffversorgung des Gehirns stören und zu einem Sauerstoffmangel führen.
- Atemwegserkrankungen: Lungenerkrankungen wie Asthma, Bronchitis, Lungenemphysem oder COPD können die Sauerstoffaufnahme beeinträchtigen und zu einer Hypoxie führen.
- Verlegung der Atemwege: Fremdkörper, allergische Reaktionen oder Tumore im Bereich der Atemwege können diese verlegen und eine Hypoxie verursachen.
- Vergiftungen: Alkoholvergiftung, Opiatüberdosierung, Medikamente (Sedativa), Rauchgas oder Kohlenstoffmonoxid können die Atmung und somit die Sauerstoffversorgung negativ beeinflussen.
- Kreislaufstörungen: Herzinsuffizienz oder Lungenembolie können die Sauerstoffversorgung des Gehirns beeinträchtigen.
- Erkrankungen und Verletzungen des Gehirns: Schädel-Hirn-Trauma oder Schlaganfall können die Bewusstseinslage und die Atmung beeinträchtigen und zu einem Sauerstoffmangel führen.
- Blutarmut: Eisenmangel kann zu einer verminderten Hämoglobinbildung und folglich zu einem geringeren Sauerstofftransport führen.
Symptome eines Sauerstoffmangels im Gehirn
Die Symptome eines Sauerstoffmangels im Gehirn variieren abhängig vom Ausmaß und der Dauer der Schädigung. Sie reichen von leichten Einschränkungen der Merkfähigkeit und Konzentration bis hin zu schweren Störungen der Kommunikation und anderer kognitiver Fähigkeiten wie Orientierung, Gedächtnis und logisches Denken. Patienten sind häufig bewusstseinsgemindert.
Weitere mögliche Symptome sind:
- Koordinationsstörungen
- Wahrnehmungsstörungen
- Gedächtnisstörungen
- Lähmungen (Tetraparese)
- Veränderungen der Muskelspannung (Spastik, Rigor)
- Bewusstseinsverlust bis hin zum Koma
- Atemnot
- Übelkeit und Erbrechen
- Verwirrtheit
- Schwindel
- Benommenheit
- Apathie
- Herzrasen
- Schwitzen
- Marmorierte Haut
- Blaue Finger und/oder Lippen (Zyanose)
- Unruhe
- Reizbarkeit
- Aggressivität
Bei einer längeren Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff von mehr als fünf Minuten tritt in der Regel eine tiefe Bewusstlosigkeit, das Koma, ein.
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Folgen eines Sauerstoffmangels im Gehirn
Ein Sauerstoffmangel im Gehirn kann schwerwiegende Folgen haben, da die Nervenzellen des Gehirns nicht regenerierbar sind. Je nach betroffener Region des Gehirns können verschiedene Symptome auftreten und bestimmte Funktionen teilweise oder ganz ausfallen.
Mögliche Folgen sind:
- Hypoxischer Hirnschaden: Die schwerste Form der Hirnschädigung, die durch Sauerstoffmangel bedingt ist.
- Koordinations-, Wahrnehmungs- und Gedächtnisstörungen: Diese Störungen können sich nach wenigen Tagen komplett zurückbilden, in einigen Fällen jedoch bleiben sie zurück.
- Langanhaltende schwere Bewusstseinsstörungen bis hin zum Wachkoma: In schweren Fällen kann es zu einem langanhaltenden Koma oder einem Wachkoma kommen.
- Einschränkungen der Mobilität: Aus den genannten Symptomen können Einschränkungen der Mobilität resultieren.
- Einschränkungen der Selbstversorgung (ADL): Die Fähigkeit, alltägliche Aufgaben selbstständig zu erledigen, kann beeinträchtigt sein.
- Verhaltensauffälligkeiten: Es können Verhaltensauffälligkeiten auftreten.
- Epilepsie: In einigen Fällen kann ein Sauerstoffmangel im Gehirn zu Epilepsie führen.
Diagnose eines Sauerstoffmangels im Gehirn
Um einen hypoxischen Hirnschaden zu diagnostizieren, führen Ärzte verschiedene Untersuchungen durch. Dazu gehören:
- Ausführliches Anamnesegespräch: Ein Gespräch mit dem Patienten und/oder den Angehörigen zur Krankengeschichte ist wichtig, um die Ursache des Sauerstoffmangels zu ermitteln.
- Klinisch-neurologische Untersuchung: Eine umfassende neurologische Untersuchung gibt Aufschluss darüber, ob und welche Nerven in welchem Ausmaß betroffen sind.
- EEG (Elektroenzephalogramm): Ein EEG kann Allgemeinveränderungen sowie eventuell verdeckte Zeichen für Epilepsie aufdecken.
- Visuell und akustisch evozierte Potenziale: Hierbei reizen Ärzte ein Sinnesorgan, um die Durchgängigkeit der Wahrnehmung zu testen.
- MRT-Bildgebung (Magnetresonanztomografie): Eine MRT-Bildgebung im Verlauf der Rehabilitation kann das volle Ausmaß der Schädigung zeigen und Komplikationen ausschließen.
- Ultraschall (Dopplersonografie, trans- und extrakranial): Mit Ultraschall können alle großen Arterien untersucht werden, die das Hirn versorgen.
- Kraniale Computertomografie (cCT): Mit der kranialen Computertomografie können Gehirn, Hirnhäute und knöchernen Schädel in Schnittbildern dargestellt und beurteilt werden.
- CT-Angiografie und Koronarangiografie: Mit der CT-Angiografie und der Koronarangiografie können die Blutgefäße sowie die Herzkranzgefäße sichtbar gemacht werden.
- Blutgasanalyse (BGA): Die Blutgasanalyse misst den Gehalt an Sauerstoff und Kohlendioxid im Blut.
Insbesondere bei unbekannter Vorgeschichte müssen Ärzte andere mögliche Erkrankungen der Gehirnfunktion (Enzephalopathien) ausschließen, die durch eine Blutvergiftung (Sepsis) oder durch Medikamente ausgelöst oder stoffwechselbedingt (metabolisch) sein können.
Behandlung eines Sauerstoffmangels im Gehirn
Leider gibt es noch kein festes Therapiekonzept für die Behandlung eines hypoxischen Hirnschadens. Grundsätzlich kann man Hirnschäden durch Sauerstoffmangel nicht rückgängig machen. Trotz eines hypoxischen Hirnschadens kann sich der Zustand der Betroffenen jedoch bessern. Die eigentliche Hirnschädigung ist zunächst umgeben von einer Schwellung. Hirnareale, die nur angeschwollen sind, nehmen, wenn sie sich erholt haben, ihre Funktion wieder auf. Das Gehirn organisiert sich bereits während der Heilung neu.
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Die Behandlung eines Sauerstoffmangels im Gehirn zielt darauf ab, die Ursache zu beheben und die Symptome zu lindern. Sobald der Patient nicht mehr intensivpflichtig ist, sollte umgehend mit einer Frührehabilitation begonnen werden.
Die Behandlung kann folgende Maßnahmen umfassen:
- Sauerstofftherapie: In akuten Fällen kann Sauerstoff über eine Sauerstoffbrille oder Sauerstoffmaske verabreicht werden.
- Behandlung der Ursache: Die Behandlung der Ursache des Sauerstoffmangels ist entscheidend, um weitere Schäden zu verhindern.
- Medikamentöse Therapie: Medikamente können eingesetzt werden, um die Symptome zu lindern und Komplikationen zu vermeiden.
- Physiotherapie: Physiotherapie kann helfen, die motorischen Fähigkeiten und die Koordination zu verbessern.
- Ergotherapie: Ergotherapie kann helfen, die Selbstständigkeit im Alltag wiederherzustellen.
- Logopädie: Logopädie kann helfen, Sprach- und Sprechstörungen zu behandeln.
- Neuropsychologie: Neuropsychologie kann helfen, kognitive Defizite zu behandeln.
- Therapeutisch-aktivierende Pflege: Eine aktivierende Pflege kann die Selbstständigkeit des Patienten fördern.
- Hilfsmittelversorgung: Eine angemessene Versorgung mit Hilfsmitteln kann die Lebensqualität des Patienten verbessern.
- Psychologische Unterstützung: Psychologische Unterstützung kann dem Patienten und seinen Angehörigen helfen, mit den Folgen des Sauerstoffmangels umzugehen.
- Pädagogische Hilfe: Insbesondere für junge Menschen, die eigenständig wohnen möchten oder für Patienten nach einer „frischen“ Diagnose, kann pädagogische Hilfe angeboten werden, um mit der neuen Lebenssituation zurechtzufinden.
- Persönliche Assistenz: Mit dem Modell der Persönlichen Assistenz können maßgeschneiderte Hilfen für Alltag, Beruf, Ausbildung und Freizeit angeboten werden.
Rehabilitation
Abhängig vom Hilfsbedarf werden die Patienten in der Rehabilitationsphase B (neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation), Phase C (postprimäre Rehabilitation) oder Phase D (Anschlussheilbehandlung, Heilverfahren) betreut. Individuell auf das Störungsmuster abgestimmt erhalten die Patienten eine interdisziplinäre Therapie.
Hirntod
Ist der Hirntod eingetreten, sind die Rezeptoren im Gehirn funktionslos. Eine Wahrnehmung, wie zum Beispiel eine Schmerzwahrnehmung, ist nicht mehr möglich. Einige Reflexe, sogenannte Rückenmarksreflexe, gehen von den Nerven im Rückenmark aus. Ist der Hirntod eingetreten und wird die künstliche Beatmung fortgesetzt, können spinale Reflexe beispielsweise Spontanbewegungen auslösen oder zum Anstieg des Blutdrucks führen. In äußerst seltenen Fällen kann ein Kind bis zur Lebensfähigkeit in einer Schwangeren heranwachsen, bei der der Hirntod eingetreten ist. Die Fortführung einer solchen Schwangerschaft erfordert maximale intensivmedizinische Maßnahmen und ist nur möglich, weil alle aktiven Stoffwechselleistungen vom Ungeborenen selbst erbracht werden. Die Schwangerschaft wird durch die hormonelle Steuerung des Mutterkuchens (Plazenta) aufrechterhalten und nicht vom Gehirn der Mutter.
Prävention
Da ein Sauerstoffmangel im Gehirn schwerwiegende Folgen haben kann, ist es wichtig, präventive Maßnahmen zu ergreifen. Dazu gehören:
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- Vermeidung von Risikofaktoren: Risikofaktoren für Erkrankungen, die zu einem Sauerstoffmangel im Gehirn führen können, sollten vermieden werden. Dazu gehören Rauchen, Übergewicht, Bluthochdruck und erhöhte Cholesterinwerte.
- Früherkennung und Behandlung von Erkrankungen: Erkrankungen, die zu einem Sauerstoffmangel im Gehirn führen können, sollten frühzeitig erkannt und behandelt werden. Dazu gehören Herzerkrankungen, Lungenerkrankungen und neurologische Erkrankungen.
- Sichere Umgebung: Eine sichere Umgebung kann dazu beitragen, Unfälle zu vermeiden, die zu einem Sauerstoffmangel im Gehirn führen können.
- Erste Hilfe Kenntnisse: Erste Hilfe Kenntnisse können im Notfall Leben retten.
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