Schlafstörungen nach Schlaganfall: Ursachen und Behandlung

Schlafstörungen sind ein häufiges Problem nach einem Schlaganfall und können die Genesung erheblich beeinträchtigen. Eine internationale Studie („INTERSTROKE“) mit rund 4.500 Teilnehmenden zeigte, dass verschiedene Schlafprobleme einen deutlichen Zusammenhang mit einem höheren Schlaganfallrisiko aufweisen. Es ist daher wichtig, Schlafstörungen nach einem Schlaganfall zu erkennen und zu behandeln, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern und das Risiko weiterer Komplikationen zu verringern.

Ursachen von Schlafstörungen nach Schlaganfall

Schlafstörungen nach einem Schlaganfall können verschiedene Ursachen haben:

  • Direkte Schädigung des Gehirns: Ein Schlaganfall kann Hirnstammkerne und neuronale Netzwerke schädigen, die für die Steuerung von Schlaf und Wachsein verantwortlich sind. Schlafen und Wachen sind das Resultat eines Zusammenspiels mehrerer Hirnstammkerne und neuronaler Netzwerke mit den Basalganglien und dem Frontalhirn. Eine Vielzahl an Neurotransmittern, molekularen und genetischen Faktoren, die Einflüsse von Umwelt und des psychologischen und physischen Zustands haben einen Einfluss auf den Schlaf-Wach-Rhythmus. Diese komplexe Interaktion produziert in Abhängigkeit von zirkadianen Faktoren und elektrischer Hirnaktivität unterschiedliche Stadien (Wach, NREM-, REM Schlaf).
  • Post-Stroke-Depression (PSD): Depressionen sind eine häufige Folge eines Schlaganfalls und können zu Schlafstörungen führen. Die Symptome der Post-Stroke Depression gleichen den Symptomen und Anzeichen einer klassischen Depression und können eine Reihe von emotionalen, kognitiven und körperlichen Bereichen betreffen.
  • Körperliche Beschwerden: Schmerzen, Spastiken, Nykturie (nächtliches Wasserlassen) und andere körperliche Beschwerden können den Schlaf stören. Körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Magenprobleme sind häufige Begleiterscheinungen. Der emotionale Stress und die Depression können physische Symptome verstärken oder auslösen.
  • Schlafbezogene Atmungsstörungen (SBAS): Schlafapnoe ist eine häufige Begleiterkrankung nach einem Schlaganfall und kann zu Atemaussetzern während des Schlafs führen. Die Prävalenz von SBAS bei Patienten nach Schlaganfall liegt zwischen 60-91 %. Schlafapnoe kann ein Risikofaktor für das Auftreten eines Schlaganfalls sein und durch einen Schlaganfall verschlimmert werden.
  • Restless-Legs-Syndrom (RLS): Das RLS ist eine neurologische Erkrankung, die durch einen Bewegungsdrang der Beine oder Arme gekennzeichnet ist und zu Schlafstörungen führen kann. Die Prävalenz für RLS liegt bei 15 %.
  • Medikamente: Einige Medikamente, die nach einem Schlaganfall eingenommen werden, können Schlafstörungen verursachen.

Arten von Schlafstörungen nach Schlaganfall

Nach einem Schlaganfall können verschiedene Arten von Schlafstörungen auftreten:

  • Insomnie (Schlafstörung): Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen. Insomnien treten bei ca. 70 % der Bevölkerung auf, bei 30 % dreimal pro Woche. Insomnien gehen mit einer deutlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität und einem erhöhten kardiovaskulären und Demenz-Risiko einher. Nur 50 % aller an einer chronischen Insomnie Erkrankten erhalten eine ärztliche Behandlung. Akute Insomnien sind sehr häufig und bedürfen meist keiner Behandlung. Chronische Insomnien sollen immer behandelt werden. Gemäß ICD-10 ist eine krankheitswertige Insomnie dann gegeben, wenn die Beschwerden vier Wochen persistieren, gemäß DSM-5 sind drei Monate Krankheitsdauer erforderlich.
  • Hypersomnie (übermäßige Schläfrigkeit): Exzessive Tagesschläfrigkeit, die permanent oder sporadisch auftreten kann. Hypersomniepatienten beklagen eine exzessive Tagesschläfrigkeit, die permanent oder sporadisch auftreten kann. Die Epworth Sleepiness Scale (max. 24 Punkte, ab ≥ 10 Punkte subjektive Tagesschläfrigkeit). Aufgrund der resultierenden Unfallgefährdung wurde extra das Kapitel „Tagesschläfrigkeit“ in die aktuellen Leitlinien zur Begutachtung der Kraftfahreignung aufgenommen
  • Schlafbezogene Atmungsstörungen (SBAS): Atemaussetzer während des Schlafs. Die schlafbezogene Atemstörung, auch Schlafapnoe genannt, führt zu nächtlichen Atemaussetzern, die sich zu länger anhaltenden Atemstillständen ausweiten können. Sie äußert sich durch laute und unregelmäßige Atemgeräusche während des Schlafens. Im Gegensatz zur Atemstörung Schnarchen beeinträchtigt die Schlafapnoe den eigenen Schlaf und die nächtliche Erholung erheblich. Sie führt zu starker Tagesmüdigkeit und erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
  • Restless-Legs-Syndrom (RLS): Bewegungsdrang der Beine oder Arme mit unangenehmen Missempfindungen. Das RLS gehört nach ICSD-3 zu den nächtlichen Bewegungsstörungen. Es ist gekennzeichnet durch einen Bewegungsdrang der Beine oder Arme, verursacht oder begleitet von unangenehmen Missempfindungen der Extremitäten. Es stellt mit 3-10 % der kaukasischen Bevölkerungen zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen.
  • REM-Schlaf-Verhaltensstörung (RBD): Ausleben von Träumen im Schlaf mit potenziell gefährlichen Bewegungen. Die REM-Schlaf-Verhaltensstörung ist eine relativ seltene Schlafstörung, die schätzungsweise bei 0,5 bis 1 Prozent der Bevölkerung auftritt. Die Häufigkeit nimmt jedoch mit dem Alter zu und betrifft schätzungsweise 5 Prozent der Menschen über 60 Jahre. Die REM-Schlaf-Verhaltensstörung ist durch lebhafte, teils aktionsgeladene Träume und körperliche Aktivität während des Traumschlafs gekennzeichnet. Die Betroffenen schreien, schlagen oder treten im Schlaf um sich. Normalerweise passiert das nicht, weil die Muskeln im REM-Schlaf nicht aktiv sind.

Symptome von Schlafstörungen nach Schlaganfall

Die Symptome von Schlafstörungen nach einem Schlaganfall können vielfältig sein:

  • Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen
  • Häufiges Aufwachen während der Nacht
  • Nicht erholsamer Schlaf
  • Übermäßige Tagesschläfrigkeit
  • Konzentrationsprobleme Konzentrationsprobleme sind ein sehr belastendes Anzeichen bei der Post-Stroke Depression. Viele Menschen haben nach einem Schlaganfall Schwierigkeiten, ihre Gedanken zu fokussieren und alltägliche Arbeiten auszuführen.
  • Gereiztheit
  • Depressive Verstimmung Niedergeschlagenheit ist ein häufiges und belastendes Symptom bei der Post-Stroke Depression. Betroffene erleben oft ein tiefes Gefühl der Hoffnungslosigkeit und negativer Verstimmung. Der Patient verliert das Interesse an einst genossenen Aktivitäten und kämpft mit Freudlosigkeit, Antriebslosigkeit und einer Beeinträchtigung des individuellen Gefühlslebens.
  • Kopfschmerzen Körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Magenprobleme sind häufige Begleiterscheinungen.
  • Vermehrtes Schwitzen in der Nacht
  • Atemaussetzer während des Schlafs
  • Schnarchen Unregelmäßiges, lautes Schnarchen durch übermäßiges Luftholen (Hyperventilation) und deutlich wahrnehmbare Atempausen im Wechsel sind typische Symptome der schlafbezogenen Atemstörung.
  • Bewegungsdrang der Beine oder Arme

Diagnose von Schlafstörungen nach Schlaganfall

Die Diagnose von Schlafstörungen nach einem Schlaganfall umfasst in der Regel:

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  • Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und der Schlafgewohnheiten. Schlafstörungen treten in der Hausarzt- und Facharztpraxis häufig auf. Sie sollten gezielt in der allgemeinen Anamnese erfragt werden, da ihre Behandlung zu einer Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen und zu einer verbesserten Prognose der Grunderkrankung führt. Die Anamnese kann erweitert werden durch spezifische Fragebögen.
  • Körperliche Untersuchung: Untersuchung auf körperliche Ursachen für die Schlafstörungen. Um die Ursache für Ihre schlafbezogene Atemstörung herauszufinden, führen wir mit Ihnen ein ausführliches Anamnesegespräch und nehmen uns Zeit für eine eingehende körperliche Untersuchung. Wir prüfen insbesondere Veränderungen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich, die zu einer verminderten Luftzufuhr führen können.
  • Schlaftagebuch: Dokumentation der Schlafzeiten und -qualität über einen bestimmten Zeitraum. Zur Diagnostik haben sich neben der umfassenden Anamnese zu körperlichen, psychischen und schlafmedizinischen Problemen Schlaftagebücher und Schlaffragebögen bewährt
  • Polysomnographie (Schlaflaboruntersuchung): Ableitung von Hirnströmen, Augenbewegungen, Muskelaktivität, Atmung und Herzfrequenz während des Schlafs. Anhand eines Schlafprotokolls, in dem verschiedene Messdaten wie Hirnströme, Herzschlag, Atembewegungen und -geräusche aufgezeichnet werden, können unsere Spezialisten Ihren Schlaf analysieren und bewerten. Zeigen sich dabei mehrere Atemaussetzer pro Stunde, ist eine genauere Untersuchung in unserem Schlaflabor angezeigt. Im Schlaflabor schlafen Patient:innen eine Nacht unter Beobachtung. Dabei werden sie mit diversen Messgeräten verkabelt und detailliert untersucht - von Hirnströmen (EEG), Augenbewegungen (EOG) und Muskelspannung (EMG) über die Atmung an Mund und Brustkorb bis hin zu Puls, Sauerstoffgehalt im Blut (Pulsoxymetrie) und CO2-Gehalt (Kapnografie).
  • Weitere Untersuchungen: Je nach Verdacht können weitere Untersuchungen wie Blutuntersuchungen, neurologische Untersuchungen oder bildgebende Verfahren durchgeführt werden.

Behandlung von Schlafstörungen nach Schlaganfall

Die Behandlung von Schlafstörungen nach einem Schlaganfall richtet sich nach der Ursache und der Art der Schlafstörung:

  • Behandlung der Grunderkrankung: Behandlung der PSD, der SBAS, des RLS oder anderer Grunderkrankungen. Die PSD-Behandlung kann Psychotherapie, medikamentöse Ansätze oder eine Kombination aus beidem umfassen. Ein frühzeitiges Erkennen und die umfassende Unterstützung sind entscheidend, um Betroffenen dabei zu helfen, die Niedergeschlagenheit zu überwinden und ihre Lebensqualität zu verbessern.
  • Medikamentöse Therapie: Einsatz von Schlafmitteln, Antidepressiva oder anderen Medikamenten zur Verbesserung des Schlafs. Medikamente wie Bromocriptin, Modafinil, Methylphenidat und Levodopa wurden zur Behandlung eingesetzt, nCPAP verbesserte die Tagesschläfrigkeit bei Patienten mit SBAS.
  • Nicht-medikamentöse Therapie:
    • Schlafhygiene: Maßnahmen zur Verbesserung der Schlafumgebung und der Schlafgewohnheiten. Viele Schlafstörungen lassen sich deutlich bessern, wenn man auf seine Schlafhygiene achtet. Die besten Tipps für einen erholsamen Schlaf: Auf eine gute Schlafumgebung (bequemes Bett, gute Matratze) achten. Die Temperatur im Schlafzimmer sollte ungefähr bei 18 Grad liegen. Es sollte außerdem gut abgedunkelt und vor Lärm geschützt sein. Vor dem zu Bett gehen auf Alkohol und schweres Essen verzichten. Ebenso auf anregende Getränke wie Kaffee. Handy und Tablet am besten aus dem Schlafzimmer verbannen, da das blaue Licht den Schlaf stören kann. Am besten auch nicht Fernsehen. Einen guten Schlafrhythmus etablieren und am besten immer zur gleichen Zeit zu Bett gehen und aufstehen. Etablieren Sie Entspannungsrituale vor dem Schlafengehen wie Lesen oder Musik hören.
    • Kognitive Verhaltenstherapie (KVT): Psychotherapeutisches Verfahren zur Behandlung von Insomnie. Die Behandlung mit kognitiver Verhaltenstherapie kann sich auf die Insomnie positiv auswirken
    • Lichttherapie: Einsatz von hellem Licht zur Behandlung von Schlaf-Wach-Rhythmus-Störungen. Therapien mit Echtlicht (1.000 bis 7.500 Lux für 30-90 Minuten) können empfohlen werden.
    • Entspannungstechniken: Erlernen von Entspannungstechniken wieProgressive Muskelrelaxation nach Jacobsen oder Meditation, um innerlich zur Ruhe zu kommen.
  • Atemtherapie: Bei SBAS kann eine CPAP-Therapie (kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck) oder eine andere Atemtherapie eingesetzt werden. Solche Störungen werden oft mit einer Beatmungstherapie mithilfe eines CPAP-Geräts beziehungsweise einer CPAP-Maske behandelt (CPAP: Continuous Positive Airway Pressure). Die Maske baut einen Luftdruck auf, den Patient:innen ausatmen müssen. Dabei werden die Atemwege offengehalten, sodass sie nicht mehr kollabieren können.
  • Anpassung der Medikation: Überprüfung und Anpassung der Medikamente, die Schlafstörungen verursachen können.
  • Chirurgische Eingriffe: In seltenen Fällen können chirurgische Eingriffe zur Behandlung von SBAS oder anderen Ursachen von Schlafstörungen erforderlich sein.

Prävention von Schlafstörungen nach Schlaganfall

Einige Maßnahmen können helfen, Schlafstörungen nach einem Schlaganfall vorzubeugen:

  • Behandlung von Risikofaktoren für Schlaganfall: Behandlung von Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen und Vorhofflimmern.
  • Gesunder Lebensstil: Ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung, Verzicht auf Rauchen und übermäßigen Alkoholkonsum.
  • Gute Schlafhygiene: Regelmäßige Schlafzeiten, angenehme Schlafumgebung, Entspannungsrituale vor dem Schlafengehen.
  • Früherkennung und Behandlung von Schlafstörungen: Bei Verdacht auf eine Schlafstörung sollte frühzeitig ein Arzt aufgesucht werden.

Schlafstörungen und Schlaganfallrisiko

Studien haben gezeigt, dass Schlafstörungen das Schlaganfallrisiko erhöhen können. Eine internationale Fall-Kontrollstudie mit fast 5000 Teilnehmern ergab, dass folgende Schlafstörungen mit einem höheren Schlaganfallrisiko verbunden waren:

  • Kurzer Schlaf (< 5 Stunden)
  • Langer Schlaf (> 9 Stunden)
  • Schlechte Schlafqualität
  • Probleme beim Einschlafen
  • Probleme beim Durchschlafen
  • Ungeplante Nickerchen
  • Längeres Schlafen am Tag (> 1 Stunde)
  • Schnarchen
  • „Schnauben“
  • Atemaussetzer

Die Forscher sind davon überzeugt, dass die Behandlung von Schlafproblemen ein Schwerpunkt der Schlaganfallprävention sein sollte, da jeder vierte Erwachsene über 25 im Laufe seines Lebens einen Schlaganfall erleidet.

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