Die Aphasie ist eine erworbene Sprachstörung, die das menschliche Sprachsystem betrifft. Sie tritt als Folge einer Hirnschädigung auf, wobei ein Schlaganfall die häufigste Ursache darstellt. Es ist wichtig zu betonen, dass Aphasie keine geistige Behinderung ist. Die geistigen Fähigkeiten der Betroffenen, wie Denken, Wissen und Erinnern, bleiben weitgehend unbeeinträchtigt.
Was ist Aphasie?
Der Begriff "Aphasie" bedeutet übersetzt "Verlust der Sprache". Medizinisch gesehen handelt es sich um eine erworbene Sprachstörung, die durch eine Schädigung des Gehirns verursacht wird. Jährlich erkranken etwa 25.000 Menschen neu an einer Aphasie.
Ursachen
Eine Aphasie kann durch verschiedene Erkrankungen entstehen, die unterschiedliche Schädigungen im Gehirn verursachen. Dazu gehören:
- Schlaganfall (Apoplex): Mit Abstand die häufigste Ursache.
- Schädel-Hirn-Trauma
- Tumoren
- Hirnblutungen
- Entzündungen
- Weitere Erkrankungen des zentralen Nervensystems
- Alzheimer-Demenz oder Frontotemporale Demenz (seltener)
In den meisten Fällen liegt die Schädigung im Bereich der linken Großhirnhälfte.
Symptome
Die Symptome einer Aphasie können vielfältig sein und hängen von der Art und dem Schweregrad der Hirnschädigung ab. In der Regel sind mehrere sprachliche Fähigkeiten gleichzeitig in unterschiedlichem Ausmaß betroffen. Zu den typischen Störungen gehören:
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- Sprachverständnis: Schwierigkeiten, Gesprochenes zu verstehen.
- Wortfindung: Probleme, die richtigen Wörter zu finden.
- Sprachproduktion: Schwierigkeiten, flüssig und grammatikalisch korrekt zu sprechen.
- Lesen und Schreiben: Schwierigkeiten, Gelesenes zu verstehen und sich schriftlich auszudrücken.
Auch Gestik und Mimik können begleitend zur Aphasie eingeschränkt sein und die Kommunikation erschweren.
Formen der Aphasie
Um die Vielfalt der sprachlichen Symptome besser einordnen und behandeln zu können, werden bestimmte Symptome zu Syndromen zusammengefasst. Die häufigsten Formen sind:
- Globale Aphasie: Die schwerste Form, bei der alle sprachlichen Modalitäten (Sprechen, Verstehen, Lesen, Schreiben) stark beeinträchtigt sind. Die Betroffenen können sich entweder gar nicht äußern oder ihre Äußerungen sind teilweise oder ganz unverständlich.
- Broca-Aphasie (motorische Aphasie): Betrifft vor allem die Sprachproduktion. Das Sprechen ist oft langsam und mühsam, die Sätze sind kurz und grammatikalisch fehlerhaft ("Telegrammstil"). Das Sprachverständnis ist jedoch meist relativ gut erhalten.
- Wernicke-Aphasie (sensorische Aphasie): Betrifft vor allem das Sprachverständnis. Die Betroffenen sprechen flüssig, aber der Inhalt ist oft unverständlich, da sie Wörter verwechseln oder falsche Satzbausteine verwenden.
- Amnestische Aphasie: Hauptsymptom sind Wortfindungsstörungen. Das Sprachverständnis ist meist gut erhalten. Die Betroffenen verwenden oft Umschreibungen oder Floskeln, um die fehlenden Wörter zu ersetzen.
Diagnose
Die Aphasie-Diagnostik beginnt in der Akutphase im Krankenhaus und wird von Logopäden durchgeführt. Erst nach etwa sechs Wochen kann eine detaillierte Beurteilung der sprachlichen Fähigkeiten stattfinden. Dafür stehen unterschiedliche Tests zur Verfügung, wie z.B. der Aphasie-Schnell-Test (AST).
Prognose
Die Prognose einer Aphasie hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter:
- Ursache der Aphasie: Eine Aphasie kann durch verschiedene Erkrankungen entstehen, die jeweils unterschiedliche Schädigungen im Gehirn verursachen.
- Ausmaß der Hirnschädigung: Kleine Hirnschädigungen haben in der Regel eine günstigere Prognose als große Schädigungen.
- Art und Schweregrad der Aphasie: Schwere Aphasien, insbesondere die globale Aphasie, haben oft eine schlechtere Prognose als leichtere Formen.
- Zeitpunkt des Therapiebeginns: Je früher die logopädische Therapie beginnt, desto besser sind die Chancen auf eine Verbesserung.
- Intensität der Therapie: Eine intensive Sprachtherapie führt in der Regel zu besseren Ergebnissen.
- Alter und allgemeiner Gesundheitszustand des Betroffenen: Jüngere Patienten und Patienten mit einem besseren allgemeinen Gesundheitszustand haben oft eine bessere Prognose.
- Motivation und Mitarbeit des Patienten: Eine hohe Motivation und aktive Mitarbeit des Patienten sind entscheidend für den Therapieerfolg.
- Unterstützung durch Angehörige: Die Unterstützung durch Familie und Freunde spielt eine wichtige Rolle bei der Rehabilitation.
In einigen Fällen bilden sich die sprachlichen Einschränkungen spontan zurück, insbesondere in den ersten Wochen und Monaten nach der Hirnschädigung. Bei etwa einem Drittel der Patienten mit initialer Aphasie normalisieren sich die Sprachfunktionen in den ersten vier Wochen weitgehend. Danach flacht die Kurve der Spontanrückbildung jedoch zunehmend ab.
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Auch ohne Therapie kann es innerhalb der ersten sechs bis zwölf Monate zu einer spontanen Verbesserung kommen. Studien belegen, dass ein nicht unerheblicher Teil der schlaganfallbedingten (leichten) Aphasien komplett zurückgeht. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn die Aphasie Symptom einer Demenz ist.
Dennoch ist in den meisten Fällen ein intensives logopädisches Training notwendig, um die sprachlichen Fähigkeiten wiederzuerlangen oder zu verbessern. Früher ging man davon aus, dass Betroffene nach einem Schlaganfall nur ein relativ kleines Zeitfenster haben, um ihre sprachlichen Fähigkeiten zurückzuerlangen. Inzwischen ist sich die Forschung allerdings einig, dass sich durch Therapien auch viele Jahre später noch Erfolge erzielen lassen.
Studien zeigen, dass intensives Sprachtraining als Therapie auch sechs Monate oder länger nach dem auslösenden Schlaganfall zu einer entscheidenden Verbesserung der Sprachstörung und der Lebensqualität der Aphasiker führen kann. Intensives Sprachtraining bedeutet dabei mindestens zehn Stunden pro Woche bei mindestens drei Wochen Dauer des Intensivtrainings.
Behandlung
Das übergeordnete Ziel der Aphasie-Therapie ist es, die sprachlichen Fähigkeiten des Patienten wiederherzustellen, zu verbessern oder zu erhalten. Die Behandlung liegt im Aufgabenbereich der Logopädie.
Therapieansätze
Die Aphasie-Therapie ist nicht invasiv, d.h. Betroffene müssen nicht befürchten, am Gehirn operiert zu werden. Patienten führen spezielle Aphasie-Übungen unter der Anleitung der Logopäden durch. Das genaue Therapieziel orientiert sich am Einzelfall, je nach Aphasie-Form, Schweregrad sowie allgemeiner gesundheitlicher Verfassung des Betroffenen.
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Grundsätzlich gilt, dass die logopädische Therapie so früh wie möglich begonnen werden sollte, am besten noch während des Krankenhausaufenthaltes. Wenn der Betroffene wieder zuhause ist, muss die logopädische Therapie von einem Arzt verordnet werden. Grundsätzlich kann die ambulante Logotherapie einzeln oder in Gruppen stattfinden.
Die Rehabilitationsbehandlung der Aphasien kann folgende Therapiemodule umfassen:
- Sprachtherapie (Logopädie und/oder Linguistik) inkl. computerunterstützte Sprachtherapie
- Neuropsychologische Therapie (zur Verbesserung u. a. von Aufmerksamkeit und Gedächtnis)
- Physiotherapie (bei Lähmungen und Bewegungseinschränkungen)
- Ergotherapie (Übungen zum Wiedererlernen von Alltagsfähigkeiten)
- Physikalische Therapien (Elektrotherapie, Massage, Bäder)
Konkretes Ziel der Sprachtherapie ist die Verbesserung des Sprachverständnisses und die Wiederaufnahme der Wort- und Satzproduktion. Dabei stehen die Wünsche des Patienten klar im Vordergrund.
Hilfsmittel und Technologien
Betroffene lernen, die Sprachstörung durch andere Ausdrucksmöglichkeiten wie Gestik oder durch die Zuhilfenahme von Hilfsmitteln zu kompensieren. Entscheidend ist es, dass die Patienten dazu befähigt werden, wieder kommunizieren zu können.
Es gibt Hilfsmittel, die es Aphasikern trotz eingeschränkter Sprachfähigkeit ermöglichen, an Gesprächen teilzunehmen. Darüber hinaus gibt es inzwischen eine große Vielfalt an elektronischen Kommunikationshilfen, wie z.B.:
- Kärtchen mit Bildern, Symbolen oder Buchstaben
- Elektronische Kommunikationshilfen (Smartphones, Tablets) mit speziellen Apps
- Sprachapps wie Neolexon, Constant Therapy, Tactus oder Lingraphica
- Spezielle Computerprogramme wie EvoCare, aphasiaware und Lingware
Bevor sich Aphasiker Hilfsmittel anschaffen, sollten sie einen Antrag auf Kostenübernahme beim zuständigen Kostenträger stellen.
Berufliche Wiedereingliederung
Der berufliche Wiedereinstieg mit einer Aphasie kann Betroffene vor große Herausforderungen stellen. Nicht alle Berufe sind mit einer Aphasie gleichermaßen vereinbar. Das Heidelberger Aphasie-Modell ist ein Angebot des Berufsförderungswerks in Kooperation mit dem Bundesverband Aphasie e. V. und den SRH Fachschulen, das Betroffene bei der beruflichen Wiedereingliederung unterstützt.
Umgang mit Aphasie
Die Sprachstörung ist für Erkrankte und ihr Umfeld eine Herausforderung. Doch es gibt Wege, die den Umgang erleichtern.
Kommunikation
Im Gespräch empfiehlt es sich, die Sätze immer kurz und einfach zu halten und den Betroffenen ausreichend Zeit zum Verarbeiten zu geben. Menschen mit Aphasie brauchen vor allem Verständnis für ihre Situation. Es ist enorm wichtig, einfühlsam mit ihnen umzugehen und die Sprachstörung immer im Blick zu haben. Hier sind Geduld und ein ruhiges, störungsarmes Umfeld wichtig.
Einige Tipps für die Kommunikation mit Aphasikern:
- Behandeln Sie den oder die Aphasiker*in als Gesprächspartner auf Augenhöhe.
- Nehmen Sie der aphasischen Person „nicht das Wort aus dem Mund“
- Sprechen Sie nicht über sieihn, sondern mit ihrihm.
- Sprechen Sie in normaler Sprache und in einfachen Sätzen.
- Sprechen Sie langsam, klar und deutlich.
- Formulieren Sie Fragen vorzugsweise so, dass sie mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden können.
- Korrigieren Sie nicht.
- Halten Sie Blickkontakt.
- Setzen Sie alle Mittel der Kommunikation ein: Gesten und Mimik, zeichnen oder schreiben Sie, wenn nötig, zeigen auf Gegenstände oder Abbildungen und motivieren gegebenenfalls auch dendie Betroffenen ebenfalls dazu.
- Warten Sie geduldig auf eine Antwort.
- Sorgen Sie im Gespräch für eine ruhige Umgebung und schalten Sie störende Geräuschquellen wie Radio oder TV möglichst aus.
- Wenn der*die Betroffene in einem Satz nicht weiterkommt, drängen Sie nicht. Gegebenenfalls ist es auch hilfreich, zunächst das Thema zu wechseln. Ein erneuter späterer Versuch ist oft erfolgreich.
Unterstützung für Angehörige
Auch für Angehörige ist die Situation oft belastend. Es ist wichtig, sich über die Aphasie zu informieren und zu lernen, wie man am besten mit den Betroffenen kommuniziert. Pflegekurse werden von den Pflegekassen finanziert und sind für die Teilenehmenden kostenfrei. Kommunikation spielt in vielen Modulen von Pflegekursen eine wichtige Rolle.
Selbsthilfe
Viele Aphasiker und ihre Angehörigen profitieren vom Austausch mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen. Es gibt sowohl professionell geführte Gruppen mit therapeutischen Angeboten als auch von Betroffenen selbst organisierte Gruppen. Eine zentrale Interessenvertretung ist der Bundesverband für die Rehabilitation der Aphasiker e.V.
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