Schlaganfall nach Corona-Impfung: Risiko, Schutz und aktuelle Forschungsergebnisse

Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Corona-Impfungen und Schlaganfällen ist komplex und wurde in zahlreichen Studien untersucht. Es gibt Hinweise darauf, dass in seltenen Fällen bestimmte Impfstoffe mit einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle in Verbindung gebracht werden können, insbesondere bei bestimmten Bevölkerungsgruppen. Gleichzeitig zeigen umfangreiche Daten, dass Corona-Impfungen insgesamt das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse, einschließlich Schlaganfälle, reduzieren können, insbesondere nach einer SARS-CoV-2-Infektion. Dieser Artikel beleuchtet die aktuellen Forschungsergebnisse, um ein umfassendes Bild der potenziellen Risiken und Vorteile zu vermitteln.

Schutz vor Herz-Kreislauf-Ereignissen durch COVID-19-Impfung

Eine großangelegte Studie aus dem Vereinigten Königreich, die in der Fachzeitschrift 'Nature Communications' veröffentlicht wurde, untersuchte die Auswirkungen der COVID-19-Impfung auf das Risiko von Herzinfarkten, Schlaganfällen und Thrombosen. Die Studie umfasste anonymisierte Gesundheitsdaten von fast 46 Millionen Erwachsenen in England im Zeitraum vom 8. Dezember 2020 bis zum 23. Januar 2022. Die Ergebnisse zeigten, dass die COVID-19-Impfung nicht nur vor der Erkrankung selbst schützt, sondern auch das Risiko schwerwiegender Herz-Kreislauf-Ereignisse signifikant reduziert.

Reduktion von arteriellen Thrombosen

Nach der ersten Dosis eines COVID-19-Impfstoffs traten arterielle Thrombosen, einschließlich Herzinfarkte und Schlaganfälle, bis zu 10 % seltener auf als bei nicht geimpften Personen. Bei der zweiten Dosis war die Reduktion noch deutlicher: Bei Empfängern des AstraZeneca-Impfstoffs (ChAdOx1) sank die Inzidenz von arteriellen Thrombosen um bis zu 27 %, während bei den mRNA-Impfstoffen von BioNTech/Pfizer (BNT-162b2) und Moderna (mRNA-1273) die Reduktion bis zu 20 % betrug.

Reduktion von venösen Thrombosen

Auch bei venösen thrombotischen Ereignissen, wie Lungenembolien und tiefen Venenthrombosen der unteren Extremitäten, zeigten sich ähnliche Schutzwirkungen. Nach der ersten Dosis von ChAdOx1 sank die Rate venöser Thrombosen um 6 %, während die mRNA-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer diese Ereignisse um 15 % reduzierten. Eine zweite Dosis führte zu einer noch stärkeren Verringerung venöser Thrombosen, mit einem Rückgang um 72 % nach ChAdOx1 und 23 % nach den mRNA-Impfstoffen. Nach der Booster-Impfung mit BNT-162b2 sank die Rate venöser Thrombosen um bis zu 45 %, wenn die vorherige Impfung ebenfalls mit einem mRNA-Impfstoff erfolgte. Bei einer Erstimpfung mit ChAdOx1 betrug der Rückgang 37 %.

Seltene Nebenwirkungen: VITT und Hirnvenenthrombosen

Zu Beginn der Impfkampagne wurden die Risiken von seltenen Nebenwirkungen wie Myokarditis, Perikarditis und insbesondere die impfstoffinduzierte thrombotische Thrombozytopenie (VITT) sowie Hirnvenenthrombosen diskutiert. Die Studie dokumentierte einen Anstieg von VITT und Hirnvenenthrombosen nach der ersten Dosis von ChAdOx1. So verdoppelte sich die Häufigkeit von Thrombozytopenien, einem charakteristischen Merkmal der VITT. Es ist wichtig zu betonen, dass insgesamt die positiven Effekte - insbesondere die Reduzierung von Lungenembolien und tiefen Venenthrombosen - den Anstieg dieser seltenen Nebenwirkungen überwogen.

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DGN-Studie zu zerebralen Sinus- und Hirnvenenthrombosen

Eine in Deutschland durchgeführte Studie unter der Projektleitung der Klinik für Neurologie an der Uniklinik RWTH Aachen untersuchte das Auftreten von zerebrovaskulären Ereignissen, insbesondere Sinus- und Hirnvenenthrombosen im Gehirn, nach Impfung gegen SARS-CoV-2. Die DGN-Studie „Cerebral venous thrombosis associated with vaccination against COVID-19“ zeigte, dass es nach Impfung mit dem SARS-CoV-2-AstraZeneca-Impfstoff zu signifikant mehr zerebralen Sinus- und Hirnvenenthrombosen (CVT) kam als nach Impfung mit den mRNA-Impfstoffen. Die Rate der aufgetretenen CVT-Ereignisse war nach einer Erstimpfung mit Vakzinierung mit ChAdOx1 um mehr als neunmal höher als nach Impfung mit den mRNA-Impfstoffen.

Ergebnisse der DGN-Studie

Im Rahmen der Abfrage gingen 87 Meldungen ein, von denen 62 durch das Expertenteam bestätigt wurden. In 95,2 Prozent der Fälle waren die unerwünschten Ereignisse nach erster Gabe des Impfstoffs aufgetreten: bei 45 Fällen handelte es sich um zerebrale Venenthrombosen, bei neun um ischämische Schlaganfälle, bei vier um Hirnblutungen und bei weiteren vier um andere thrombotische Ereignisse. 53 der insgesamt 62 bestätigten Fälle (85,5 Prozent) waren nach Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff ChAdOx1 aufgetreten, neun Fälle (14,5 Prozent) nach Impfung mit dem BioNTech-Vakzin BNT162b2. Es wurden keine Ereignisse nach Gabe des Impfstoffs mRNA-1273 von Moderna beobachtet.

Risikogruppen

Die statistische Auswertung der Daten zeigte, dass bei Frauen unter 60 Jahren, die eine Impfung mit dem AstraZeneca-Vakzin erhalten hatten, die Ereignisrate für CVT innerhalb eines Monats nach der Erstimpfung höher war als bei gleichaltrigen Männern. Auch ältere Frauen hatten ein erhöhtes Risiko, Hirnvenenthrombosen nach Gabe des AstraZeneca-Vakzins zu erleiden.

Vakzine-induzierte immunogene thrombotische Thrombozytopenie (VITT)

Nach der Impfung mit dem AstraZeneca-Vakzin ChAdOx1 kann es in sehr seltenen Fällen zu einer Vakzine-induzierten immunogenen thrombotischen Thrombozytopenie (VITT) kommen. In der vorliegenden Studie konnten 57,8 Prozent der gemeldeten Fälle von Hirnvenenthrombosen mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit durch die Kliniker auf eine solche VITT zurückgeführt werden.

Nutzen-Risiko-Abwägung

Trotz des geringen Risikos für zerebrale Sinus- und Venenthrombosen bei Männern und Frauen aller Altersklassen betont Prof. Dr. med. Christian Gerloff, Präsident der DGN, dass global gesehen der Nutzen der in Deutschland zugelassenen Impfstoffe die sehr geringen Risiken um ein Vielfaches überwiegt. Er weist jedoch darauf hin, dass alle Personen, vor allem Frauen, vor der Impfung über dieses Risiko aufgeklärt werden müssen, gerade auch im Hinblick darauf, auf welche Symptome sie im Nachgang zu achten haben.

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Aktuelle Studien und Erkenntnisse

Bivalenter Booster und Schlaganfallrisiko

Der Verdacht, dass die Impfung mit dem bivalenten Booster des mRNA-Impfstoffs von Biontech/Pfizer einen Schlaganfall auslösen kann, hat sich in einer Studie der US-Arzneimittelbehörde FDA nicht bestätigt. Eine neue Fall-Kontrollstudie in medRxiv bestätigte das erhöhte Risiko von Schlaganfällen im „Vaccine Safety Datalink“ von FDA und CDC bei Senioren nach der Auffrischung mit dem bivalenten Biontech-Impfstoff nur für die über 85-Jährigen.

Schlaganfallrate nach Impfung

Ein systematisches Review wertete zwei randomisierte Studien, drei Kohortenstudien und elf Register-basierte Studien aus. Insgesamt wurden 17.481 Fälle ischämischer Schlaganfälle erfasst - bei einer Gesamtzahl von 782.989.363 Impfungen. Die Schlaganfallrate betrug insgesamt 4,7 Fälle pro 100.000 Impfungen. Die Autorinnen und Autoren schlussfolgerten, dass die Schlaganfallrate nach Impfung mit der in der Allgemeinbevölkerung vergleichbar ist.

Kardiovaskuläre Ereignisse und mRNA-Impfstoffe

Eine aktuelle Auswertung des „French National Health Data System“ (Système National des Données de Santé [SNDS]) untersuchte, wie häufig nach erster und zweiter Gabe von Vakzinen gegen SARS-CoV-2 bei Menschen im Alter von 18 bis 75 Jahren kardiovaskuläre Ereignisse (Myokardinfarkte, Lungenembolien oder Schlaganfälle) auftraten. Im Ergebnis zeigte die Studie, dass es keine Assoziation zwischen mRNA-Impfstoffen und dem Auftreten dieser schweren kardiovaskulären Komplikationen gab.

Schutzwirkung der Impfung nach SARS-CoV-2-Infektion

Eine US-amerikanische Studie analysierte Krankheitsverläufe von 1.934.294 Patientinnen, die sich zwischen März 2020 und Februar 2022 mit SARS-CoV-2 infiziert hatten. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Covid-19-Impfung das Risiko von schweren kardiovaskulären Ereignissen und kardiovaskulären Folgeschäden im Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2-Infektion verringern kann. Menschen, die vollständig geimpft worden waren oder mindestens eine Dosis eines Covid-19-Impfstoffs erhalten hatten, wiesen sechs Monate nach der SARS-CoV-2-Infektion eine geringere Rate an MACE und kardiovaskulären Komplikationen auf.

Rolle von Infektionen und Impfungen für die kardiovaskuläre Gesundheit

Ein Expertenkomitee der EICA (European Interdisciplinary Council for Aging) und der SIPREC (italienische Gesellschaft für kardiovaskuläre Prävention) hat den aktuellen Wissensstand zur Bedeutung von Impfstoffen für die kardiovaskuläre und zerebrovaskuläre Gesundheit zusammengefasst. Die Pathomechanismen einer akuten Infektion können kurzfristig das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse bei Personen mit CVD dramatisch erhöhen, während umgekehrt aber auch ein erhöhtes Infektionsrisiko bei chronischen Krankheiten besteht. Studien zeigten, dass Grippeinfektionen mit einem stark erhöhten Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und Herzinsuffizienz-Hospitalisierungen assoziiert sind.

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Impfungen zum Schutz der kardiovaskulären Gesundheit

Gegen die häufigsten Infektionskrankheiten, die ältere Personen betreffen, stehen heute Impfstoffe zur Verfügung, wie Influenza, Pneumokokken, Herpes zoster, COVID-19 und das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV). Inzwischen liegen umfangreiche Datensätze vor, die den Benefit der Impfungen für die kardio- und zerebrovaskuläre Gesundheit eindeutig nachweisen. Insbesondere bei Personen mit CVD lassen sich kardiovaskuläre Komplikationen durch Impfungen vermeiden.

Aufklärung und Bewusstseinsbildung

Entscheidend ist es, das Bewusstsein für Impfungen zu stärken, um diese Hochrisiko-Gruppe vor vermeidbaren Infektionen und den schwerwiegenden Folgen, wie Schlaganfall, Herzinfarkt, Hospitalisierungen und Tod zu schützen. Alle Angehörigen von Gesundheitsberufen sind dazu aufgerufen, die Bevölkerung proaktiv über den Nutzen von Impfungen aufzuklären.

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