Impfungen und Schlaganfallrisiko: Aktuelle Studien und Empfehlungen

Impfungen sind ein wichtiges Instrument zur Vorbeugung von Infektionskrankheiten. In den letzten Jahren wurde intensiv untersucht, welchen Einfluss Impfungen auf das Risiko für kardiovaskuläre und zerebrovaskuläre Ereignisse, insbesondere Schlaganfälle, haben. Dieser Artikel fasst die aktuellen Studienergebnisse und Empfehlungen zusammen.

Herpes-Zoster-Impfung und Schlaganfallrisiko

Eine Studie, die auf der „International Stroke Conference“ vorgestellt wurde, deutet darauf hin, dass eine Impfung gegen Herpes zoster (Gürtelrose) einen zusätzlichen Nutzen haben könnte. Die Beobachtungsstudie ergab, dass geimpfte Personen ein um 16 % geringeres Schlaganfallrisiko hatten als nicht geimpfte Kontrollpersonen (Inzidenz: 7,18 vs. 8,56 pro 1.000 Personenjahre). Dieser Zusammenhang war bei Personen im Alter von 66 bis 79 Jahren deutlicher ausgeprägt (Risikoreduktion von etwa 20 % vs. 10 % bei älteren Personen).

Der Studienautor Dr. Quanhe Yang vermutet, dass die durch das Varizella-Zoster-Virus (VZV) induzierten Entzündungsprozesse für das erhöhte Schlaganfallrisiko nach einer VZV-Reaktivierung verantwortlich sein könnten. Die ständige Impfkommission (STIKO) in Deutschland empfiehlt eine Herpes-zoster-Impfung für alle Personen ab 60 Jahren und für Personen ab 50 Jahren mit gesundheitsgefährdenden Grunderkrankungen. Als Standardimpfstoff sollte der adjuvante Totimpfstoff Shingrix verwendet werden, der eine höhere Schutzwirkung gegen die VZV-Reaktivierung bietet als der in der Studie verwendete Lebendimpfstoff Zostavax. Ob der Totimpfstoff das Schlaganfallrisiko stärker beeinflussen kann, müssen zukünftige Studien zeigen. Es bleibt die Frage, ob diese Ergebnisse eine klinische Bedeutung haben und ob eine frühere Impfung gegen Zoster sinnvoll wäre.

COVID-19-Impfung und Schlaganfallrisiko

Entgegen anfänglicher Bedenken haben mehrere Studien gezeigt, dass COVID-19-Impfungen das Risiko für Schlaganfälle nicht erhöhen. Eine Übersichtsarbeit, die in der Fachzeitschrift Neurology veröffentlicht wurde, wertete zwei randomisierte Studien, drei Kohortenstudien und elf Register-basierte Studien aus. Insgesamt wurden 17.481 Fälle ischämischer Schlaganfälle bei 782.989.363 Impfungen erfasst. Die Schlaganfallrate betrug 4,7 Fälle pro 100.000 Impfungen und war damit mit der in der Allgemeinbevölkerung vergleichbar. In 3,1 % der Schlaganfälle nach COVID-19-Impfung lag eine thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) zugrunde, eine sehr seltene Komplikation. Die Schlaganfallrate bei SARS-CoV-2-infizierten Menschen ist deutlich höher.

Eine weitere Studie, die das „French National Health Data System“ auswertete, untersuchte das Auftreten von kardiovaskulären Ereignissen (Myokardinfarkte, Lungenembolien oder Schlaganfälle) nach COVID-19-Impfung bei Personen im Alter von 18 bis 75 Jahren. Die Studie ergab keine Assoziation zwischen mRNA-Impfstoffen und dem Auftreten dieser schweren kardiovaskulären Komplikationen. Die erste Dosis des Vektor-basierten Impfstoffs ChAdOx1 war in der zweiten Woche nach der Impfung mit einer erhöhten Rate an Myokardinfarkten und Lungenembolien verbunden, ebenso wie der Impfstoff von Janssen-Cilag. In Bezug auf die Schlaganfallrate ergab die Auswertung für keinen der Impfstoffe ein höheres Risiko.

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Eine großangelegte Studie aus dem Vereinigten Königreich mit fast 46 Millionen Erwachsenen ergab, dass COVID-19-Impfungen nicht nur vor der Erkrankung selbst schützen, sondern auch das Risiko schwerwiegender Herz-Kreislauf-Ereignisse wie Thrombosen, Herzinfarkt und Schlaganfall signifikant reduzieren können. Nach der ersten Dosis eines COVID-19-Impfstoffs traten arterielle Thrombosen, einschließlich Herzinfarkten und Schlaganfällen, bis zu 10 % seltener auf als bei nicht geimpften Personen. Bei der zweiten Dosis war die Reduktion noch deutlicher. Auch bei venösen thrombotischen Ereignissen, wie Lungenembolien und tiefen Venenthrombosen, zeigten sich ähnliche Schutzwirkungen.

Spezifische Risiken bei bestimmten COVID-19-Impfstoffen

Eine in Deutschland durchgeführte Studie zeigte, dass es nach Impfung mit dem SARS-CoV-2-AstraZeneca-Impfstoff zu signifikant mehr zerebralen Sinus- und Hirnvenenthrombosen (CVT) kam als nach Impfung mit den mRNA-Impfstoffen. Die Rate der aufgetretenen CVT-Ereignisse war nach einer Erstimpfung mit ChAdOx1 um mehr als neunmal höher als nach Impfung mit den mRNA-Impfstoffen. Insbesondere jüngere und ältere Frauen hatten ein höheres Risiko für zerebrale Sinus- und Hirnvenenthrombosen nach Impfung mit dem Vakzin ChAdOx1 (AstraZeneca).

Nach Impfung mit dem AstraZeneca-Vakzin ChAdOx1 kann es in sehr seltenen Fällen zu einer Vakzine-induzierten immunogenen thrombotischen Thrombozytopenie (VITT) kommen, deren Pathomechanismus der heparininduzierten Thrombozytopenie (HIT) Typ II ähnelt.

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) betont, dass der Nutzen der in Deutschland zugelassenen Impfstoffe die sehr geringen Risiken um ein Vielfaches überwiegt. Sie empfiehlt jedoch, Personen, insbesondere Frauen, vor der Impfung über das Risiko thrombotischer Ereignisse aufzuklären und auf entsprechende Symptome im Nachgang zu achten. Das sehr geringe Risiko für Hirnvenenthrombosen ließe sich weiter minimieren, wenn Frauen grundsätzlich bevorzugt mit den mRNA-Vakzinen geimpft würden.

Grippeimpfung und Schlaganfallrisiko

Infektionen des Respirationstrakts sind mit einer gesteigerten Häufigkeit von kardiovaskulären Komplikationen wie Herzinfarkten, Schlaganfällen und Herzinsuffizienzdekompensationen assoziiert. Nach einer Influenza-Infektion kann die Häufigkeit des Herzinfarktes in den ersten 7 Tagen um das 6- bis 8-fache gesteigert sein. Bei chronischer Herzinsuffizienz ist die Sterblichkeit nach einem Atemwegsinfekt im Verlauf des nächsten Jahres um den Faktor 5 bis 8 erhöht.

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Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie/Herz-Kreislaufforschung hat Kampagnen zur Stärkung einer flächendeckenden Immunisierung gegenüber Atemwegserkrankungen gestartet.

Erhöhtes Schlaganfallrisiko nach COVID-19-Booster-Impfung bei Hochbetagten?

Im "Vaccine Safety Datalink" von FDA und CDC wurde Anfang des Jahres ein erhöhtes Risiko von Schlaganfällen nach einer Auffrischung mit dem zweifachen Biontech-Impfstoff beobachtet. Eine Analyse der Krankenakten von 5,4 Millionen Patienten, die im Herbst des letzten Jahres eine Auffrischungsimpfung erhalten hatten, bestätigte diese Ergebnisse jedoch nur teilweise. Nach der Auffrischung mit dem Biontech-Impfstoff war das Risiko nur bei Menschen über 85 Jahren um 36 % erhöht. Für den Moderna-Booster war das Risiko in der Altersgruppe von 65 bis 74 Jahren um 23 % erhöht. Das Risiko war außerdem auf diejenigen beschränkt, die gleichzeitig einen Grippeimpfstoff mit hoher Dosis erhalten hatten.

Bedeutung von Impfungen für die kardiovaskuläre Gesundheit

Ein Expertenkomitee der EICA (European Interdisciplinary Council for Aging) und der SIPREC (italienische Gesellschaft für kardiovaskuläre Prävention) hat den aktuellen Wissensstand zur Bedeutung von Impfstoffen für die kardiovaskuläre und zerebrovaskuläre Gesundheit zusammengefasst und Lücken identifiziert, um die Prävention zu verbessern.

Die Pathomechanismen einer akuten Infektion können kurzfristig das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse bei Personen mit CVD dramatisch erhöhen, während umgekehrt aber auch ein erhöhtes Infektionsrisiko bei chronischen Krankheiten besteht. Atherosklerose ist eine entzündliche Erkrankung, und Influenza sowie andere Atemwegsinfektionen befeuern systemische Entzündungen und Plaque-Destabilisierungen.

Gegen die häufigsten Infektionskrankheiten, die ältere Personen betreffen, stehen heute Impfstoffe zur Verfügung, wie Influenza, Pneumokokken, Herpes zoster, COVID-19 und das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV). Umfangreiche Datensätze belegen den Nutzen der Impfungen für die kardio- und zerebrovaskuläre Gesundheit, insbesondere bei Personen mit CVD.

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