Schlaganfall nach Corona-Impfung: Ursachen, Risiken und Aktuelle Erkenntnisse

Die Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen Corona-Impfungen und Schlaganfällen gibt, hat in der Öffentlichkeit zu Verunsicherung geführt. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Risiken und gibt einen Überblick über aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zu diesem Thema.

Hintergrund: Impfstoff-assoziierte Risiken und anfängliche Bedenken

Ende März letzten Jahres wurde eine schwere, wenn auch seltene Nebenwirkung nach COVID-19-Impfung mit Vektor-basierten Vakzinen beobachtet: Impfassoziiert traten vor allem bei jüngeren Frauen Sinus- und Hirnvenenthrombosen auf, es kam zu Todesfällen. Der Vektor-basierte Impfstoff ChAdOx1 (AstraZeneca) wurde daraufhin nicht mehr jungen Frauen verabreicht, außerdem wurden Geimpfte für das Leitsymptom Kopfschmerzen nach Impfung sensibilisiert und Ärztinnen und Ärzte auf das Phänomen der Bildung von anti-PF4-Antikörpern hingewiesen. Es wurde aber auch ein leicht erhöhtes Risiko für hämorrhagische Schlaganfälle (sogenannte Hirnblutungen) nach Impfung mit einem mRNA-Vakzin beschrieben. Eine im Oktober 2021 publizierte Auswertung zeigte diesbezüglich ein erhöhtes Risiko an den Tagen 1-7 und den Tagen 15-21 nach Impfung mit BNT162b2 (IRR: 1,27 und 1.38). Seitdem haftet allen Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 das Stigma an, sie könnten Schlaganfälle auslösen, eine Sorge, die verständlicherweise zu Ängsten führt und zur Impfskepsis beiträgt.

Aktuelle Studien und Meta-Analysen: Schlaganfallrate und Impfstoffe

Ein systematischer Review wertete zwei randomisierte Studien, drei Kohortenstudien und elf Register-basierte Studien aus. Insgesamt wurden 17.481 Fälle ischämischer Schlaganfälle erfasst - bei einer Gesamtzahl von 782.989.363 Impfungen. Die Schlaganfallrate betrug insgesamt 4,7 Fälle pro 100.000 Impfungen. Die Autorinnen und Autoren schlussfolgerten, dass die Schlaganfallrate nach Impfung mit der in der Allgemeinbevölkerung vergleichbar ist - und die TTP, die zu Sinus- und Hirnvenenthrombosen führte, zumindest nach den Vorkehrungen, die getroffen wurden, eine sehr seltene Komplikation darstellt.

Eine weitere aktuelle Auswertung des „French National Health Data System“ untersuchte, wie häufig nach erster und zweiter Gabe von Vakzinen gegen SARS-CoV-2 bei Menschen im Alter von 18 bis 75 Jahren kardiovaskuläre Ereignisse (Myokardinfarkte, Lungenembolien oder Schlaganfälle) auftraten. Die Studie zeigte, dass es keine Assoziation zwischen mRNA-Impfstoffen und dem Auftreten dieser schweren kardiovaskulären Komplikationen gab. Die erste Dosis des Vektor-basierten Impfstoffs ChAdOx1 war in Woche 2 nach der Impfung mit einer erhöhten Rate an Myokardinfarkten und Lungenembolien vergesellschaftet (RI: 1,29 und 1,41), auch beim Impfstoff von Janssen-Cilag konnte eine Assoziation mit dem Auftreten von Myokardinfarkten in Woche 2 nach Vakzinierung nicht ausgeschlossen werden.

DGN-Generalsekretär Professor Dr. Peter Berlit schlussfolgerte: „Die vorliegenden Daten zeigen zumindest für die mRNA-Impfstoffe keinerlei Sicherheitssignale in Bezug auf ein erhöhtes Schlaganfallrisiko. Ganz im Gegenteil: Der Experte betont, dass die SARS-CoV-2-Infektion mit einer höheren Schlaganfallrate einhergeht und die Impfung somit vor Schlaganfällen schütze.

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Schutzwirkung der Impfung vor Schlaganfall nach SARS-CoV-2-Infektion

Eine koreanische Studie zeigte, dass geimpfte Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer, obwohl älter und mit mehr Komorbiditäten, seltener schwere oder gar kritische COVID-19-Verläufe sowie Folgeerkrankungen hatten.

Eine US-amerikanische Studie analysierte Krankheitsverläufe von 1.934.294 Patientinnen, die sich zwischen März 2020 und Februar 2022 mit SARS-CoV-2 infiziert hatten. Menschen, die vollständig geimpft worden waren oder mindestens eine Dosis eines Covid-19-Impfstoffs erhalten hatten, wiesen sechs Monate nach der SARS-CoV-2-Infektion eine geringere Rate an MACE und kardiovaskulären Komplikationen auf. Nach der Daten-Adjustierung war das Risiko einer schweren Herz-Kreislauf-Erkrankung nach abgeschlossener Impfserie um signifikante 41% niedriger. Wurde mindestens eine Impfung verabreicht, zeigte sich ein um etwa 24% reduziertes Risiko (ebenfalls signifikant) - jeweils im Vergleich zu Ungeimpften.

Im Allgemeinen hatten Männer, ältere Menschen und Personen mit Grunderkrankungen ein höheres MACE-Risiko - unabhängig vom Impfstatus. Die größten Risikofaktoren waren:

  • ischämische Herzerkrankung in der Vorgeschichte
  • Diabetes mellitus Typ 2
  • Lebererkrankungen
  • Adipositas
  • Hyperlipidämie

Die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, dass eine Covid-19-Impfung das Risiko von schweren kardiovaskulären Ereignissen und kardiovaskulären Folgeschäden im Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2-Infektion verringern kann.

Fallbeispiel: Einzelschicksale und Post-Vac-Syndrom

Bernhard Strobel erlitt nach der zweiten Impfung mit dem Biontech-Impfstoff neurologische Schäden und einen Schlaganfall. Ärzte bestätigten den Zusammenhang mit der Impfung, wodurch er zum sogenannten Post-Vac-Patienten wurde. Er kämpft mit neurologischen Schäden, ständigen Schmerzen und den Folgen für sein soziales Umfeld. Seine Krankenversicherung stufte ihn als berufsunfähig ein, was zu finanziellen Problemen führte. Er klagt gegen den Impfstoffhersteller und seine Krankenversicherung.

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Das Post-Vac-Syndrom beschreibt gesundheitliche Einschränkungen nach einer Corona-Impfung, die Symptomen von Long Covid ähneln. Nach bisherigem Kenntnisstand tritt ein Post-Vac-Syndrom nur nach 0,01 bis 0,02 Prozent aller Impfungen auf. Vereinzelte Thrombosen und Herzmuskelentzündungen nach der Corona-Impfung traten schon zu Beginn der Impfungen auf. Es sind völlig unterschiedliche Krankheitssymptome, die scheinbar gar nichts miteinander zu tun haben. Aber dafür gibt es eine Erklärung: Der Erreger Sars-Cov2 ist neu und die Menschen haben dagegen keine Grundimmunität.

Herzmuskelentzündungen (Myokarditis) nach Impfung

Eine Covid-Impfung kann in seltenen Fällen auch zu einer Herzmuskelentzündung (Myokarditis) bzw. Herzbeutelentzündung (Perikarditis) führen. Gerade die Erfahrung, dass vor allem - meist männliche - junge Erwachsene und Jugendliche von impfbedingten Reaktionen am Herzen betroffen sind, erfordert eine sorgfältige Analyse. Denn bei den meisten lagen zuvor keine Anzeichen für eine Herzerkrankung vor. Die Prognose der Myokarditis nach der Impfung ist offenbar meist günstig.

In einer systematischen Übersichtsarbeit, in der 23 Studien ausgewertet wurden, hatten Wissenschaftler zum Beispiel überprüft, ob sich die günstige Prognose bei Erwachsenen mit Myokarditis nach Covid-19-mRNA-Impfung auch bei jungen Patienten unter 20 Jahren bestätigen lassen. Insgesamt fanden sie 854 Patienten im Alter von 12 bis 20 Jahren mit einer impfstoffassoziierten Myoperikarditis. Die Zeichen einer Herzmuskelentzündung traten in der Regel wenige Tage nach der Impfung auf (im Durchschnitt 2,6 Tage danach). Die meisten Patienten wurden im Krankenhaus behandelt, etwa jeder vierte Betroffene musste auf der Intensivstation aufgenommen werden - hauptsächlich zur Überwachung von Herzrhythmusstörungen. Es gab jedoch keine Todesfälle und nach im Mittel drei Tagen konnten die Patienten die Klinik bereits wieder verlassen.

Wissenschaftler haben 104 Patienten ab 12 Jahren, bei denen innerhalb von 28 Tagen nach Impfung mit dem mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer eine Myokarditis diagnostiziert wurde, über 180 Tage nachbeobachtet. Während des Nachbeobachtungszeitraums wurde ein Todesfall (1 %) bei den 104 Patienten mit Myokarditis nach der Impfung festgestellt, verglichen mit 84 Todesfällen (11 %) bei den 762 Patienten mit infektionsbedingter Myokarditis.

Autoantikörper als mögliche Ursache für Myokarditis

Ein deutsches Wissenschaftsteam vom Universitätsklinikum des Saarlandes fand heraus, dass hinter impfbedingten Myokarditis-Fällen vermutlich spezielle Autoantikörper stecken. Diese werden gegen ein zentrales, entzündungshemmendes Molekül gebildet - den Interleukin-1-Rezeptor-Antagonist (IL-1Ra).

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Zerebrovaskuläre Ereignisse und Vektor-Impfstoffe

Eine in Deutschland durchgeführte Studie unter der Projektleitung der Klinik für Neurologie an der Uniklinik RWTH Aachen zeigte, dass es nach Impfung mit dem SARS-CoV-2-AstraZeneca-Impfstoff zu signifikant mehr zerebralen Sinus- und Hirnvenenthrombosen (CVT) kam als nach Impfung mit den mRNA-Impfstoffen. Die Rate der aufgetretenen CVT-Ereignisse war nach einer Erstimpfung mit Vakzinierung mit ChAdOx1 um mehr als neunmal höher als nach Impfung mit den mRNA-Impfstoffen. Bei Frauen unter 60 Jahren, die eine Impfung mit dem AstraZeneca-Vakzin erhalten hatten, betrug die Ereignisrate für CVT innerhalb eines Monats nach der Erstimpfung 24,2/100.000 Personenjahre, bei gleichaltrigen Männern 8,9/100.000, lag damit also deutlich niedriger. Bei unter 60-Jährigen, die den BioNTech-Impfstoff erhalten hatten, betrug die Ereignisrate 3,6/100.000 Personenjahre bei Frauen und 3,5/100.000 bei Männern. Die Inzidenzrate der Hirnvenenthrombosen bei Frauen unter 60 nach Gabe des AstraZeneca-Impfstoffs betrug 24,2/100.000 Personenjahre, die von Frauen über 60 nach Gabe des gleichen Impfstoffs 20,5/100.000 Personenjahre.

Nach der Impfung mit dem AstraZeneca-Vakzin ChAdOx1 kann es in sehr seltenen Fällen zu einer Vakzine-induzierten immunogenen thrombotischen Thrombozytopenie (VITT) kommen.

Schlaganfallrisiko nach Auffrischungsimpfung bei älteren Menschen

Im "Vaccine Safety Datalink" von FDA (Food and Drug Administration) und CDC (Centers for Disease Control and Prevention) wurde Anfang des Jahres ein erhöhtes Risiko von Schlaganfällen nach einer Auffrischung mit dem zweifachen Biontech-Impfstoff beobachtet. Nach der Auffrischung mit dem Biontech-Impfstoff war das Risiko nur bei Menschen über 85 Jahren um 36 % erhöht. Das bedeutet, dass es 11,92 zusätzliche Schlaganfälle pro 100.000 Impfungen gab. Für den Moderna-Booster war das Risiko in der Altersgruppe von 65 bis 74 Jahren um 23 % erhöht, mit einem attributablen Risiko von 3,26 Schlaganfällen pro 100.000 Impfungen. Das Risiko wurde außerdem auf diejenigen beschränkt, die gleichzeitig einen Grippeimpfstoff mit hoher Dosis erhalten hatten. Nach der Auffrischung mit dem Biontech-Impfstoff wurde ein um 20 % erhöhtes Risiko für nicht-hämorrhagische Schlaganfälle festgestellt. Mit dem Moderna-Impfstoff war nur das Risiko für eine vorübergehende ischämische Attacke erhöht. Bei Personen, die keinen Grippeimpfstoff mit hoher Dosis erhielten, wurde kein erhöhtes Risiko beobachtet.

Umgang mit Gerinnungshemmern vor und nach der Impfung

Patienten mit Vorhofflimmern oder Schlaganfällen nehmen oft Gerinnungshemmer zur Blutverdünnung ein. Die Ständige Impfkommission rät auch Patienten unter Antikoagulation (Gerinnungshemmer) zur Covid-19-Impfung. Die Impfung muss intramuskulär, also in den Muskel, verabreicht werden. Bei einer intramuskulären Impfung besteht für Patienten, die Gerinnungshemmer einnehmen, eine erhöhte Gefahr von Einblutungen. Deswegen sollte eine sehr feine Injektionskanüle genutzt werden und die Einstichstelle sollte nach der Impfung mindestens zwei Minuten fest komprimiert werden. Bei den betroffenen Patienten ist eine verlängerte Nachbeobachtungszeit von bis zu 30 Minuten (statt 15 Minuten) nach der Impfung empfohlen. Es besteht eventuell die Möglichkeit, die Medikamente vor der Impfung abzusetzen.

Empfehlungen für Folgeimpfungen (Booster)

Die Booster-Impfung stellt nicht nur den Immunisierungszustand nach der 2. Impfung wieder her, sondern die Immunität wird besser als nach der 2. Impfung. Vier Wochen nach der 3. Impfung sind die Antikörper wesentlich erhöht. Damit ist man auch besser vor der Delta-Variante geschützt. Es würde jeder - unabhängig von Alter oder Vorerkrankung - von einer dritten Impfung profitieren. Für Menschen mit geschwächtem Immunsystem ist die 3. Impfung allerdings relevanter. Außerdem bilden ältere Menschen weniger Antikörper, weswegen auch bei ihnen die 3. Impfung relevanter ist. Bei jüngeren, gesunden Menschen ist der Booster noch nicht notwendig. Die 3. Impfung verringert das Risiko zur Weitergabe des Virus noch erheblicher als die ersten Impfungen. Deswegen ist eine 3. Impfung auch für junge, gesunde Menschen jetzt bereits ratsam, die im ärztlichen, pflegerischen oder therapeutischen Bereich arbeiten. Bei der einmaligen Impfung mit Johnson&Johnson gibt es die meisten Impf-Durchbrüche, also Menschen, die trotz Impfung am Corona-Virus erkranken. Deswegen sollen diese Personen ab vier Wochen nach der Impfung mit einem mRNA-Impfstopp ein zweites Mal geimpft werden.

Eine dritte Impfung kann bei der Omikron-Variante die meisten schweren Verläufe verhindern - auch bei Risiko-Patienteninnen und Patienten. Eine vierte Impfung kann für Schlaganfall-Betroffene trotzdem sinnvoll sein. Denn das Ansteckungsrisiko ist durch die neue Virusvariante hoch. Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat hier eine entsprechende Empfehlung für Menschen ab 70 und Menschen mit Immunschwäche, beispielsweise nach Schlaganfall, bereits ausgesprochen. Die insgesamt vierte Impfdosis sollten entsprechende Personen frühestens drei Monate nach der ersten Auffrischung erhalten.

Vorgehen bei Verdacht auf Impfnebenwirkungen

Wenn der Verdacht besteht, dass ein Schlaganfall im direkten Zusammenhang mit der Impfung steht, kann dies dem Paul-Ehrlich-Institut mitgeteilt werden.

Spätfolgen und neue Nebenwirkungen

Mit einer Spätfolge ist nicht zu rechnen, das ist äußerst unwahrscheinlich. Der Impfstoff bleibt zwei Wochen im Körper. In diesen zwei Wochen hat der Körper die Möglichkeit, einen Immunschutz aufzubauen, Antikörper zu bilden und nach zwei Wochen ist der Impfstoff weg. Und deshalb treten Nebenwirkungen, wenn sie denn auftreten, sehr zeitnah nach der Impfung auf. Je mehr Menschen geimpft sind, desto eher kann es dann auch noch einmal dazu kommen, dass Nebenwirkungen bekannt werden, von denen wir vorher noch nichts wussten. Aber dass „böse Überraschungen“ auftreten, ist äußerst unwahrscheinlich.

Überwachung von Impfnebenwirkungen

Zum einen gibt es sehr große Zulassungsstudien, die Sicherheitssignale liefern, und zum anderen gibt es das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), bei dem mögliche Nebenwirkungen gemeldet werden und auch bewertet werden. Es werden dort aber auch Daten aus dem Ausland verarbeitet und dies trägt dazu bei, dass keine mögliche Nebenwirkung „durch den Rost fällt“, dass nichts unerkannt bleibt.

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