Ein Schlaganfall kann das Leben von Betroffenen und ihren Angehörigen von einem Moment auf den anderen verändern. Plötzlich auftretende Durchblutungsstörungen im Gehirn können weitreichende Folgen haben und einen Pflegebedarf auslösen. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über verschiedene Pflegekonzepte und Aspekte der Versorgung von Schlaganfallpatienten, um Betroffenen und ihren Familien zu helfen, den Weg zurück in ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu finden.
Schlaganfall: Was bedeutet das?
Bei einem Schlaganfall wird die Blutversorgung des Gehirns unterbrochen, was zu einer Unterversorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen führt. Da das Gehirn nur für sehr kurze Zeit Sauerstoff- und Zuckermangel toleriert, ist schnelles Handeln entscheidend. Der Leitsatz lautet: "Time is brain" - jede Sekunde zählt.
Ein Schlaganfall kann in jedem Alter auftreten, auch Kinder können betroffen sein. Die Statistik zeigt, dass das Risiko mit zunehmendem Alter steigt. Zu den typischen Folgen eines Schlaganfalls gehören:
- Lähmungserscheinungen (oft halbseitig)
- Sprachstörungen
- Schwindel
- Koordinationsstörungen
- Orientierungsstörungen
- Sehstörungen
- Persönlichkeitsveränderungen
Diese Folgen können zu Pflegebedürftigkeit führen.
Akutversorgung und die Stroke Unit
Die Akutversorgung von Schlaganfallpatienten ist entscheidend, um die Schäden im Gehirn zu minimieren. In vielen Kliniken gibt es spezielle Abteilungen für Schlaganfallpatienten, sogenannte "Stroke Units". Diese sind auf die multidisziplinäre Behandlung von Schlaganfällen spezialisiert und gemäß den Qualitätsstandards der Deutschen Schlaganfallgesellschaft und der Stiftung Deutscher Schlaganfallhilfe zertifiziert.
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Eine Stroke Unit ist eine Spezialstation mit 24-Stunden-Überwachung. Hier kann dank optimaler Ausstattung innerhalb kürzester Zeit eine komplette Diagnose gestellt und mit einer Behandlung begonnen werden. Diese umfasst:
- Medikamentöse Therapie
- Physio- und ergotherapeutische Behandlung
- Logopädische Diagnostik und Therapie
- Rehabilitation
Das optimale Zusammenspiel des Teams auf der Stroke Unit, bestehend aus Ärzten, Pflegekräften und Therapeuten, ist von großer Bedeutung. Jedes Jahr besteht die Möglichkeit, im Pflegebereich eine Weiterbildung zur Stroke Nurse zu absolvieren. Auch zusätzliche Qualifikationsmöglichkeiten werden von der neurologischen Klinik gefördert und unterstützt.
Behandlungsmethoden in der Akutphase
Je nach Ursache des Schlaganfalls kommen verschiedene Behandlungsmethoden zum Einsatz:
- Thrombolyse (Lyse-Therapie): Bei einem durch ein Blutgerinnsel verursachten Schlaganfall werden Medikamente verabreicht, die das Gerinnsel auflösen sollen. Diese Therapie kann in Einzelfällen bis zu neun Stunden nach dem Auftreten der ersten Symptome möglich sein.
- Thrombektomie: Bei dieser katheterbasierten Methode wird versucht, das verschlossene Gefäß wieder zu eröffnen. Der Katheter wird über die Leistenarterie eingeführt.
- Operation am offenen Gehirn: Bei einer Hirnblutung kann eine Operation notwendig sein, um die Blutung zu stoppen und den Druck im Gehirn zu entlasten.
Zusätzlich ist eine engmaschige Überwachung auf der Stroke Unit oder Intensivstation erforderlich, um den Blutdruck und Blutzucker des Patienten exakt einzustellen und Komplikationen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Rehabilitation nach dem Schlaganfall
Nach der Akutversorgung ist die Rehabilitation ein wichtiger Schritt, um die verlorengegangenen Fähigkeiten wiederzuerlangen und die Lebensqualität zu verbessern. Die Rehabilitation ist stets individuell, da kaum ein Schlaganfall dem anderen gleicht.
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Phasen der neurologischen Rehabilitation
Die neurologische Rehabilitation umfasst verschiedene Phasen:
- Frührehabilitation: Oberstes Ziel ist die Wiederherstellung der körperlichen Funktionen. Je früher geeignete Therapiemaßnahmen und Übungen umgesetzt werden, desto eher können die Schlaganfall-Symptome behandelt und schwerere Folgeschäden verringert werden.
- Weiterführende Rehabilitation: Nach dem Krankenhausaufenthalt sind weiterführende Reha-Maßnahmen sinnvoll, um die Selbstständigkeit im Alltag weiter zu verbessern.
Viele Reha-Maßnahmen werden heute bereits ambulant, aber auch in stationären geriatrischen oder neurologischen Reha-Kliniken angeboten. Seit 2007 haben viele ältere Patienten einen Rechtsanspruch auf eine geriatrische Rehabilitation.
Therapieansätze in der Rehabilitation
Im Rahmen der Rehabilitation kommen verschiedene Therapieansätze zum Einsatz:
- Physiotherapie: Zur Verbesserung der Beweglichkeit, Kraft und Koordination.
- Ergotherapie: Zur Förderung der Selbstständigkeit im Alltag durch Training alltagsrelevanter Handlungen.
- Logopädie: Zur Behandlung von Sprach-, Sprech- und Schluckstörungen.
- Neuropsychologie: Zur Behandlung von kognitiven Störungen wie Gedächtnis- oder Aufmerksamkeitsstörungen.
- Musiktherapie: Kann zur Verbesserung der emotionalen und kognitiven Fähigkeiten beitragen.
Das Bobath-Konzept
Das Bobath-Konzept ist ein umfassendes Bewegungskonzept zur Rehabilitation von Patienten mit Erkrankungen des zentralen Nervensystems, insbesondere nach einem Schlaganfall. Es basiert auf der Annahme, dass das Gehirn lebenslang lernfähig ist und neue Verbindungen zwischen den Nervenzellen bilden kann.
Ziel des Bobath-Konzepts ist es, die Beweglichkeit der beeinträchtigten Körperregionen zu verbessern und die Selbstständigkeit im Alltag zurückzugewinnen. Dies geschieht durch immer wiederkehrende Bewegungsmuster, die in den Tagesablauf integriert werden.
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Wichtige Elemente des Bobath-Konzepts:
- Normalisierung des Muskeltonus: Die Pflegenden achten auf eine entspannte Lage des Körpers und insbesondere der gelähmten Extremitäten.
- Integration beider Körperhälften: Beide Körperhälften werden stets in den Bewegungsablauf integriert, damit die gelähmte Seite angeregt wird.
- Aktivierende Pflege: Die Pflegenden fördern die Ressourcen der Patientin/des Patienten und unterstützen sie/ihn dabei, aktiv an den Bewegungsabläufen teilzunehmen.
- Lagerung nach Bobath: Spezielle Lagerungen können helfen, den Muskeltonus zu regulieren und die Körperwahrnehmung zu verbessern.
- Transfer nach Bobath: Die Patienten werden aktiv in sämtliche Positionswechsel mit einbezogen.
- Waschen nach Bobath: Beim Waschen wird stets von der gesunden zur kranken Seite hin gearbeitet, um die Körperwahrnehmung zu fördern.
Das Bobath-Konzept sieht keine starren Übungsabläufe vor. Die Therapie wird immer individuell auf jeden Patienten zugeschnitten, je nach dem Ausmaß seiner Bewegungseinschränkung und der betroffenen Körperteile.
Vojta-Therapie
In der Altenpflege kann die Krankengymnastik nach Vojta eine gute Ergänzung zum Bobath-Konzept sein. Hierbei aktivieren Physiotherapeuten die natürlichen menschlichen Bewegungsmuster über verschiedene Druckpunkte. Dadurch lassen sich Symptome wie beispielsweise Spastizität lindern und Bewegungsniveaus verbessern. Der Unterschied zu Bobath: Vojta soll angeborene Bewegungsmuster aktivieren, Bobath schafft neue Verknüpfungen im Gehirn.
Pflege zu Hause
Viele Schlaganfallpatienten können zu Hause gepflegt werden. Dies erfordert jedoch oft eine Anpassung der Wohnumgebung an die Bedürfnisse des Patienten. Treppen, hohe Türschwellen oder beengte Räumlichkeiten können für Pflegebedürftige vor große Herausforderungen stellen. Glücklicherweise gibt es finanzielle Unterstützung für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen.
Typische Pflegetätigkeiten in der häuslichen Schlaganfall-Pflege
- Hilfe beim Ankleiden und bei der Mobilisation
- Körperpflege-Maßnahmen wie Zähneputzen, Unterstützung beim Duschen oder Baden
- Nahrungszubereitung und Hilfe bei der Nahrungsaufnahme
- Begleitung zu Arztterminen und Mitgestaltung der Freizeit
Unterstützung für pflegende Angehörige
Pflegende Angehörige leisten eine wichtige Arbeit und sollten sich nicht scheuen, Unterstützung anzunehmen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Unterstützung:
- Pflegegeld: Eine finanzielle Unterstützung für die Pflege durch Angehörige.
- Entlastungsbetrag: Ein monatlicher Betrag zur Finanzierung von Entlastungsleistungen wie z.B. Tagespflege oder Haushaltshilfe.
- Pflegesachleistungen: Die Kosten für die professionelle Pflege durch einen Pflegedienst werden von der Pflegekasse übernommen.
- Pflegehilfsmittel zum Verbrauch: Kostenlose Lieferung von Pflegehilfsmitteln wie z.B. Bettschutzeinlagen oder Desinfektionsmittel.
- Selbsthilfegruppen: Ein Austausch mit anderen Betroffenen kann sehr hilfreich sein.
- Pflegestützpunkte: Bieten Beratung und Unterstützung rund um das Thema Pflege.
- Behandelnder Arzt: Ein wichtiger Ansprechpartner für alle Fragen rund um die Gesundheit des Patienten.
- Tagesbetreuung: Eine Möglichkeit, den Patienten tagsüber betreuen zu lassen, um Angehörige zu entlasten.
Pflegegrad
Es gibt keine allgemeingültige Pflegestufe (neu Pflegegrad) für Schlaganfallpatienten. Welchen Pflegegrad die Pflegekasse erteilt, hängt maßgeblich davon ab, inwieweit die Selbstständigkeit des Angehörigen eingeschränkt ist. Je höher der Pflegegrad ausfällt, desto häufiger ist er auf eine pflegerische Unterstützung im Alltag angewiesen. Bei einer Lähmung kommt prinzipiell Pflegegrad 3-5 infrage.
Hilfsmittel
Hilfsmittel können die Selbstständigkeit des Betroffenen erhöhen, die Hygiene unterstützen und Ihnen Entlastung im Pflege-Alltag bringen.
Technische Hilfsmittel:
- Rollator
- Rollstuhl
- Pflegebett
- Badewannenlift
- Hausnotruf
Elektronische Hilfsmittel und Alltagshilfen:
- Sprechende Zeigetafeln
- Kombinationsgeräte mit Touchscreen und Sprachausgabe
- Besonderes Besteck
- Dosenöffner
- Teleskopschuhanzieher
- Greifzangen
Pflegehilfsmittel zum Verbrauch:
- Bettschutzeinlagen
- Schutzkittel zur Inkontinenz-Pflege
Die Kosten für technische Pflegehilfsmittel werden in der Regel von der Krankenkasse bzw. Pflegekasse übernommen, wenn eine ärztliche Verordnung vorliegt.
Kommunikation mit Schlaganfallpatienten
Sprachstörungen sind eine häufige Folge eines Schlaganfalls. Die Angst, sich nicht mehr verständlich äußern zu können, ist eine große Belastung für die Betroffenen. Es gibt jedoch Möglichkeiten, die Kommunikation zu erleichtern:
- Nehmen Sie dem Angehörigen die Wörter nicht vorweg. Warten Sie stattdessen, bis Ihr Familienmitglied seine Gedanken formuliert hat, auch wenn das einige Zeit dauert.
- Reden Sie langsam und deutlich. Ihrem Angehörigen hilft es, wenn Sie Ihr Anliegen in klare Worte packen - Mimik und Gestik sind sinnvolle Sprachbegleiter.
- Geben Sie Ihrem Angehörigen eine positive Rückmeldung. Ihr Familienmitglied hat es geschafft, einen Satz zu formulieren, Sie konnten den Inhalt aber nicht ganz verstehen? Dann fragen Sie einfach nach: „Meinst du den Supermarkt um die Ecke?“
- Lassen Sie Fehler, Fehler sein. Menschen mit Sprachstörungen machen oft Fehler beim Satzbau oder verwenden einen Begriff an nicht passender Stelle. Verzichten Sie darauf, Ihren Angehörigen zu korrigieren.
- Animieren Sie Freunde, Bekannte und Angehörige. Viele Menschen fühlen sich sehr verunsichert, wenn sie sich mit jemandem unterhalten, der Sprachstörungen hat. Dabei spielen Ungeduld und die Angst, nicht richtig zu reagieren, eine Rolle.
Prophylaxen zur Vermeidung eines erneuten Schlaganfalls
Bei der Pflege von Patienten mit Schlaganfall ist es besonders wichtig, erneuten Schlaganfällen vorzubeugen.
Vorbeugende (prophylaktische) Maßnahmen:
- Vermeiden Sie Bluthochdruck: Kontrollieren Sie regelmäßig die Blutdruckwerte - ein optimaler Wert liegt bei maximal 135/85 mmHg. Mit einer kochsalzarmen Ernährung und einem Gewichtsverlust können Sie den Blutdruckwert positiv beeinflussen.
- Motivieren Sie Ihren Angehörigen mit dem Rauchen aufzuhören: Tabakkonsum erhöht ebenfalls das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden.
- Lassen Sie die Zuckerkrankheit überwachen: Diabetiker haben ein zwei- bis dreifach erhöhtes Schlaganfall-Risiko. Ist Ihr Angehöriger zuckerkrank, sollten seine Werte regelmäßig überprüft und bei Bedarf Insulin verabreicht werden.
- Helfen Sie Ihrem Angehörigen dabei, Übergewicht zu verlieren: Auch Übergewicht kann das Schlaganfall-Risiko negativ beeinflussen. Mit einer nährstoffreichen, fleischarmen und betont pflanzlichen Ernährung kann Ihr Familienmitglied nicht nur überflüssiges Gewicht verlieren, sondern auch erhöhte Blutfette senken.
Ernährung
Eine besondere Ernährung nach einem Schlaganfall kann eine gute Prävention sein, um einen weiteren Schlaganfall zu verhindern. Orientieren Sie sich an den Grundregeln der „mediterranen Diät“: Eine Mischkost aus viel Obst und Gemüse, Olivenöl, Fisch sowie wenig rotem Fleisch.
Pflegekonzepte
Um den vielfältigen Krankheitsbildern, den individuellen Bedürfnissen und der Ressourcenförderung der Patient*innen gerecht zu werden, bedient sich die Pflege nachstehender Pflegekonzepte.
- Kinästhetik: In Grund- und Aufbaukursen sind Pflegende in das kinästhetische Konzept eingeführt worden, um bewegungseingeschränkten Menschen ein interaktives Bewegungsangebot bieten zu können. Nach kinästhetischen Gesichtspunkten durchgeführte Mobilisation und Bewegung wirkt sich positiv auf Vitalfunktionen, auf Schlafqualität, auf Schmerzzustände und auf das allgemeine Wohlbefinden der Patient*innen aus.
- Beratung und Schulung der Patientinnen: Unterstützung bei der Bewältigung krankheitsbedingter Probleme zu geben, eine bewusste Auseinandersetzung mit der Krankheit und aktive Einflussnahme auf den Krankheitsverlauf durch Übernahme von Eigenverantwortung durch die Patientin/den Patienten zu erreichen und letztendlich seine Lebensqualität zu verbessern, sind Ziele eingehender Beratung und Schulung der Patientinnen.
- Basale Stimulation: Das Konzept der Basalen Stimulation® beinhaltet die ganzheitliche und individuelle Pflege einer Patientin/eines Patienten, um sie/ihn so zur Selbstständigkeit zu begleiten. Angeboten wird dieses Pflegekonzept Patient*innen, die in ihrer Wahrnehmung beeinträchtigt sind.
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